Amazon, Google, Microsoft und Co

Cloud-Provider auf dem Prüfstand

24.06.2010 von Carlo Velten und Steve Janata
Cloud Computing ist eine Sache des Vertrauens. Wir nennen Ihnen die Stärken und Schwächen der wesentlichen Provider.
Quelle: L.Vynogradova/Fotolia
Foto: L.Vynogradova_Fotolia

Viele Provider heften sich derzeit das Modethema Cloud Computing ans Revers. Die Experton Group hat sich die relevanten und in Deutschland aktiven Anbieter genauer angesehen und die Ergebnisse zu Strategie, Portfolio sowie Stärken und Schwächen zusammengetragen. Die Liste soll IT-Entscheidern bei der Bewertung und Auswahl geeigneter Cloud-Anbieter unterstützen. Die detaillierte Untersuchung der führenden IT-Anbieter in Deutschland und deren spezifischen Cloud-Offerings wurde im Apil 2010 betrieben.

Amazon: Sehr früh am Start

Strategie: Amazon hatte sein Angebot ursprünglich für Entwickler und unabhängige Softwarehersteller entworfen, wendet sich nun aber vermehrt an die Unternehmens-IT. So können Anwender mittlerweile auch "Virtual Private Clouds" einrichten. Das sind dedizierte Cloud-Umgebungen auf der Amazon-Infrastruktur, auf die Kunden via VPN zugreifen. Zudem wurde ein Premium-Support in das Portfolio der Cloud Services aufgenommen.

Portfolio: Amazon hat die Palette seiner Cloud-Dienste seit 2002 unter dem Namen Amazon Web Services (AWS) stark ausgeweitet. So kamen zum ursprünglichen Kernangebot (Vermietung von Rechenleistung "EC2", Storage "S3" und Datenbankkapazität "SimpleDB") unter anderem noch relationale Datenbanken, Content Delivery, Messaging und Monitoring, Virtual Private Clouds sowie weitere Add-ons (etwa in Zahlungen und Rechnungen) hinzu.

Amazon

Vorteile:

(+) Hohe Skalierbarkeit;

(+) hohe Verfügbarkeit durch ein Content Delivery Network (CDN);

(+) breites IaaS- und PaaS-Angebot;

(+) viel Erfahrung.

Nachteile:

(-) Kein deutsches Rechenzentrum;

(-) keine eigene Anwendungssoftware;

(-) keine Private-Cloud-Angebote.

Google: Mächtig und schnell

Strategie: Als weltgrößter Internet-Suchmaschinenbetreiber verfolgt Google eine klare Cloud-Strategie. So werden fast alle Produkte als Web- beziehungsweise Cloud-Service auf den Markt gebracht (Ausnahme ist lediglich Googles Search Appliance) sowie nutzungs- beziehungsweise nutzerbezogen abgerechnet. Allerdings ist das Portfolio nur teilweise lokalisiert, so dass sich deutsche Kunden je nach Service (IaaS, SaaS, PaaS) auf unterschiedliche Verträge hinsichtlich Sprache und Gerichtsstand einstellen müssen.

Portfolio: Die "Google Apps" sind für Anwender vorgesehen, die einfache, standardisierte Collaboration-Lösungen (Software as a Service, SaaS) wollen. Die IaaS- (Infrastructure as a Service) und PaaS-Angebote (Platform as a Service) unter dem Namen "Google AppEngine" sind auf Entwickler und Start-ups ausgerichtet. Sie stehen ohne Zugangsbeschränkung in der Public Cloud zur Verfügung, es gibt sie allerdings nicht in Deutsch. Rechenleistung lässt sich neuerdings über die so genannten "free quotas" zu festen Konditionen per Kreditkarte beziehen.

Google

Vorteile:

(+) Skalierbarkeit und Performance der Infrastruktur;

(+) Breites und frei zugängliches Angebot (gut für Tests);

(+) PaaS-Plattform für Entwickler.

Nachteile:

(-) Kein deutsches Rechenzentrum;

(-) Verträge und SLAs sind nur teilweise lokalisiert;

(-) keine Ansprechpartner vor Ort für die IaaS- und PaaS-Angebote.

Microsoft: Starkes Bekenntnis

Strategie: Mit dem Ausspruch "For the cloud, we`re all in" hat Microsoft-CEO Steve Ballmer die Strategie der kommenden Jahre festgezurrt und das Schicksal von Microsoft eng mit der Entwicklung des Cloud Computings verknüpft. Das klare Bekenntnis sowie ein vollständiges Produktportfolio sichern Microsoft eine besondere Wettbewerbsposition. Allerdings ist derzeit noch nicht abzusehen, wie sich die Kannibalisierungseffekte im klassischen Lizenzgeschäft auf die Erlössituation und das Partner-Ökosystem auswirken.

Portfolio: Microsoft bietet mittlerweile nahezu alle Produkte und Technologien auch aus der Cloud an. Damit zählt der Konzern zu den wenigen Anbietern mit komplettem Cloud-Stack, der sowohl IaaS, PaaS und SaaS als auch Private-, Public- und Hybrid-Cloud-Services abdeckt. Das zentrale Element des Portfolios bildet die Plattform "Windows Azure". Auch das kommende Office-Release 2010 soll in die Wolke passen, lässt aber auch eine lokale Installation zu.

Microsoft

Vorteile:

(+) Weitgehend komplettes Portfolio aus IaaS, SaaS und PaaS;

(+) unterstützt alle Cloud-Varianten (Public, Private, Hybrid);

(+) Integration und Interoperabilität zwischen Cloud und unternehmensinterner IT.

Nachteile:

(-) Kein deutsches Rechenzentrum;

(-) Azure ist nicht plattformunabhängig;

(-) Risiko für Channel-Partner.

Salesforce: Der SaaS-Pionier

Strategie: Salesforce hat sich vom reinen Anbieter von SaaS-Lösungen für das Customer-Relationship-Management (CRM) zu einem Plattformanbieter weiterentwickelt. Mit einer weiteren Öffnung der Technik - beispielsweise sollen zusätzliche Programmiersprachen unterstützt werden - will Salesforce zum führenden PaaS-Anbieter werden.

Portfolio: Neben seiner etablierten SaaS-Lösung für das Kunden-Managment und die Vertriebs- und Marketing-Automatisierung bietet Salesforce mit Force.com eine Betriebs- und Entwicklungsumgebung im Public-Cloud-Modus an.

Salesforce

Vorteile:

(+) Ausgereifte CRM-Lösung;

(+) großes Ökosystem an unabhängigen Softwareanbietern;

(+) attraktive Plattform.

Nachteile:

(-) Keine deutschen Rechenzentren;

(-) weniger Programmiersprachen werden unterstützt;

(-) keine IaaS- und Private-CloudLösungen.

Deutsche Telekom: Breites Portfolio

Strategie: Der Geschäftskundenbereich der Deutschen Telekom hat seine Cloud-Angebote unter dem Slogan "Vernetztes Leben und Arbeiten" auf die Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen ausgerichtet. Die Angebote sind für Betriebe gedacht, die einen hohen Bedarf an standardisierten und gemanagten Anwendungen und weniger Interesse an den Cloud-typischen Entwicklungs- und Betriebsplattformen haben.

Portfolio: Die breite SaaS-Palette umfasst unter anderem Lösungen für E-Mail, Collaboration, Conferencing, CRM und ERP. Zudem beinhaltet sie integrierte IT- und TK-Services (etwa das "Deutschland LAN"). Erwähnenswert sind die von T-Systems entwickelten "Dynamic Services", die etwa betriebswirtschaftliche Applikationen bedarfsgerecht bereitstellen und abrechnen. Hinzu kommen nun auch erste IaaS-Angebote (Infrastructure as a Service) für größere Mittelständler. Diese Offerten bieten eine flexible Buchung von Server-Instanzen, sind hinsichtlich ihrer Skalierbarkeit und nutzungsabhängigen Bezahlung aber noch ausbaufähig.

Deutsche Telekom

Vorteile:

(+) Breites SaaS-Angebot;

(+) die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen werden gut abgedeckt;

(+) Rechenzentren in Deutschland.

Nachteile:

(-) Kein Angebot für Entwickler;

(-) die IaaS-Dienste sind ausbaufähig;

(-) Cloud-Offerten sind teilweise schwer zu erkennen.

Hewlett-Packard: Unklare Strategie

Strategie: Hewlett-Packard (HP) hat sich bis dato noch nicht zu einer einheitlichen und klaren Cloud-Strategie durchgerungen. Obwohl der Konzern als kompetenter IT-Service-Anbieter gilt, wenn Cloud-Rechenzentren geplant und errichtet werden, bleibt die Positionierung unklar. Erkennbar ist, dass sich HPs Fokus auf die Private Cloud richtet. Das lässt den Schluss zu, dass HP sich vornehmlich als Cloud-Ausrüster für große Unternehmen und Service-Provider einrichtet.

Portfolio: HP vertreibt Hard- und Software für den Aufbau von Private-Cloud-Infrastrukturen. Zudem können Großkunden Rechenleistung und Storage-Kapazitäten in einem IaaS-Modell nutzen. Allerdings sind Zugang, Skalierbarkeit und Self-Service beschränkt. Dagegen sind die Utility-Services, die Enterprise-Applikationen etwa von SAP auf einer virtualisierten Plattform flexibel bereitstellen und abrechnen, weit entwickelt und voll ausgereift. Sie sind das Kernstück des derzeitigen Cloud-Angebots.

Hewlett-Packard

Vorteile:

(+) Weltweite Rechenzentrumskapazitäten;

(+) Kompetenz im Bau von CloudRechenzentren (im Private-CloudModell);

(+) gut entwickelte Cloud-Services für Enterprise Applikationen.

Nachteile:

(-) Auf Private-Cloud beschränkte Dienste;

(-) kein überzeugendes IaaS-Angebot;

(-) unklare Cloud-Roadmap und -Strategie.

Nionex: Unbekannter Herausforderer

Strategie: Die Nionex GmbH hat sich als Alternative zu den globalen Cloud-Anbietern positioniert. Zwar weiß die Bertelsmann-Tochter einen großen Konzern im Rücken, dennoch kann sie aufgrund der Betriebs- und Umsatzgröße (sie beschäftigt etwa 100 Mitarbeiter) nicht die Skalierbarkeit der globalen Cloud-Anbieter garantieren. Zudem hinken die Budgets für Marketing- und Vertriebsaktivitäten weit hinterher. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit.

Portfolio: Als einer der wenigen IT-Service-Provider in Deutschland bietet Nionex seit 2009 ein klar strukturiertes Public-Cloud-Angebot an. So werden mit den IaaS-Offerten mittelständische Unternehmen angesprochen, die Teile ihrer Infrastruktur flexibilisieren und erste Anwendungen in der Cloud betreiben wollen. Nionex stellt neben Rechnerleistung auch Storage und weitere Services bereit.

Nionex

Vorteile:

(+) Gut strukturiertes IaaS-Angebot;

(+) die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen werden gut abgedeckt;.

(+) Rechenzentren in Deutschland.

Nachteile:

(-) Eingeschränkte Skalierungsfähigkeit;

(-) keine Angebote für Softwareentwickler;

(-) keine Private-Cloud-Dienste, die auf Infrastruktur beim Kunden laufen.

T-Systems: Die Geschäftskundenadresse

Strategie: T-Systems richtet sich an große Unternehmen und adressiert ausschließlich 400 ausgewählte Konzerne. Neben zahreichen, auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Managed-Services bilden die "Dynamic Services" den Kern des Cloud-Angebots. T-Systems grenzt sich von Wettbewerbern ab, indem sich die Telekom-Tochter auf unternehmenskritische Workloads im Private-Cloud-Modell fokussiert.

Portfolio: Im Mittelpunkt des Portfolios stehen Enterprise-Applikationen (etwa ERP und CRM), die auf skalierbaren und standardisierten Hardware-Infrastrukturen laufen. Die Abrechnung der genutzten SAP- oder Microsoft-Systeme erfolgt nutzungsabhängig.

T-Systems

Nachteile:

(+) Ausgereiftes, zielgruppengenaues Portfolio;

(+) deutsche Rechenzentren;

(+) eigenes Netzwerk, hohe Lieferkompetenz.

Nachteile:

(-) Cloud-Angebote teilweise unter anderen Begriffen positioniert;

(-) keine Angebote für Softwareentwickler;

(-) keine Public-Cloud-Dienste.

Fujitsu Technology Solutions: Ausbaufähiges Portfolio

Strategie: Fujitsu Technology Solutions (FTS) hat seine Cloud-Aktivitäten in den letzten Monaten stark ausgebaut. Trotzdem bleibt die Frage derzeit noch unbeantwortet, ob FTS sich zum Cloud-Provider entwickelt oder Ausrüster von Rechenzentren bleibt. Die Abhängigkeit vom japanischen Mutterkonzern macht es für die deutsche Tochter schwierig, Kunden in Deutschland verlässliche Cloud-Roadmaps zu präsentieren.

Portfolio: Derzeit bietet FTS unter dem Namen "Infrastructure-as-a-Service for Servers" lediglich flexibel buchbare Server-Kapazitäten in einem "Private-Cloud-Modell" an. Die Abrechnung mit den Kunden erfolgt allerdings nach gebuchten und nicht nach wirklich verbrauchten IT-Ressourcen. Leider hat Fujitu hier den Cloud-Ansatz noch nicht hundertprozentig umgesetzt.

Fujitsu Technology Solutions

Vorteile:

(+) Lokale Angebote und Verträge;

(+) hohe Sicherheitsstandards;

(+) Rechenzentren in Deutschland.

Nachteile:

(-) keine nutzungsabhängige Abrechnung;

(-) keine einfache Skalierbarkeit;

(-) ausschließlich IaaS-Dienste.

IBM: Alles aus einer Hand

Strategie: IBM offeriert Cloud-Services überwiegend für große Unternehmen und den gehobenen Mittelstand. Hier bietet der Anbieter zurzeit das breiteste Portfolio. Dabei konzentriert sich Big Blue auf das Thema Private Cloud. Das gilt sowohl für die eigene Infrastruktur, die geschlossene Dienste für Anwender bereitstellt, als auch für Installationen innerhalb der Kunden-Rechenzentren. Dabei kann IBM als Lieferant von Hardware, Software und Services punkten.

Portfolio: Als technologischer Innovator verfügt IBM über ein breites, aber teilweise nur schwer überschaubares Angebot an Cloud- Services (IaaS, PaaS, SaaS) und Produkten. Neben den eigenen SaaS-Lösungen (zum Beispiel Lotus) stehen IBM-Kunden eine Vielzahl an Partnerlösungen auf der IBM-Plattform zur Verfügung. Für Softwaretests und -entwicklung, ein wichtiges Cloud-Anwendungsfeld, bietet IBM Unternehmen eine ausgereifte Plattform.

IBM

Vorteile:

(+) Fast komplettes Portfolio (IaaS, SaaS, PaaS);

(+) hohe Kompetenz im Bau von Private-Cloud-Rechenzentren;

(+) Enterprise-Applikationen im Cloud-Modell.

Nachteile:

(-) Kein deutsches Rechenzentrum für Test- und Development-Cloud-Services;

(-) teilweise wenig Struktur und Transparenz;

(-) keine Public-Cloud-Dienste.

Pironet NDH: Der lokale Anbieter

Strategie: Pironet NDH fokussiert sich mit seinem Cloud-Angebot eindeutig auf den Mittelstand und positioniert sich dort als "Trusted Partner". Dementsprechend stehen die Themen Sicherheit, deutsche Rechenzentren sowie ein gut lokalisiertes Angebot im Vordergrund.

Portfolio: Das Cloud-Portfolio der Pironet NDH umfasst neben Infrastruktur-Services (etwa Storage on Demand) zahlreiche SaaS-Lösungen von Partnern. Dazu kommen verschiedene Managed-Services auf der Netzebene.

Pironet NDH AG

Vorteile:

(+) Gutes, zielgruppengenaues Angebot;

(+) Rechenzentren in Deutschland.

Nachteile:

(-) Die Flexibilisierung des Bezugsmodells ist ausbaufähig;

(-) keine Angebote für Softwareentwickler;

(-) keine Private-Cloud-Dienste, die auf Infrastruktur beim Kunden laufen.