Ungewollte Smartphone-Schnäppchen

Ausverkauf bei Windows Phone 7?

31.03.2011 von Jürgen Hill und Manfred Bremmer
Mit Windows Phone 7 wollte Steve Ballmer die Vormachtstellung Apples im Mobilfunkmarkt brechen. Doch Microsofts Mobile-Strategie scheint zu floppen.
Foto: HTC, LG, Samsung, Fotolia/Stenzel Washington

Sie suchen ein Smartphone mit einer Hardware-Ausstattung für gehobene Ansprüche? Falls Sie mit Windows Phone 7 leben können, dann kommen sie jetzt äußerst günstig zu einem entsprechenden Gerät. 248 Euro sind nämlich durchaus ein Schnäppchen für ein Smartphone. Zumal, wenn mindestens 256 MB RAM sowie mindestens 8 GB Flash-Speicher verbaut sind, ein Kompass, GPS-Empfänger, Beschleunigungs- und Lagesensor mit an Bord sind. Eine Ausstattung, die dann mit kapazitivem Multi-Touchscreen, 5-Megapixel-Kamera sowie WLAN und UMTS abgerundet wird. Herzstück eines solchen Smartphones sollte nach dem Willen des Konzerns eine CPU mit mindestens 1 Gigahertz Taktfrequenz sein, denn der Konzern wollte mit Windows Phone 7 im Highend-Segment ganz vorne mitmischen.

WP7
Dell Venue Pro
Das Dell Venue Pro soll demnächst auch in Europa angeboten werden. Es hat als einziges Windows Phone eine nach unten herausziehbare Tastatur.
HTC 7 Pro
Das HTC Pro mit ausziehbarer Qwertz-Tastatur wird ab sofort auch in der DACH-Region angeboten.
HTC 7 Pro
Der Preis ohne Vertrag liegt bei 599 Euro, bei o2 Germany und Partnern ist das Device ohne SIM-Lock für eine Anzahlung von 29 Euro und 24 Monatsraten zu je 22,50 Euro erhältlich.
HTC HD7
o2 Germany bietet das HTC HD7 exklusiv in Deutschland an.
HTC HD7
Der Preis: 49 Euro Anzahlung plus 24 Monatsraten à 20 Euro = 529 Euro
HTC 7 Trophy
Außer dem HD7 stellte HTC gleich vier weitere Windows Phones vor. Dazu zählt unter anderem das Spiele-Handy HTC... Trophy
HTC 7 Trophy Screen
Exklusiver Vertragspartner für das HTC Trophy ist Vodafone, das Gerät kommt für 460 Euro auf den Markt.
HTC 7 Mozart
Die Telekom konnte sich dagegen das HTC Mozart mit stylischem Aluminium-Gehäuse sichern.
HTC 7 Surround
Gleiches gilt für das HTC Surround mit ausziehbarem Lautsprecher und Ständer.
LG Optimus 7
LG beteiligt sich mit zwei Geräten am WP7-Launch. Hier das LG Optimus 7
LG Optimus 7
Die technischen Daten: Ein kapazitiver 3,8-Zoll-WVGA-Touchscreen, 1500mAh-Akku, 5-Megapixel-Kamera mit LED-Blitz und 720p-Videoaufnahme sowie , 16 GB interner Speicher.
LG Optimus 7Q
Zusätzlich gibt es eine Variante des LG Omnia 7 mit Volltastatur - diese kommt (vorerst) aber nicht nach Europa.
Dell Venue Pro
Das Dell Lightning wurde letztendlich als Venue Pro vorgestellt - auf den Markt kommen soll es vorerst nur in den USA .
Samsung WP7
Das häufig auf Präsentationen gezeigte Samsung-Smartphone ist vermutlich nur ein Demo-Gerät und soll nicht vermarktet werden.
Samsung Omnia 7
Auf den Markt kommt dagegen das Samsung Omnia 7 - diese Info (samt Bild) verbreitete zumindest Samsung Russland.

Pläne, die sich wohl, betrachtet man die Preisentwicklung in Deutschland in Schall und Rauch aufgelöst haben: Statt im Highend-Segment entsprechende Preise zu erzielen, lassen sich die Windows-Handys nur noch verramschen. Diesen Eindruck legt zumindest die Preisentwicklung in Internet-Portalen wie www.geizhals.at/de nahe: So kostet ein Samsung Omnia aktuell nur noch 248 Euro (ohne Handy-Vertrag). Zum Marktstart vor rund fünf Monaten hätte der User noch 629 Euro zahlen sollen. Das ist ein Preisverfall von 381 Euro. Im gleichen Zeitraum sank der Verkaufspreis des HTC 7HD um 273 Euro von 549 auf 276 Euro.

Rapider Preisverfall

Schnäppchenjäger aufgepasst: Die Preise für Windows Phones befinden sich im Sturzflug Quelle: Geizhals.de/at

Sicher: Elektronik, egal ob Handy, PC etc. gehört nicht unbedingt zu den stabilen Wertanlagen. Vergleicht man allerdings den Preisverfall der Windows Phones mit einem iPhone 3GS oder einem Samsung Galaxy S, dann sind letztere geradezu stabile Wertanlagen. So sank der Preis eines 3GS innerhalb eines Jahres lediglich um 181 Euro von 639 auf 458 Euro. Und das Galaxy S verbilligte sich seit seiner Markteinführung lediglich um 151 Euro. Es geht heute im günstigsten Fall für 348 Euro über den Ladentisch, statt ursprünglich 499 Euro.

Fehlende Nachfrage

Doch worauf beruht diese unterschiedliche Preisentwicklung? Ist Windows Phone 7 bei den Anwendern wirklich so unbeliebt, dass sich diese Smartphones nur noch verramschen lassen? Trifft etwa zu, was der verärgerte Entwickler Paul Jenkins in seinem Blog schreibt: "Every opportunity Microsoft have had to fuck up WP7, they‘ve taken." Und Mitte Januar beklagte bereits James Choi, Marketing-Stratege bei LG, dass der erste Ansturm nicht so stark war, wie alle erwartet hatten. Die Zurückhaltung der Käufer erklärte sich Choi unter anderem damit: "Für Technik-Fans mag Windows Phone 7" nach einer Woche etwas langweilig sein.

Vermutungen und Thesen, auf die man bei Microsoft Deutschland gar nicht näher eingehen will: "Um am Markt weiter zu wachsen, werden wir nicht nur unsere Partnerbeziehungen weiter ausbauen, sondern auch das Betriebssystem noch attraktiver machen", kündigte stattdessen der hiesige Statthalter Ralph Haupter auf die Anfrage der COMPUTERWOCHE an. Es würden bereits mehr als 18.000 Entwickler an Neuheiten wie Spielen oder Anwendungen arbeiten. Außerdem stünden schon heute stehen mehr als 10.000 Apps auf dem Windows Phone Marketplace zur Verfügung. Mit Blick auf den lokalen Markt erklärte Haupter, dass die Entwicklungs-Tools für Windows Phone 7 allein in Deutschland über 50.000-mal heruntergeladen worden seien. Das Land läge außerdem mit über 1.300 registrierten Entwicklern und über 350 Apps europaweit mit an der Spitze.

Lediglich hinter vorgehaltener Hand wurde in der Deutschlandzentrale in Unterschleißheim vermutet, dass vielleicht Grauimporte das Preisgefüge unter Druck setzten und so für die Billigangebote sorgten.

Leere Produkt-Pipeline?

Auf den ersten Blick klingt Microsofts Erklärungsversuch plausibel und die Durchhalteparolen des Managements lassen für die Zukunft der Windows Phones hoffen. Doch gibt es weitere Indizien dafür, dass Windows Phone 7 womöglich doch bei der Kundschaft und damit auch den Herstellern schlecht ankommt. So stand Microsoft auf dem Mobile World Congress im Februar buchstäblich mit leeren Händen da - die letzten (und ersten) Windows Phones war bereits im Oktober 2010 vorgestellt worden. Die (erfolgreichen) Bemühungen, den schwankenden Handy-Riesen Nokia zum Plattformwechsel zu bewegen, sprechen eine ähnliche Sprache, genauso wie die Pläne Microsofts, die relativ hohen Hardware-Anforderungen mit dem noch für dieses Jahr angepeilten "Mango"-Update wieder zu senken, um preisgünstigere Devices zu ermöglichen.

Windows Mobile hoch im Kurs

Interessanterweise steigen auch seit der offiziellen Markteinführung von Windows Phone 7 wieder die Neupreise für Smartphones, die noch den Betriebssystem-Vorgänger Windows Mobile 6.5 verwenden. So kostet etwa das HTC HD2, das im Oktober/November um die 400 Euro lag, mittlerweile wieder 465 Euro. Und das US-amerikanische Marktforschungsinstitut NPD Group stellte in seinen US-Marktzahlen zum vierten Quartal 2010 fest, dass sich die schon fast zum alten Eisen gerechneten Windows-Mobile-Geräte doppelt so gut wie die neuen Windows Phones verkauften - wenn auch auf niedrigem Niveau mit zwei beziehungsweise ein Prozent Marktanteil.

WM-Apps
SKTools
"SKTools" von SKKV Software hilft Anwendern mit über 60 Tools, ihr Pocket-PCs wieder auf Vordermann zu bringen.
Scan2PDF
"Scan2PDF Mobile" wandelt mit der Smartphone-Kamera geschossene Bilder in kompakte lesbare PDFs um, die gespeichert oder via E-Mail direkt weitergeschickt werden können.
phoneBAK
"PhoneBAK" von Bak2U sendet beim Einbau einer nicht autorisierten SIM-Karte heimlich eine SMS an eine hinterlegte Nummer/Adresse. Auch das Löschen oder Sichern aller Daten over the air werden unterstützt.
EasyBusy
"Easy Busy" von Webgate erlaubt es Nutzern von Windows-Mobile-Smartphones, ausgewählte Kontakte aus dem Telefonbuch zu blockieren. Für diese und weitere, beliebig hinzufügbare Anrufer ist der Anschluss dann belegt.
Twittoday
Mit "Twittoday" des IBM-Programmierers Dale Lane können Windows-Mobile-Nutzer neue Tweets einfach auf dem dem Today-Screen schreiben und durch OK absenden.
Milksync
Mit "Milksync" kann man die To-do-Listen der Web-basierenden Aufgabenverwaltung "Remember The Milk" (RTM) auch auf sein Windows-Mobile-Smartphone synchronisieren.
Evernote
"Evernote" unterstützt den Nutzer dabei, seine Einfälle in Form von kurzen Texten, Sprachmemos oder Bildern festzuhalten. Später stehen die Geistesblitze auch auf dem PC oder Mac zur Verfügung - und umgekehrt.
NetQin Antivirus
Die App von NetQin Mobile überprüft das Smartphone mit Hilfe einer Cloud-basierenden Datenbank regelmäßig auf verdächtige Inhalte - und vieles mehr...
Mocha VNC
Mocha VNC fungiert als mobiles Gegenstück zu einem VNC-Server. Einmal verbunden kann der Anwender über sein Smartphone dank einer grafischen Darstellung des Desktops alle Files, Programme und Ressourcen genauso sehen und steuern, als ob er direkt vor dem Rechner sitzen würde.
Vertragscheck
"Vertragscheck" von Lissworx zeigt auf einen Blick auf dem Smartphone, welche Verträge unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen demnächst gekündigt werden können.
Worldmate
"WorldMate" von Mobimate ist der Klassiker unter den mobilen Reisebegleitern. Die Anwendung übernimmt teilweise sogar die Aufgaben von Reisebüros oder Assistenzen und führt Flugpläne, Hotel- oder Mietwagenreservierungen sowie Geschäftstermine zu einem übersichtlichen Plan zusammen.
Lookout Mobile Security
Die App "Lookout" schützt nicht nur vor Malware und Hackern. Sie enthält auch eine Backup-Funktion für Daten und ermöglicht die Lokalisierung oder Löschung des Geräts aus der Ferne.
visCrypt
"visCrypt" von SFR Software erlaubt es, ein selbst gewähltes Bild als "Kennwort" für eine Datei oder einen ganzen Ordner auf dem Telefon zu verwenden. ZUm Öffnen muss der Anwender in einer festgelegten Reihenfolge bestimmte Stellen auf dem Bild antippen.

Auch hierzulande hätten Unternehmen, die Windows Mobile noch immer im Einsatz haben, zum Jahresende 2010 Hamsterkäufe getätigt, bestätigt Marcus Müller, Gründer und CMO des Münchner Mobile-Device-Management-Anbieters Ubitexx. Nachdem die Carrier Windows-Mobile-Devices nun endgültig aus dem Programm nehmen, hätten sie praktisch die letzte Chance genutzt, künftig ausfallende Geräte ersetzen zu können.

Hamsterkäufe

Längerfristig bleibt aber auch diesen Unternehmen kaum eine andere Wahl, als sich nach einer passenden Alternative umzusehen. Der Nachfolger Windows Phone 7 sei noch lange nicht Business-tauglich, unter anderem fehlten Verschlüsselung und Schnittstellen für den Remote-Zugriff, erklärte Müller.

Die Hoffnung, dass Microsoft die fehlende n Enterprise-Funktionen in kurzer Zeit nachschiebt, dürften die meisten Firmen inzwischen verloren haben. So hat die Gates-Company arge Schwierigkeiten, ihre Versprechen bezüglich regelmäßiger Updates, die unabhängig von Carrier und Handy-Herstellern erfolgen, einzuhalten: Fünf Monate nach dem Start ist der Softwareriese aktuell gerade einmal dabei, mit dem mehrmals verschobenen ersten Firmware-Upgrade 7.0.7390.0 ("NoDo") Basisfunktionen wie Copy & Paste zu ermöglichen. Auf essentielle Business-Features wie die Multitasking-Unterstützung für Third-Party-Apps müssen die Nutzer sogar bis zum noch nicht datierten "Mango"-Update warten. Zugegeben: Apple brachte Multitasking sogar erst knapp zwei Jahre nach dem Start in Version 3.0 von i(Phone-)OS. Anders als Microsoft mit seinen alten Windows-Mobile-Wurzeln besaß die Jobs-Company zu diesem Zeitpunkt aber kein kräftiges Standbein im Enterprise-Bereich, sondern war buchstäblich bei Null gestartet.

Mobile-Device-Manager geht fremd

Immerhin scheint sich Microsoft mit seiner sinkenden Bedeutung bei Business-Smartphones abgefunden zu haben. Im Zuge der kürzlich erfolgten Freigabe der zweiten Beta des "System Center Configuration Manager 2012" warb der Softwareriese nun sogar damit, dass die Lösung über das Exchange-ActiveSync-Protokoll neben Windows Phones auch iPhones, iPads sowie Symbian- und Android-Geräte verwalten könne. Früher hatte Microsoft bei Anfragen zu seiner - nun in SCCM 2012 integrierten - Verwaltungslösung "System Center Mobile Device Manager" darauf verwiesen, dass sich Microsoft auf Windows-Mobile-Geräte konzentriere und das Management anderer Mobile-Plattformen lediglich als mögliches Add-On von Value Added Resellern (VAR) sehe.

Vermutungen, dass Microsoft selbst nicht mehr an die Zukunft seiner eigenen Plattform im Business glaubt, weist Frank Prengel, Technical Evangelist, indes zurück. "Wir werden mit Systems Server 2012 der "Consumerization of IT" gerecht, das heißt, dem Trend, dass Mitarbeiter ihre privaten Geräte auch im Unternehmen einsetzen wollen", erklärt er. "Dieser zunehmend heterogenen IT-Landschaft tragen wir Rechnung mit modernen Werkzeugen zur Verwaltung aller mobilen Geräte. Deshalb werden neben Windows Phone 7 auch weitere mobile Plattformen unterstützt."