Mehr Spiele- als Business-Handy

Das iPhone lernt Muh

15.07.2008 von Manfred Bremmer
Das neue Apple iPhone 3G erweist sich vor allem softwareseitig als innovativ - Business-Applikationen sind allerdings noch Mangelware.

Mit Pauken und Trompeten, aber auch einer Reihe von Pannen, ist das lang ersehnte Apple iPhone 3G in den Handel gegangen. Insgesamt verkaufte der Mac-Anbieter am ersten Wochenende in 21 Ländern nach eigenen Angaben eine Million Geräte - ein Zehntel des für das Gesamtjahr geplanten Absatzes. Bei T-Mobile, erneuter Exklusivpartner für das Kultgerät in Deutschland, wurden binnen Stunden 15 000 iPhones unter das Volk gebracht. Die meisten davon veräußerte die Telekom-Tochter allerdings online, während die einzelnen T-Punkt-Filialen nur wenige Geräte vorhielten - sehr zum Ärger der Wartenden.

Ein Plastikrücken kann auch entzücken: iPhone 3G auf dem Bauch

Darüber, ob sich das Schlangestehen rentiert hat, kann man vortrefflich streiten. Selbst hartnäckige Kritiker müssen jedoch anerkennen, dass das neue iPhone mit UMTS/HSDPA-Unterstützung nun hardwareseitig weitgehend in der Jetztzeit angekommen ist. War der im Vorgängermodell verbaute GPRS-Turbo Edge bislang das höchste der Gefühle, werden nun Web-Seiten beim Aufruf doppelt so schnell geöffnet. Ein klarer Gewinn ist auch das integrierte A(ssisted)-GPS, wenngleich es derzeit nur für die Positionsbestimmung in Google Maps und anderen Applikationen genutzt werden kann. Navigationssoftware, etwa von Tom Tom, ist jedoch in Arbeit. Sieht man von Kleinigkeiten wie einem Plastikrückdeckel (statt Metall), den metallenen Tasten (statt Plastik) oder der nun standardkonformen Kopfhörerbuchse ab, war's das dann im Groben auch schon an Hardwareneuerungen. Nutzer, denen eine Zwei-Megapixel-Kamera nicht mehr zeitgemäß ist, sich einen größeren und vor allem austauschbaren iPhone-Akku oder gar einen stärkeren Prozessor wünschen, müssen (mindestens) auf das Folgemodell warten.

Innere Werte entscheidend

Wesentlich wichtiger sind jedoch die Neuerungen auf der Softwareseite. Dazu zählt vor allem das Firmware-Upgrade, von dem auch die Besitzer eines "alten" iPhone (oder iPod Touch) profitieren. Das Update auf iPhone 2.0 bügelt nicht nur einige Bugs und Kinderkrankheiten des Erstlings aus, es liefert auch wichtige Funktionen für den Einsatz in der Geschäftswelt - einen Bereich, in dem Apple-CEO Steve Jobs das Gerät künftig fest etablieren will. Um Unternehmen eine ernsthafte Alternative zu Blackberrys, Windows-Mobile- und Symbian-Geräten zu bieten, kommen im iPhone nun unter anderem Microsofts Activesync (Push-E-Mail und Anbindung an Exchange-Server) und ein VPN-Client von Cisco zum Einsatz. Außerdem können IT-Administratoren mit der "iPhone Configuration Utility" Konfigurationsprofile erstellen und verteilen - äußerst sinnvoll für den Rollout, etwa wenn gleich mehrere iPhones als Firmen-Handys zum Einsatz kommen sollen. Die Profil-Dateien im XML-Format bieten sich nicht nur zur Durchsetzung von Kennwort- und Code-Richtlinien an, sondern können auch einzelne Netzeinstellungen wie WLAN- und VPN-Zugangsdaten, Mail-Accounts oder Zertifikate für Business-Applikationen umfassen. Laut Apple lassen sich die Konfigurationsprofile vom Benutzer einfach per Fingertipp auf einen sicheren Weblink installieren oder als E-Mail-Anhang beziehen.

Spiele- oder Business-Handy?

Im App Store finden sich viele E-Books und Spiele, aber nur wenig wirklich Nützliches.
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Last, but not least können iPhone-Nutzer nun via iTunes oder über einen speziellen Menüpunkt auf dem Gerät den neuen App Store ansteuern, in dem Apple erstmals ganz legal, wenn auch gegen eine 30-prozentige Umsatzbeteiligung, Anwendungen von Drittanbietern zulässt. Bis zu 1900 Programme sollen bereits existieren, die nun offenbar sukzessiv in den Online-Shop eingestellt werden. Am ersten Wochenende lagen gut 500 Stück vor, wenige Tage später schon über 800. Ein Großteil dieser "Applikationen" sind allerdings E-Books, etwa ein Viertel davon kostenlos und mindestens eine Handvoll sinnfrei - hervorzuheben wäre dabei das virtuelle "iBier"/"iPint", der Star-Wars-Laserschwert-Simulator "Light Saber" oder eine digitale Adaption des Scherzartikels Kuhdose: das iPhone macht Muh, wenn man es umdreht.

Wenig Software für das Business

In puncto Business-Applikationen sieht es hingegen noch mau aus. Wenngleich bereits viele Softwarehäuser, darunter die Update Software AG, Demand Software Solutions, Etelos sowie der mit Salesforce.com konkurrierende SaaS-Spezialist Netsuite, bereits ihre Web-basierenden Anwendungen an den Safari-Browser des iPhone angepasst haben, stehen bis jetzt nur 24 native Geschäftsanwendungen im App Store zur Auswahl. Von den großen Herstellern sind lediglich Oracle und Salesforce.com repräsentiert. Die von Oracle kostenlos bereitgestellte Anwendung "Business Indicators BI" soll es Managern ermöglichen, auch unterwegs auf gezielte, intelligente und aufgabenspezifische Informationen zuzugreifen, die von den Anwendungen "Oracle Business Intelligence Enterprise Edition Plus" (OBIEE) und "Oracle Business Intelligence Applications, Fusion Edition", stammen. Der CRM-Vermieter Salesforce.com bietet die für Kunden der "Salesforce Unlimited Edition" und der Force.com-Plattform kostenlos nutzbare Lösung "Salesforce Mobile for iPhone" an. Die Anwendung ermöglicht es Nutzern, auf dem iPhone schnell Kundendaten wie Accounts, Kontakte oder Absatzchancen einzusehen, E-Mails abzurufen und zu telefonieren. Die Kommunikation können sie dabei direkt über die CRM-Oberfläche initiieren.

VoIP-Software nur eingeschränkt nutzbar

Der Rest der "Geschäftsanwendungen" orientiert sich eher an semiprofessionelle Nutzer: So erlaubt die nun auch für das iPhone erhältliche Software "Funambol" den Datenabgleich mit verschiedenen Mail-Clients, das mit Salesforce.com kompatible Tool "Expense2Go" von Model Metrics hilft Außendienstlern beim Sammeln und Verarbeiten von Belegen. Dabei kann der Nutzer mit der iPhone-Kamera sogar Quittungen fotografieren. Zu erwähnen ist noch die iPhone-Adaption der VoIP-Applikation "Truphone" des gleichnamigen britischen Anbieters, die es nach einer Jailbreak-Version tatsächlich in den App Store geschafft hat. Das Tool ermöglicht kostengünstige internationale Telefonate via WLAN. Dank AT&T, T-Mobile und anderen Carriern ist VoIP via UMTS jedoch blockiert. Sich wie auf anderen Smartphones über die eigene Truphone-Nummer anrufen zu lassen, verhindert die fehlende Möglichkeit, Software von Drittanbietern im Hintergrund weiterlaufen zu lasen.

Dringender Nachholbedarf

Dass diese bescheidene Auswahl an Business-Applikationen ausreicht, um Unternehmen beziehungsweise deren IT-Abteilungen die Scheu vor dem iPhone zu nehmen, darf bezweifelt werden. Der Fairness halber muss man jedoch daran erinnern, dass der App Store noch nicht lange geöffnet ist und Hersteller erst Anfang März damit beginnen konnten, Applikationen auf Basis des iPhone SDK zu entwickeln beziehungsweise bestehende Programme anzupassen. Unter anderem ist etwa SAP noch damit beschäftigt, ähnlich wie für den Blackberry auch einen nativen iPhone-Client seines Produkts "CRM 2007" zu entwickeln. Das Erscheinungsdatum steht jedoch noch in den Sternen. Abschrecken könnte Unternehmen außerdem die Vorstellung von Apple, die Firmen sollten ihre eigenentwickelten oder adaptierten Programme über den App Store an Mitarbeiter mit iPhone verteilen - natürlich erst, nachdem die Software von Apple begutachtet wurde.

Störende Carrier-Bindung

Deutlich eingeschränkt ist weiterhin das Entgegenkommen von Apple gegenüber Business-Kunden, was den Vertrieb betrifft. Zumindest in Deutschland sind Kunden die ersten zwei Jahre auf einen Vertrag mit dem Exklusivpartner T-Mobile angewiesen: den (legalen) Betrieb in einem anderen Netz verhindert ein so genanntes Net-Lock. Spezielle Geschäftskonditionen für das iPhone gibt es (formell) nicht - selbst das entsprechende Datenblatt zeigt die gleichen Tarife (Complete S bis XL) wie bei Privatkunden, wenn auch ohne Mehrwertsteuer. Eine Sprecherin von T-Mobile erklärte auf Anfrage der COMPUTERWOCHE, dass - wie allgemein üblich - abhängig vom Auftragsvolumen Rabatte möglich seien. Details dazu könne sie jedoch nicht nennen. Was Anfragen von Geschäftskunden betrifft, müsse man ohnehin abwarten, zunächst sei das iPhone ausverkauft. (mb)

iPhone 3G
iPhone 3G Trio
Auf den ersten Blick unterscheidet sich das iPhone 3G kaum vom Vorgängermodell.