Praxistest Nokia E71

Business-Smartphone mit Sinn für Privatsphäre

08.08.2008 von Manfred Bremmer
Mit dem Nachfolger des "E61i" tritt Nokia den Beweis an, dass ein mobiles Arbeitsgerät auch schick sein kann. Wir haben das Smartphone auf Herz und Nieren getestet.

Bereits beim Auspacken zieht das neue Business-Smartphone "Nokia E71" die Blicke auf sich: Das Gerät ist deutlich schlanker und schmaler ausgefallen als sein Vorgänger E61i. Das Gewicht wurde von 150 auf 127 Gramm reduziert. Gleichzeitig wirkt das Modell nicht zuletzt dank seiner glänzenden Metallrückseite, der besseren Verarbeitung und - nicht zu vergessen - der mitgelieferten Tasche deutlich eleganter. Insgesamt erinnert es damit eher an seinen kleinen Bruder "E51" - nur erweitert um eine nützliche Qwertz-Tastatur und weitere Extras.

Auch vor der Konkurrenz aus dem Windows-Mobile- und Blackberry-Lager muss sich der jüngste Neuzugang der Nokia-E-Series (neben dem Business-Slider "E66") nicht verstecken: Glaubt man den Angaben des Herstellers ist das Device mit elf Millimetern Dicke nun das weltweit dünnste Smartphone mit Volltastastur (Qwertz). Die Breite von gerade einmal 57 Millimetern ermöglicht es jetzt auch Nutzern mit normalgroßen Gliedmaßen, das Smartphone mit einer Hand zu greifen. Leider geht die schlanke Linie etwas auf Kosten der Bedienbarkeit: Insbesondere mit dickeren Fingern sind die Tasten nur schwer zu treffen - zumindest am Anfang. Ansonsten liegen sie zwar eng beieinander, sind jedoch nach oben gewölbt und geben dank eines festen Druckpunkts ein klares Feedback. Das ist besser gelöst als beim E61i, dessen Tasten etwas schwabbelig wirkten. Die Nummerntasten sind allerdings schwer zu treffen - die Zahlen sind klein und unscheinbar.

Neben der vollständigen Qwertz-Tastatur bietet das Gerät unterhalb des Displays noch eine Reihe von Kurztasten für Startbildschirm, Kalender, Kontakte und Mailbox sowie eine effektiv arbeitende Vierfachwippe zum Steuern des Cursors. Apropos Display: Der 320 mal 240 Pixel große TFT-Bildschirm (QVGA) mit bis zu 16 Millionen Farben zeigt Bilder und Texte gestochen scharf an. Obwohl er damit über jede direkte Kritik erhaben ist, kommt beim Nutzer unwillkürlich der Wunsch nach einem größeren Screen auf - zumal nach oben noch etwas Platz frei wäre. Ein Blick auf die Konkurrenz: Blackberry Bold und Apple iPhone haben ein 480 mal 320 Pixel (beziehungsweise umgekehrt) großes Display, der Screen des HTC Touch weist sogar 640 mal 480 Bildpunkte auf. Dieses Manko des E71 macht sich insbesondere beim Surfen im Internet bemerkbar - welches ansonsten dank HSDPA und Browser mit Mini-Map-Funktion (einer Art Vorschau) zügig und schmerzfrei möglich ist.

Die Helligkeit des Displays ist standardgemäß zu niedrig festgelegt, lässt sich jedoch höher einstellen. Ähnliches gilt für die Beleuchtungszeit, die vermutlich zugunsten der Akku-Laufzeit äußerst kurz gehalten wurde. Dabei müsste Nokia hier nicht unbedingt so stark knausern: Mit 1500 Milliampere (mAh) reichte eine Akku-Ladung im Testbetrieb volle drei Tage - bei moderater Nutzung dürfte das Gerät damit mindestens vier Tage durchhalten.

Hardwaretechnisch State of the Art

Hardwaretechnisch ist das E71 auf der Höhe der Zeit: Zur Ausstattung gehören HSDPA/UMTS, Quadband-GSM, A(ssisted)-GPS, Radio, WLAN-Unterstützung und Videotelefonie. Die uneingeschränkte Bluetooth-Unterstützung ist - anders als bei Branchenneulingen wie dem Hip-Handy iPhone - selbstverständlich, ebenso wie eine videofähige (VGA-Größe) Kamera mit (digitalem) Zoom und Blitz. Die 3,2-Megapixel-Optik kann sich trotz gleicher Auflösung nicht mit der im klappbaren Flaggschiff E90 verbauten Kamera (mit Zeiss-Optik) messen und enttäuscht etwas. Zur Dokumentation von Aufträgen oder als Barcodescanner geht sie durch, als Ersatz für die Digitalkamera im Urlaub eignet sich das E71 weniger.

Im Gegensatz zum E90 werkelt im E71 "nur" ein einfacher ARM-11-Prozessor mit 369 Megahertz (wie beim E51). Diesem stehen 128 MB RAM Arbeitsspeicher zur Seite. Dank dieser Kombination traten längere Wartezeiten, zähe Anwendungen oder gar Abstürze während der Testphase nicht auf.

Mit Symbian 9.2 (S60 3rd Edition, Feature Pack1) kommt ein bewährtes und solides Betriebssystem zum Einsatz, wenn auch mit neuen Menüsymbolen. Novizen wird es manchmal schwerfallen, sich durch die Untermenüs zu kämpfen und wichtige von weniger relevanten Funktionen zu trennen. Hier wäre Aufräumen angesagt, zumal weniger das komplexe Windows Mobile als vielmehr das iPhone-Betriebssystem die künftige Marschrichtung vorzugeben scheint. In puncto Sicherheit schlägt das E71 den trendigen Newcomer dagegen um Längen: Neben zahlreichen bestehenden Funktionen zum Mobile-Device-Management (etwa via OMA DM) kann der Nutzer die Daten nun auch im 110 MB großen internen Speicher und auf der MicroSD-Card (maximal 8 GB - hot swappable) verschlüsseln. Für den Fall, dass das Gerät samt sensiblen Daten verloren oder gestohlen wurde, unterstützt das E71 die Funktion "Remote Wipe": Mit ihr kann der Nutzer das Smartphone über eine spezielle Kurzmitteilung sperren - nach drei Fehlversuchen, den Code zu knacken, wird sämtlicher Inhalt gelöscht. Voraussetzung ist natürlich, dass nach wie vor die SIM-Karte eingebaut ist.

Nützliche Zusatzapplikationen

Wie bei allen Nokia-Smartphones gibt es eine Reihe von fest installierten Zusatzapplikationen wie "Quickoffice" (leider nur in Version 4.1, welches das Dateiformat OpenXML nicht unterstützt) und Acrobat Reader PDF. Neu dabei ist der bislang als Zusatzsoftware angebotene "Advanced Call Manager" von Webgate. Das separat für knapp 26 Dollar teure Tool schützt den Nutzer mit zahlreichen Funktionen wie dem Führen einer schwarzen und weißen Liste sowie einer Antwortfunktion via SMS vor unerwünschten Anrufen.

Originell ist die Möglichkeit, im E71 zwei individuelle Startbildschirme mit separatem Thema (Wallpaper, Töne und Ähnliches) und vorkonfigurierten Elementen zu definieren. Dabei bieten sich für den privaten Bereich Shortcuts zur Bildergalerie, Internet-Browser oder zum Musik-Player an. Nokia trägt damit der Tatsache Rechnung, dass auch Manager ein Privatleben haben. Leider ist diese Idee aber noch nicht zu Ende gedacht, denn die Kontakte, Termine, E-Mail-Postfächer etc. lassen sich nicht in beruflich und privat trennen.

In Sachen Connectivity hält sich der Hersteller außerdem nicht mehr eisern an seine frühere Maßgabe, auch andere wichtige Messaging-Plattformen zu unterstützen. So fiel der noch im E61i vorhandene "Blackberry-Connect"-Client vermutlich einem Reality-Check zum Opfer - die Anzahl der Nutzer, die den Blackberry-Service auf ihrem Nokia-Smartphone einsetzen, dürfte sich in Grenzen halten. Besser scheint die Bilanz bei Push-Mail via Exchange auszufallen: Der in Lizenz genommene ActiveSync-Client von Microsoft ist nach wie vor enthalten.

Fazit

Alles in allem hat Nokia mit dem E71 ein elegantes Business-Smartphone herausgebracht, das in den allermeisten Punkten auf der Höhe der Zeit ist. Sieht man von der mittelprächtigen Kamera ab, verfügt das Device zusätzlich über die vor allem bei semiprofessionellen Anwendern gefragten Multimedia-Fähigkeiten. Es ist damit ein geglückter Nachfolger für das E61i und weist mit rund 400 Euro ohne Vertrag ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf.