Datenintegration End-to End

Data Warehouse behält wichtige Analytics-Rolle

29.03.2019 von Michael Kolbenschlag
Um fundierte Entscheidungen zur Kontrolle und Erreichung der Unternehmensziele treffen zu können, sind strukturierte Datenanalysen als Wettbewerbsvorteil unabdingbar. Ein wichtiges System dabei bleibt das Data Warehouse.

Durch die fortschreitende Digitalisierung von Prozessen und Tätigkeiten steigt der Anspruch an Entscheidungen - vor allem hinsichtlich Schnelligkeit, Flexibilität und objektiver Richtigkeit. Gleichzeitig bieten moderne Business-Intelligence-Lösungen (BI) neue und umfangreiche Funktionen, um Daten zu verarbeiten und zu analysieren. Welche Aufgaben in einer BI-Landschaft dabei Data-Warehouse-Systeme (DWHS) (noch) haben, ist in diesem Kontext eine aktuell diskutierte Frage.

Data-Warehouse-Systeme bilden nach wie vor einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt für Analytics in den Unternehmen.
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Ziel von BI-Landschaften ist es, bedarfsgerecht relevante Informationen zur Verfügung zu stellen und nutzbar zu machen. Dabei wird zunehmend auf eine zeitgemäße und ansprechende visuelle Darstellung und Benutzeroberfläche geachtet. Zugleich soll die Informationsbereitstellung mit dem Einsatz von BI möglichst automatisiert und wiederholbar erfolgen, sodass Entscheidungsträger ihr Unternehmen effektiv und ressourcenschonend steuern können.

Damit Daten genutzt werden können, müssen sie zunächst zusammengeführt und aufbereitet werden. Mit dieser unternehmensweiten Datensammlung, Speicherung und fachlichen Harmonisierung der Daten in einer eigenständigen Datenbank mit redundanter Datenhaltung in Ergänzung zu operativen Systemen, wie zum Beispiel einem ERP-System, ist der Begriff Data Warehouse (DWH) verknüpft. DWHs dienen als Erweiterung eines ERP-Systems zur Analyse von historischen Daten und enthalten die Geschäftslogiken zu Kennzahlen. Zusätzlich werden DWHs aktuell auch noch für operative Datenanalysen eingesetzt, um eine Performanzverbesserung (im Sinne von Auswertegeschwindigkeit) gegenüber den eigentlichen operativen Systemen zu erzielen.

Moderne ERP-Systeme verfügen über zeitgemäße Analysefunktionen

Die rasante Entwicklung von Datenbank- und ERP-Technologie führt dazu, dass speziell ERP-Systeme immer leistungsfähiger werden und vielfach On-Board-Analysefunktionalitäten beinhalten. Dies gilt in ähnlichem Maße auch für andere operative Systeme wie Fertigungssteuerungssysteme (MES), Kundenmanagementsysteme (CRM) oder Speziallösungen zur Logistiksteuerung und zur Finanzkonsolidierung. Die Stichworte In-Memory, Cloud-Computing, IIoT sind dabei mit nahezu allen Unternehmens-IT-Systemen verknüpft. Standardsoftware von SAP (S/4HANA) oder Microsoft (Dynamics 365) sind nur die großen Vertreter dieser Entwicklung.

Die in den operativen Systemen enthaltenen Analysetools sind nutzerfreundlich gestaltet, sodass Anwender im Self-Service-Ansatz Berichte und Analysen einfach selbstständig zusammenstellen oder anpassen können. Auch die Bildung von KPIs kann mittlerweile direkt im ERP, meist virtuell, stattfinden. Somit lassen sich immer mehr Funktionalitäten im Bereich Datenanalyse auch direkt im ERP-System abbilden. Doch wird ein separates DWH dadurch überflüssig?

Data Warehouse behält seine Daseinsberechtigung - mit Einschränkungen

Zunächst einmal sei angeführt, dass für Anwendungsfälle, in denen langfristig und über große Zeitreihen Daten (aggregiert) ausgewertet werden müssen, derzeit kaum ein Weg an einem dedizierten DWH vorbeiführt. Archivierungstätigkeiten in operativen Systemen und die anfallende Datenmenge bei Mehrjahresanalysen sind Gründe, weshalb eine rein für den Auswertezweck optimierte, eigenständige Datenhaltung sinnvoll ist.

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Neben diesen Gründen ist vor allem aber die Integration und Harmonisierung von Daten aus verschiedenen IT-Systemen die Hauptaufgabe eines DWH, welche den unternehmerischen Mehrwert liefert, da nur durch eine unternehmensglobale Datensicht eine vollumfängliche Analyse möglich wird. Ein DWH ist hierbei in der Lage, Systeme sowohl horizontal - das heißt Systeme mit gleichen inhaltlichen Aufgaben - als auch vertikal/ konglomerat - das heißt Systeme mit unterschiedlichen Aufgaben - zu integrieren.

Kurzum - IT-Landschaften sind um einen zentralen Kern herum dezentral ergänzt. Die Zusammenführung dieser Daten verschiedener Herkunft und Betrachtungsgranularitäten ist Kernaufgabe einer DWH-Lösung, da hierdurch komplette Analysen mit 360-Grad-Sichten, Drilldowns und Analysen von Prozessen End-to-End über alle IT-Systeme hinweg ermöglicht werden.

Klar ist allerdings auch: Eine Datenübernahme aus einem operativen System aus Performanzgründen oder zur Fokussierung der Analyse auf einen Datenbereich oder Prozessschritt ist per se kein Grund, eine dedizierte DWH-Lösung zu implementieren.

Beispiel SAP S/4HANA - Virtuelles DWH an Bord?

SAP bietet mit S/4HANA eine neue und moderne ERP-Lösung, den "Digital Core", mit umfangreichen Analysefunktionen. Neben inhaltlichen Änderungen profitiert die Lösung vor allem durch den Einsatz einer schnellen In-Memory-Datenbank und der Optimierung der (logischen) Datenhaltung. Mithilfe von ABAP CDS (Core Data Services), einer um BI-Semantik angereicherten SQL-Sprache, können virtuelle BI-Datenmodelle direkt im ERP-Kern entwickelt und eingesetzt werden. Die Nutzung erfolgt entweder eingebettet in der Benutzeroberfläche "SAP Fiori" oder in spezialisierten BI-Frontendwerkzeugen (zum Beispiel SAP BO). Klassische SAP ERP-Systeme können mit diesem Funktionsumfang nicht mithalten, weder im Bereich Auswerteperformanz, noch für die BI-Modellerstellung, noch im Bereich Oberflächentechnologie. Vor allem die Verknüpfung transaktionaler - zum Beispiel die Erstellung von Belegen - zusammen mit analytischen Funktionen bietet Anwendern dabei Vorteile in der operativen Nutzung.

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Bildet die zentrale Datengrundlage ein einzelnes S/4HANA-System, bedeutet der Ansatz eines virtuellen DWH in S/4HANA eine valide Alternative. Kommen allerdings weitere Datengrundlagen hinzu, deren Daten nicht in S/4HANA aufgenommen werden oder aufgenommen werden können (Datenmenge, etc.), muss ein DWH-Einsatz (zum Beispiel SAP BW/4HANA) geprüft werden. Weiterhin sind Anforderungen bezüglich Historisierung und Langfristanalyse zu betrachten. Die Technologiegemeinschaft HANA von ERP und BW (und auch allen anderen SAP-Werkzeugen) vereinfacht Datenaustausch und Interaktion auch für diese Anwendungsfälle.

Neben Datenquellen mit strukturierten Daten gilt es zusätzlich, wichtige Informationsquellen in Texten, Bildern oder sozialen Netzwerken zu beachten. Auch diese gilt es zu erschließen und als Entscheidungsgrundlage auswertbar zu machen. Die Sammlung in Data Lakes und wirklichem Big Data, sowie die Zusammenführung mit strukturierten Daten ist eine klare BI-Aufgabe und zumindest teilweise auch eine DWH-Aufgabe. Ein DWH-Ansatz stellt also auch für automatisierte Datenanalysen, wie Analytics, Data Mining oder AI-basierte Ansätze wichtige Weichen.

Business Intelligence systemübergreifend verstehen

Um im Wettbewerb zu bestehen, ist es hilfreich, große Datenmengen zielgerichtet für die fundierte Entscheidungsfindung zu nutzen. DWHs bieten hierbei gegenüber ERP-Systemen den Vorteil, dass sie als Datendrehscheibe (Data Hub) Daten aus verschiedenen Systemen integrieren, harmonisieren und weiterverarbeiten. Dadurch können Reporting und Analyse auf einer umfassenden Datenbasis aufbauen. Zudem legen DWHs den Fokus auf End-to-End-Prozesse und helfen somit, Schwachstellen und Inkonsistenzen über die gesamte Prozesskette hinweg aufzudecken. Gerade moderne ERP-Lösungen bieten zusätzlich einen umfangreichen Werkzeugkasten für operative und prozessschrittbezogene Analysen, deren Nutzung direkt in transaktionale Umgebungen eingebettet ist.

Die Frage, in welcher Umgebung Datenanalyse durchgeführt wird, ist nicht mit einem "ERP oder DWH" zu beantworten, sondern mit einem "ERP und DWH". Die konkrete Ausgestaltung ist dabei Kern von Business Intelligence und als unternehmensglobale Aufgabe zu sehen.