Servicekatalog bei Infineon

Anwender kaufen IT-Services im Online-Shop

25.05.2010 von Karin Quack
Sparen um jeden Preis schadet dem Unternehmen oft mehr, als es ihm nutzt. Wie man die Effizienz steigert, indem man sinnvoll investiert, zeigt ein Projekt des Chipherstellers Infineon.
Infineon-CIO Michael Schmelmer
Foto: Infineon

"Der Kostendruck der zurückliegenden letzten Jahre hat den Fokus in der IT auf Effizienzsteigerung gelegt", sagt Michael Schmelmer, Corporate Vice President IT und CIO von Infineon. Die vergangenen vier Jahre waren für die Infineon-IT folglich geprägt durch das Konsolidieren und Standardisieren der IT-Anwendungen sowie das Harmonisieren der internen Prozesse - "ein Schwerpunkt in unserem Bestreben, die operationale Exzellenz zu steigern", wie Schmelmer erläutert.

Um diese Ziele zu unterstützen, führt Infineon ein IT-Service-Management ein, das sich am Quasi-Standard Itil (IT Infrastructure Library) orientiert. "Professionelle Service-Management-Prozesse liefern uns die Rahmenbedingungen dafür, auch innovative Themen effizient zu implementieren", so der Infineon-CIO. Itil vereinheitliche nicht nur die Prozesse im IT-Service-Management, sondern auch die Definitionen und Begriffe. Es sei aber immer zu fragen, bis zu welchem Grad ein Unternehmen dem Standard folgen soll, um Nutzen daraus zu ziehen.

Wesentlicher Baustein eines IT-Service-Management-Systems ist laut Schmelmer ein "IT-Shop". Darunter ist eine Applikation zu verstehen, über die sich IT-Services von den Anwendern in standardisierter Form bestellen und von der IT-Abteilung automatisiert bereitstellen lassen. Infineon entschied sich für eine Lösung, die auf Werkzeugen des Softwareanbieters Matrix42 basiert.

Kernkomponente eines solchen IT-Shops ist ein Verzeichnis der verfügbaren IT-Services, quasi ein Servicekatalog, aus dem sich die IT-Leistungen auswählen und online anfordern lassen. Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Tools können die "Bestellungen" in weitgehend automatisierten Abläufen bearbeitet werden. Als Basis dieser Workflows dient der Request Fulfillment Process aus der Itil-Version 3.

70 Prozent waren erst einmal genug

Hansjörg Sonnleitner, Infineon
Foto: Infineon

Die Aufgabe, eine geeignete technische Basis für das System zu finden, fiel Hansjörg Sonnleitner zu. "Wir stellten fest, dass es keine auf uns zugeschnittene Lösung gab", berichtet der Vice-President Operational Services IT Systems bei Infineon, "aber Matrix 42 deckte von Anfang an zirka 70 Prozent unserer Anforderungen ab." Und so entschied sich Infineon, gemeinsam mit dem Softwareanbieter eine auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Applikation zu entwickeln.

Die Kooperation ist so ausgelegt, dass die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit wiederum in das Standard-Tool einfließen. "Wir wollten auf keinen Fall eine Legacy-Lösung", betont Schmelmer. Das habe ihn die Erfahrung mit dem Vorgängersystem gelehrt. Hier handelte es sich um eine auf dem Call-Center-Werkzeug Remedy basierende Eigenentwicklung, die schon zehn Jahre im Einsatz und damit auf der Plattformseite veraltet war. Abgesehen davon war es mit dieser Lösung nicht möglich, die von der IT angebotenen Services anwendergerecht darzustellen. "Der Anforderungsprozess war zu kompliziert", erinnert sich Schmelmer: "Man benötigte Key-User, die das Tool bedienten, weil der normale Anwender es nicht verstehen konnte."

Matrix42 liefert nun die Komponente für das Serviceverzeichnis ("Service Catalogue") sowie die Tools für die Auslieferung bis hin zum Software-Deployment auf den Desktops ("Enterprise Manager"). Letzterem fehlten anfangs Schnittstellen zur SAP-Software sowie zu nicht Web-basierenden Input-Systemen. Das war einer der Gründe, warum Infineon die Weiterentwicklung der Software vorantrieb. Entwickler beider Seiten arbeiten daran, die Interfaces zu erstellen.

Maßgeschneiderter Standard

Dass eine solche Zusammenarbeit die Ausnahme und keineswegs die Regel ist, bestätigt Jochen Jaser, Chief Technology Officer von Matrix42: "Wir gehen nur wenige so intensive Partnerschaften ein wie mit Infineon", versichert er, "wir würden auch nicht viele davon handhaben können, da wir einen hohen Qualitätsanspruch daran knüpfen."Die Partnerschaft lohnt sich für beide Seiten. Matrix42 lernt, welche Anforderungen große Anwenderunternehmen stellen. Aber auch Infineon profitiert davon - zum einen durch eine mehr oder weniger maßgeschneiderte Lösung, die dennoch im Standard des Anbieters bleibt, zum anderen durch finanzielle Konditionen, wie sie in solchen Kooperationen üblich sind.

Die Münchner Infineon-Zentrale im "Campeon" bei Unterhaching
Foto: Infineon

Der Service Catalogue von Matrix42 ist seit Oktober vergangenen Jahres an allen Infineon-Standorten produktiv im Einsatz. Innerhalb der ersten Wochen wurden schon mehr als 9000 IT-Bestellungen darüber abgewickelt - und zwar problemlos, wie die Verantwortlichen beteuern. Früher hätten die Endanwender die Prozesse nicht oder zumindest nur bedingt gekannt, zum Teil hätten den Services die Preise gefehlt, und der Auslieferungsstatus einer Hard- oder Software sei lange unklar geblieben. Heute bilde die Anwendungsplattform alles übersichtlich ab: Angebot, Abwicklung und Auslieferung seien transparent. Zudem liefen die automatisierten Standardprozesse schneller ab.

Damit steigt die Effizienz und gleichzeitig die Zufriedenheit der Endwander, wie Sonnleiter betont: "Die Akzeptanz des neuen IT-Shop ist höher als erwartet, und wir sind überzeugt, dass die Umstellung richtig war." Der Vor-Ort-Support habe sich seit der Einführung des neuen Service-Managements beträchtlich einschränken lassen. Das wirke sich entscheidend auf die Betriebskosten aus. 80 Prozent der Services seien bereits automatisiert, so der Operational-Services-Verantwortliche. Bei den restlichen 20 Prozent handle es sich um Aufgaben, die mit komplizierten Integrationen und individuellen Anpassungen zusammenhängen.

One face to the customer

Das Campeon-Gelände grenzt an das Unterhachinger Fußball-Stadion.
Foto: Infineon

Ziel des gesamten Vorhabens war nach den Worten des CIOs Schmelmer ein "harmonisiertes, standardisiertes Interface zum End-User" - inclusive einheitlicher IT-Prozesse, um die On-Site-Support-Leistungen zu reduzieren. Hinsichtlich dieser beiden Punkte lasse sich bereits Vollzug melden.

Daneben sollte der Komfort für alle Beteiligten steigen. "Daran arbeiten wir noch", räumt Schmelmer schmunzelnd ein. Doch das User-Feedback zeige, dass Infineon auf dem richtigen Weg sei.
Basis für globale Management-Reports

Durch die standardisierten Prozessen und Inhalte entsteht zudem eine Grundlage für globale IT-Service-Management-Reports. Schnell und konsistent lassen sich nun Fragen, beantworten wie: Was kostet uns die Abwicklung eines Incident? Und wie viele Incidents werden im First-Level gelöst?

Darüber hinaus erlaubt es das System, die IT-Leistung einem Benchmark auf der Basis von Key Performance Indicators (KPI) zu unterziehen. Ein Teil dieser KPIs, beispielsweise Call-Dauer und Ticket-Aging, wird standardisiert über das Tool geliefert, ein anderer Teil Infineon-spezifisch definiert. Die Daten dafür lassen sich direkt aus der Shop-Plattform in ein Business-Intelligence-Tool zur Auswertung übernehmen. Auf diese Weise können Schmelmer und Sonnleitner die Schwachstellen der IT analysieren, um sie gezielt zu verbessern.

Projektsteckbrief

  • Projektname: "IT-Shop".

  • Branche: Hightech.

  • Projektkategorie: IT-Service-Management.

  • Kernprodukte: Catalogue Manager und Enterprise Manager von Matrix42.

  • Herausforderungen: Entwicklungspartnerschaft mit dem Anbieter.

  • Ergebnis: Standardisierte Prozesse für die Anforderung und Auslieferung von IT-Services.

  • Stand des Projekts: seit Oktober 2009 in Produktion.

  • Involvierter Anbieter: Matrix 42.

  • Ansprechpartner: Hansjörg Sonnleitner, Infineon.