Consumerization

Autoritätsverlust oder wahre Größe?

08.07.2010 von Karin Quack
Mitarbeiter und Kunden wollen heute selbst bestimmen, mit welchen Tools sie arbeiten beziehungsweise wie sie angesprochen werden. Kluge CIOs berücksichten das.
Karin Quack, COMPUTERWOCHE-Redakteurin
Foto: Joachim Wendler

Vor vier oder fünf Jahren tauchte der Begriff Consumerization in den Diskussionen auf. Das Beratungs- und Markforschungsunternehmen Gartner hatte ihn in die virtuelle Runde geworfen - und die IT-Verantwortlichen damit zu Tode erschreckt: Die Mitarbeiter wollen IT-Geräte und Anwendungen, die sie privat nutzen, auch für ihren Job einsetzen, und wer ihnen das verbieten will, wird bald zum alten Eisen gehören, so der Tenor. Im weiteren Diskussionsverlauf wurde diese Aussage immer weiter verfeinert und verfremdet, mit Tatsachen und Mutmaßungen vermischt sowie zur Existenzkrise des CIO an sich stilisiert: Der IT-Chef hat ausgedient, alle Technik dem Volke!

Derartige Übertreibungen trugen nicht eben dazu bei, die Skepsis der CIOs gegenüber sozialen Netzen, Skype Smartphones & Co. zu mindern. Dem gesunden Misstrauen und den durchaus berechtigten Sicherheitsbedenken gesellte sich eine gewisse Abwehrhaltung zu. Bisweilen drifteten die Diskussionen ins Irrationale und Weltanschauliche ab.

Diese Phase der Technikdiskussion ist heute weitgehend Vergangenheit. Viele der einst so drängenden Sicherheitsfragen wurden inzwischen zufriedenstellend beantwortet. Solide oder sogar als eher konservativ beleumundete Unternehmen beschäftigen sich ernsthaft mit der Integration von Apple-Geräten in die Unternehmens-IT - und das keineswegs nur in der Grafik- oder Werbeabteilung.

Digital Natives ziehen keine Grenzen

Viele CIOs sind mittlerweile auf Facebook registriert und kommunizieren dort über berufliche Themen. Die Grenzen zwischen dem Mitarbeiter und dem Menschen verschwimmen, konstatierte der Audi-CIO Klaus Straub kürzlich. Und wie sein Kollege Thomas Hemmerling-Böhmer von der Karl Storz GmbH & Co. KG ergänzte, wollen auch die Kunden heute dort abgeholt werden, wo sie sich im Privatleben aufhalten.

Alles in allem tendieren die CIOs heute dazu, das Neue selbst auszuprobieren, anstatt sich davon überraschen zu lassen. Interessant ist dabei, wie sie dabei mit dem drohenden Autoritätsverlust umgehen. Immer mehr Mitarbeiter zählen zu den Digital Natives. Sie sind jederzeit online und kennen sich mit iPhone, Facebook oder Twitter wahrscheinlich besser aus als die IT-Spitze.

Den CIOs, die das Thema Consumerization ernst nehmen, dürfte es bald ähnlich ergehen wie dem Computacenter-CIO Thomas Jescheck. Er fühlt sich angesichts des geballten IT-Wissens, das die Mitarbeiter des IT-Dienstleisters mitbringen, wie ein Jogi Löw mit 80 Millionen Bundestrainern an seiner Seite.

Doch für die technischen Details hatte ein guter CIO immer seine Leute. Sein Job besteht ja nicht darin, die Features des iPhone besser zu kennen als jeder Anwender in den Fachbereichen. Er soll die Möglichkeiten der IT für das eigene Unternehmen erkennen und ausnutzen. Und da macht ihm so schnell niemand etwas vor.