Desktop-Software geht in den Ruhestand

08.03.2004 von Frank Niemann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Portale mausern sich immer mehr zum zentralen Desktop im Unternehmen. Waren es anfangs Spezialanbieter, die entsprechende Software zum Errichten von Firmenportalen auf den Markt brachten, haben sich inzwischen viele Hersteller diesem Thema zugewandt. Anwender sind gut beraten, auf die von den Anbietern unterstützten Standards zu achten.

Den Markt für Firmenportale haben unter anderem Spezialisten wie die amerikanische Softwareschmiede Plumtree geprägt. Mittlerweile bieten viele Anbieter aus verschiedenen Softwaresegmenten Portalsysteme an und setzen bei ihrer Produktstrategie unterschiedliche Schwerpunkte. So liefern praktisch alle Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware entweder eigene Portalfunktionen oder kooperieren mit Herstellern marktgängiger Portalumgebungen. Ihr Ansatz sieht mittelfristig die Ablösung von dedizierter Client-Software vor.

Mit dem Tool "Workshop" von Bea Systems können Anwender Portaloberflächen einrichten und gleichzeitig Web-Applikationen erstellen.

Ebenso haben es Hersteller von Infrastrukturplattformen wie IBM, Sun oder Bea verstanden, ihre Applikations-Server mit Portalfunktionen aufzuwerten. Sie ergänzen so ihre Server und Integrationswerkzeuge, um Anwendungen am Web-Frontend einzubinden.

Eine vierte Anbietergruppe bilden die Lieferanten von Content-Management- und Dokumenten-Management-Lösungen. Sie entwickeln Web-Oberflächen, über die der Anwender auf unterschiedliche Inhalte, seien es nun Office-Dokumente, Grafiken, HTML-Seiten oder eingescannte Papierformulare, zugreifen kann.

Portaloberflächen setzen sich aus einzelnen HTML-Modulen ("Portlets") zusammen, die den Zugriff auf Informationen oder Applikationsfunktionen erlauben. Hatten die Hersteller in Sachen Portlets anfangs ihr eigenes Süppchen gekocht, gehen sie nun dazu über, von Standardisierungsgremien entwickelte Spezifikationen in ihren Produkten zu berücksichtigen. Dazu zählt zum Beispiel die Java Portlet Specification des Java Community Process, die aus dem Vorschlag JSR 168 (Java Specifikation Request) hervorging (COMPUTERWOCHE berichtete). Die darin definierte Programmierschnittstelle stellt ein standardisiertes Interface zwischen Portlet und Portal-Server bereit. Die Idee dabei ist, dass Anwender ein für einen Portal-Server geschriebenes Modul auch in der Umgebung eines anderen Anbieters nutzen können.

Einen weiteren Standard brachte die Industrieallianz Oasis mit der Spezifikation Web Services for Remote Portlets (WSRP) hervor. Sie beschreibt ein auf dem Simple Object Access Protocol (Soap) basierendes Verfahren, mit dem Portlets Inhalte nach außen anbieten. Auf diese Weise können Firmen, die mehrere Portale betreiben, Content unkompliziert in alle Frontends einblenden. Zudem gestattet es WSRP den Portalbetreibern, ohne großen Aufwand Inhaltsangebote externer Websites in die eigenen Umgebungen einzubetten. Im einfachsten Fall sind dies Wetterberichte oder Nachrichtenticker. Möglich wären aber auch Funktionsbausteine wie etwa die Paketverfolgung eines Logistikdienstleisters. Alle hier aufgeführten Anbieter haben diese Standards bereits in ihren Produkten berücksichtigt oder arbeiten an der Realisierung.

Auf der CeBIT

aabaXX, Halle 4, Stand F67

Bea Systems, Halle 3, Stand C20

Hummingbird, Halle 3, Stand D30

IBM, Halle 1, Stand 5d2

SAP, Halle 4, D12 (Hauptstand)

Sun Microsystems, Halle 1, Stand 8a1 und 8a2

Vignette, Halle 4, Stand A12 (Stand von IBM)

Ein Vertreter der Kategorie Portalspezialist ist die Stuttgarter Abaxx Technology AG (Halle 4, Stand F67). Die Software "Abaxx Components 3.6" soll es Anwendern erlauben, mit wenigen Mausklicks Portalseiten zu konfigurieren. Der Benutzer verwendet hierzu einen "Portal Builder". Die erforderlichen Komponenten liefert ein Framework namens "Vanilla". Der Hersteller bezeichnet seine Software als Prozessportal, da es damit möglich sein soll, Web-basierende Geschäftsprozesse zu gestalten. Das Produkt verfügt über eine Process-Engine, die vordefinierte Abläufe ausführt. Hierbei integriert die Abaxx-Software Backend-Informationen. Das Unternehmen bietet eine Reihe von vorgefertigten Geschäftsprozessen als "Component" an. So lassen sich beispielsweise mit "Advice Component" Online-Beratungsanwendungen bauen. Die Abaxx-Software läuft auf einem J2EE-Server. Unterstützt werden die Systeme von Bea Systems, IBM, Jboss und

neuerdings auch SAPs "Web Application Server".

Der Abaxx-Partner Bea (Halle 3, Stand C20), einer der Infrastrukturanbieter im Portalmarkt, liefert jedoch auch ein eigenes Portal für seinen Applikations-Server "Weblogic". Die Software "Weblogic Portal 8.1" verfügt mittlerweile über ein einheitliches Tool zum Portaldesign und zur Softwareentwicklung. Beas "Weblogic Workshop" wurde hierzu entsprechend erweitert. Mit Hilfe dieses Werkzeugs können Entwickler rasch Web-Services, Web-Anwendungen und Geschäftsprozesse miteinander kombinieren, um neue Portalressourcen zu schaffen, verspricht der Anbieter. Vorgefertigte Portal Controls lassen sich an die Bedürfnisse des Anwenders anpassen beziehungsweise erweitern. Bea unterscheidet hier zwischen Personalisierungs-, Event- und Enterprise-Javabean-(EJB-)Controls. "Java Page Flows" erleichtern die Navigation zwischen verschiedenen Web-Seiten, die mit Java Server Pages (JSPs) programmiert wurden. Inhalte sowie die Oberflächen von Anwendungen lassen sich über Portlets

integrieren. Ein mitgelieferter Portaldesigner vereinfacht die Konfiguration dieser Module durch Wizards.

IBM (Halle 1, Stand 5d2) ist Beas direkter Konkurrent im Infrastrukturgeschäft und liefert ebenfalls einen Portalzusatz für die J2EE-Plattform "Websphere". Der Konzern legt bei seinem Messeauftritt in puncto Portale den Schwerpunkt auf die Präsentation von Projekten. So wird das Stadtportal Muenchen.de zu sehen sein, das auf dem "Websphere Portal Server" unter dem Betriebssystem Linux aufsetzt. Big Blue liefert für sein Portalsystem "Productivity Portlets" aus, die dem Anwender einfache Funktionen für die Bürokommunikation in einer Web-Oberfläche zur Verfügung stellen.

Im Gegensatz zu so manchem Konkurrenzprodukt verfügt das Websphere-Angebot mit "Lotus Workplace" über eine umfangreiche Palette an Collaboration-Funktionen. Sie erlauben den Portalnutzern, über E-Mail, Instant-Messaging, Online-Konferenzen beziehungsweise über virtuelle Meeting-Räume miteinander zu kommunizieren. Eine weitere Komponente von Lotus Workplace gibt Anwendern Features zum Erstellen und Verwalten von Web-Seiten. Hier floss die Technik der unlängst von IBM gekauften Softwareschmiede Aptrix ein.

Java-Erfinder Sun Microsystems (Halle 1, Stand 8a1 und 8a2) konnte sich bisher als Portalanbieter nicht so in Szene setzen wie Bea und IBM. Gleichwohl verfügt auch dieser Hersteller über ein umfangreiches Angebot. Sun zeigt die aktuelle Version 6.2 des "Java System Portal Server", der zum "Java Enterprise System" gehört, unter dem die Kalifornier alle ihre Server-Software zusammengefasst haben. Neuerdings unterstützt das Portal auch andere Betriebssysteme als nur das hauseigene Solaris. Zudem lässt sich die Software sowohl unter Suns als auch unter Beas Applikations-Server betreiben.

Gemeinsam mit dem Partner Siemens Business Services zeigt Sun auf der Messe das Lösungspaket "E-Entry". Dabei handelt es sich um ein vorkonfiguriertes Mitarbeiter-portal auf der Grundlage des Java System Portal Server, das typische Prozesse des Personalwesens einbindet sowie Services für Kommunikation und Wissens-Management zur Verfügung stellt. Das Portalsystem integriert darüber hinaus die Selbstbedienungskiosksysteme von Wincor Nixdorf, um mit Portalanwendungen auch Mitarbeiter ohne PC-Arbeitsplätze, zum Beispiel in Werks- und Montagebereichen, zu erreichen.

Eine Besonderheit ist das optionale Produkt "Secure Remote Access", mit dem Anwender den Fernzugriff auf das Portal absichern können. Firmen nutzen dieses Feature beispielsweise, um Mitarbeitern von unterwegs ein sicheres Login zu ermöglichen beziehungsweise Geschäftspartner an Web-Anwendungen teilhaben zu lassen. Authentifizierungsmechanismen sollen sicherstellen, dass nur erwünschte Nutzer Zugang erhalten. Diese Ergänzung unterstützt nicht nur Suns Portal, sondern auch SAPs "Enterprise Portal 6".

Das Portalprodukt der Walldorfer soll den Anwendern der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware eine modernere Benutzeroberfläche verleihen. SAP (Halle 4, Stand D12) passt neue Softwarefunktionen nur noch an das Portal an. Mit der Version 6.0 liefert der Hersteller eine erweiterte Software, die unter anderem Unix-Betriebssysteme unterstützt, eine Linux-Variante kommt demnächst auf den Markt. Zuvor mussten Anwender mit Windows als Plattform vorlieb nehmen, was manchen Kunden davon abhielt, das SAP-Portal in großem Umfang zu installieren. Eine weitere Neuerung betrifft die Sprachunterstützung: Firmen können ihr Web-Portal in 20 verschiedenen Landessprachen anbieten. Grundlage dafür ist die Unicode-Technik. Über "Iviews" greift der Nutzer auf die Funktionen im Backend zu. Sowohl SAP selbst als auch eine Reihe von Partnerunternehmen entwickeln solche Portalmodule und stellen sie in einem Verzeichnis zum Download bereit.

Während viele Content-Management-Anbieter ihre Systeme in die Portale von Bea, Sun, SAP und IBM integrieren, ging Vignette (Halle 4, Stand A12) einen anderen Weg. Die Firma hat den Portalspezialisten Epicentric gekauft und vermarktet dessen Produkt sowohl als Bestandteil der "V7"-Suite als auch als eigenständiges Produkt ("Vignette Application Portal 7.0", vormals "Epicentric Foundation Server"). Zu den Highlights des neuen Release zählen nach Angaben der Amerikaner Plug-ins, über die der Anwender marktgängige Entwicklungsumgebungen einbinden kann, um so auf dem Standard Java Portal Specification basierende Portlets zu bauen. Ein solches Tool bietet Vignette mit dem "Vignette Application Builder" selbst an.

Trotz des eigenen Produkts arbeitet Vignette mit anderen Portalanbietern zusammen, wenn auch längst nicht mehr so intensiv wie vor der Epicentric-Übernahme. So hatte der Hersteller vor kurzem angekündigt, seine Content-Management-Software an Suns Java Enterprise System sowie den darin enthaltenen Java System Portal Server anzupassen. Beide Firmen kooperieren schon länger. So ließ sich auch schon die V6-Suite von Vignette unter dem Sun-Portal betreiben.

Mit "Enterprise 2004" hat der Anbieter Hummingbird (Halle 3, Stand D30) eine neue Version seiner Content-Management- und Prozesssteuerungslösung auf den Markt gebracht, die auch "Hummingbird Enterprise Webtop" enthält, ein bisher als "Hummingbird Portal" vermarktetes Portalsystem. Webtop verfügt nun über ein "Case Management", mit dem das Portal laut Hersteller zum zentralen Zugangspunkt für alle Unternehmensanwendungen wird. Case Management erlaube es dem Nutzer, über die Eingabe eines Namens oder einer Kundennummer alle mit diesem Kunden in Zusammenhang stehenden Informationen einzusehen, inklusive E-Mails, Dokumenten, Akten, Verträgen sowie Reports.

Weitere Neuerungen betreffen die Komponente "Hummingbird Mobility", ein Produkt, über das Anwender per mobiles Endgerät auf Unternehmensinhalte wie Dokumente und E-Mails zugreifen sowie Suchabfragen starten können. Ein integriertes Instant-Messaging gestattet es den Benutzern, per Online-Chat zu diskutieren, wobei die Software die Diskussionsbeiträge abspeichert und zur späteren Verwendung bereithält.

Die überarbeitete Workflow-Engine dient dazu, Abläufe über alle Komponenten von Hummingbird Enterprise hinweg zu definieren. Hierzu nutzt der Anwender eine grafische Oberfläche mit Drag-and-Drop-Funktionen.