Open Source oder Standardsoftware

CRM-Lösungen für den Mittelstand

24.09.2008 von Edith Horton
Um wirtschaftlichen Erfolg zu haben, kommt es heute mehr denn je auf gute Kundenbeziehungen und optimale Kommunikationswege zum Konsumenten an. Immer mehr mittelständische Unternehmen realisieren hierfür CRM-Projekte. Ob Standardsoftware oder Open-Source hängt dabei von zwei wesentlichen Faktoren ab.

Wenn in Unternehmen die Entscheidung für ein CRM-Projekt gefallen ist, und die Verantwortlichen auch festgelegt haben, ob sie das System in eigener Regie betreiben oder als Serviceleistung einkaufen wollen, beginnt die Suche nach der passenden Lösung und richtigen Strategie zur Projektumsetzung. Dabei stehen mittelständische Unternehmen vor einer unüberschaubaren Auswahl unterschiedlichster Anbieter. Im Vordergrund sollten immer eine einfache Bedienung, die rasche Einführung sowie deren Erweiterungsmöglichkeiten liegen. "Das Wesentliche bei der Implementierung eines Systems ist die pragmatische Unterstützung – sei es für den Vertrieb, Kundendienst oder das Marketing", berichtet Ariane Füchtner, Marketing Director bei SugarCRM Deutschland aus ihrer Praxis.

Auf Basis der definierten Anforderungen und benötigten Komponenten stellt sich für die Entscheider ziemlich früh im Beschaffungsprozess die Frage, ob sie sich für eine Open-Source-Lösung oder ein proprietäres System entscheiden. Allerdings ist bei Open-Source-Lösungen Vorsicht dahingehend angebracht, dass es sich zwar um quelloffene Software ohne anfallende Lizenzgebühren handelt, dennoch aber Folgekosten anfallen. CIOs müssen in ihrer Brechnung einkalkulieren, dass mit der Software verbundenen Dienstleistungen wie Support und Zusatzleistungen das IT-Budget belasten.

Rüdiger Spies: Open-Source-Software gibt es nicht zum Nulltarif.
Foto: IDC

"In der Tat unterliegt gerade der Mittelstand der Illusion, dass Open-Source-Software quasi zum Nulltarif zu bekommen ist. Fakt ist aber, dass praktisch immer in deutlich höhere interne Personalausgaben investiert werden muss, um den Mangel an professionellem Produkt-Magement und Support auszugleichen", unterstreicht Rüdiger Spies, Independent Vice President Enterprise Applications, bei IDC.

ROI- und TCO-Berechnung sind Pflicht

Unabhängig davon, ob sich eine Firma für den Einsatz einer Open-Source-Software oder herstellergebundenen proprietären Lösung entscheidet, gelten in beiden Fällen zwei wesentliche Auswahlkriterien: Erstens die definierten Anforderungen an die Funktionalität der Software, zweitens die Gesamtkosten des Systems während seiner Einsatzdauer im Unternehmen. Eine Kalkulation der so genannte Total Cost of Ownership (TCO) gehört zusammen mit der Return-on-Investment-Rechnung (ROI) zum Pflichtprogramm der Evaluation eines jeden CRM-Projektes.

Eine solche Betrachtung sollte über einen definierten Zeitraum, beispielsweise 24 Monate, erfolgen. Hierbei sind alle Kosten zu berechnen, die durch die Einführung eines CRM-Systems auflaufen. Dabei fallen zwei Hauptposten an: Zum einen die direkten Kosten für die Investition und den laufenden Betrieb, zum anderen die indirekten Kosten, die durch den Mehraufwand bei den Anwendern in der Einführungs- und Eingewöhnungsphase entstehen, erklärt Hansjörg Schmidt, Leiter Marketing und Vertrieb bei der WICE GmbH in Hamburg, einem spezialisierten Anbieter für Web-basierende CRM-Groupware. IDC-Analyst Spies empfiehlt, die Betrachtung und Analyse auf eine größere zeitliche Perspektive auszudehnen: "Mindestens sollte ein Zeitraum von drei Jahren, besser noch fünf Jahre in die ROI-Berechnung einbezogen werden."

Closed-Source-Software macht abhängig

Anbieter von kommerzieller Software, wie exemplarisch Microsoft, SAP oder Oracle, entwickeln Programme und Lösungen und bringen diese in Form von Closed-Source-Software auf den Markt. Bei diesem Vertriebsmodell behält sich der Hersteller das Recht vor, den Quellcode der eigentlichen Software nicht zu veröffentlichen. Jochen Wießler, Direktor Microsoft Business Solutions, bei Microsoft Deutschland, sieht als wesentliches Ziel dieser Marktstrategie das Gleichgewicht zwischen den Investitionen in Forschung und Softwareentwicklung und der Freigabe von Quellcode zu bewahren.

Die Pflege und Weiterentwicklung der Software erfolgt ausschließlich durch den originären Hersteller. Hierdurch entsteht für den Anwender eine gewisse Abhängigkeit gegenüber dem Anbieter. Wießler betrachtet dies erwartungsgemäß etwas differenzierter. Er ist der Meinung, dass Microsoft nicht im Wettbewerb mit der Open-Source-Bewegung oder deren Ansatz zur Softwareentwicklung steht. Mehr noch: "Wir unterstützen aktiv die Open-Source-Gemeinschaft, beispielsweise im Rahmen unserer CRM-Accelerator-Initiative", erläutert Wießler seine Position. Dabei versteht Microsoft in diesem Falle unter einem "CRM-Accelerator" Erweiterungen zu seinem ERP-System (Enterprise Resource Planning, Warenwirtschaftsplanung) Dynamics CRM 4.0. Diese werden Entwicklern lizenzfrei und im Quellcode bereitgestellt. Somit würde eine mögliche Abhängigkeit auch relativiert werden.

Schnittstelle zu ERP und Business Intelligence

Die Lösungen beinhalten in der Regel bereits standardmäßig umfassende und gängige CRM-Funktionalitäten und können Prozesse bedarfsgerecht abbilden. "Darüber hinaus bieten sie oft vorkonfigurierte Lösungen für spezifische Branchenanforderungen und können spezifische lokale Anforderungen, insbesondere für den deutschen Markt, in der Regel besser bedienen", schildert Alexandra Völker, Solution Sales CRM bei SAP, die Vorteile einer CRM-Standardlösung gegenüber Open-Source-Lösungen. Ein weiterer Vorteil von Standardlösungen ist, dass diese regelmäßig ausgereifte und integrierbare ERP- und Business-Intelligence-Lösungen aus einer Hand vorweisen können. Dies ermöglicht eine leichtere Integration zur CRM-Lösung.

Neben der Integration in weitere Lösungen ist insbesondere die Erweiterbarkeit und Weiterentwicklung der CRM-Software für eine nachhaltige Entscheidung ausschlaggebend. Eine enge Interaktion zwischen Anwender, Softwarehersteller und dessen System- und Vertriebspartner ist hierzu erforderlich. Die Hersteller haben diese Herausforderung früh erkannt und etablieren seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit den Parteien. "Bei SAP beispielsweise fließt das Feedback von Kunden und User-Gruppen direkt in die Entwicklung der Lösungen ein", berichtet Alexandra Völker. Durch diese strategische Weiterentwicklung der Standardangebote sei, so Völker, die Abdeckung künftiger Anforderungen und somit ein langfristiger Investitionsschutz für Kunden gewährleistet. Dies sei einer der Vorteile einer Standard-Software-Community.

Auch Microsoft sieht die Stärken seiner Software in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, in welche auch die Kunden involviert werden. "Der Aufbau und die Benutzerführung von Microsoft Dynamics CRM spiegeln ein tiefes und langjähriges Verständnis unseres Unternehmens für die Bedürfnisse der Anwender wider", schildert CRM-Kenner Wießler einen entscheidenden Vorteil seiner Lösung. Dies erklärt möglicherweise, weshalb die Lösung weltweit mehr als 15.500 mal eingesetzt wird.

Open-Source-Anbieter greifen an

Auch wenn laut Wießler das Unternehmen Microsoft nicht im Wettbewerb mit der Open-Source-Bewegung steht, so stellen sich innovative Anbieter und Dienstleister von Open-Source-Lösungen dennoch dem Wettbewerb mit Microsoft. Für den Anwender gilt: Bei der Bewertung, welche CRM-Software eingeführt wird, müssen sie sich zwangsläufig mit der Frage beschäftigen, ob und welche Open-Source-Lösungen in den Auswahlprozess aufgenommen werden sollen, und welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die IT-Landschaft im Unternehmen hat.

Es gilt, die Applikationsstrategie hinsichtlich Anforderungen aus den Geschäftsprozessen und den Bedürfnissen der Nutzer zu verwirklichen. Dies hat auch Otto Winkler, Senior Vice President bei TSFI, einem international tätigen SAP-Dienstleister mit Sitz in der Schweiz, berücksichtigt und sich für eine Lösung des SugarCRM-Partners Kinamu entschieden. "Schon nach kurzer Zeit war der Nutzen der CRM-Lösung absolut erkennbar. Alle involvierten Mitarbeiter verfügen jetzt über konsistentes Datenmaterial, so dass unsere Vertriebsprozesse wesentlich effizienter geworden sind", charakterisiert Winkler die Vorteile der in nur vier Wochen eingeführten Lösung. Doch wo liegen die Chancen und Risiken einer Open-Source-Lösung?

Bei der Entscheidung, ob Open-Source-Lösungen evaluiert werden sollen, spielt die Möglichkeit einer nachhaltigen Kostensenkung eine wesentliche Rolle. Eine signifikante – aber nur eine von mehreren Möglichkeiten – ist die Reduktion von Lizenzkosten. Ein weiterer Kostenvorteil kann der Verzicht auf durch Anbieter getriebene Release-Wechsel sein. "Die Vorteile liegen in erster Linie in den offenen Standards und der Freiheit gegenüber dem Softwareanbieter. Open Source Software schützt vor Abhängigkeiten beim Softwareanbieter wie zum Beispiel ungewollte Updates, Preiserhöhungen und fehlende Integrationsmöglichkeiten. Erweiterungen werden nicht in proprietären Sprachen und Standards entwickelt, sondern sind offen", zählt Open-Source- und CRM-Expertin Füchtner die Vorteile auf.

Open-Source-Anwender müssen sich nichts gefallen lassen

Neben den monetären Vorzügen liegen die Vorteile von Open-Source-Lösungen insbesondere im Bereich des organisatorischen Nutzens. Der meist modulorientierte Aufbau der Lösungen mit festen Schnittstellen ermöglicht regelmäßig einen einfachen Anbieter- bzw. Produktwechsel und das Aufspielen von Updates. Auch eine breite und aktive User-Community birgt für den mittelständischen Anwender Vorteile. So wird durch die Nutzer- und Entwicklergemeinschaft der Anwender-Support kostengünstig sichergestellt. "Open-Source-Lösungen sind nicht am Reißbrett entworfen worden. Sie enthalten keine Funktionen, die nur aus Marketing-Gründen aufgenommen wurden, sondern nur aus einem einzigen Grund: Der Bedürfniserfüllung. Zu einem erheblichen Teil entscheiden die Anwender, in welche Richtung sich ein Produkt entwickelt. Ohne die Kunden findet keine Entwicklung statt. Sie müssen sich nichts gefallen lassen, sondern können selber zu Innovatoren werden", weiß Hansjörg Schmidt zu berichten.

Wenngleich monetäre und organisatorische Vorteile wichtig für die Entscheidungsfindung sind, sollten sich Anwender auch bei der Evaluierung von Open-Source-Software auf die an den Geschäftsprozessen ausgerichteten Kriterien berufen. Demnach ist zu prüfen, ob für branchenspezifische Spezifikationen spezialisierte Anwendungen oder Module verfügbar sind. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Integration der Open-Source-Lösung in die Unternehmensstrukturen möglich ist. "Wichtig ist, eine Strategie zu haben, wie die eigenen Anpassungen in die laufenden Releases eingepflegt werden sollen" erklärt Software-Experte Schmidt. "Die WICE CRM-Groupware bietet beispielsweise eine Plug-in-Schnittstelle, mit der eigene Anpassungen ohne Veränderungen an dem eigentlichen System vorgenommen werden können", erklärt Schmidt. Dadurch bleibe das System jederzeit Update- und Upgrade-fähig.

In Bezug auf Support-Prozesse differenzieren sich in der Regel Open-Source-Lösungen nicht gegenüber proprietären Systemen. So bieten IT-Dienstleister entsprechende Unterstützungsleistungen an. Die Entscheidung pro oder contra Open Source muss demnach auf Basis anderer Kriterien getroffen werden.

Zusammenfassung

"Für mittelständische Unternehmen sind bei der Auswahl einer CRM-Lösung besonders Investitionssicherheit und die Unabhängigkeit vom Implementierungspartner wichtig. Die gewählte CRM-Software sollte langfristig einsetzbar sein, flexibel und eine breite Basis für neue Prozesse und Anforderungen bieten", erklärt SAP-Expertin Alexandra Völker. Ferner müsse die Software die lokalen gesetzlichen Anforderungen bereits standardmäßig berücksichtigen sowie bei Bedarf auch internationale Gegebenheiten.

Axel Oppermann: Anwender sollten Tools und Angaben der Hersteller genau prüfen.
Foto: Experton Group

"Die Entscheidung, auf welche Software sich ein Anwenderunternehmen festlegt, sollte auf zwei wesentliche Faktoren beruhen. Zum einen müssen die definierten – und für die Interaktion und das Management der Kundenbeziehungen benötigten – Funktionalitäten durch die ausgewählte Software erfüllt werden. Zum anderen müssen die Kosten – gegebenenfalls in Verbindung mit einer Nutzenanalyse – verglichen werden. Bei dem Kostenvergleich sind sämtliche Aufwendungen zu berücksichtigen. Dazu zählen neben den eigentlichen Lizenzkosten insbesondere die Ausgaben für Implementierung, Support, Service, Wartung und Personal", erklärt Axel Oppermann, Advisor bei der Experton Group. Damit die Gesamtkosten berechnet werden können, benötigt man Informationen von Herstellern und Dienstleistern. Anwender sollten sowohl die Tools als auch die Angaben der Hersteller kritisch prüfen – wird doch auf dieser Basis eine Entscheidung getroffen, die einen langfristigen Einsatz der Software im Unternehmen bedingt.

So sieht es auch Wießler und gibt Entscheidern in mittelständischen Unternehmen folgende Ratschläge mit auf den Weg: "Ausschlaggebend für ein erfolgreiches CRM-Projekt ist die klare Zieldefinition. Wer ein Projekt angeht, muss seine Ziele kennen – sprich er muss eine individuelle Strategie verfolgen. Wichtig ist, dass alle relevanten Bereiche im Unternehmen einbezogen werden, dazu gehört neben den Mitarbeitern gleichermaßen auch die Geschäftsleitung. Ist das Ziel definiert, folgt die Ist-Analyse: Welche Unternehmensbereiche müssen besonders berücksichtigt werden? Welche Funktionsträger im Unternehmen müssen angebunden werden? Und welche Tools und Daten sind vorhanden?"

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Dieser Beitrag stammt von der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation www.pcwelt.de.