Stiller Siegeszug

ARM-Prozessoren - das Aus für klassische Intel- und AMD-CPUs?

03.03.2012
Sie sind klein, leise und bilden das das Herzstück vieler Smartphones und Tablets: ARM-Prozessoren. Die winzigen Rechenknechte betreiben Unterhaltungselektronik, stecken in Video- und Foto-Kameras. Außerdem haben sie schon manch einem das Leben gerettet, denn ohne ARM-CPUs würde in manchem Auto das ABS nicht funktionieren. Trotzdem hört man von den ARM-Multitalenten recht wenig, denn Sie werden nicht wie klassische CPUs vertrieben oder beworben.

Schnell, schneller, am schnellsten - so in etwa kann man die Maxime der klassischen Prozessoren von Intel und AMD zusammenfassen. Bei jeder neuen Chip-Generation geht es den CPU-Giganten hauptsächlich um eines: mehr Leistung. Stromverbrauch und Wärmeentwicklung spielten zwar - besonders in jüngerer Zeit - auch immer eine Rolle, aber eine eher untergeordnete. Da wundert es nicht, dass aktuelle Desktop-CPUs immer noch 130 Watt verschlingen und auf klobige Aktiv-Kühler angewiesen sind.

Würden Desktop-CPUs von Intel oder AMD in Smartphones stecken, der Akku wäre vermutlich leer, bevor Sie Ihr erstes Telefonat beenden. Dafür würde das Gerät aber so heiß werden, dass Sie damit ein Spiegelei braten könnten. Mit der immer stärkeren Verbreitung mobiler Geräte werden Energieeffizienz und eine möglichst geringe Wärmeentwicklung immer wichtiger.

ARM-CPUs in vielen elektronischen Geräten

ARM-Prozessoren stecken in nahezu allen elektronischen Geräten, die wir Tag für Tag nutzen.
Foto:

Genau hier glänzt die ARM-Architektur: Dank der geringen Leistungsaufnahme der ARM-Prozessoren finden sie Verwendung in Mobiltelefonen, Routern, PDAs, Smartphones, Set-Top-Boxes, Druckern, tragbaren Spielekonsolen und vielen weiteren Geräten. 25 Milliarden ARM-Chips sollen schon hergestellt worden sein, das wären umgerechnet beinahe vier Stück für jeden Menschen auf der Erde.

Ein Beispiel für die Energieeffizienz aktueller ARM-Chips: Der ARM Cortex A15 mit vier Kernen und zwei Gigahertz Rechentakt kommt völlig ohne Lüfter aus – für eine herkömmliche CPU mit vergleichbarer Leistung würde der Verzicht auf ein ordentliches Gebläse den sicheren Hitzetod bedeuten.

Im Gegensatz zu Intel und AMD produziert ARM („Advanced Risc Machines“) seine Chips nicht selbst. Der Hersteller aus Cambridge in England kümmert sich ausschließlich um die Entwicklung von CPUs und verkauft dann Lizenzen der „Bauanleitungen“. Einige wenige ARM-Kunden, zu denen auch Intel gehört, dürfen an den Konstruktionsplänen eigene Änderungen vornehmen, um die Chips noch besser auf spezielle Anforderungen anzupassen. Apple, Nvidia, Nintendo, Motorola, HP und Samsung zählen neben vielen anderen zu den Großkunden von ARM.

Die wichtigsten ARM-Prozessoren

Angefangen hat der Siegeszug der ARM-CPUs im Jahr 1985 - damals kam der „ARM2“ auf den Markt. Der Prozessor war mit acht Megahertz getaktet und erreichte für damalige Verhältnisse unglaubliche vier MIPS (Millionen Instruktionen pro Sekunde).

Mit der ARM-Lizenz kocht jeder sein eigenes Süppchen: Chips verschiedener Hersteller mit ARM-Kern.
Foto: Qualcomm, Nvidia, Texas Instruments, Apple

Seitdem ist viel passiert. Heute bietet ARM vier Prozessor-Familien an. Die CPUs der etwas in die Jahre gekommenen ARM7-Serie werden heute nur noch in Geräten der unteren Preis-Leistungsklasse verbaut. Die Chips basieren auf einer Architektur aus dem Jahr 1994, die in den Folgejahren sehr erfolgreich war. Mehr als zehn Milliarden Prozessoren dieses Typs leisten ihre Dienste in einfachen elektronischen Geräten.

Die ARM9-Reihe besteht aus drei Einkern-Prozessoren, etwa für die digitale Signalverarbeitung oder Java-Anwendungen. Insgesamt fünf Milliarden CPUs dieser Familie wurden bisher produziert. Diese Serie hat weltweit auch die meisten Lizenznehmer.

Deutlich mehr Leistung bringen CPUs der ARM11-Serie. Diese Chips haben einen bis vier Kerne, die mit jeweils bis zu 1 GHz getaktet sind. Sie kommen insbesondere in aktuellen Smartphones zum Einsatz.

Die derzeit schnellsten Pferde aus dem Hause ARM sind in der Cortex-Familie zu finden. Diese Prozessoren treiben Oberklasse-Smartphones und künftig auch Notebooks und einfache Server an.

Weil ARM als reiner Lizenzgeber lediglich Lizenzen und CPU-Blaupausen verkauft, gibt es eine Unmenge an unterschiedlichen ARM-CPUs. Apple, Samsung, Motorola und Co. drücken dem Chip-Design meist einen eigenen Stempel auf, um sie besser an individuelle Anforderungen anzupassen.

So kommt im iPhone 4 beispielsweise der „Apple A4“ zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein System on a Chip (SoC) mit integrierter ARM-Cortex-A8-CPU. Der Apple A4 wird von Samsung produziert und auch in Samsung-Smartphones verbaut.

Auch Qualcomm hat einen eigenen SoC mit ARM-Kern entwickelt, der sich Snapdragon nennt und mit 1 GHz taktet. Texas Instruments nennt seine aktuelle ARM-Konstruktion im gleichen Leistungsbereich OMAP 4. Nvidia hat den Tegra 2 zu bieten, der in vielen aktuellen Tablets steckt, zum Beispiel dem Acer Iconia Tab A100 und A500, dem Samsung Galaxy Tab 10.1, dem Motorola Xoom und dem LG Optimus Pad. Im Frühjahr 2012 soll der nochmals verbesserte Tegra 3 die Konkurrenz in ihre Schranken weisen.

Der texanische Halbleiter-Hersteller Freescale hat kürzlich neue ARM-CPUs angekündigt, die mit bis zu vier Kernen auf der Basis des Cortex-A9-Chips von ARM mit jeweils 1,2 GHz ausgestattet sein sollen. Die Serie mit dem Namen i.MX 6 soll Smartphones, Tablets und Auto-Infotainment-Systemen neue Kräfte verleihen. Sogar Spielekonsolen hat der Hersteller im Visier.

Freescale spart dabei nicht mit mutigen Versprechungen: Geräte, die mit dem i.MX 6 ausgestattet sind, sollen bis zu 24 Stunden am Stück Full-HD-Videos abspielen können und im Standby bis zu 30 Tage durchhalten. Die CPUs sollen zudem mit vier Shadern, USB 2.0-Unterstützung, SATA- und PCI-Express-Anbindungen sowie HDMI 1.4 daherkommen.

Der Boom auf dem Markt für ARM-Prozessoren wirft auch alte Regeln über den Haufen. Erst kürzlich äußerte sich AMD-Sprecher Mike Silverman gegenüber Mobile Tech Today mit den Worten: „Wir stehen am Wendepunkt - wir müssen das alte „AMD kontra Intel“-Prinzip vergessen, denn darum geht es nicht mehr.“ Besonders in US-Medien wird dieses Zitat viel diskutiert - dahinter steht vermutlich die Erkenntnis, dass der neue Konkurrent ARM für AMD gefährlicher ist, als es Intel jemals war. Denn der Markt, um den es geht, ist schon jetzt fast ausschließlich von ARM besetzt. Man sollte sich nicht wundern, wenn AMD in naher Zukunft einen eigenen Vorstoß auf den CPU-Markt für mobile Gerät wagt, ähnlich wie Intel das mit seiner Atom-Reihe versucht.

Windows 8 und Notebook-Hersteller schielen auf ARM-Prozessoren

Microsofts Metro UI: So wird Windows 8 auf Tablets mit ARM-CPUs aussehen

Die nächste Windows-Version (Windows 8) wird es erstmals auch in einer Version für ARM-CPUs geben. Microsoft möchte sich damit einen Teil des lukrativen Tablet-Marktes sichern, der momentan von iOS (iPad) und Android dominiert wird.

In der Folge rechnen Experten in nicht allzu ferner Zukunft auch mit Notebooks, die mit ARM-Prozessoren in Kombination mit Windows 8 arbeiten. Gerüchten zufolge sollen die ersten Notebooks dieses Typs spätestens Ende 2012 vorgestellt werden. Die ARM-Prozessoren für Windows-8-Tablets und –Notebooks werden voraussichtlich von Nvidia, Texas Instruments und Qualcomm gefertigt.

Die so genannten „Windows-on-ARM“-Notebooks werden sich auf dem Markt jedoch erst beweisen müssen: Denn im Gegensatz zu Systemen mit x86-Prozessoren dürfte die Auswahl von Anwendungen - zumindest am Anfang - bei den ARM-Geräten eher dürftig ausfallen. Das liegt vor allem an den grundverschiedenen Befehlssätzen, mit denen die Prozessoren arbeiten. Software für klassische PCs muss für ARM-Systeme daher aufwendig umgeschrieben werden.

Erwartungsgemäß großes Vertrauen in die Zukunft der ARM-Prozessoren hat der Geschäftsführer (CEO) von ARM. Sein Name: Tudor Brown. Er geht davon aus, dass der globale Notebook-Markt schon bald zu 40 Prozent aus Geräten mit ARM-CPU bestehen wird. Zumindest der Trend ist nicht ganz abwegig - schließlich bieten die Chips genau jene Vorteile, auf die es besonders bei Notebooks ankommt: Sie sind sehr klein, enorm energieeffizient und brauchen daher auch nur wenig bis gar keine Kühlung.

Eine aktuelle Umfrage von Morgan Stanley unter 30 PC- und Notebook-Produzenten ergab, dass knapp die Hälfte der Hersteller in den kommenden zwei Jahren zumindest teilweise auf ARM-CPUs setzen will. Ob Notebooks mit ARM-CPUs ein Erfolg werden, hängt maßgeblich davon ab, ob genügend Software dafür vorhanden sein wird, also ob genügend Entwickler ihre Programme mühsam für die ARM-Architektur umschreiben werden.

Pro Tag werden heute rund 16 Millionen ARM-CPUs produziert - angesichts solcher Zahlen klingt es nicht allzu utopisch, dass zumindest die klassische Notebook-CPU bald ausgedient haben wird.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt.