Chief Digital Officer

Deutsche CDOs sehen Defizite beim digitalen Wandel

12.06.2018 von Wolfgang Herrmann
Auf dem langen Weg der digitalen Transformation melden deutsche CDOs erste Erfolge. Doch der notwendige kulturelle Wandel in den Unternehmen bleibt eine Herausforderung.

Digitalisierung funktioniert, auch wenn es in vielen Bereichen Widerstände und reichlich Luft nach oben gibt. So beurteilen Chief Digital Officers (CDOs) aus Deutschland den aktuellen Stand der digitalen Transformation in ihren Unternehmen. Vom digitalen Wandel erhoffen sie sich vor allem neue Geschäftsmodelle, zusätzliche Vertriebs- und Distributionswege sowie sinkende Kosten.

Die digitale Transformation ist auch eine Herausforderung für die Unternehmenskultur, berichten deutsche CDOs.
Foto: Robert Kneschke - shutterstock.com

Eine aktuelle Studie belegt, dass die Hoffnungen durchaus berechtigt sind. Die Hamburger Headhunting-Agentur CareerTeam befragte dazu 65 CDOs aus Deutschland. Die Teilnehmer arbeiten in unterschiedlichen Branchen, ihre Unternehmen beschäftigen zwischen wenigen Dutzend und gut 300 000 Mitarbeitern. Um die Ergebnisse einordnen zu können, interviewten die Initiatoren zusätzlich 64 CDOs aus der Schweiz als Vergleichsgruppe.

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Vier von fünf deutschen Digitalchefs gaben als Motiv für ihre Digitalisierungsmaßnahmen das Erschließen neuer Geschäftsfelder an; für rund 87 Prozent hat sich diese Erwartung erfüllt. Auch beim zweitwichtigsten Ziel, neue Vertriebs- und Distributionswege zu erschließen, berichten gut 78 Prozent von Verbesserungen.

Natürlich spielen auch Kostenaspekte eine gewichtige Rolle. So wollen fast 70 Prozent der Befragten die Kosten für Offline-Prozesse senken, vier von fünf erreichen dieses Ziel auch.

Generell zählten Kostenziele aber nicht zu den dominierenden Faktoren, so die Studienautoren. So wurden geringere Produktionskosten lediglich in jedem zweiten und niedrigere Personalkosten nur in jedem dritten Fall als Motiv für Digitalisierungsmaßnahmen angegeben. Im Ländervergleich zeigte sich allerdings, dass die hiesigen Digitalmanager Produktions- und Personalkosten doppelt so häufig nannten wie ihre Amtskollegen aus der Schweiz.

Vier von fünf deutschen CDOs gaben als Motiv für ihre Digitalisierungsmaßnahmen das Erschließen neuer Geschäftsfelder an. In den meisten Fällen erfüllte sich diese Hoffnung.
Foto: CareerTeam

Wichtiger als diese beiden Aspekte ist den CDOs offenbar eine verbesserte Kundenkommunikation (siehe Grafik). Dahinter dürften insbesondere die vielfältigen Bemühungen rund um eine Digital Customer Experience stecken. Eng damit verbunden ist das ebenfalls genannte Ziel, individuelle Kundenwünsche besser umzusetzen.

Welche Maßnahmen CDOs ergreifen

Beim Umsetzen ihrer strategischen Ziele setzen die CDOs sowohl auf technische Innovationen als auch auf strukturelle Veränderungen in ihren Unternehmen. Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen steht dabei ganz oben auf der Liste der Maßnahmen, gefolgt von Cloud-Lösungen und der Digitalisierung der internen und externen Kommunikation. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Aufbau digitaler Vertriebskanäle (siehe Grafik).

Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen steht auf der To-Do-Liste der CDOs ganz oben.
Foto: CareerTeam

Weniger als die Hälfte der Befragten plant hingegen eine eigene Big-Data-Abteilung. Angesichts der rapide wachsenden Bedeutung von Big-Data- und Analytics-Technologien fällt dieser Wert überraschend niedrig aus. "Häufig mangelt es Unternehmen schlichtweg an geeignetem Personal, um aus 'Big Data' auch 'Smart Data' zu machen", beobachtet Ole Mensching, Geschäftsführer von CareerTeam. "Die Position des 'Smart Data-Analysten' wird in diesem Kontext zukünftig noch mehr als schon jetzt zu einer Schlüsselposition für die Erschließung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle."

Wer den digitalen Wandel verantwortet

Kein einheitliches Bild ergibt sich bei der Frage, wer den digitalen Wandel letztlich verantwortet. Nur 43 Prozent der deutschen CDOs gaben an, federführend für die Koordination der Digitalisierung in ihrem Unternehmen verantwortlich zu sein. In vielen Fällen haben zusätzlich andere, verwandte Funktionsträger die Entscheidungshoheit, darunter CIOs, Heads Of Digital und IT-Leiter.

In jedem fünften Fall steuert die Geschäftsführung beziehungsweise der Vorstand die Transformation; in der Schweiz liegt dieser Wert bei über 50 Prozent. Das Thema Digitalisierung scheint bei den Eidgenossen also eher Chefsache zu sein als hierzulande.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass die Digitalisierungsbemühungen in Deutschland auf viele Schultern verteilt würden. So setzt den Angaben zufolge gut ein Drittel der Unternehmen auf Projektarbeit in Labs, Acceleratoren und Inkubatoren. Die schweizer Vergleichsgruppe kommt hier nur auf 20 Prozent. Darüber hinaus vertrauen 23 Prozent der Digitalchefs in Deutschland auf die Unterstützung durch externe Dienstleister, in der Schweiz sind es nur sechs Prozent.

Die größten Hürden bei der Digitalisierung

Dass der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern zu den größten Hemmschuhen des digitalen Wandels gehört, sehen auch die meisten CDOs so (siehe Grafik). Die Studie legt allerdings noch andere Defizite offen. So nannten 59 Prozent der Teilnehmer eine "falsche Unternehmenskultur". Auch die von Experten immer wieder erhobene Forderung, die Digitalisierung in den Unternehmen müsse Chefsache sein, scheint in der Praxis oft nicht anzukommen. So berichten knapp 54 Prozent der CDOs von einer "fehlenden Änderungsbereitschaft im Management". Die Führungskräfte schneiden dabei nur wenig besser ab als die Mitarbeiter insgesamt, denen 63 Prozent der Digitalchefs eine fehlende Bereitschaft zu Veränderungen attestieren.

Einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern beklagen auch deutsche CDOs. Doch es gibt noch andere Defizite, die den Transformationsprozess bremsen.
Foto: CareerTeam

Einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern beklagen auch deutsche CDOs. Doch es gibt noch anderen Defizite, die den Transformationsprozess bremsen.

Es reiche eben nicht, CDOs und ihren Abteilungen einfach nur großzügige Budgets zur Verfügung zu stellen, kommentiert CareerTeam-Chef Mensching. "Viele Mitarbeiter und auch Manager zeigen sich nicht im erforderlichen Maße offen und bereit für die Transformation." Dieser menschlich verständlichen Haltung müssten die Unternehmensführungen mit intensiverer Kommunikation, Moderation und aktiver Einbindung begegnen.

Stand der Digitalisierung: CDOs nur mäßig zufrieden

Angesichts solcher Widerstände überrascht es nicht, dass weniger als die Hälfte der befragten CDOs mit dem aktuellen Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen zufrieden ist. Mensching legt den Finger in die Wunde: "Fehlende Rückendeckung in der Unternehmensführung, starre Haltung und fehlende Qualifikationen bei den Mitarbeitern - das beeinträchtigt selbstverständlich den Erfolg jeder Digitalisierungsstrategie und damit auch die Zufriedenheit bei den CDOs".

Jobkiller Digitalisierung?

Die Digitalisierung in den Unternehmen geht einher mit einer immer weiter reichenden Automatisierung, die längst auch klassische Bürotätigkeiten erfasst hat. Hinzu kommt der wachsende Einsatz neuer Technologien insbesondere aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Vor diesem Hintergrund warnen nicht wenige Experten vor einem massiven Stellenabbau. Die interviewten CDOs teilen diese Befürchtungen mehrheitlich nicht. In der nahen Zukunft erwarten sie unterm Strich sogar positive Effekte.

Unterm Strich erwarten die CDOs durch die Digitalisierung positive Effekte auf den Arbeitsmarkt.
Foto: CareerTeam

Gemessen an den zum Befragungszeitpunkt aktuellen Zahlen gaben die Digitalchefs an, dass ihre Unternehmen zwischen 2018 und 2023 im Durchschnitt die Mitarbeiterzahl um 15 Prozent erhöhen wollten. Der geplante Stellenabbau beträgt demnach im gleichen Zeitraum nur gut sechs Prozent. Auffällig ist, dass nicht nur die großen Konzerne, sondern vor allem auch Mittelständler mehr Mitarbeiter beschäftigen wollen. Zwei von drei Betrieben hegen entsprechende Pläne.

"Wir sehen eher einen steigenden Bedarf an Arbeitskräften", sagt auch Mensching. Auch wenn neu geschaffene Stellen eher Spezialisten beträfen, sei diese Entwicklung unterm Strich positiv zu bewerten: "Viele Unternehmen werden sich aufgrund des Fachkräftemangels mit internen Weiterbildungen und einer Qualifizierung des bestehenden Personals weiterhelfen."

Profitieren könnten von dieser Entwicklung insbesondere kleinere Unternehmen. Während sich die Stellenanzahl in Firmen mit mindestens 5000 Mitarbeitern im Zuge der Digitalisierung nur marginal um 0,2 Prozent verbessert, rechnen CDOs aus kleineren Firmen mit einem durchschnittlichen Anstieg um knapp 10 Prozent.

Die Kultur entscheidet über den Digitalisierungserfolg

Beim Umsetzen digitaler Transformationsstrategien werde es auch in Zukunft darauf ankommen, "den unternehmerischen Handlungen zeitgemäße Kulturen zugrunde zu legen", resümieren die Studienautoren. Sie zitieren dazu unter anderem Cornelius Hilbig, den CDO und Head of Digital Services / IT bei der Eissmann Automotive Deutschland GmbH: "Digitalisierung nimmt keine Rücksicht auf die Unternehmens- oder Organisationsgrenzen. Das stellt eine Herausforderung für die Unternehmenskultur dar."

„Viele Mitarbeiter und auch Manager zeigen sich nicht im erforderlichen Maße offen und bereit für die Transformation“, urteilt Ole Mensching von der Headhunting-Agentur CareerTeam.
Foto: CareerTeam

Ähnlich argumentiert Nicolay Merkt, Geschäftsführer der Fashion ID GmbH & Co. KG, hinter der sich der Online-Shop des Bekleidungsunternehmens Peek & Cloppenburg verbirgt: "Neben der Bereitschaft, nötige Innovationsbudgets bereitzustellen, braucht es insbesondere Mut zum Risiko und eine gewisse Toleranz gegenüber dem Scheitern." Hier hinke Deutschland besonders im Vergleich zu den USA und Pionieren aus dem Silicon Valley hinterher.

Eckdaten zur "CDO-Studie 2018"

Organisator: CAREERTEAM GmbH

Vorgehen und Methode: