Praxistest

Blackberry 8300 Curve

17.10.2007 von Hermann Apfelböck
Von professionellen Business-Telefonen für den Vorstandsvorsitzenden hin zum Multimedia-Smartphone für den Kleinunternehmer: BlackBerry-Hersteller RIM drängt in den Massenmarkt. Neuester Streich der Kanadier: das QWERTZ-Smartphone 8300 Curve, das überraschend viel Multimedia im Gepäck hat.

Lieferumfang / Verarbeitung

Ohne Frage ist der Blackberry Curve ein Hingucker: Haptisch hochwertiger Metallic-Kunststoff dominiert Front- und Rückseite, für zusätzlichen Glanz sorgen die Echtmetall-Fassungen von Display und Kameralinse. Ein Blackberry bedient gehobene Business-Ansprüche, und das vermittelt er schon, wenn man ihn auf dem Meeting-Tisch ablegt oder ihn vor dem Taxistand aus dem Jackett kramt. Das Handy ist kompakt genug, um auch in engeren Taschen beulenfrei untergebracht zu werden, gehört aber nicht zu den kleinsten Vertretern der QWERTZ-Gattung.

107 x 60 x 15,5 Millimeter misst das Handy bei 111 Gramm Gewicht. Überraschend, dass das Smartphone trotzdem erstaunlich gut in der Hand liegt. Im Kontrast zu den eckigen Metallic-Rändern der Blackberry-Kollegen Pearl und 8800 zeichnen dafür griffiges Softtouch-Material an den Seiten und ein ergonomischer Kantenabschliff verantwortlich.

Bei der Verarbeitung des Curve hat sich RIM noch ein bisschen mehr angestrengt als bei seinen Vorgängern. Zwar lugen Kameralinse und LED-Blitzlicht nach wie vor in Form einer billigen Staubfang-Konstruktion ungeschützt aus zwei Löchern im Akkudeckel hervor, aber weder verrät sich das Kunststoffgehäuse mit deutlichem Knarzen noch lässt sich der Akkudeckel zu leicht vom Smartphone lösen.

Summa summarum macht das Curve einen sehr zuverlässigen Eindruck. Der Blick ins Geräteinnere zeigt allerdings, dass neben der SIM- auch die Micro-SD-Halterung unterhalb des Akkus positioniert wurden – zum Wechseln der Speicherkarte muss man den Curve also abschalten.

Das großflächige Display befriedigt den Business-Anspruch des Curve: Auf 240 x 320 Pixeln stellt das Gerät über 65.000 Farben dar, was für die Darstellung der grafischen Nutzeroberfläche ausreicht und nur beim Betrachten von Fotos und Videos etwas mager wirkt. Die für die mobile E-Mail-Korrespondenz wichtigeren Eckdaten wie Leuchtstärke und Kontrast sind dagegen makellos. Ärgerlich nur, dass dem Curve eine transflektive Beschichtung fehlt, ohne die das Display bei starkem Außenlicht nahezu unablesbar wird. Im Gegenzug macht der Curve bei seinen Bedienelementen alles richtig. Flink rollt man mit seinem Trackball durch die Menüs und tippt mit der QWERTZTastatur auch längere Textpassagen fehlerfrei ins Handy. Zwar fällt der Tastenanschliff weniger deutlich aus als bei anderen Modellen von RIM, wegen der großzügigen Abstände und der knackigen Druckpunkte lässt es sich aber auch blind noch gut auf dem Curve tippen. Passend zur edlen Optik des Smartphones wird dem Käufer mehr als nur der übliche Lieferumfang geboten. Hier findet man unter anderem ein elegantes Stereo-Headset mit 3,5-Millimeter-Klinkenanschluss und zwei Netzadapter, mit denen der gestresste Blackberry-Kosmopolit seine Mailmaschine auch in Japan in die Steckdose stöpseln kann; ein schwarzes Lederetui bietet standesgemäßen Tragekomfort während der Reise.

Softwareseitig liegt Blackberrys Desktop-Software in der neuesten Version 4.2.2 bei, für die Verwaltung von Multimedia-Dateien steht Roxios Easy Media Creator bereit. Wer die neuen Multimedia-Funktionen des Smartphones ausreizen will, kommt aber um den Kauf einer Speicherkarte nicht herum.

Ausstattung

In den Chefetagen sind Fotoapparate aus Sicherheitsgründen nicht gerne gesehen. Kein Wunder daher, dass RIM lange Zeit auf Kameras in seinen mobilen Endgeräten verzichtet hat. Doch im Sinne erweiterter Zielgruppen haben die Kanadier den Curve zum Fotografen gemacht, der Bilder mit 2 Megapixeln Auflösung knipst. Während sich die Bildqualität auf einem für Business-Smartphones hohen Niveau bewegt, sind die Einflussmöglichkeiten aufs Bildergebnis begrenzt; nur bei elementaren Einstellungen wie Auflösungsstufe und Kompressionsstärke kann der Fotofan selbst Hand anlegen.

Erst mit Hilfe der integrierten Bildbearbeitungswerkzeuge lassen sich später geschossene Meisterwerke zurechtschneiden, rote Augen korrigieren oder die Farbsättigung ändern. Videos lassen sich mit RIMs Curve übrigens nicht aufnehmen – das ginge wahrscheinlich für viele geschäftliche Nutzer doch zu weit.

Neben der Kamera zeigt besonders der Sprung in das optisch aufgepeppte Medienmenü, dass RIM multimedial ordentlich aufgerüstet hat. Konnte man etwa den Bilderordner auf älteren Blackberrys mit seiner rudimentären Optik und dem begrenzten Funktionsumfang kaum als „Galerie" bezeichnen, bedient der Curve nun weitestgehend aktuelle Multimedia-Standards. Bilder können nicht nur als einfache Listen, sondern nach Datum sortiert in einer schicken Thumbnail-Ansicht angezeigt werden.

Musikalisch schließen die Kanadier zur Konkurrenz à la Nokia oder Sony Ericsson auf. Das beginnt bei den Anschlüssen, die vom 3,5-mm-Klinkenstecker bis zum Bluetooth-Profil A2DP reichen, und endet nicht nur bei der neuen Musikbibliothek. RIMs Curve ist der erste Blackberry, der die übersichtliche und vor allem optisch ansprechende Verwaltung der eigenen Musiksammlung ermöglicht – Songs werden nach Album, Interpret, Genre etc. sortiert, und sogar eine separate Anzeige für Wiedergabelisten hat RIM sich bei iPod und Co. abgeschaut. Unterstützt werden alle wichtigen Formate – unser Curve spielte anstandslos Apples M4A-, Microsofts WMA- (ohne Rechteschutz) und gängige MP3-Dateien ab. Das klingt banal, doch was für den Lifestyle-Handy-Nutzer mittlerweile zum Standard gehört, war für auf Business-Funktionen fixierte Blackberry-Veteranen bislang ein Fremdwort.

Im Desktop-Bereich haben ebenfalls einschneidende Änderungen stattgefunden. Wer den Medien-Manager des Blackberry Desktop Managers öffnet, erlebt eine Überraschung: Statt einer mageren Doppelfensteransicht öffnet sich eine angepasste Version von Roxios Easy Media Creator, der eine komfortable Medienverwaltung vom CD-Ripping bis zur Playlist-Erstellung bietet.

Die Kontaktverwaltung orientiert sich an professionellen Business-Ansprüchen – hier spielt das Curve analog zu allen Blackberry-Modellen in der Oberliga. Einziger kleinerer Kritikpunkt ist die fade Optik, wegen der man bei gut gefüllten Adressbüchern schnell mal über die gewünschten Informationen hinwegblättert. Immerhin garantiert die Suchleiste am oberen Rand des Display auch bei mehreren hundert Einträgen schnelles Auffinden eines einzelnen Kontakts. Der Kalender ist ebenfalls ein schwarzweißgrauer Schlipsträger: In einer Tages-, Wochen-, Monats- und Tagesplanungsansicht werden dem Nutzer zahllose Termineinstellungen und übersichten geboten.

Ein Facelifting, das die Optik ins moderne Multimedia-Zeitalter „pusht", würde dem Blackberry-System allmählich gut zu Gesicht stehen.

Konnektivität

Bluetooth 2.0 und USB sorgen lokal für die Kopplung mit anderen Geräten. Während größere Dateien wie MP3 oder Fotos via Kabel den Speicherort wechseln, ist die Funkschnittstelle vor allem zum Synchronisieren von Daten interessant: Neben Kalenderdaten, Adressbuch und Aufgaben können auch Notizen über den mitgelieferten Desktop-Manager für Windows PCs ausgetauscht werden.

Im Fernbereich muss der Nutzer auf mobilen Breitbandfunk verzichten: Quadband-GSM sorgt zwar für weltweite Erreichbarkeit, Verbindungen mit dem Internet stellt das Curve dagegen nur über EDGE her. Da die Blackberry-Software sehr sparsam mit der Bandbreite umgeht und nicht genutzte Daten stets auf dem Server vorhält, kann man trotzdem im Alltag zügig seine E-Mails beantworten und Attachments betrachten. Dementspechend sind vom Standard-Browser keine Wunder zu erwarten: Der verlässt sich auf Datenhäppchen, die ihm vom Blackberry-Server zugeworfen werden. Damit lassen sich auf dem Curve alle gängigen Webformate wie XHTML, WAP und sogar echtes HTML betrachten, doch entspricht die Ansicht selten dem Original, wie man es vom Desktop kennt.

Komfortabel ist der Browser durchaus: Alle angesurften Adressen werden im Verlauf gespeichert, dank Suchfunktion kann man Webseiten gezielt nach Begriffen durchforsten, und verschiedene Betrachtungsmodi verbessern die Übersicht auf großen Portalen. News-Hungrige bleiben mit RSS-Feeds auf dem Laufenden.

Wesentlich spannender als das mobile Browsing auf der Standspur ist der Empfang von E-Mails in Echtzeit – nach wie vor steht der Push-Mechanismus, der E-Mails in Echtzeit auf den Curve beamt, im Zentrum eines jeden Blackberrys. Die dafür obligatorische Mail-Adresse erstellt man kinderleicht über ein Webbasiertes Front-End. Dort kann man auch einen E-Mail-Kollektor anweisen, regelmäßig in beliebigen Postfächern nach Neuzugängen zu suchen und sie auf den Curve zu pushen. Sobald eine neue Mail aufläuft, beginnt eine kleine Multicolor-LED am Kopf des Gehäuses zu blinken. Im Test vergingen zwischen dem Versand einer Mail und der Benachrichtigung auf dem Curve selten mehr als fünf Sekunden. Alle Nachrichten, egal ob E-Mail, SMS oder MMS, landen im globalen Posteingang, der wie immer mit hoher Übersicht glänzt.

Der Dokumentenbetrachter kommt mit gängigen Office-Formaten und PDF-Dateien klar – abspeichern oder bearbeiten lassen sich Office-Dokumente auf dem Handheld aber nicht; Anhänge und Mails „leben" gewissermaßen ausschließlich auf dem Mailserver. Überaus praktisch: Auf dem Curve hilft eine Rechtschreibprüfung dabei, Schreibfehler zu vermeiden.

Telefonfunktionen/Ausdauer

Die fade Optik zieht sich nahezu durch die gesamte Oberfläche des Betriebssystems. Abgesehen vom Medienordner und dem Hauptmenü bietet der Curve dieselben knochentrockenen Menüs wie die Vorgängermodelle. Farben und optische Spielereien vermeidend, bietet ein Blackberry seinem Nutzer zwar ein anpassbares Maß an Übersicht, Spaß macht das Wandern durch die monochromen Menübäume freilich nicht. Hinzu kommt die bisweilen irritierende Vielfalt an Menüpunkten: Das aufgeklappte Hauptmenü bringt es alleine auf über 20 Unterpunkte. Aufräumen muss der Nutzer selbst: Die Reihenfolge aller Icons lässt sich beliebig verändern, und man kann beliebig viele Icons ausblenden, um sich besser auf die am häufigsten benötigten Funktionen konzentrieren zu können. Nach dem Anschalten gibt der Curve einen Überblick über aktuelle Ereignisse, Termine oder eingegangene Mails, wirkt aber auf der Initialebene weniger komfortabel als die Active-Standby-Screens von S60- oder die Home-Screens von Windows-Mobile-Smartphones. Weder Shortcuts für häufig benötigte Anwendungen noch der Status im Hintergrund laufender Programme werden hier angezeigt. Da sich Startseite und Hauptmenü mit Hilfe von Themen gänzlich umkrempeln lassen, empfiehlt sich ein Ausflug in die Weiten des Internet, in denen eine breite Auswahl an Benutzeroberflächen kursiert. Vom iPhone-Imitat bis zum Herrder-Ringe-Hauptmenü inklusive elbischer Runenschrift werden hier alle Geschmäcker bedient.

Was auch immer Sie von einem Blackberry halten mögen, einer Sache können Sie sich in den meisten Fällen sicher sein: Bei den Telefonfunktionen tummeln sich Smartphones aus dem Hause RIM immer auf den oberen Rängen der Qualitätsliga. Empfangsleistung und Sprachqualität bewegen sich dementsprechend auch beim Curve auf einem hohen Niveau. Hintergrundgeräusche und Echos werden souverän herausgefiltert, unsere Gegenüber klangen stets natürlich, allenfalls etwas dumpfer als in natura. Highlight des Curve ist auch seine Freisprecheinrichtung, die die Verständigung in hoher Lautstärke und mit akzeptabler Sprachqualität ermöglicht. Wen wundert’s da, dass sich der 8300 Curve auch noch als Ausdauerwunder entpuppt? Auch das ist man ja mittlerweile von einem Blackberry gewohnt. Den Nutzer wird‘s freuen: Wer nicht permanent telefoniert oder Musik hört, kann sich über ein Smartphone freuen, das mit seinem 1100 Milliampere starken Akku locker eine Woche ohne Steckdose auskommt und dennoch alle E-Mails empfängt.

Fazit: RIMs neuester Streich kann sich sehen lassen. Über die bewährten Business- und Telefonfunktionen hinaus bedient das Curve auch zeitgemäße Multimedia-Ansprüche. Dem Nutzer wird ein mobiles Büro in Reinform geboten, das in seinem eleganten und kompakten Gehäuse auch eine qualitativ gute 2-Megapixel-Kamera und einen vielseitigen Musikplayer versteckt. Größte Handicaps sind die spröde Optik der Organizer-Funktionen und vor allem der Verzicht auf Breitband-Connectivity: Mangels WLAN und UMTS bleibt der Curve eine Enterprise-Schnecke auf dem mobilen Daten-Highway.