Apple: iPhone 2.0 schmust mit Microsoft

07.03.2008
Apple stellt in Cupertino die nächste Software-Generation des iPhones vor. Voll kompatibel zu Microsofts Active Sync-Technologie und vorbereitet auf VPN-Verbindungen biedert sich die Lifestyle-Ikone der echtzeitsüchtigen Business-Welt an. Ein SDK für Entwickler garantiert darüber hinaus die beliebige Erweiterbarkeit des iPhones um neue Funktionen. Einziger Wermutstropfen: Apple will die volle Kontrolle über die Distribution von neuer Software behalten.

Nicht nur ein Software Development Kit hatte Steve Jobs im Gepäck als er in Cupertino vor die Presse trat, sondern auch die neue iPhone-Betriebssoftware in Version 2.0. Mit ihr rückt Apple sein iPhone - das für viele der Inbegriff moderner Handy-Technologie ist - näher an Microsoft heran. Ab Juni sollen sich PIM-Daten von Microsoft Exchange-Servern in Echtzeit aufs iPhone pushen und sichere Verbindungen mit Unternehmensnetzwerken via Cisco IPsec VPN herstellen lassen. WiFi-Verbindungen wird das iPhone 2.0 grundsätzlich auch mit WPA2 Enterprise absichern können. Für Unternehmen, die das iPhone bereits geschäftlich einsetzen, gibt's verbesserte Remote-Management-Funktionen, die auf Exchange ActiveSync fußen. Administratoren können Daten von verloren gegangenen iPhones übers Netzwerk löschen bzw. ohne Zutun der Nutzer neue Software aufspielen. Der Kuschelkurs, den Apple gegenüber der Business-Fraktion einschlägt, dürfte Windows Mobile-Fans erstaunen, denn schließlich zählen alle genannten Features in erster Linie zu Alleinstellungsmerkmalen von Microsofts Smartphones. Dass Apple sie ab Sommer auch mit seiner Fashion-Ikone in die Wiege legt, dürfte als von langer Hand geplanter Clou in die Geschichte eingehen. Wer das iPhone bislang als Tekkie-Spielzeug belächelte, hat es nun mit einem ausgewachsenen Business-Tool zu tun, zumal iPhones ab Version 2.0 auch Powerpoint-Präsentationen anzeigen können. Nur sollte man darüber nicht vergessen, dass sich nahezu jedes andere Smartphone und auch viele Handys schon seit langem mit Exchange und Active Sync verständigen kann.

Zu dem neuen Image trägt auch die zweite Mitteilung bei, die Steve Jobs nach mehrmonatiger Ankündigung in Cupertino verlautbarte. Das neue Software Development Kit, mit dem Entwickler beliebige Anwendungen fürs iPhone schreiben können, macht das iPhone ganz offiziell zu einem Smartphone. Noch ist nichts final, aber Teilnehmer am iPhone Developer Program können seit heute die Beta-Version des SDKs bei Apple herunterladen. Beschränkungen gibt es keine: APIs für den Betriebssystemkern (Core OS), die Systemdienste (Core Services), Medienbibliotheken und Oberfläche (Cocoa Touch) erlauben die Programmierung aller denkbaren Anwendungen. Als IDE dient das ausschließlich für MacOS X (ab 10.3 Panther) vefügbare "Xcode", das den Entwickler mit Code-Highlighting, Drag'n'Drop-basierter GUI-Entwicklung, On-Device Debugger, iPhone-Emulator und integrierten Schnittstellen zu Versionierungssystemen (CVS, Perforce, Subversion) versorgt. Programme fürs iPhone schreibt man damit ausschließlich in C/C++ und Objective C.

Einige Unternehmen durften sich im Vorfeld an Apples SDK versuchen. So stellte AOL auf der Präsentation einen lauffähigen Client für sein Messaging-System "AIM" vor, in dem ganz im Sinne des iPhones per Fingerstrich zwischen mehreren Chat-Fenstern wechseln kann. Damit demonstrierte man vor allem die Verständlichkeit des SDKs: der für dieses Programm verantwortliche Entwickler brauchte nach eigenen Angaben nicht mehr als 5 Tage, um die Software inklusive Unterstützung für Buddy-Icons und Mehrfach-Chats fertig zu stellen, obwohl er nie zuvor auf MacOS X programmiert hat.

Sogar an die Abfrage der Bewegungs- und Annäherungssensoren hat Apple in seinem SDK gedacht und zwei publikumswirksame Game-Demos vorgeführt. Darunter ein Geschicklichkeitsspiel und ein Weltraumsimulator, die man durch Drehung des Handys steuern kann. Zwei große Player aus dem Gaming-Lager haben bereits ihre Begeisterung für die neue Plattform bekundet. John Riccitiello, CEO von Electronic Arts schwärmt von der fortschrittlichen Animationstechnologie, mit der man erstklassige Spiele entwickeln werde, die iPhone-Nutzer "umhauen würden". Sega liebäugelt bereits mit den Bewegungsmessern: "Die Beschleunigungssensoren erweitern Super Monkey Ball um Dimensionen und wir können es kaum erwarten, bis Spieler sie ausprobieren können!", sagt Simon Jeffery, COO bei Sega America.

Außer mobilen Gamern könnte die gesamte Industrie für mobile Software vom iPhone-SDK profitieren. Gemäß seiner Unternehmenskultur verschließt Apple allerdings den Distributionsprozess, um seine Kunden vor Schadsoftware zu schützen und sie am unerlaubten Kopieren von kostenpflichtigen Programmen zu hindern. Neue Software soll ausschließlich über die iPhone 2.0-Applikation "App Store" auf dem Handy landen, die man zum Auffinden, Bezahlen und Downloaden nutzen soll. Entwickler profitieren damit zwar von einer ultimativen Shop-Plattform und brauchen sich nicht um Bezahlsysteme, Vertriebskanäle, Infrastruktur oder den Kopierschutz zu kümmern, müssen sich dafür aber den Umsatz mit Apple teilen: 30% will sich der Hersteller vom verdienten Geld genehmigen, freie Entwicklungen aber natürlich auch zulassen und nicht mit Einstellgebühren belegen. Solange sich das SDK noch im Beta-Stadium befindet, kostet die Teilnahme am Entwicklerprogramm je nach Status des Entwicklers zwischen 99 und 299 US-Dollar. Das SDK reichert auch den Nährboden für Entwickler von VoIP-Software wie Skype oder fring an. Dafür hatte Steve Jobs ein klares Statement parat: Apple werde die Portierung und Verbreitung von VoIP-Software mit seiner Monopolstellung bei der Distribution nicht behindern. Kostenlose Internetanrufe sollen aber ausschließlich über die WiFi-Schnittstelle möglich sein.

Wer langfristig auf dem Mobilfunkmarkt mitmischen will, braucht ein offenes System, das Entwickler lieben und mit Ideen und Applikationen befeuern, die die Umsätze von Herstellern und Netzbetreibern ankurbeln. Apple stellt sich mit dem iPhone 2.0 auf die gleiche Ebene wie Symbian bzw. Nokias S60 und Sony Ericssons UIQ, Windows Mobile und Google Android. Aber der exklusive Markenhersteller aus dem Westen der USA liegt in einem wichtigen Punkt hinter seinen Konkurrenten: er bedient lediglich ein einziges Stück Hardware. Und so schön wie es auch sein mag: das iPhone ist nicht für jedermann das ultimative mobile Endgerät.

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