SaaS-Lösungen in Deutschland

Collaboration und CRM haben sich etabliert

08.02.2013 von Martin Bayer
Auch wenn der Trend zur Cloud unbestritten ist, variiert die Akzeptanz von SaaS-Lösungen je nach Einsatzgebiet deutlich. Während On-Demand-Lösungen für Collaboration und CRM akzeptiert sind, zögern die Anwender bei ERP und BI.

Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass die Geschäfte mit Cloud Computing in den kommenden Jahren weiter wachsen werden. Wie sich die einzelnen Segmente dabei entwickeln werden, ist jedoch schwieriger zu prognostizieren. Noch experimentieren viele Anwender mit dem neuen IT-Bezugsmodell, die Akzeptanz schwankt erheblich.

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Gelernt und akzeptiert scheint der Einsatz als Software as a Service im Umfeld von E-Mail- und Collaboration-Lösungen. Laut den jüngsten Marktzahlen der Experton Group wird dieses Segment in den kommenden Jahren stärker wachsen als ursprünglich angenommen. Die Marktforscher taxieren das Marktvolumen in Deutschland für das laufende Jahr auf 313,5 Millionen Euro. Bis 2017 soll das Geschäft auf mehr als 2,2 Milliarden Euro anwachsen.

ERP - erst einmal abwarten

SaaS-Marktanteile in Deutschland 2013: Von den klassischen Business-Software-Segmenten hat es bislang nur CRM geschafft, sich einen signifikanten Anteil am gesamten SaaS-Markt zu erobern. Angaben in Prozent.
Foto: Experton Group

Während die Experten ihre Erwartungen in Sachen Collaboration heraufgesetzt haben, hat sich im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP) aus der Cloud eher Ernüchterung breitgemacht (siehe auch Seite 16). Eigenen Angaben zufolge hat die Experton Group ihre Erwartungen für die weitere Entwicklung des ERP-Cloud-Geschäfts "deutlich zurückgenommen". Die Ausgaben für SaaS-ERP sollen von 35,1 Millionen Euro im laufenden Jahr auf 282,6 Millionen Euro bis 2017 steigen. Ursprünglich war einmal von ERP-Cloud-Umsätzen im Jahr 2016 in Höhe von 467 Millionen Euro die Rede. Die Experton Group geht davon aus, dass vor allem mittelständische Anwender diese Cloud-Services deutlich zögerlicher annehmen als noch vor einem Jahr prognostiziert. Der Wunsch der Unternehmen, ihre ERP-Lösungen individuell anzupassen, sei nach wie vor sehr groß. Weitgehend standardisierte SaaS-Lösungen passten nicht in dieses Konzept und könnten sich deshalb im Augenblick nur schwer durchsetzen.

Anwenderbefragungen bestätigen dies. Für seinen "ERP-Trendreport 2013" hat Professor Norbert Gronau vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und E-Government der Universität Potsdam gut 100 Anwender zu ihrer ERP-Nutzung befragt. Das Ergebnis: Die Anwender zeigen sich eher verhalten gegenüber der Nutzung von ERP-Lösungen aus der Cloud. Fast drei von vier Befragten gaben an, erst einmal die weiteren Entwicklungen abwarten zu wollen. Lediglich zwei Prozent haben demnach bereits konkret Cloud-ERP-Projekte realisiert. Ein Viertel der Anwender äußerte sich zumindest mittelmäßig interessiert an dem Thema. Gronaus Resümee: "Die Einstellung der Anwender kann als sehr zurückhaltend und vorsichtig eingestuft werden."

ERP-Lösungen aus der Cloud
ERP aus der Cloud wird hierzulande noch wenig genutzt. Wir stellen Lösungen von SAP, Lexware, myfactory, weclapp, Scopevisio und Netsuite vor.
Lexware
Lexware gibt es seit 1989, damals startete das Softwarehaus mit einem Programm für optimierte Reisekostenabrechnungen, das sukzessive in Richtung Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung und Warenwirtschaft ausgebaut wurde. Vier Jahre später übernahm die Haufe-Gruppe das Unternehmen. Die Gruppe beschäftigt rund 1300 Mitarbeiter, in 2011 erwirtschaftete Haufe gut 200 Millionen Euro.
weclapp
Ertan Özdil, weclapp-Geschäftsführer und -Gründer, sollte 2005 als Abteilungsleiter Systementwicklung im 3-U-Konzern, zu dem auch die weclapp GmbH gehört, Business-Lösungen von Drittanbietern einkaufen und implementieren. Weil die Kompatibilität der Anwendungen untereinander nicht überzeugte, entstand die Idee, eine eigene, Cloud-basierende Softwaresuite zu entwickeln. Rund 50 Mitarbeiter beschäftigt der Marburger Anbieter.
Scopevisio
Nachdem die Scopevisio-Gründer Jörg Haas und Rüdiger Wilbert mit einer erfolgreichen Krankenhaussoftware abgeschlossen hatten, wollten sie etwas ganz Neues machen - eine Unternehmenssoftware, die "kompromisslos benutzerfreundlich und 100 Prozent Cloud" sein sollte. Das 2007 gegründete Bonner Unternehmen, das heute 42 Mitarbeiter beschäftigt, stieg mit dem Baustein Finanzen für Buchhaltung und Analysen ein und vervollständigt nach und nach das geplante Komplettsystem.
SAP
Der ERP-Gigant: 59.420 Menschen arbeiten weltweit für SAP, in 2011 wurden 14,26 Milliarden Euro erwirtschaftet. SAP Business ByDesign - eine SaaS-Lösung, mit deren Entwicklung der Walldorfer Hersteller sich lange schwer tat - ist in 15 Ländern erhältlich und von Preis und Funktionsumfang der "Rolls Royce" unter den ERP-Cloud-Lösungen.
myfactory
ERP als Service: Die myfactory International GmbH beschäftigt aktuell 20 Mitarbeiter in Deutschland. 2002 trat das Unternehmen mit der Idee einer über das Web zu nutzenden, kompletten ERP-Applikation für den Mittelstand an. Basis der "myfactory.BusinessWorld" ist Microsofts .Net-Technologie. Als Early Bird bot der Münchener Hersteller seit 2007 die ERP-Palette von myfactory im SaaS-Modus an.
Netsuite
Die deutsche Website des 1998 als NetLedger gegründeten US-amerikanischen Anbieters Netsuite muss um 2009 aufgegeben worden sein, Pressefragen werden auf Englisch beantwortet. Wer einen Partner finden möchte, muss zunächst ein Formular ausfüllen. Zu den deutschen Partnern zählen beispielsweise Ontect oder SBS SPL Business Solutions GmbH. Das deutsche Partnernetz wird dem Anbieter zufolge über die britische Niederlassung und die globalen Support- und Development-Teams unterstützt.

CRM - die Cloud ist gelernt

Dagegen haben sich im Kunden-Management Cloud-Lösungen längst etabliert. Das Feld bereitet hat in erster Linie der Pionier Salesforce.com, der in den zurückliegenden Jahren beharrlich die SaaS-Fahne hochgehalten hat. Das On-Demand-Modell hat in diesem Softwaresegment bereits derart Fuß gefasst, dass Carlo Velten und Steve Janata, Analysten der Experton Group, den On-Premise-Varianten in der Breite eine unsichere Zukunft vorhersagen: "In kaum einem anderen Bereich der Unternehmensapplikationen hat das SaaS-Modell eine schnellere Verbreitung gefunden als beim Kunden- und Kontakt-Management."

Als Gründe sehen die Analysten die wachsenden Anforderungen hinsichtlich Mobilität und Erreichbarkeit von Mitarbeitern im Vertrieb. Hier könne eine SaaS-Lösung ihre Stärken ausspielen. Darüber hinaus seien CRM-Anwendungen hochgradig standardisierbar, was den Anwendern einen Umstieg in die Cloud erleichtere.

HR - Anbieter rüsten nach

Wie bei CRM konzentrieren sich auch Human-Resources-(HR-)Funktionen auf ein relativ klar abgegrenztes Aufgabengebiet in den Unternehmen und eignen sich daher ebenfalls gut für den Cloud-Einsatz. Insgesamt steigen derzeit die Anforderungen an HR-Software, hat eine aktuelle Studie von Softselect ergeben. Über die klassische Gehaltsabrechnung hinaus müssen die Lösungen heute sämtliche Prozesse rund um das Personal-Management abdecken können.

Außerdem ist der Einsatz von HR-Anwendungen längst nicht mehr auf die Personalabteilung beschränkt. Neben dem Management, Bereichs- und Abteilungsleitern sind oft auch die Mitarbeiter selbst über Self-Services in die Abläufe eingebunden, beispielsweise in Sachen Reisekostenabrechnung. Um HR-Funktionen in den Unternehmen auf breiter Front effizient nutzen zu können, bieten sich Cloud-Lösungen an. Damit lassen sich viele Anwender vergleichsweise einfach an die entsprechenden Lösungen anbinden.

Dieser Trend spiegelt sich auch in den Strategien der Softwareanbieter wider. Gerade die Großen der Branche haben ihr HR-Portfolio zuletzt ausgebaut - vor allem durch Zukäufe. Nachdem SAP mit SucessFactors einen Anbieter von Cloud-Anwendungen für das Talent-Management geschluckt hatte, zog Rivale Oracle kurz dar-auf mit der Akquisition von Taleo nach. Auch IBM verstärkte sich auf diesem Cloud-Terrain mit dem Kauf von Kenexa.

Für die Experten von Softselect gilt Cloud Computing daher auch als wegweisender Trend für die weitere HR-Zukunft. Vorreiter seien insbesondere Lösungen für das Bewerber- und Talent-Management. Softselect führt in seiner Bestandsaufnahme 121 HR-Lösungen von 92 Anbietern auf. Zwar bieten die meisten Softwarehersteller ihre Produkte nach wie vor ganz klassisch als On-Premise-Lösung an, allerdings geht der Trend eindeutig in Richtung Mietmodelle, haben die Experten des Hamburger Beratungshauses festgestellt: 82 Prozent der untersuchten HR-Lösungen sind für den Application-Service-Providing-(ASP-)Betrieb ausgelegt, knapp drei Viertel (72 Prozent) lassen sich als SaaS betreiben. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil noch um fünf Prozentpunkte niedriger. Insgesamt seien On-Demand-Modelle im HR-Segement stärker vertreten als in anderen Business-Software-Bereichen wie ERP oder BI. Hier seien nicht einmal die Hälfte der Lösungen Cloud-fähig.

15 Punkte zur Orientierung
Vom Notstrom im Rechenzentrum bis hin zur nutzerbasierten Preisstruktur – die Experton Group verrät, was bei der Auswahl von SaaS-Anbietern zu beachten ist.
Punkt 15:
Im Grundpreis sollten auch Leistungen wie Implementierung, Integration und Einrichten inbegriffen sein. Die Preisstruktur ist bestenfalls nutzerbasiert, die Mindestvertragslaufzeit ein Jahr. Auch nach Volumenverträgen sei zu fragen, so Experton.
Punkt 1:
Zur Stabilität der Umgebung und Hochverfügbarkeit ist laut Experton danach zu fragen, ob der Anbieter mit gehostetem oder eigenem Rechenzentrum arbeitet. Wesentlich ist außerdem die Skalierbarkeit der Anlage, die Stromversorgung auch im Notfall sowie die Notfallbeleuchtung. Außerdem ist abzuklopfen, ob der SaaS-Anbieter mit einem oder mehreren Netzwerkbetreibern zusammenarbeitet.
Punkt 2:
Kreist die physische Sicherheit um Fragen nach Zugangskontrollen, Kameraüberwachung und Intrusion Detection im Rechenzentrum, ...
Punkt 3:
... ist bei der Systemsicherheit nach SAS 70 Type II-Zertifizierung sowie PCI- und HIPPA-Kompatibilität zu fragen.
Punkt 4:
"Bietet der SaaS-Anbieter ausreichende Kontrollen der Datensicherheit/Datentrennung? Welche Art von Kontrollen?", lauten von Praxmarer formulierte Fragen zur Datentrennung. Eine weitere: "Ist der Zugriff auf Kundendaten auf erfahrene, überprüfte SaaS-Administratoren beschränkt?"
Punkt 5:
Beim Datenmanagement ist unter anderem auf Verschlüsselung und Archivierung zu achten, ...
Punkt 6:
... bei Business Continuity und Disaster Recovery darauf, ob die Leistungen Teil des Grundpaketes sind und ob Daten und Services im Rahmen der jeweiligen Unternehmens-Parameter wiederhergestellt werden können.
Punkt 7:
Beim Identitätsmanagement sollten Single Sign-on und Integration mit Active Directory im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Punkt 8:
Auf permanente Verfügbarkeit ist ebenso zu achten wie auf schnelle und den Anforderungen entsprechende Antwortzeiten. "Wird die Verarbeitungsumgebung aktiv überwacht?", ist laut Experton ebenfalls eine Schlüsselfrage. An Ressourcen und Unterstützung gibt es im Idealfall einen dedizierten Betreuer für das Unternehmen sowie Berater für Integration und Anpassung.
Punkt 9:
Über Upgrades, Patches und Wartungsarbeiten sollten Kunden am besten vorab informiert werden, wobei auch ein Augenmerk auf den Kommunikationsweg gelegt werden sollte. Überdies sollte der Anbieter über einen Change Management Prozess verfügen.
Punkt 10:
Darüber hinaus sollte sich der Anbieter an einen Architektur-Framework halten und Projekte auf Basis einer Standard-Methodik managen. ...
Punkt 11:
... Dokumentation und Kommunikation formellen Prozesse für das Change, Problem- und Incident Management sind ebenso wichtig, ...
Punkt 12:
... wie der Vorgaben, Regeln, Richtlinien und Abläufe.
Punkt 13:
Nutzerfreundliche Standard-APIs und direkter Zugriff auf die Daten für den Kunden sind wesentliche Punkte im Bereich der Integration. sollten auf Basis einer durchgängigen Performance angeboten werden – mit Gutschriften, falls die Vorgaben nicht erfüllt werden. Regelmäßige Treffen mit dem Dienstleister zum SLA-Prozess sind ebenso wünschenswert wie Eskalations- und Benachrichtigungs-Prozesse.
Punkt 14:
Indikatoren für die Stabilität eines Anbieters sind die Jahre im Business, Gewinne, Besitzverhältnisse und Mitarbeiterzahl. Zu fragen ist laut Praxmarer ebenfalls nach einer Roadmap für die Produkt- und Serviceentwicklung. "Bittet der SaaS-Anbieter seine Kunden um ihr Feedback, um diesen Input in die Roadmap einfließen zu lassen?", lautet eine Leitfrage.

BI - andere Themen sind wichtiger

Den Cloud-Einsatz von Werkzeugen für Business Intelligence sehen Experten derzeit eher kritisch. "Der gegenwärtige Einsatz von Cloud-BI hinkt weit hinter den Erwartungen der Anbieter her, die fleißig an der Schaffung und Vermarktung neuer Off-Premise-Lösungen arbeiten", haben Gartner-Analysten im vergangenen Jahr festgestellt. Unternehmen mit einer On-Premise-Infrastruktur für BI seien unsicher, welche Daten in die Wolke wandern und welche Reports und Dashboards von dort bezogen werden könnten.

Das Potenzial für BI as a Service sei indes vorhanden, sagen die Experten. Viele Anwenderunternehmen klagten über lange Bereitstellungszyklen, die Kosten, die komplizierten Ugrading-Prozesse und die IT-Infrastruktur, die On-Premise-Lösungen mit sich bringen. SaaS- und Cloud-basierte BI-Lösungen könnten da als die schnellere, potenziell günstigere und leichter umzusetzende Alternative ins Spiel kommen. Bis sich der Markt entwickelt, wird es indes noch dauern. Einer Gartner-Umfrage unter rund 1000 IT-Verantwortlichen zufolge hat nicht einmal jeder sechste tatsächlich schon BI-Kernfunktionen durch eine On-Demand-Lösung ersetzt oder plant dies. Die Erweiterung unternehmensgestützter BI-Ressourcen durch Cloud- oder SaaS-Anwendungen ist jedoch bereits in einem Drittel der Firmen Realität oder geplant.

Die BI-Anbieter beschäftigen derzeit andere Themen. Laut einer Untersuchung von Lünendonk stehen für die Softwarehersteller in den kommenden zwei bis drei Jahren vor allem Themen rund um Big Data und Business Analytics im Vordergrund. Zudem geht es um effiziente Anwenderwerkzeuge, Business-Performance-Management und Mobile BI. Der Bereich SaaS rangiert in der Prioritätenliste deutlich dahinter. Das könnte sich in ein paar Jahren jedoch ändern. Über die Hälfte der BI-Anbieter beurteilt das Marktpotenzial von BI-as-a-Service als hoch oder sehr hoch. (mhr)