Meta Group untersucht zwölf Development-Tools

Außenseiter setzt sich von App-Server-Konkurrenz ab

28.01.2000
MÜNCHEN (CW) - Herzstück eines Web-Applikations-Servers ist seine Entwicklungsumgebung. Das Spex-Labor der Meta Group hat für die Studie "Web Application Development Tools" zwölf gängige Produkte auf ihre Alltagstauglichkeit hin untersucht. Sieger in der Gesamtwertung wurde ein Programm des vermeintlichen Außenseiters Haht Software.

Galt früher die richtige Wahl eines Web-Servers als strategische Entscheidung, hat sich der IT-Fokus inzwischen auf Web-Applikations-Server verlagert. Ohne derartige Programme, die als Brücke zwischen Web-Clients und Backend-Datenbanken, Transaktionssystemen und Geschäftsanwendungen fungieren, lässt sich heute kaum noch eine zeitgemäße Infrastruktur realisieren. Allerdings gilt auch hier: Je komplexer die Aufgaben sind, desto schwieriger ist es, am Markt die passenden Produkte zu finden.

Wer für die Zukunft eine Beruhigung und Bereinigung des Segments erwartet, wird enttäuscht: Experten rechnen damit, dass die Zahl der Programme und Anbieter weiter ansteigen wird. Nach Meinung von Analysten sollen im nächsten Jahr Applikations-Server im Wert von knapp zwei Milliarden Dollar verkauft werden - Tendenz stark steigend. William Coleman, Chef von Bea Systems, ging kürzlich sogar davon aus, dass die Softwarebrücken für Unternehmen die gleiche Bedeutung haben werden wie einst Windows für PCs.

Des Pudels Kern liegt in der Anpassungsfähigkeit der Server und ihrer Entwicklungsumgebungen. Kein Unternehmen kann es sich heute noch leisten, lediglich starren Legacy-Code einzusetzen. Der elektronische Handel ist ein schnelles Geschäft, und die IT-Abteilungen müssen diesem Umstand mit flexiblen Lösungen Rechnung tragen. Web-Applikationen müssen nicht nur auf verschiedenen Plattformen laufen, sie sollen gleichzeitig auf alte Datenquellen zugreifen und die Informationen über verschiedene Kommunikationstechniken an moderne Benutzer-Schnittstellen ausgeben.

Während sich das Angebot an Web-Application-Development-Tools vor einem Jahr noch in Server- und Browser-orientierte Werkzeuge teilte, versprechen die meisten Lösungen inzwischen eine Kombination aus beiden Schwerpunkten. Möglich wurde dies durch die steigende Akzeptanz von Integrationstechniken wie Active X und dem Distributed Component Object Model (DCOM) sowie Java und der Common Object Request Broker Architecture (Corba). Dass bei einigen dieser Kompromisse die Qualität und der Funktionsumfang leiden, müssen Anwender zwangsläufig in Kauf nehmen.

Die Meta Group hat gemeinsam mit ihrem Testlabor Spex zwölf gängige Web-Application-Development-Werkzeuge verglichen. Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit, Performance und die Überwachung des laufenden Betriebs wurden ebenso in Betracht gezogen wie integrierte Entwicklungsumgebungen und die Marktposition des Anbieters.

Speziell im Development-Bereich wurde untersucht, wie sich Applikationslogik und grafische Benutzer-Schnittstellen aufbauen lassen und welche Möglichkeiten ein vorhandenes Repository bietet. Darüber hinaus flossen Schnittstellen zu Tools von Drittanbietern, der Zugriff auf verschiedene Datenbanksysteme und der Umgang mit Komponenten oder Objekten in die Bewertung ein.

Außerhalb der Entwicklungsumgebung konnten die Tools bei der Partitionierung, Überwachung und Verwaltung der Applikations-Server punkten. Im Web-Bereich wurden Layout, Design und Veröffentlichungsmechanismen ebenso wie Sicherheitsfunktionen analysiert. Schließlich widmeten sich die Prüfer den Fragen, welche Java-Development-Kits unterstützt und auf welche Weise Java-Objekte und -Komponenten behandelt werden. Zwar liegen die zwölf untersuchten Produkte in der Gesamtwertung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dicht beieinander, bei näherer Betrachtung finden sich jedoch gravierende Unterschiede.

Der Teufel steckt bei App-Servern im DetailSieger in der Gesamtwertung wurde das Produkt "Hahtsite" des amerikanischen Anbieters Haht Software. Die Lösung verfügt nach Aussage der Prüfer über den größten Funktionsumfang aller Pakete. Alle Komponenten seien eng miteinander verbunden, die Datenbankanbindung durchweg solide gestaltet. In den Hauptdisziplinen Benutzerfreundlichkeit, Funktionsumfang und technologische Reife konnte sich Hahtsite jeweils weit über dem Durchschnitt platzieren. Lediglich bei der internationalen Marktposition des Unternehmens gab es nicht die volle Punktzahl.

Zu den besonderen Stärken zählten die Analysten, dass sich der Applikations-Server über verschiedene Rechner duplizieren lässt. Darüber hinaus gestaltete sich das Design und die Verwaltung der Web-Seiten komfortabel. Diese ließen sich außerdem zum Schutz gegen Missbrauch mit Sicherheitsmechanismen wie der Triple-DES-Verschlüsselung versehen. Nicht gelungen sei hingegen die Versionskontrolle: Zwar können externe Produkte angebunden werden, dies ziehe jedoch zusätzliche Kosten nach sich.

Mit geringem Abstand folgt IBM und das "Websphere Studio 3.0". Gut gefielen den Testern die Rapid-Development- und Deployment-Funktionen. Das Programm sei offen für die Integration anderer Werkzeuge wie Macromedias Web-Autoren-Tool "Dreamweaver" oder diverse Debugger. Die dynamische Verwaltung von Links zu Komponenten und deren Integration suche man bei den anderen Kandidaten vergebens.

Ferner verfügt Websphere über vordefinierte Screens, die von Entwicklern verändert werden können. Das mitgelieferte "Performance PAK" erlaubt dynamisches Load Balancing, wobei sich die Server im laufenden Betrieb manuell replizieren lassen. Wer allerdings seine Entwicklungen remote testen will, kann bei Websphere mit Mehrarbeit rechnen, da lokale Datenbanken auf den Workstations eingerichtet werden müssen.

Gleichauf mit IBMs Lösung kam das Produkt "Sapphire/Web 6.1" von Bluestone ins Ziel. Der mächtige Applikations-Server übertraf die Durchschnittswerte in allen Bereichen, lediglich das Debugging fiel etwas ab. Tools von Drittanbietern ließen sich nach Meinung der Tester aber einfach integrieren. Das Server-Clustering und die Failover-Routinen seien optimal. Zur Feinabstimmung ständen diverse Funktionen bereit, und der Code könne für unterschiedliche Plattformen generiert werden.

Das Tool unterstützt alle APIs des Java Development Kit, IDL-Generatoren existieren für Corba, COM und Java/Enterprise Javabeans (EJBs). Das Feature "Hot Versioning" ermöglicht dem Administrator ein Server-Upgrade bei laufendem Betrieb. Leider ist TCP/IP standardmäßig das einzig verfügbare Protokoll, für SNA und IPX/SPX werden Gateway-Plugins benötigt. Ferner fehlen Funktionen, um die Website zu überwachen und zu verwalten.

"Apptivity 3.1" überzeugte die Prüfer durch seine Ausgewogenheit auf hohem Niveau. Mit dem Werkzeug von Progress Software lassen sich dynamische HTML-Seiten erzeugen, jedoch erfordern Web-Seiten mit mehreren Frames spezielle Codierarbeiten auf dem Server. Gut kamen die "Smartadapter" an, mit denen XML-Quellen, Flat Files und Corba-Komponenten angebunden werden können. Ferner sind Adapter für die Integration mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware vorhanden.

Negativ ins Gewicht fielen die Beschränkungen bei Enterprise Javabeans. Deren Wiederverwendbarkeit sei begrenzt, so das Urteil der Tester. Extern entwickelte EJBs könnten unter Umständen nicht ordnungsgemäß funktionieren, darüber hinaus sei die Apptivity-Version 3.1 nicht kompatibel zum Java-Standard 1.0, was die EJBs betrifft. Weitere Minuspunkte gab es für die unausgereiften Load-Balancing-Fähigkeiten des Servers.

Der "Netdynamics Server 5.0" der Sun-Netscape-Allianz mit etwas schlechterer Gesamtpunktzahl bietet als Standard native Treiber für alle gängigen Datenbanken von Oracle, Informix oder Microsoft. Das Java Command Center ermögliche eine solide Administration der Applikationen, deren Absicherung gegen Missbrauch in den Augen der Prüfer zudem gut gelungen sei. Für die Verwaltung lassen sich Lösungen wie CAs "Unicenter TNG" oder "Openview" von Hewlett-Packard einsetzen.

Abzüge vergaben die Tester für die Zahl der mitgelieferten Codes. Zwar sei eine Wiederverwendbarkeit vorgesehen, allerdings lasse das Angebot an Standardprogrammen für alltägliche Funktionen zu wünschen übrig. Zudem unterstütze die Liste für die Zugriffskontrolle noch nicht das Lightweight Directory Access Protocol (LDAP). Zweifel äußerten die Tester auch an der Fähigkeit von Sun, die Führungsposition auf dem Markt aufrechtzuerhalten.

Aus gleichem Haus stammt der "Netscape Application Server 4.0", der sich in der Gesamtbewertung kaum von seinem Bruder unterscheidet. Allerdings sei der Umgang mit dem Produkt, dessen Fokus nach Aussage der Studie mehr auf der Umsetzung als auf der Entwicklung liegt, sehr umständlich. Große Unternehmen sollten sich auf eine lange Lernphase einstellen, denn die Komplexität des Programms erschwere den Entwicklungsprozess unnötig. Ferner zeige der mitgelieferte Debugger ebenso wie die Marktposition von Netscape Schwächen.

Allaires "Cold Fusion 4.0.1" zieht seine Vorteile aus den Partnerfirmen, die das Produkt mit Erweiterungen versorgen. Zwiespältig nahmen die Tester die proprietäre Sprache CFML auf, die zwar ausgefeilte Web-Anwendungen ermögliche, aber extra erlernt werden müsse. Die Nachteile von Cold Fusion lägen darin, dass die Software ohne Object Request Broker sowie Cics-Interface ausgeliefert wird und EJBs nicht unterstützt. Allerdings scheint inzwischen auch der Anbieter das Problem erkannt zu haben, denn erst kürzlich übernahm Allaire die amerikanische EJB-Firma Valto Systems. Einen besonderen Pluspunkt verbuchte Cold Fusion durch seine Benutzerfreundlichkeit.

Im unteren Drittel der Skala rangieren neben dem "Enterprise Application Server" von Sybase auch der "Jbuilder" aus dem Hause Borland/Inprise sowie Silverstreams gleichnamiges Produkt und "Visual Café" von Symantec. Während das Sybase-Werkzeug vor allem Schnittstellen zu populären ERP-Lösungen à la SAP vermissen ließ und keine EJBs unterstützt, kritisierten die Tester am Jbuilder, dass er kein integriertes Repository für Java-Komponenten umfasst. Die Software sei darüber hinaus nur zu empfehlen, wenn lediglich ein Entwicklungsteam an einem Ort damit arbeiten soll.

"Silverstream", so die Analysten, habe sich zwar im letzten Jahr deutlich verbessert, für einen Platz im Vorderfeld reicht es aber immer noch nicht. Der Grund liegt im Funktionsumfang, der bei den Lösungen der Konkurrenten größer sei. Firmen, die auf schnelle Ergebnisse angewiesen sind, könnten das Produkt aber getrost in ihre Kaufentscheidung einbeziehen. Visual Café hingegen, das im Dezember von Bea Systems übernommen wurde, mangle es an Failover-Funktionen und einer dynamischen Verwaltung der Links während der Ausfallzeiten. Ansonsten sei die Software auf einem guten Weg.

Letzter im Bunde ist das "Domino Application Studio R5" aus dem Hause Lotus. Das getestete Release biete keine vollständige COM- und XML-Unterstützung. Ebenfalls fehle die Möglichkeit, Entwicklungsteams zu verwalten. Die Software laufe stabil und eigne sich nach Meinung der Tester in erster Linie für Anwender, die über Erfahrung im Umgang mit Lotus-Produkten verfügen.

GLOSSAR

Applikations-Server

Bei einem Applikations-Server handelt es sich um ein Programm, das die Geschäftslogik für Anwendungen in verteilten Umgebungen zur Verfügung stellt. Der Web-Applikations-Server lässt sich als eine Art Middleware beschreiben, die regelt, wie Internet-Clients auf den Backbone der Unternehmens-DV, beispielsweise Legacy- und ERP-Systeme und Datenbanken, zugreifen. Die Frontends sind entweder mit einer Java-Ablaufumgebung oder einem Browser ausgestattet. Das System besteht in der Regel aus drei Komponenten: einem Entwicklungswerkzeug, einem Framework mit Schnittstellen und Gateways sowie den eigentlichen Anwendungen wie Masken oder Formularen.

Je enger die Verbindung der Entwicklungswerkzeuge zum Framework ist, desto geringer gestaltet sich der manuelle Aufwand beim Zugriff auf Datenquellen und Legacy-Systeme. Zu den weiteren Eigenschaften von Web-Applikations-Servern zählt die Skalierbarkeit, da die Anzahl der über das Internet zugreifenden Nutzer nur schwer vorhersehbar ist. Darüber hinaus sollten sie mit einer automatischen Lastverteilung und Failover-Routinen ausgestattet sein.

Kandidaten

In der Studie der Meta Group und des Spex-Labors wurden insgesamt zwölf Web-Application-Development-Tools untersucht. Dabei gingen die Tester anhand von rund 60 Kriterien vor, die jeweils noch einmal in verschiedene Punkte unterteilt waren. Die Ergebnisse wurden in neun Rubriken eingeteilt: technologische Reife, verfügbare Plattformen, Test-, Debug- und Teamentwicklungsfähigkeiten, Multimedia-Funktionen, Corba-, IIOP- und XML-Features, Datenbankzugriff, Systemoptimierung, Clustering und Ausfallsicherheit sowie administrative Möglichkeiten. In der Gesamtbewertung zwischen einem und fünf Spex-Punkten wurde die internationale Marktstärke des Anbieters berücksichtigt.

-"Apptivity 3.1"; Progress Software, www.progress.com

Gesamtbewertung: 4 Punkte

-"Hahtsite 4.0"; Haht Software, www.haht.com

Gesamtbewertung: 5 Punkte

-"Jbuilder 3.0"; Inprise,

www.borland.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Netdynamics Server 5.0";

Sun/Netscape Alliance, www.sun.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Silverstream Application Server 2.5"; Silverstream Software, www.silverstream.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Visual Cafe 3.0"; Symantec/Bea, www.beasys.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Websphere Studio 3.0"; IBM, www.ibm.com

Gesamtbewertung: 4 bis 5 Punkte

-"Sapphire/Web 6.1"; Bluestone, www.bluestone.com

Gesamtbewertung: 4 bis 5 Punkte

-"Netscape Application Server 4.0"; Sun/Netscape Alliance, www.iplanet.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Cold Fusion 4.0.1"; Allaire, www.allaire.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

-"Domino Application Studio R5"; Lotus Development, www.lotus.com

Gesamtbewertung: 3 Punkte

-"Enterprise Application Server 3.0"; Sybase, www.sybase.com

Gesamtbewertung: 3 bis 4 Punkte

Weitere Informationen: www.checkspex.com

www.metagroup.de