Testbericht

Das bietet Toshibas iPhone-Killer TG01

23.06.2009 von Manfred Bremmer
Der hierzulande eher als Notebook-Hersteller bekannte Anbieter Toshiba will mit einem üppig ausgestatteten Smartphone den Durchbruch schaffen. Die COMPUTERWOCHE hat das "TG01" auf Herz und Nieren getestet.

Nachdem Toshiba mit seinen etwas biederen, aber grundsoliden Smartphones der Portégé-Reihe nur wenig Erfolg hatte, versucht das Unternehmen jetzt sein Glück mit dem schicken Highend-Gerät TG01. Der Plan könnte gelingen, sorgte doch das mit 9,9 Millimeter superflache Smartphone bereits bei seiner Vorstellung im Frühjahr auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona für erhebliches Aufsehen. Schuld daran war neben dem riesigen 4,1-Zoll-Touchscreen mit Wide-VGA-Auflösung (800 mal 480 Pixel) vor allem der erstmals verbaute, superschnelle Snapdragon-Chipsatz von Qualcomm. Mit einer Taktfrequenz von einem Gigahertz verspricht die CPU, selbst dem als chronisch lahm gescholtenen Betriebssystem Windows Mobile ordentlich Beine zu machen. Mittlerweile wird das TG01 hierzulande beim Mobilfunkprovider o2 für rund 500 Euro angeboten. Grund genug, sich das "Smartphone der Superlative" genauer anzusehen.

Der erste Eindruck

Bereits auf den ersten Blick scheint klar, welche Zielgruppe sich Toshiba mit dem TG01 ausgesucht hat. Mit seinem großen brillianten Display und dem Verzicht auf eine externe Tastatur wirkt das Gerät wie ein iPhone im XL-Format. Dem Original steht es dabei optisch in fast nichts nach. Das Gehäuse besteht aus weißem oder schwarzen Kunststoff, umfasst von einem glänzenden Chromrahmen, in dem gleichzeitig und äußerst dezent der Ein/Aus-Schalter, ein Auslöser für die relativ gute 3,2-Megapixel-Kamera, der Wippenschalter für die Lautstärke und - unter einer Abdeckung - eine MicroUSB-Buchse untergebracht wurden. Die Vorderseite verzichtet komplett auf Knöpfe, unter dem - leider stark spiegelnden - Plastikdisplay sind jedoch zwei drucksensitive Sensortasten für den Homescreen und Zurückfunktion untergebracht. Dazwischen liegt noch eine Scrollbar zum Zoomen, das war's.

Hardware vom Feinsten

Weniger minimalistisch gibt sich das Gerät dagegen, was die Bauteile anbelangt. So protzt das TG01 nicht nur mit dem Snapdragon-Chipsatz und dem 4,1-Zoll-Display, auch die übrige eingesetzte Hardware kann sich sehen lassen. Das Gerät funkt mit HSPDA (bis 7,2 Mbit/s) und unterstützt HSUPA, das schnelle Uploads mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s ermöglicht. Weitere Zutaten sind neben WLAN (802.11b/g) auch A(ssisted-)-GPS und ein GPS-Empfänger. Anders als Apple beim iPhone hält sich Toshiba allerdings beim fest verbauten Speicher zurück. Das TG01 verfügt über 256 MB RAM und 512 MB ROM, zusätzlicher Speicher kann aber mithilfe von MicroSD-Karten genutzt werden.

Da sich der Einschub unter dem Akku befindet, ist ein Wechsel der Karte jedoch nur bei ausgeschaltetem Gerät möglich. Apropos Akku: Dieser ist mit 1000 mAh reichlich unterdimensioniert und wahrscheinlich nur eine Notlösung, eine größere Batterie hätte vermutlich nicht unter die dünne Haube des TG01 gepasst. Die Konsequenz ist, dass das Smartphone bei intensiver Nutzung keinen Arbeitstag übersteht. Toshiba selbst kennt das Problem, versucht es jedoch herunterzuspielen. Darauf angesprochen, konterte Europa-Chef Alain Thomson auf dem MWC, bei einem Ferrari frage man auch nicht nach dem Spritverbrauch.

Schwache Oberfläche

Wie andere Smartphone-Hersteller hat auch Toshiba eine eigene GUI entwickelt, um die Schwächen von Windows Mobile in der Benutzerführung zu kaschieren. Das "Toshiba Touch GUI" besteht aus vertikalen Streifen, durch die der Nutzer über Verknüpfungen direkt auf jeweils drei verschiedene Funktionen und Anwendungen wie Mail, Kontakte oder Internet zugreifen kann. Die Inhalte der bunten Balken lassen sich frei bestücken, insgesamt gibt es fünf Streifen, von denen jeweils drei auf dem Display sichtbar sind. Allerdings ist es den Japanern nicht ganz so gut gelungen wie HTC, das komplexe Windows Mobile zu überdecken. Da trotz großen Displays viele Einstiegpunkte auf kleinem Raum untergebracht sind, stößt der Nutzer bei der reinen Bedienung per Hand bereits auf erste Grenzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umstellung nur die oberste Menüebene betrifft, darunter wird es richtig eng, zumal Toshiba auf einen Stylus beim TG01 komplett verzichtet hat. Abhilfe könnte hier das für September oder Oktober angekündigte Betriebssystem-Update auf Windows Mobile 6.5 bringen. So hat Microsoft bei der Entwicklung des Systems besonders Wert auf eine bessere Fingerbedienung gelegt.

Für gemischte Gefühle sorgt auch die virtuelle Quertz-Tastatur, zumal es keine Alternative dazu gibt. Anders als bei vielen Geräten ist das Problem diesmal nicht die Tastengröße, diese ist dank des großen Bildschirms auch bei Nutzung im vertikalen Format ausreichend. Auch die Trefferquote liegt dank akustischem und sensorischem Feedback relativ hoch. Die Schwierigkeiten sind vielmehr darin begründet, dass das virtuelle Display im Landscape-Modus mehr als die Hälfte des Bildschirms verdeckt und der Nutzer quasi oft im Blindflug unterwegs ist. Wenig gelungen ist angesichts des großen Touchscreens auch das unter der Scroll-Leiste "verborgene" Flexipad, eine virtuelle Vier-Wege-Wippe zur Navigation durch Websites und Anwendungen.

Wenig Zusatzsoftware

Ansonsten lässt sich softwaretechnisch wenig bemängeln: Das Betriebssystem Windows Mobile 6.1 hat seine Höhen und Tiefen, mit mobilem Office, Exchange-Unterstützung und verfügbaren Applikationen in Hülle und Fülle steht einer Nutzung im Unternehmensumfeld oder privat nichts im Weg. Das TG01 kommt dabei ohne Extras - neben dem Standardpaket ist nur wenig Zusatzsoftware installiert. Zu nennen sind neben dem Navigationssystem Copilot insbesondere der relativ gute Multimedia-Player "Coreplayer" und das VoIP und Instant-Messaging-System "Nimbuzz". Der zusätzlich zum Internet Explorer 6 installierte "Netfront Access-Browser" bietet dagegen kaum Vorteile, außerdem unterstützt er kein Flash.

Wie in der Branche mittlerweile üblich, nutzt auch das Toshiba TG01 den integrierten Lagesensor zur Steuerung: Um die Telefoniefunktion aufzurufen, genügt ein - mitunter kräftiges - Schütteln, zweimaliges, im Zweifelsfall vehementes Klopfen auf die Rückseite öffnet den Taskmanager. Im Gegensatz zu vielen Smartphones mit Windows Mobile ist das dort mögliche Schließen von Hintergrundanwendungen jedoch nur selten nötig. Wenn man den (einstelligen) Prozentangaben glauben kann, wird die CPU kaum belastet. Umso unverständlicher ist daher, dass das Gerät hin und wieder doch ins Stocken kommt - und sich das Windows-Mobile-Rädchen ohne offensichtlichen Grund dreht.

Fazit: Sportwagen mit platten Reifen

Der Slogan des Reifenherstellers Pirelli "Power ist nichts ohne Kontrolle" könnte ebenso gut auch für das Toshiba TG01 gelten, wenn auch im negativen Sinn. So steht dem Gerät auf dem Papier zwar jede Menge Rechenleistung und Geschwindigkeit zur Verfügung. Das Smartphone schafft es jedoch nicht immer, diese auch zuverlässig "auf die Straße zu bringen" und macht dadurch leider einen unausgereiften, unfertigen Eindruck. Da es sich bei dem Testgerät um ein Vorserienmodell handelt, besteht jedoch die Hoffnung, dass die Störungen und Fehlermeldungen mit dem Launch der endgültigen Version wegfallen. Ein Mitarbeiter von Toshiba Deutschland berichtete zumindest, dass Toshiba fast täglich Bugfixes für das TG01 einspiele.

Geht man wohlwollend davon aus, dass der Hersteller die Probleme noch in den Griff bekommt, bleibt unter dem Strich ein solides Smartphone mit großem Display, das seine Vorteile insbesondere bei rechenintensiven Anwendungen ausspielen kann. Ist Windows Mobile ein entscheidendes Kriterium, kann Toshiba mit dem TG01 punkten, ansonsten wird das Gerät beim direkten Vergleich mit dem Apple iPhone leider nur als zweiter Sieger hervorgehen.