Das iPhone als Firmen-Handy? Nicht allzu lang ist es her, da hätten IT-Sicherheitsverantwortliche bei diesem Ansinnen noch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dennoch gab es auch hierzulande nicht wenige Topmanager, die schon kurz nach dem Erscheinen Ende 2007 intern anfragten, wie man auf dem schicken Apple-Handy Firmen-Mails abrufen könne. Da es sich beim Urmodell um wenig mehr als um einen iPod mit Internet- und Telefoniefunktion handelte, hatten die IT-Verantwortlichen berechtigte Einwände gegen das iPhone im Business-Einsatz. Wichtigste Punkte in der Mängelliste waren die fehlende Verschlüsselung vertraulicher Daten sowie der nicht existierende Support für die Kalender- und E-Mail-Synchronisierung über Microsoft Exchange oder Ähnliches. Außerdem fehlten in der Anfangszeit noch Drittanwendungen, um Ausstattungslücken zu schließen - genauso wie die Möglichkeit, eigene Applikationen zu entwickeln.
Das alles änderte sich schon im Sommer 2008: Das Betriebssystem-Upgrade iPhone OS 2.0 brachte ersehnte Business-Funktionen wie Pushmail über das - von Microsoft lizenzierte - Exchange-ActiveSync-Protokoll, Remote Wipe und Support für Ciscos IPsec-VPN-Protokoll. Außerdem stellte Apple ein Programm bereit, das Unternehmen die bislang eher mühsame Arbeit bei der Konfiguration mehrerer iPhones deutlich erleichterte.
Das iPhone wird zum Smartphone
Die wichtigste Neuerung in iPhone OS 2.0 war jedoch ein Software Development Kit (SDK), mit dem Entwickler nun kommerzielle, aber auch firmeninterne Applikationen programmieren konnten. Mit den zahlreichen Programmen, die im Anschluss den neu geschaffenen iTunes AppStore überfluteten, wurde das Apple-Handy auch per definitionem zu einem "echten" Smartphone. Die teilweise sinnvollen, teilweise aber auch äußerst skurrilen "Apps" schlossen nicht nur die Lücken im Angebot an vorinstallierten Programmen (etwa Office/iWork-Ersatz). Mit der Möglichkeit, das iPhone als Fernbedienung, Wasserwaage, Bildbearbeitungs-Tool, aber auch - eingeschränkt - unterwegs als Mobile-Client für Business-Anwendungen zu nutzen, erweiterten sie die Funktionalität des Geräts immens und wurden zu einem wichtigen Kaufargument für Geschäfts- und Privatkunden.
Doch obwohl das Gesamtpaket aus iPhone OS 2.0, iTunes App Store und dem um GPS und UMTS-Unterstützung erweiterten iPhone 3G die breite Anhängerschaft begeisterte - zumindest bis zum großflächigen Business-Einsatz war es aus Sicht von Marktforschern noch etwas hin. So bemängelte etwa Jack Gold vom Beratungshaus J. Gold Associates, dass nach wie vor eine native Datenverschlüsselung auf dem Gerät fehle. Weiterhin vermisst wurden Tools für das Device-Management und die Möglichkeit, Nutzer-Policies durchzusetzen. Doch es gab noch weitere Faktoren, die den sinnvollen Business-Einsatz erschwerten. So erschien eine zum Bearbeiten von Dokumenten wichtige Office-Suite erst im Frühjahr 2009. Außerdem wurde nach wie vor die parallele Nutzung mehrerer Anwendungen (Multitasking) von Apple deaktiviert - mit Hinweis auf eine übermäßige Belastung von Akku und Prozessor.
Die ersten großen Rollouts kommen
Trotz dieser Mankos war das iPhone schon längst im Business angekommen, wenn auch bei großen Unternehmen eher durch die Hintertür. Von Rollouts im großen Stil, wie sie bereits im Heimatland USA stattfanden, war dagegen hierzulande noch nichts zu sehen. Den Anfang machte in Deutschland vermutlich der - dafür sicher reich von Apple belohnte - Referenzkunde Springer. Der Medienkonzern kündigte im Juli 2008 spektakulär an, alle PCs durch Macs zu ersetzen und seine Business-Blackberries gegen iPhones einzutauschen. Zum Jahreswechsel 2008/09 begann dann auch der Beratungs- und IT-Dienstleister Logica, einen Großteil seiner Mitarbeiter mit iPhones auszustatten. Insgesamt wurden dabei 1400 Geräte verteilt. Ziel war es, mit der Konsolidierung der Endgerätelandschaft auf einem einzigen Carrier Geld zu sparen, Verbesserungen für die Nutzer zu erreichen, aber natürlich auch Kompetenz für die Entwicklung eigener Anwendungen sowie für die Einführung des iPhone in Kundeunternehmen zu gewinnen.
Wie Country Manager Torsten Straß der COMPUTERWOCHE schilderte, nutzte Logica für den Rollout das von Apple bereitgestellte Konfigurationsprogramm. Über dieses werden bestimmte Einstellungen "over the air" eingespielt, nachdem der iPhone-Nutzer sein Gerät erstmalig aktiviert und über Exchange ActiveSync synchronisiert hat. Auf diese Weise ist beispielsweise die Mindestlänge des Passworts oder die Inaktivitätszeit festsetzbar. Werden im laufenden Betrieb Änderungen notwendig, lassen sich Policies auch über spätere Updates nachschieben. Auf eine zentrale iTunes-Aktivierung wurde verzichtet, vielmehr können die Mitarbeiter sich über einen iTunes-Account selbst registrieren und so auf Wunsch eigene Musik oder Applikationen aus dem App Store installieren.
Da es allerdings (damals) keine Möglichkeiten gab, ähnlich wie mit Blackberry OS oder Windows-Mobile die Einhaltung von Regeln zu erzwingen, führte Logica eine Mobile Device Security Policy für iPhone-Nutzer ein. Diese besagte etwa, dass die Mitarbeiter kein Jailbreak vornehmen durften und sich an die vorgegebenen Security-Richtlinien halten mussten. Außerdem wurde ihnen bei Strafe untersagt, Fremdsoftware zu installieren, die Codesperre, also die Eingabe einer vierstelligen Ziffernkombination zur Freigabe, zu deaktivieren oder ohne vorherige Freigabe im Ausland mobile Datenverbindungen zu nutzen.
iPhone OS 3.0 bringt den Durchbruch
Inzwischen hat Apple verschiedene APIs für die Vorgabe von Security Policies bereitgestellt und ist Kooperationen mit einigen Device-Management-Anbietern eingegangen. Als Resultat ist der Administrator nun in der Lage, Konfigurationen für bestimmte Nutzergruppen zu entwickeln und per Link zu verteilen. Dabei kann er etwa festlegen, ob der Anwender den iTunes Music Store aufsuchen darf oder Zugang zu Kamera und Safari-Browser erhält. Außerdem lässt sich der Zugriff auf YouTube oder anstößige Web-Seiten blockieren. Mit diesen fünf Funktionen ist die Filterung allerdings deutlich gröber als etwa bei Windows Mobile, wo nahezu alles sperrbar ist.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg ins Business war das im Juni 2009 vorgestellte iPhone 3GS. Das neue Smartphone lief nicht nur zwei- bis dreimal so schnell wie sein Vorgänger. Es unterstützte außerdem HSDPA mit 7,2 Mbit/s, hatte eine längere Akkulaufzeit und eine verbesserte Kamera mit Drei-Megapixel-Auflösung, Autofokus und Videoaufnahme. Für die Nutzung im Business-Umfeld war vor allem die eingebaute Hardwareverschlüsselung relevant.
Softwaretechnisch brachte das Betriebssystem-Update iPhone 3.0 die Unterstützung für Cut/Copy/Paste, eine Tastatur im Querformat für alle wichtigen Programme sowie die Möglichkeit, das Gerät als Modem zu verwenden (Tethering). Außerdem kamen die Push Notifications als Alternative für das nach wie vor nicht unterstützte Multitasking, und die Daten auf dem Gerät ließen sich erstmals über einen "Remote-Wipe"-Befehl komplett löschen.
Mit den zusätzlichen Business-Fähigkeiten, aber auch dem zunehmenden Verschmelzen von beruflicher und privater Nutzung - Stichwort Consumerization - dürften inzwischen wohl die letzten Barrieren vor dem Einzug in Unternehmen gefallen sein. So verriet etwa unlängst Audi-CIO Klaus Straub gegenüber der COMPUTERWOCHE, dass in dem Autohaus iPhones seit Mitte letzten Jahres Business-fähig, also auf der Support- und Security-Seite mit der Audi-IT integriert seien. Zur Erinnerung: Noch vor einigen Jahren hatte die VW-Tochter wegen Sicherheitsbedenken ihre Blackberry-Geräte verbannt und war auf eine hochsichere Windows-Mobile-Lösung gewechselt. In der Schweiz nutzen etwa Migros und die Basellandschaftliche Kantonalbank im großen Stil iPhones. Gleichzeitig dokumentiert die große Anzahl an Clients für Unternehmensanwendungen von Cisco bis SAP, dass es sich bei dem Apple-Smartphone offenbar nicht nur um ein Spielzeug und eine vorübergehende Modeerscheinung handelt.
iPad als neuer Formfaktor
Doch nicht nur das iPhone hat sich Zugang zum Business verschafft, viele Unternehmen prüfen nun auch die Einsatzmöglichkeiten des im Januar vorgestellten iPad. Der zusätzliche Formfaktor scheint dabei nicht nur in Nischen anzukommen, wo sich zuvor die insgesamt weniger erfolgreichen Tablet-PCs bewährt haben.
Last, but not least bringt das jüngste Firmware-Update iOS 4 das lang ersehnte Multitasking aufs iPhone, wenn auch in einer auf sieben Funktionen wie Musik im Hintergrund oder VoIP-Client abgeschwächten Form. Außerdem ermöglicht es die Nutzung von mehreren Exchange-Accounts, Inhouse-Anwendungen können nun drahtlos ausgeliefert werden. Im Vergleich dazu hat sich bei dem dazugehörigen iPhone 4, das seit kurzem verfügbar ist, nur wenig getan. Neben dem neuen Design bringt Apple damit die Technik knapp auf Augenhöhe der Konkurrenz.
Fazit: Was kommt als Nächstes?
Ein Major Upgrade bei Soft- und Hardware pro Jahr und zwischendurch ein paar Bugfixes: Mit diesem Entwicklungszyklus hat es Apple geschafft, die Kunden bei der Stange zu halten und die meisten Kritiker zufriedenzustellen. Tatsächlich dürfte die Jobs-Company die Wunschliste, die Nutzer nach der Präsentation der ersten Modelle erstellt haben, inzwischen weitgehend abgearbeitet haben - wenn auch nicht komplett. So ist die für Business-Nutzer wichtige Sicherheit noch nicht auf gleicher Höhe wie beim Blackberry oder Windows-Mobile-Geräten (mit Lösungen von Drittanbietern) angekommen. Als weitere Kritikpunkte sind etwa die Carrier-Bindung, der relativ hohe Preis, der fest verbaute Akku, die Zensur im App Store oder die - trotz iPad - relativ eingeschränkte Auswahl an Formfaktoren zu nennen.
iPhone-Entwicklung
Die wichtigsten Zeitmarken auf dem Weg ins Business.9. Januar 2007: Vorstellung von iPhone und iPhone OS auf der Macworld Conference & Expo
29. Juni 2007: Markteinführung in den USA
9. November 2007: Markteinführung in Deutschland
5. März 2008: Vorstellung von iPhone OS 2.0 und iPhone SDK
9.Juni 2008: Vorstellung von iPhone 3G und iTunes App Store
11.Juli 2008: Markteinführung von iPhone OS 2.0 und iPhone 3G
17. Juni 2009 Vorstellung von iPhone OS 3.0 und iPhone 3GS
27. Januar 2010: Vorstellung von iPhone OS 3.2 und iPad
3. April 2010: Markteinführung iPad Wifi in den USA
30. April 2010: Markteinführung iPad 3G in den USA
28. Mai 2010: Markteinführung iPad Wifi und 3G in Deutschland
7. Juni 2010: Vorstellung von iOS4 und iPhone 4
21. Juni 2010: Markteinführung iOS4
24. Juni 2010: Markteinführung iPhone 4