Windows-7-Migration

Besser klassisch oder virtuell?

17.12.2010 von Klaus Manhart
Anzeige  Analysten raten Unternehmen, bei einer anstehenden Windows-7-Migration die gesamte Desktop-Strategie zu überdenken. Eine Möglichkeit ist die Einführung virtueller Desktops - die Umstellung verlagert sich damit ins Rechenzentrum.
"Desktop-Virtualisierung ist eine perfekte Ergänzung des Megatrends Cloud Computing", sagt BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer.

2011 und 2012 wird die Windows-7-Migration laut Gartner im großen Stil erfolgen. Mit dem Betriebssystemwechsel stehen viele IT-Abteilungen aber auch vor einem Berg von Problemen: Das Upgrade von hunderten oder tausenden von Desktops ist teuer und zeitaufwändig. Betriebsabläufe werden unterbrochen. Eventuell muss neue Hardware beschafft werden. XP-Anwendungen sind möglicherweise nicht mit Win 7 kompatibel. Und ist die Migration abgeschlossen, steht womöglich schon bald das nächste Betriebssystem-Release vor der Tür.

Viele Analysten sehen die anstehende Umstellung als Chance für Unternehmen, ihre gesamte Desktop-Strategie zu überdenken. Statt ihre Arbeitsplatz-Rechner immer wieder auf ein neues Betriebssystem-Release zu migrieren, könnten sie sich für ein zentralistisches Modell wie die Desktop-Virtualisierung entscheiden. Mit der Verlegung der klassischen Desktop-Arbeitsplätze auf eine Server-Farm würden sich viele der lästigen Umstellungsprobleme reduzieren - oder ganz auflösen.

Die Zentralisierung des Desktop ist keine graue Theorie, sondern schon Realität. Eine ganze Reihe von Studien belegt einen klaren Trend weg von der üblichen Client-Installation hin zu virtuellen Desktops. Nach einer Umfrage von Matrix42 planen beispielsweise 58 Prozent der IT-Verantwortlichen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten eine Virtualisierung der Arbeitsplätze. Über 60 Prozent stuften das Thema als wichtig oder sehr wichtig ein.

Laut Bitkom wächst der Markt für Desktop-Virtualisierung in Deutschland im nächsten Jahr um rund 13 Prozent. Die Analysten von Gartner prognostizieren für 2013 weltweit ein Marktvolumen von 65 Milliarden Dollar für PC-Virtualisierunng - das wären 40 Prozent des Marktes für professionell genutzte PCs.

Komplette Umgebung auf dem Server

Laut einer Studie von Matrix42 wird Desktop-Virtualisierung der wichtigste IT-Trend 2011 (Daten: Matrix42).

Desktop-Virtualisierung ist eine Weiterentwicklung des Thin-Client-Konzepts - aber nicht die einzige Technologie zur Desktop-Zentralisierung. Beim traditionellen Server-based Computing etwa laufen die Applikationen auf einer zentralen Terminal Server Farm und die Daten befinden sich ebenfalls auf zentralen Speichern.

Diese Art der Rechner-Zentralisierung hat allerdings den wesentlichen Nachteil, dass Desktops und Applikationen mit anderen Benutzern geteilt werden müssen. Die Anwender bekommen keinen wirklich personalisierten Desktop, so wie sie ihn gewohnt sind. Auftretende Probleme können so Auswirkungen auf andere User haben. Zudem müssen die Anwendungen mehrbenutzerfähig sein.

Bei einer Virtual Desktop Infrastructure (VDI) hingegen ist dies nicht der Fall. Bei einer VDI sind die virtuellen Desktops voneinander abgeschottet. Vor allem beziehen die abgespeckten Rechner am Arbeitsplatz nicht nur einzelne Anwendungen und Daten, sondern ihre komplette Arbeitsumgebung von einem Zentralrechner - also auch das Betriebssystem und die benutzerdefinierten Einstellungen.

Die Mitarbeiter können mit virtuellen PCs also genauso komfortabel arbeiten wie zuvor. Als physische Endgeräte genügen zwar im Minimalfall Thin Clients, die einfach zu verwalten und billig zu betreiben sind. Aber auch die vorhandenen PCs oder Mobilrechner können als Basis für die Technik genutzt werden. Damit lassen sich die neuen Arbeitsplätze auch ohne zusätzliche Hardware betreiben - ein anstehender Hardwarewechsel könnte damit umgangen werden.

Was Client-Virtualisierung bringt

Der Nutzen von VDI-Projekten ist generell schwer zu berechnen. Nichtsdestotrotz gibt es gute Argumente für eine zügige Umsetzung der Desktop-Virtualisierung. So nennen 68 Prozent der IT-Entscheider in der eingangs erwähnten Matrix42-Studie die größere Flexibilität und Mobilität für die User als Gründe für eine geplante Virtualisierung der Arbeitsplätze. Da die Desktop-Sessions zentralisiert sind, können Mitarbeiter ihren Desktop jederzeit und überall aus dem Netzwerk erreichen - auch von unterwegs oder von zu Hause.

60 Prozent der IT-Experten halten die Reduktion der Management-Kosten als entscheidendes Argument für eine Virtualisierung. Schließlich wird das Management der Clients an den Arbeitsplätzen deutlich vereinfacht - Wartung und Support müssen nicht mehr vor Ort geschehen. Bei Defekten ist es meist billiger, das Gerät durch ein Neues zu ersetzen, denn persönliche Einstellungen, Anwendungen und Daten liegen ja auf dem Zentralrechner.

Als Clients lassen sich vorhandene PCs ebenso einsetzen wie Thin Clients oder Notebooks. Auf diesen Systemen wird dann ein minimales, wartungsarmes Betriebssystem installiert. Positive Effekte gibt es auch für die Sicherheit durch die zentrale Datenablage und die Mobilität der Mitarbeiter. Ein Backup der PC-Daten ist nicht mehr nötig, Nutzern können unkontrolliert keine Daten mehr einschleusen.

Für eine jetzt und künftig anstehende Betriebssystem-Umstellung hätte eine VDI die angenehme Konsequenz, dass sich Migrationsprojekte fast vollständig ins Rechenzentrum verlagern. Ist das erste Rechner-Image inklusive der benötigten Anwendungen erstellt, kann es per Cloning mit einem Mausklick oder vollautomatisch vervielfacht werden. Das verkürzt die Umstellungszeit und reduziert ebenfalls die Kosten. Die Virtualisierung könnte auch den positiven Effekt eines Katalysator für eine Neustrukturierung des PC-Wildwuchses haben.

Woran's hakt - und wer profitiert

Dennoch ist auch die Desktop-Virtualisierung kein Allheilmittel: Der Umstieg auf ein zentrales Desktop-Modell bedeutet mehr, als einfach nur die Clients ins Rechenzentrum zu verlagern - und sollte wohl überlegt sein. So verändert die Virtualisierung der Desktops fast alle Bereiche des System-Managements - vom Betriebssystem-Deployment über die Verteilung der Anwendungen bis zur Verwaltung der Benutzerprofile. Darüber hinaus erfordert der Umstieg die Fähigkeit, virtualisierte Server zu betreiben, eine Kompetenz, die dem herkömmlichen Desktop-Management fremd ist.

Schon die Anwender-Software kann zum Problem werden. Manche Programme funktionieren zwar über Windows 7, aber nicht über ein Remote-Protokoll. Probleme bereiten in VDI-Umgebungen auch immer wieder anspruchsvolle Anwendungen wie grafikintensive Programme oder Videos.

Kaum geeignet sind virtualisierte Desktops deshalb bei Arbeitsplätzen mit sehr speziellen Hardwareanforderungen wie CAD-Arbeitsplätzen. Ein einfaches, möglichst standardisiertes Software-Portfolio ist eine notwendige Voraussetzung für VDI. Am meisten dürften große Unternehmen profitieren, die ähnliche Arbeitsplätze haben und bei denen viele Mitarbeiter mehr oder weniger die gleichen Anwendungen nutzen.

Auch die Lobeshymnen auf die einfachere Administration und die niedrigeren IT-Kosten für den Betrieb müssen etwas relativiert werden. "Die prognostizierten Einsparungen lassen sich auch hier nur realisieren, wenn eine hohe Standardisierung erreicht wird", sagt Robert Sieber, Technology Consultant beim SHD System-Haus-Dresden. Denn obwohl virtuell, ist auch jede virtuelle Maschine zu 99 Prozent wie ein physikalischer Client: Sie benötigt einen Virenschutz und Updates, Software muss verteilt und gewartet werden. Bleibt alles beim Alten, sinken die Kosten auf keinen Fall - im Gegenteil: Speicherbedarf, Stromverbrauch von Servern und Storage sowie die Lizenzierungen können sogar zu Kostensteigerungen führen.

Eine "Lösung von der Stange" gibt es bei der Desktop-Virtualisierung also nicht. Soll sie erfolgreich sein, müssen zunächst die bestehenden Prozesse gründlich analysiert und die angestrebten Ziele präzise definiert werden. Sinn macht es, sich einen unabhängigen Partner oder Architekten zu holen, der einen Überblick über das Angebot von Herstellern wie VMware, Citrix oder Microsoft hat. Er sollte auch über das notwendige technische Know-how verfügen und vor allem die Geschäftsanforderungen des Unternehmens in IT-Anforderungen übersetzen, damit die Lösung ganzheitlich und zukunftsfähig entwickelt wird.

Mehr dazu, wann sich eine Desktop-Virtualisierung lohnt, lesen Sie in diesem Computerwoche-Beitrag. Wie Sie virtuelle Clients planen erfahren Sie hier.