Distributed Ledger

Blockchain as a Service senkt die Einstiegshürde

13.02.2018 von Wolfgang Herrmann
Die Cloud-Provider haben Blockchain-Technologien als chancenreiches Geschäftsfeld entdeckt. Neben Microsoft und IBM setzen auch Schwergewichte wie Oracle, SAP und HPE auf Blockchain as a Service (BaaS). Unternehmen könnten damit ohne größere Vorabinvestitionen experimentieren und Erfahrungen sammeln, lautet das Versprechen.

Die Potenziale der Blockchain haben nicht nur zahlreiche Startups und experimentierfreudige IT-Teams auf den Plan gerufen. Die auch als Distributed Ledger (übersetzt: verteiltes Kontenbuch) bezeichnete Technik hat längst in die Portfolios der großen Cloud-Provider Einzug gehalten. Die Argumente der Anbieter klingen einleuchtend: Mithilfe von Blockchain as a Service (BaaS) können Unternehmen die Technologie testen, ohne viel Geld in eine eigene Architektur und hochspezialisierte Entwickler investieren zu müssen. "Wir befinden uns immer noch in einer frühen Phase der Blockchain-Entwicklung", erläutert Bill Fearnley, Research Director Worldwide Blockchain Strategies bei IDC. "Es gibt nur sehr wenige Spezialisten, die mehrjährige praktische Erfahrungen vorweisen können."

Marktforscher trauen dem entstehenden Blockchain-Markt hohe Wachstumsraten zu. Doch der Einstieg fällt vielen Unternehmen schwer.
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Andererseits mangelt es nicht einschlägigen Studien, die dem gerade erst entstehenden Markt satte Zuwächse prophezeien. Marktforschungs- und Beratungshäuser wie Gartner berichten von stark zunehmenden Kundenanfragen. IT-Anbieter ebenso wie Anwenderunternehmen wollen herausfinden, wie sie die Technologie nutzen können, um Zeit und Verwaltungskosten zu sparen.

In diesem frühen Stadium könnten IT-Entscheider vom Know-how der Cloud-Provider profitieren, argumentiert IDC-Mann Fearnley: "Wie bei jeder neuen Technologie gibt es eine Lernkurve, die Unternehmen bei den ersten Praxiseinsätzen durchmachen. Die Zusammenarbeit mit einem BaaS-Anbieter ermöglicht es, von dessen Erfahrungen zu lernen und die Systeme sicherer zu gestalten." Die Cloud-Spezialisten agierten dabei nicht nur als Serviceprovider, sondern auch als Technologieberater für Blockchain-Projekte.

Kritische Stimmen sind im Hype um Blockchain und BaaS eher selten zu hören. "Der Begriff BaaS ist bedeutungslos", kommentiert etwa Martha Bennett, Principal Analyst bei Forrester und Beraterin von CIOs und IT-Entscheidern. Im Grunde gehe es nur um einen Infrastruktur-Service, auf dem Nutzer ihre Blockchain aufsetzen könnten. Eine fertige Blockchain dürfen Unternehmen demzufolge nicht erwarten. Sie können die Cloud-Angebote aber dazu nutzen, "ihre" Hyperledger-Anwendung in einer gewohnten Umgebung zu betreiben, die sie schon für andere IT-Aufgaben nutzen. Das erleichtert den Einstieg und dämpft die Kosten für die oft komplexen Pilotprojekte.

BaaS-Provider in den Startlöchern

Zu den BaaS-Anbietern der ersten Stunde gehört Microsoft. Unter dem Namen "Blockchain in Azure"offeriert der Konzern eine Plattform, die sich vor allem durch Offenheit und Skalierbarkeit auszeichnen soll. So unterstützt das System beispielsweise eine ganze Reihe von UTXO-Protokollen (Unspent Transaction Output-based Protocols) sowie auch komplexere, Smart-Contract-basierte Protokolle. Mithilfe der Azure-Dienste könnten Kunden unterschiedliche Hyperledger-Technologien nutzen, so das Versprechen, darunter Ethereum, Hyperledger Fabric, R3 Corda, Quorum, Chain Core und BlockApps.

Mit "Blockchain in Azure" wirbt Microsoft für seine Cloud-Plattform, die sich durch Offenheit und Skalierbarkeit auszeichnen soll.
Foto: Microsoft

Microsoft legt Wert auf die Feststellung, dass man denBlockchain-Einsatz in Unternehmen vereinfachen wolle und dazu eng mit Kunden, Partnern und der Community zusammenarbeite. Im September 2017 wurde der Softwarekonzern Mitglied der Initiative for CryptoCurrencies & Contracts (IC3), eine von mehreren Hochschulen und Forschungsinstituten getragene Initiative, die unter anderem von der National Science Foundation finanziell gefördert wird. Ziel sei es, Blockchain-Technologien an die Erfordernisse von Unternehmen anzupassen, erklärte Microsoft in einemBlog-Post. Dazu kooperiere man mit den IC3-Mitgliedern auf Feldern wie Kryptografie, Spieltheorie, verteilte Systeme, Programmiersprachen und Security.

Für IBM hat Blockchain strategische Bedeutung

Auch IBMist früh in das Thema eingestiegen. Blockchain-Technologien gehören zu den strategischen Imperativen, mit denen der im Kerngeschäft schwächelnde IT-Riese künftig wachsen will. DieIBM Blockchainsoll Unternehmen dabei helfen, eigene sichere Blockchain-Netzwerke aufzubauen.

Ähnlich wie beim Rivalen Microsoft handelt es sich um einenPublic-Cloud-Service, den IBM aus seinen international verteilten Cloud-Rechenzentren heraus anbietet. Im Zentrum steht die IBM Blockchain Platform, nach Anbieterangaben die "einzige voll integrierte Enterprise-ready Blockchain-Plattform". Sie soll Kunden helfen, Business-Netzwerke mit vielen beteiligten Organisationen schneller zu entwickeln, zu betreiben und zu verwalten.

Technisch basiert IBMs Blockchain as a Service auf dem Open-Source-SystemHyperledger Fabric, das die Linux Foundation vorantreibt. Erste Erfolge sind sichtbar. So kooperiert IBM beispielsweise mit dem Logistikkonzern Maersk, um eine Blockchain-Plattform für das globale Frachtwesen zu entwickeln. Logistiker sollen damit den Schiffsfrachtverkehr effizienter abwickeln könnten. Sämtliche Prozesse der dahinter liegenden Supply Chain sowie alle Frachtdaten würden den Beteiligten in Echtzeit zur Verfügung stehen, erklärten die Unternehmen.

AWS stellt Infrastruktur für Blockchain-Startups

Wenn es um Public-Cloud-Angebote geht, darf der Marktführer Amazon Web Services (AWS) nicht fehlen. In Sachen Blockchain geht der Branchenprimus bis dato aber einen anderen Weg als die Konkurrenten und setzt auf Partnerschaften. Bereits 2016 ging AWS eine Kooperation mit der Digital Currency Group (DCG) ein, einem der größten Investoren im Blockchain-Umfeld.

Gemeinsames Ziel ist ein Service, der Startups aus dem DCG-Portfolio eine abgesicherte Umgebung zur Verfügung stellt, in der sie gemeinsam mit Kunden experimentieren und Anwendungen testen können. Potenzielle Kunden der Blockchain-Spezialisten kommen etwa aus der Finanz- und Versicherungsbranche, aber auch aus dem Technologiesektor.

AWS kooperiere mit Finanzinstituten und Blockchain-Providern, um Innovationen voranzutreiben und das Experimentieren zu erleichtern, erklärte AWS-Manager Scott Mullins dazu, der den Bereich Worldwide Financial Services Business Development leitet. AWS stellt für solche Partner die Cloud-Infrastruktur zur Verfügung und bietet Unterstützung bei der Entwicklung von Blockchain-Anwendungen.

Auch IT-Anbieter, die nicht zu den ganz großen Cloud-Playern zählen, sehen in Blockchain as a Service ihre Chance. Im November 2017 etwa stellte Hewlett Packard Enterprise (HPE) sein eigenes BaaS-Angebotfür Unternehmen vor. Kunden sollen unter anderem von einem flexiblen Preismodell profitieren, das an genutzten Server-Knoten, CPUs oder Cores ausgerichtet ist.

Der HPE-Service basiert auf Corda, einer Blockchain-Plattform die vom Bankenkonsortium R3 entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um eines der größten Konsortien aus Finanzinstituten, Versicherern und weiteren Unternehmen aus dem Blockchain-Umfeld. Die Distributed-Ledger-Platform steht seit Ende 2016 als Open-Source-System zur Verfügung. R3 hatte den Code an das Hyperledger-Projekt der Linux Foundation übergeben.

Oracle will die Blockchain "Enterprise ready" machen.

Selbst Oracle, lange ein ausgewiesener Cloud-Kritiker, hat inzwischen ein BaaS-Angebot auf die Beine gestellt. Der Oracle Blockchain Cloud Service basiert ebenfalls auf Software aus dem Hyperledger Project. Gewohnt selbstbewusst spricht der Datenbankriese von einer "Enterprise Grade Distributed Ledger Platform". Sie erlaube es Unternehmen, ihr Geschäft zu beschleunigen, neue Umsatzquellen zu erschließen und dabei noch Kosten und Risiken zu senken. Als Teil der Oracle Cloud Platform soll der Blockchain Cloud Service besonders in Sachen Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Security punkten.

Auch Oracle verspricht mit seinem Cloud-Service eine besonders schnelle und einfache Entwicklung von Blockchain-Anwendungen.
Foto: Oracle

Oracles Erzrivale SAP kündigte seine Version eines Blockchain-Dienstes im Mai 2017 an. Im Rahmen des Leonardo-Markenportfolios präsentierte der Softwarekonzern aus Walldorf den SAP Cloud Platform Blockchain Service. Ähnlich wie Oracle positioniert SAP den Dienst als Teil der hauseigenen SAP Cloud Platform und hebt daraus resultierende Vorteile für die Nutzer hervor.

So könnten Unternehmen damit etwa Blockchain-Extensions für bestehende Anwendungen entwickeln. Blockchain-Technologien würden zudem auch in andere Leonardo-Produkte eingebettet, beispielsweise im Bereich Internet of Things (IoT). Der Service erleichtere Unternehmen den Einstieg und gebe ihnen die Möglichkeit, die Potenziale der Technologie mithilfe von Beispielanwendungen zu erkunden.

Blockchain as a Service steht noch am Anfang

Wieviel die Versprechen der BaaS-Anbieter im praktischen Einsatz wert sind, muss sich erst noch zeigen. Größere Blockchain-Projekte auf Basis von Cloud-Services sind rar. Viele CIOs, auch in Deutschland, denken zwar über Einsatzszenarien nach, sind aber bestenfalls im Pilotstadium, wenn es um konkrete Anwendungen geht. Zudem stellt sich das Problem fehlender Fachkräfte bei dem Thema in besonderem Maße.

"Für die meisten Unternehmen wird die Blockchain wahrscheinlich kein Do-it-yourself-Projekt sein", erwartet IDC-Experte Fearnley. Zwar bringe die Technik etliche vielversprechende Innovationen mit sich. "Die eigentliche Herausforderung besteht aber darin, ein Mitarbeiter-Team für den Aufbau und die Pflege des Netzwerks zu entwickeln."

Forrester-Expertin Bennett rät Entscheidern, die Herangehensweise an Blockchain-Projekte vom Kopf auf die Füße zu stellen. Nach ihrer Erfahrung beschäftigen sich viele Unternehmen zuerst mit der Technik und suchen dann nach Nutzungsmöglichkeiten. Erfolgversprechender sei es, mit einem konkreten Einsatzbeispiel zu beginnen: "Der Use Case bestimmt das Governance-Modell, und das Governance-Modell determiniert die Architektur". Solange die Architektur nicht klar sei, könnten Unternehmen auch keinen Zulieferer auswählen.