Der Markt für Server-Systeme

Der Markt für Server-Systeme 2005: Die Branchenriesen müssen kämpfen

13.10.2005 von Wolfgang Herrmann
Der Wettbewerbsdruck im deutschen Server-Markt steigt. Vor allem Hewlett-Packard und Sun ringen um ihre Pfründe.

Auf den ersten Blick bleibt im deutschen Server-Markt alles beim Alten. IBM erzielt mit Abstand den größten Umsatz, gemessen an ausgelieferten Servern heißt die Nummer eins Hewlett- Packard. Doch die Konkurrenz sitzt HP im Nacken. Im hart umkämpften x86-Markt (Rechner mit Intel- oder AMD-Prozessoren) haben IBM, Dell und Fujitsu-Siemens Computers (FSC) Anteile hinzugewonnen. Das Wachstum ging vor allem zu Lasten von HP, berichtet Gartner-Analyst Andrew Butler. Vom ersten Quartal 2004 bis zum Vergleichsquartal des laufenden Jahres habe etwa Fujitsu-Siemens dem US-Rivalen zwei bis drei Prozent Marktanteile abgenommen: „Setzt sich diese Entwicklung fort, kann FSC in einem Jahr die Nummer eins im x86-Markt werden.“

Angesichts stagnierender Einnahmen in anderen Server-Segmenten drängen viele Anbieter aggressiv in den Volumenmarkt. Auch PC-Direktvertreiber Dell, der sich bislang schwer tat im deutschen Markt, verstärkte seine Bemühungen. „Vor dem Merger von HP mit Compaq war Dell im deutschen Server-Markt so gut wie nicht existent“, erläutert Butler. Erst in den vergangenen ein bis zwei Jahren habe das texanische Unternehmen mit seinem erfolgreichen Geschäftsmodell den Druck auf alle anderen Hersteller erhöht.

Dass der deutsche Markt anders „tickt“ als etwa die Absatzregion Europa, Naher Osten und Afrika (Emea) insgesamt, lässt sich am Ranking der Branchenschwergewichte ablesen. Im ersten Quartal 2005 hielt HP in Emea noch satte 40 Prozent Marktanteil bei x86-Servern, mehr als doppelt so viel wie der Zweitplatzierte Dell. Ähnlich stark erscheint der Anbieter im Segment der Risc-basierenden Server. Wegen der vergleichsweise hohen Preise der Rechner misst Gartner diesen Markt nicht nach der Anzahl verkaufter Maschinen, sondern nach Umsätzen. HP hält auch hier die Spitzenposition.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Anders in Deutschland, wo sich Sun Microsystems und IBM ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Mit den Risc- Servern unter dem hauseigenen Unix-Derivat Solaris war die Company von Mitgründer Scott McNealy lange Zeit Marktführer. Doch schon seit zwei Jahren holt IBM auf, beobachten die Gartner-Auguren. Bis Anfang 2006 könnte Big Blue den Erzrivalen vom Thron gestoßen haben, lautet eine Prognose.

Vieles deutet darauf hin, dass die Veränderungen weniger auf besondere Stärken der Sun-Konkurrenten als vielmehr auf hausgemachte Probleme zurückzuführen sind. So hat das Unternehmen nicht nur gegenüber IBM verloren, sondern Anteile an alle anderen maßgeblichen Risc-Anbieter abgegeben. Im vergangenen Jahr verdrängte FSC den Java-Pionier auf Rang drei in Deutschland. Suns Management kümmerte sich den letzten zwölf Monaten intensiv um die installierte Basis und konnte so die Marktposition zumindest stabilisieren, berichtet Butler. Leichter wird es für Sun aber auch in Zukunft nicht: Der Risc-Markt stagniert; wachsen können Hersteller nur,wenn sie Konkurrenten Kunden abjagen.

Ähnlich trist stellt sich die Situation im Großrechnermarkt dar. Zwar verdienen die verbliebenen Anbieter IBM und Fujitsu-Siemens Computers noch immer sehr gut. Doch der Löwenanteil der Gewinne entfällt auf das Wartungsgeschäft, sprich das Geld kommt fast ausschließlich von Bestandskunden. Auf lange Sicht werden die Umsätze mit klassischen Mainframes zurückgehen, prognostiziert Butler: „Die Hersteller wissen, dass der Markt schrumpft und vielleicht irgendwann verschwindet.“ Vor diesem Hintergrund investierten sie viel Geld, um die Abhängigkeit vom Host-Geschäft zu reduzieren. Trotzdem würden im Jahr 2015 wahrscheinlich noch immer Mainframe-ähnliche Server ausgeliefert. Dabei werde es sich zunehmend um hybride Systeme handeln, mit einer Kombination aus Unix- und Großrechner-Betriebssystemen.

Blade-Server verändern die IT

In technischer Hinsicht treiben den Server-Markt mehrere parallel laufende Trends. Das macht verlässliche Prognosen schwierig. Einig sind sich die großen Marktforscher darin, dass Blade-Server die IT-Infrastruktur in den Unternehmen verändern werden. Nach einer Studie des US-amerikanischen Markforschungsunternehmens IDC soll der westeuropäische Markt für Blade-Server bis zum Jahr 2009 auf 565 000 Geräte wachsen. Jeder vierte verkaufte Server in dieser Region fiele dann in diese Kategorie. Gemäß der Prognose könnten die Hersteller 2009 Umsätze in Höhe von 1,74 Milliarden Euro erzielen. Das entspräche einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 40 Prozent.

Für Gartner-Mann Butler heißt der entscheidende Trend in den nächsten Jahren Virtualisierung. Eine ganze Reihe neuer Softwareprodukte trügen zu dieser Entwicklung bei, darunter „VM Ware“ von EMC, Microsofts „Virtual Server“ oder die Open-Source-Entwicklung „Xen“. Nach Butlers Erwartung wird sich der Absatz solcher Programme in den nächsten drei Jahren verfünffachen - mit gravierenden Auswirkungen auf den Server- Markt: Mit Hilfe von Virtualisierungssoftware könnten Kunden die Auslastung ihrer Systeme erheblich steigern. Dies führe dazu, dass die Server-Hersteller weltweit pro Jahr fünf Milliarden Dollar weniger Umsatz machten. Rund acht Prozent des gesamten Server-Marktes gingen ihnen dadurch verloren.

Last, but not least werden auch Open-Source-Plattformen den Server-Markt verändern. Für viele Unix-Anwender entwickle sich Linux zu einer natürlichen Migrationsplattform, beobachtet der Gartner-Experte. Hersteller wie HP und IBM positionieren das quelloffene System in diesem Sinne. Zwar böten die klassischen Unix-Derivate wie HP-UX oder AIX gegenüber Linux derzeit noch Vorzüge, etwa in Sachen Skalierung oder der Anzahl verfügbarer Anwendungen. Bis zum Jahr 2010 jedoch könnte Linux den Vorsprung weitgehend eingeholt haben. Ähnliches gelte auch für Windows- Plattformen.

Linux wird Migrationsplattform

Eine wachsende Zahl von Analysten halte deshalb einen „schnellen Niedergang von Unix in der nächsten Dekade“ immerhin für möglich. Für Sun stelle diese Entwicklung eine ernste Bedrohung dar. Der Hersteller werde daher alles tun, um die Überlegenheit seines Unix-Derivats Solaris hervorzuheben, glaubt Butler: „In dieser Hinsicht heißt das Spiel: Sun Microsystems gegen den Rest der Welt.“

* Der Autor WOLFGANG HERRMANN ist Redakteur bei der Computerwoche. [wherrmann@computerwoche.de]