Interview mit Jürgen Schaar, Gründer von Blockchainfirst

Blockchain-Entwicklung in der Praxis

22.02.2017 von Moritz Strube  IDG ExpertenNetzwerk
Jürgen Schaar hat in Singapur das Startup Blockchainfirst gegründet, das Blockchain- und IoT-Technologien verbindet. Dazu hat er mir in einem Interview viele Fragen beantwortet.

Blockchainfirst entwickelt vielversprechende IoT-Produkte, deren Nutzung mit Smart Contracts geregelt und mit Kryptowährungen wie Bitcoin bezahlt werden können. Jürgen Schaar hat sich für die Gründung in Singapur entschieden - wo man Unternehmen mittels Blockchaintechnologien gründen kann - weil Asien aus seiner Sicht eine Schlüsselrolle in der Hardware- und auch Softwareentwicklung spielt. Seine Erfahrungen teilt er gern und spricht Empfehlungen für Unternehmen und Startups in Deutschland aus.

Waschmaschinen mit Münzeinwurf könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Entsprechende Zahlmodelle können auch mittels Blockchain-Technologie umgesetzt werden.
Foto: Jit-anong Sae-ung - shutterstock.com

Strube: Herr Schaar, erzählen Sie uns bitte etwas zu Ihrem Hintergrund? Was haben Sie bisher gemacht?

Schaar: Ich bin Informatiker und Elektroniker. Meine Berufslaufbahn habe ich vor 30 Jahren bei der Firma Texas Instruments angefangen. Als ich nach vier Jahren bei TI zum Manager befördert wurde, habe ich gemerkt, dass der Job sehr bürokratisch ist und ich gern meine eigenen Ideen verwirklichen möchte. Im Jahr 1990 habe ich dann meinen gut bezahlten Job gekündigt und meine erste Firma gegründet.

Mein Idee war damals so genannte Kofferlösungen zu entwickeln. Das heißt, ich habe Laptops zusammen mit einem mobilen Drucker in einen eigens entwickelten Koffer integriert. Es war zunächst ein reines Hardware Geschäft. Im Jahr 2000 habe ich die Firma intrix AG gegründet. Das Ziel der intrix AG war Software für mobile Computer, so genannte MDE’s (mobile Datenerfassungsgeräte) zu entwickeln.

2009 habe ich aus gesundheitlichen Gründen meine Aktien an der AG verkauft und mir eine Auszeit genommen. Nach einem Jahr hat es dann wieder gekribbelt und ich habe gemerkt, dass ich wieder etwas unternehmen möchte. 2010 habe ich die Firma mobilefirst UG gegründet, die bis heute mobile Lösungen für Enterprise Kunden entwickelt.

Strube: Eigentlich wollten Sie bereits aufhören, dann haben Sie es sich aber anders überlegt. Was machen Sie jetzt?

Schaar: Da ich in den letzten 25 Jahren ziemlich viel gearbeitet habe und mobilefirst auf soliden Beinen steht, hatte ich ursprünglich geplant, etwas kürzer zu treten und meine Hobbies zu pflegen. Genau vor einem Jahr las ich dann per Zufall etwas über Blockchain und Ethereum. Ich muss zugeben, dass es etwas gedauert hat bis die verschiedenen Technologien im Kontext mit Blockchain und die verschieden Plattformen wie Ethereum verstanden hatte. Dann aber hat es plötzlich Klick gemacht und mir wurde deutlich, welches Potenzial in dieser Technologie steckt.

In den letzten 40 Jahren habe ich einige neue Technologien kommen sehen. Das Internet und Mobile haben in den letzten 20 Jahren vieles verändert und möglich gemacht. Blockchain Technologien aber haben ganz sicher das Potenzial, Dinge zu verändern wie wir es bisher noch nicht erlebt haben. Und das meine ich wirklich im positiven Sinne. Ich muss zugeben, dass ich plötzlich infiziert war und mir wurde klar, dass ich mich nicht zur Ruhe setzen kann, während sich durch Blockchain(s) die Welt verändert.

Zum Video: Blockchain-Entwicklung in der Praxis

Da ich mich auch schon seit einiger Zeit mit IoT beschäftige, wurde mir schnell deutlich, welche gigantischen Möglichkeiten sich ergeben, und was für Produkte man entwickeln kann, wenn man IoT und Blockchain zusammenbringt.
Es war schon immer meine Leidenschaft aus Hard- und Software ein neues Produkt zu schaffen und so war mir klar, dass ich versuchen werde, aus IoT- und Blockchaintechnologie neue Lösungen zu entwickeln.

Nun musste nur noch eine neue Firma her und nachdem ich meine dritte Firma mobilefirst genannt habe, war es natürlich naheliegend, die neue Firma Blockchainfirst zu nennen. Ich habe sofort angefangen, kleine so genannte SOC-Module (System on Chip) zu testen und Software zu schreiben. Nachdem ich einen passenden Chip gefunden hatte und die Ethereum Blockchain Software (Light Client) auf dem System lief, waren wir in der Lage, diesem Chip Geld in Form einer Kryptowährung (Ether) zu senden. Bei Empfang eines definierten Betrags hat der Chip dann eine Aktion ausgelöst. Dies war der Anfang einer Reihe von Lösungen, die auf Basis dieser Kombination aus Hard- und Blockchain Software arbeiten.

Asien und die Blockchain

Strube: Sie haben sich für eine Firmengründung in Singapur entschieden. Warum?

Schaar: Seit einigen Jahren versuche ich so oft wie möglich, in Asien zu sein und auch dort zu arbeiten. Singapur ist das Tor zu Asien und eine der modernsten Städte der Welt. In Singapur wird überwiegend englisch gesprochen und es ist sehr international. Singapur bietet Unternehmen und Startups die besten Rahmenbedingungen die man sich vorstellen kann. Die jungen Menschen, die in Singapur leben, sind ebenso hoch motiviert wie qualifiziert. Das Wissen um Blockchain Technologien ist bisher in Asien - vor allem China - wesentlich höher als zum Beispiel in Europa.

Jürgen Schaar: "Während in Deutschland viele Menschen glauben, dass das Wissen, welches man während der Ausbildung gelernt hat, auch für die Zukunft ausreicht, sind viele Asiaten immer wissbegierig und neugierig."
Foto: Blockchainfirst

Wenn man langfristig als Unternehmen im Bereich hoch innovativer Technologien am Markt bestehen möchte, ist es zwingend notwendig, einen Fuß in Asien zu haben. Und da sehe ich Singapur als Tor zu Asien als bestmöglichen Platz. Hinzu kommt, dass es ein Startup in Singapur gibt, deren Geschäftsmodell es ist, Unternehmensgründungen in der Blockchain über sogenannte Smart Contracts durchzuführen. Innerhalb von 24 Stunden ist die Firma geschäftsfähig und alles wird über die Blockchain abgewickelt. Möchte man Anteile seines Unternehmen verkaufen, kann man das ohne bürokratischen und teuren Aufwand quasi per Tastendruck von überall aus durchführen. Das ist eines der Beispiele, wie Blockchain Technologien zukünftig viele Geschäftsbereiche völlig verändern werden.

Strube: Welche Besonderheiten sehen Sie im Softwareentwicklungsprozess für Blockchain-Anwendungen im Unterschied zu Deutschland?

Schaar: Entwickelt wird Software und auch Hardware in Asien im Allgemeinen genauso, wie bei uns. Der Unterschied liegt aus meiner Sicht in erster Linie an der Motivation der Menschen, neue Produkte zu entwickeln. Ich möchte ehrlich und offen sein. Während in Deutschland viele Menschen glauben, dass das Wissen, welches man während der Ausbildung gelernt hat, auch für die Zukunft ausreicht, sind viele Asiaten immer wissbegierig und neugierig.

Ich habe das Gefühl, dass einige Startups in Deutschland gegründet werden, weil die Gründer schnell reich werden möchten. Ich vermisse bei vielen Startups die Leidenschaft für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Ohne eine Passion für ein Produkt wird es auch mit Blockchain nur zum Mittelmaß oder Flop reichen. Viele Asiaten wollen erst mal ein gutes Produkt entwickeln, das Nutzen stiftet. Der monetäre Erfolg steht an zweiter Stelle. Kopieren ist eine Ehre für den, der kopiert wird. So entwickeln sich neue Produkte viel schneller, weil der Urheber immer schneller sein will und es auch meistens ist.

Was ist was bei Blockchain, Bitcoin und Co.?
Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild).
Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen.
Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain.
Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden.
Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic.
BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie.
Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen.
Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen.
R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können.
Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.

Strube: Welche Unterschiede bestehen Ihrer Meinung im asiatischen Hardware-Entwicklungsprozess für IoT-Geräte gegenüber dem deutschen Ansatz?

Schaar: Die Rahmenbedingungen für Startups im Bereich Hard- und Produktentwicklung sind in Asien einzigartig. Ein großartiges Beispiel ist der Inkubator HAX in Shenzhen. Es lohnt sich, sich dazu mal ein Video anzuschauen. Hier werden neue Ideen und Produkte in einer Geschwindigkeit entwickelt, wie wir es uns in Deutschland nicht vorstellen können. Das liegt daran, dass dort geballt junge hochmotivierte Leute mit ganz unterschiedlichen Disziplinen in einem Gebäude arbeiten und sich gegenseitig unterstützen.

Wenn wir heute einen Prototypen bauen, benötigen wir unter Anderem einen 3D Printer, CNC Maschinen, Platinenhersteller, jede Menge Messgeräte, elektronische Bauteile und Komponenten. Bei Hax findet man alles zusammen in einem Gebäude. Nur durch solche Inkubatoren können junge Unternehmen dort schnell und preiswert neue Ideen in reale Produkte umsetzen. Wenn man dort ist, wird man automatisch kreativ und hat die Sicherheit, dass man seine Idee so schnell wie möglich umsetzen kann. So etwas vermisse ich in Deutschland.

Strube: Welche Erfahrungen haben Sie persönlich in Asien gemacht?

Schaar: Die Erfahrungen sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich und dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner. Die Menschen in Asien sind nach meiner Erfahrung glücklicher und zufriedener, egal wie arm oder reich sie sind. Das ist eine entscheidende Grundlage für ein Leben miteinander und eine gute Zusammenarbeit. Die Menschen in Asien verstehen es Dienstleistung anzubieten. „Dienen ist eine Ehre“ und keine Schmach. In Asien bekomme ich eine Dienstleistung sofort und nicht erst nach einer Terminvereinbarung.

Ich lebe teilweise in Chiang Mai im Norden von Thailand. Chiang Mai ist eine moderne Universitätsstadt und seit Jahren auf Platz 1 für Digital Nomads. Es gibt hunderte von modernen Coworking Spaces. Die Miete für einen Schreibtisch kostet ca. 5 Euro pro Tag inklusive WLAN und Kaffee. Braucht man eine Pause zum abschalten, fährt man in 30 Minuten in den Dschungel und sitzt an einem Wasserfall zum Mittagessen oder streichelt Elefanten. Das schafft Kreativität und setzt unglaubliche Kräfte frei. Hat man in Singapur einen Termin, fliegt man für 100 Euro dort hin. Die Ausländer oder Expats, die ich in Asien treffe, sind durchweg motivierter und zufriedener, mich eingenommen, und das hat seinen Grund.

Strube: Was raten Sie deutschen Startups und Unternehmen, die die Entwicklung von IoT-Hardware planen?

Schaar: Zunächst würde ich jedem raten nach Asien zu fliegen und sich das, was ich hier beschreibe, vor Ort anzusehen. Shenzhen ist im Bereich Hardwareentwicklung ein absolutes Muss. Es gibt meiner Meinung nach keinen anderen Ort, an dem man Hardware-Prototyping besser und schneller machen kann als dort. Wer die Orte Singapur, Chiang Mai und Shenzhen einmal besucht hat, wird wissen wovon ich rede. Das Ganze ist auch nicht teuer und öffnet ganz neue Horizonte. Eine Investition die sich in jedem Fall langfristig auszahlen wird oder sogar für den weiteren Erfolg entscheidend sein kann.

Blockchain enabled Ladestation
Foto: Blockchainfirst

Kryptowährung und Micropayments

Strube: Was raten Sie deutschen Startups und Unternehmen, die die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen planen?

Schaar: Blockchain ist noch eine sehr junge Technologie, auch wenn die erste Blockchain „Bitcoin“ schon mehr als sieben Jahre alt ist. Das heißt, wenn man etwas im Bereich Blockchain machen möchte, benötigt man eine langen Atem. Bis wir echte Anwendungen und Produkte sehen, die auf Blockchain Technologien aufsetzen, wird es sicher noch ein bis zwei Jahre oder sogar länger dauern.

Es wird zwar im Moment sehr viel Geld in Startups investiert, die sich mit Blockchain beschäftigen oder eine Blockchain-Idee haben. Dennoch würde ich davon abraten, zu schnell und zu früh eine Seed Finanzierung zu machen. Die Technologie ist noch zu jung und niemand weiß exakt, wohin die Reise geht und was am Ende dabei herauskommt.

Im Moment ist entscheidend, sich mit der Technologie auseinander zu setzen, herumzuprobieren und täglich zu lesen, was so passiert. Es gibt in jedem Land Hackathons bei denen man mitmachen kann, um sich ein Feedback zu holen, ob die Idee Aussicht auf Erfolg hat.

Dennoch wird so viel Geld in „Blockchain“-Startups gepumpt, wie wir es schon damals bei der Internetblase erlebt haben. Einige werden vom DAO-Desaster im letzten Jahr gehört oder gelesen haben. Hieran ist gut zu erkennen, dass FOMO (Fear of missing out) Investoren genauso wie Startups blind macht. Als Fazit rate ich daher, einen kühlen Kopf zu bewahren und keine unüberlegten Schnellschüsse zu wagen. Die gehypten Startups von damals gibt es heute nicht mehr.

Strube: Welche Blockchains beziehungsweise Kryptowährungen sind für Sie interessant?

Schaar: Nach wie vor ist Bitcoin die Kryptowährung schlechthin. Wer Anfang des letzten Jahres Bitcoin gekauft hat, hat bis heute eine extrem gute Rendite erzielen können. Aber auch andere Währungen wie Dash Coin oder Monero haben außergewöhnlich performed. Anfang des Jahres lag der Monero bei 50 Cent und heute ist er bei knapp 13 US Dollar. Nicht schlecht also, wenn man das mal mit den heutigen Zinsen oder anderen Anlagemöglichkeiten vergleicht.

Im Bereich Blockchaintechnologie hat eindeutig Ethereum die Nase vorn. Es ist das Konzept einer Währung und der Möglichkeit mit so genannten Smart Contracts Lösungen zu entwickeln, wie es bisher nicht möglich war. Ich habe Vitalik Buterin, den Erfinder von Ethereum, letztes Jahr auf einer Veranstaltung in Shanghai persönlich kennen gelernt. Es war beeindruckend zu hören, was mit dieser bahnbrechenden Technologie in Zukunft möglich sein wird.

Natürlich ist Hyperledger auch eine Blockchain Plattform, die zukünftig vor allem im Enterprise-Bereich seinen Platz erobern wird. Auch andere Blockchain-Plattformen wie Lisk haben interessante Ansätze. Ich gehe stark davon aus, dass wir in naher Zukunft noch weitere Blockchain-Plattformen sehen werden. Über Vor- und Nachteile der genannten Plattformen zu sprechen, wäre heute zu früh.

Startups würde ich auf jeden Fall empfehlen, sich mit Ethereum auseinander zu setzen und Prototypen sogenannter DAPPs (Decentralized Applications) auf dieser Plattform zu entwickeln. Ethereum ist aus meiner Sicht und Erfahrung technologisch am weitesten entwickelt. Zusätzlich ist es noch wichtig, sich mit Blockchain-Technologien wie IPFS (Inter Planetary File System) und IPDB (Inter Planetary Data Base) auseinander zu setzen. Mit der Kombination aus diesen Technologien werden die zukünftigen Killerapplikationen entstehen.

Blockchain-fähiges Leuchtmittel
Foto: Blockchainfirst

Strube: Sind Micropayments vor dem Hintergrund der aktuellen Blockchains wirklich möglich?

Schaar: Im Moment sind in der Tat die Gebühren von Blockchain-Transaktionen noch recht hoch, wenn ich Kleinstbeträge im Centbereich versende. Die Transaktionsgeschwindigkeit und die Skalierbarkeit bei Blockchain-Transaktionen sind für die Nutzung einer breiten Masse lange noch nicht ausreichend. Die Technologie steht eben am Anfang und so war es auch zu Beginn des Internets. Es fing an mit Baudraten von 9600 baud und die Kosten, um ins Internet zu gehen, wurden unter anderem nach Telefonminuten berechnet. An Videostreaming in Echtzeit war nicht zu denken.

Technologien wie „lightning bei Bitcoin“ oder „Raiden“ bei Ethereum werden diese Faktoren auflösen und die Technologie massentauglich machen. Der Unterschied ist nur, dass diesmal alles sehr viel schneller gehen wird, als beim Internet. Ich gehe davon aus, dass 2017 das Jahr wird, in dem wir erleben werden, dass Transaktionsgeschwindigkeiten quasi in Echtzeit und Skalierbarkeit kein Thema mehr sein werden.

Strube: Wie reagiert der Markt, insbesondere Industriekunden, auf Ihr Angebot?

Schaar: Zunächst muss ich sagen, dass die Reaktion auf das, was wir bisher entwickelt haben, weltweit überwältigend ist. Jeder kann sich vorstellen, dass solche Lösung in naher Zukunft in echte Produkt einfließen und am Markt zu kaufen sein werden.
Es gibt aber auch hier einen Unterschied in den Reaktionen in Deutschland und zum Beispiel Asien. Hierzu möchte ich von einem wahren Erlebnis erzählen. Vor ein paar Wochen war ich bei einem großen deutschen Industriekonzern eingeladen. Ich habe unseren Minichip mit integrierten Blockchain Light Client vorgestellt. Mit dieser Lösung wird es zukünftig möglich, diese kleinen Module, die etwa 1 US Dollar, zum Biespiel in eine Waschmaschine einzubauen. Eine „Blockchain enabled Waschmaschine“ sozusagen.

Ein Vermieter von Wohnblöcken hätte somit die Möglichkeit, solche Waschmaschinen seinen Mietern anzubieten. Der Mieter kauft eine NFC-Karte zum Beispiel mit der Adresse einer Bitcoin- oder Ethereum-Wallet. Das Guthaben ist in der Blockchain auf dieser Walletadresse gespeichert. Der Nutzer geht einfach an die Waschmaschine, hält die NFC-Karte an die Waschmaschine und kann seine Wäsche waschen. Der Betrag für das Waschen wird in Echtzeit auf das Bitcoin-Konto überwiesen, ohne dass ein Intermediär, wie eine Bank oder ein Payment-Provider dazwischen geschaltet ist, der in der Regel sehr hohe Gebühren berechnet. Über einen Smart Contract kann die Gebühr auch direkt auf das Wallet des Anbieters übertragen werden. Dazu muss einfach der PIN-Code an der Waschmaschine eingegeben werden und der Betrag wird vom Wallet des Nuzters abgezogen.

Eine echte Win-to-Win-Situation also. Als ich diese Idee präsentiert habe, war die Reaktion sehr verhalten und ich bekam als Antwort - Zitat: „Aber so etwas gibt es doch schon. Es gibt doch Waschmaschinen, in denen ich eine Münze einwerfen kann“. “Autsch”, dachte ich, “Willkommen in der der guten alten Welt. Never touch a running System“.

So etwas habe ich in anderen Ländern nie erlebt. Dort ist das Feedback durchweg positiv und niemand hat Zweifel, dass solche Lösungen und Produkte Ihren Markt finden werden. Eventuell sehen wir in Kürze eine „Blockchain enabled Waschmaschine" von einem asiatischen Hersteller der mit “S” anfängt anstatt eine Waschmaschine eines deutschen Herstellers der mit “S” anfängt. Ich hoffe für den Standort Deutschland, dass ich so etwas nie wieder hören werde.

Strube: Was planen Sie als nächstes?

Schaar: Unser Ziel für dieses Jahr ist es zu zeigen, was anhand von realen Use-Cases mit IoT und Blockchain möglich ist. Wir werden daher in den kommenden Monaten weitere Prototypen entwickeln, mit denen Menschen zukünftig untereinander Dienste anbieten können, und dafür einfach und unbürokratisch entlohnt werden. P2P und eine “Sharing Economy” werden damit Realität.

Unsere “Blockchain enabled Ladestation” für Elektroautos und Elektromotorräder ist ein erstes Beispiel. In dieser Woche präsentieren wir eine Lösung mit der jeder, der ein Elektroauto besitzt, dieses an Andere vermieten kann. Wir haben das Elektroauto eines bekannten deutschen Herstellers mit einem Wallet ausgestattet. Indem ich also Geld in Form einer Kryptowährung sende, öffnet sich das Türschloss, und ich kann losfahren. Das Ganze funktioniert ausschließlich mit intelligenter Blockchain-Software. Zusätzliche Hardware ist nicht erforderlich.

Wir haben das an einem einzigen Tag entwickelt. Nicht weil wir zaubern können, sondern weil wir einfach vorhandene Technologie nutzen und uns das notwendig Wissen in den letzten Monaten angeeignet haben. Es ist absolut kein Hexenwerk und jeder andere Programmierer könnte das auch. Mehr Infos dazu wird es in den nächsten Tagen geben. Es gibt noch weitere Use Cases, die wir gerade entwickeln. Es wäre aber noch zu früh darüber zu sprechen. Unser Motto für diese Lösungen wird sein „How to make Cities smart and smart Cities even smarter“.

Strube: Gibt es noch etwas, was Sie den Lesern sagen möchten?

Schaar: Zunächst möchte ich sagen, dass ich noch nie in meinem Leben von einer Technologie so begeistert, aber auch überzeugt war. Blockchain-Technologie ist kein neuer Marketing-Hype, sondern eine Technologie, die ein Schritt in ein neues Zeitalter ist. Blockchain ist keine Bedrohung, sondern schafft Freiheit für alle Menschen dieser Welt, wie es bisher nicht möglich war. Menschen auf diesem Planeten, die niemals ein Bankkonto bekommen würden, können nun Finanztransaktionen durchführen, sich versichern und Geschäfte untereinander machen, ohne dass ein Dritter entscheidet, wie und ob es gemacht wird oder den Preis dafür bestimmt.

Blockchain-Technologie eröffnet Startups die Entwicklung von Ideen, die mit heutigen Mitteln nicht möglich wären. Auch wenn sich viele Berufsbilder völlig verändern und manche Berufe auch wegfallen werden. Die Freiheit und die Möglichkeiten, die sich für jeden von uns daraus ergeben, sind enorm.

Lesern in Deutschland möchte ich sagen: Blockchain ist aus meiner Sicht ein kostbares Geschenk an uns alle. Ob wir dieses Geschenk annehmen und die Chance nutzen, liegt an uns selbst. Wenn wir den Anschluss an das digitale Zeitalter nicht verlieren und unseren Wohlstand bewahren und sogar verbessern wollen, gibt es nur die Möglichkeit, sich besser heute als morgen mit Blockchain auseinander zu setzen. Allen Unternehmen und Berufszweigen rate ich, sich mit Blockchain-Startups zusammen zu setzen und Prototypen zu entwickeln und einfach auszuprobieren und zu lernen. 10.000 Kilometer von hier passiert das bereits und die Waschmaschine mit Münzeinwurf hat dort nur noch einen Platz im historischen Museum.

Strube: Herr Schaar, vielen Dank für das Interview.