Blackberry Z10 und Q10 vorgestellt

Blackberry erfindet sich neu

31.01.2013 von Manfred Bremmer
Re-designed, re-engineered, re-invented: Unter diesem Slogan hofft der kanadische Smartphone-Veteran mit zwei neuen Geräten und einem Ökosystem rund um Blackberry 10 auf ein Comeback.
Blackberry-CEO Thorsten Heins bei der Vorstellung von Z10 und Q10.

Entspannt wie selten gab sich Firmenchef Thorsten Heins auf dem Launch-Event von Blackberry 10 in New York, der via Livestream auch in parallelen Veranstaltungen in London, Dubai, Toronto, Paris und Johannesburg übertragen wurde. Fast ein Jahr sei er nun CEO von Research in Motion (RIM), und dies sei die am meisten herausfordernde, aber auch die zufriedenstellendste Zeit seiner Karriere gewesen, erklärte Heins zu Beginn der Veranstaltung. „Wir standen vor zwei Jahre vor einer wichtigen Entscheidung: Wechseln wir auf eine andere Plattform oder gehen wir alleine? Und wir haben uns der Aufgabe gestellt, alleine zu gehen."

Noch bevor Heins mit der Vorstellung von Plattform und Geräten beginnt, hat er aber noch eine andere Überraschung parat: RIM wird nun in Blackberry umfirmiert – ein einerseits längst überfälliger Schritt, andererseits ein Zeichen für den Neuanfang der Kanadier. „Heute beginnt ein neuer Tag in der Geschichte von Blackberry“, verkündete der deutsche Ingenieur. Das Unternehmen habe aber nicht die Ziellinie erreicht, sondern stehe erst am Anfang einer neuen Ära.

Das Blackberry Z10
Foto: Blackberry

Wegbereiter für die erhoffte Zukunft sind zwei neue Smartphones, die Heins direkt im Anschluss präsentierte. Vor allem das „Blackberry Z10“ mit LTE, Dual-Core-Prozessor und Acht-Megapixel-Kamera hat dabei nur noch wenig mit den früheren Blackberrys gemein, sondern erinnert mit seinem 4,2-Zoll großen Touchscreen entfernt an das iPhone 5. Dieser große Bildschirm sei entscheidend, so Heins fast entschuldigend, denn er stelle das Fenster in die Blackberry-Experience dar. Doch die Company hat auch an die Nutzer gedacht, die auf die klassischen Tasten nicht verzichten wollen: Neben dem Z10 soll in Kürze auch das Schwestermodell Q10 mit 3,3-Zoll-Touchscreen und physikalischem Keyboard auf den Markt kommen.

Wichtiger noch ist die zugrundeliegende Plattform, mit der Blackberry offensichtlich viel vorhat. Schon bald soll man sich über Blackberry 10 auch mit dem Internet der Dinge verbinden, versprach Heins, etwa mit dem Auto, dem Zuhause oder mit Gesundheitssystemen.

Doch bereits in der jetzigen Ausprägung hebt sich das Betriebssystem vom gewohnten Blackberry-OS deutlich ab – vor allem in Sachen Bedienung. Die Steuerung ist weitgehend mit einer Hand möglich und beruht auf Wischgesten, die eine nahtlose Navigation zwischen geöffneten Anwendungen ermöglichen sollen. Die Anmutung erinnert teilweise an Android oder iOS, gleichzeitig gibt es aber auch ganz eigenständige Elemente wie den Blackberry Hub: Dieser wesentliche Bestandteil von Blackberry 10 stellt eine Art Kommunikationszentrale dar, in der eingegangene Mails, Anrufe, SMS, Mitteilungen via BBM, Kalendereinträge, aber auch Status-Updates aus sozialen Netzen wie Twitter, Facebook oder Linkedin aufgeführt sind. Der Blackberry Hub zeigt aber nicht nur vergangene Vorkommnisse an; mit einer Wischbewegung nach unten erscheinen auch anstehende Ereignisse wie Kalendereinträge.

Auch sonst gibt es eine Reihe von Features, die alte und neue Blackberry-Nutzer schätzen könnten. So schlägt etwa die virtuelle Tastatur beim Eintippen jeweils zur Eingabesprache passende Wörter vor und beschleunigt so das Verfassen von Texten deutlich. Neu ist auch eine Videofunktion im Blackberry Messenger, der sogar Screensharing unterstützt - auf Smartphones ein nettes Feature, das aber auf Blackberry-10-Tablets sehr viel Sinn machen kann. Außerdem verfügt die Plattform über einen neuen superschnellen Browser, dieser enthält unter anderem eine Lesefunktion, in der Bilder und Werbung aus der Darstellung entfernt wurden, so dass der Nutzer nur den Volltext einer Website angezeigt bekommt.

Und obwohl der Launch von Blackberry 10 mehrfach verschoben wurde, hat das Unternehmen die Zeit für eine gründliche Vorbereitung genutzt. Mit über 70.000 Apps zum Start hätten Entwickler dazu beigetragen, dass der größte Katalog an Apps für ein Gerät der ersten Generation bereitsteht, gab Blackberry stolz bekannt. Wie ein Blick durch den neuen App Store Blackberry World ergab, fehlen zwar noch etliche bekannte Programme – Apps wie Facebook, Twitter, Google, Linkedin oder Cisco Webex gibt es aber schon heute, Skype, Kindle, Whatsapp oder Angry Birds sind geplant.

Ein echtes Alleinstellungsmerkmal weist die Plattform mit der Funktion Blackberry Balance auf. Diese wird mit einer Wischgeste nach unten aktiviert und trennt auf dem Smartphone Berufliches von Privatem. Blackberry Balance löse das Problem mit mehreren parallel genutzten Geräten, erläutert Heins. Dies sei eine großartige Lösung für den CIO, denn er behalte die Kontrolle über die Daten. Der Angestellte wiederum schütze mit Blackberry Balance seine Privatsphäre.

Zusätzlich zu Blackberry Balance hat der Hersteller bereits vor kurzem mit Blackberry Enterprise Service 10 (BES10) eine Lösung vorgestellt, um Blackberry-10-Geräte zusammen mit alten Blackberrys, Blackberry-Playbook-Tablets sowie iOS- und Android-Geräten über eine gemeinsame Web-basierende Konsole zu verwalten. Blackberry World for Work ermöglicht Unternehmen außerdem eine Art Corporate AppStore hinter der Firewall. Über diesen können Unternehmen Pflicht-Apps auf die Smartphones ihre Mitarbeiter aufspielen oder aber für gut befundene Apps zum Download empfehlen. Alternativ ist außerdem eine Art Whitelisting möglich.

Analystenstimmen

Der Zeitpunkt für den Neuanfang bei Blackberry nach der CES in Las Vegas und vor der größten Mobilfunkmesse MWC (Mobile World Congress) Ende Februar in Barcelona ist nicht schlecht gewählt. Zwar hat die Company das lukrative Weihnachtsgeschäft verpasst, die Kanadier riskierten andererseits aber auch nicht, im Trubel der Neuankündigungen übersehen zu werden. Gartner-Analyst Michael Gartenberg glaubt, dass Blackberry 10 und das Z10 den Hersteller nicht über Nacht zu seinem alten Ruhm zurückbringen werden. Die Produkte zeigten aber, dass RIM nicht bereit sei, einen Teil des Marktes kampflos den Wettbewerbern zu überlassen. Das habe das Unternehmen jetzt getan, so Gartenberg. Die nächste Herausforderung sei es, den Markt darüber zu informieren, welche Differenzierung die neuen Produkte bieten.

Adam Leach, Principal Analyst bei Ovum, ist skeptischer: Die Blackberry-10-Plattform biete eine differenzierte Benutzererfahrung im heutigen überfüllten und homogenen Smartphone-Markt, pflichtet er seinem Kollegen bei Gartner bei. Blackberry Z10 und Q10 würden sich von den Android-Massen abheben und von Apples iPhone unterscheiden. Während die Geräte dadurch sicher bestehende Blackberry-Nutzer anzögen, bestehe die Herausforderung darin, neue Anwender sowie solche, die bereits auf eine andere Plattform gewechselt sind, anzuziehen. Trotz guter Ansätze wie dem reichen Angebot an Apps und Inhalten zum Start werde das Unternehmen auf längere Sicht ein Nischenanbieter im Smartphone-Markt bleiben.

Auch an der Börse reagierten die Beobachter eher verhalten, der Kurs der RIM-Aktie gab nach der Bekanntgabe um mehr als zehn Prozent nach. Das letzte Wort haben allerdings nach wie vor die Anwender. Hier räumt selbst Ovum ein, dass Blackberry-Shops weltweit auf den Launch der Plattform gewartet hätten. Und auch sonst stehen die Chancen nicht ganz so schlecht, immerhin sollen die neuen Blackberry-Geräte bei weltweit 150 Carriern angeboten werden. Um in punkto Nachfrage und anderen Überraschungen gerüstet zu sein, kommt das Z10 stufenweise auf den Markt: In Großbritannien können Kunden es ab sofort erwerben, in Kanada ab nächster Woche. Für Deutschland hat Vodafone bereits erklärt, das Z10 noch im Februar anzubieten. Kritisch ist der späte Verkaufsstart in den USA, wo die Geräte erst ab März erhältlich sind. Zum Preis wurde noch nichts bekannt, er dürfte jedoch im Bereich um die 500 Euro liegen.