Mit Datenanalysen zu besseren Geschäften

Analytics und Predictive Analytics im Mittelstand

08.11.2016 von Jochen Wießler
Wenn Entscheidungen anstehen, verlassen sich viele Manager immer noch auf die berühmte Glaskugel oder ihr Bauchgefühl. Doch in einer zunehmend datenorientierten, „digitalen“ Geschäftswelt reicht das nicht. Gefordert sind valide Analysen und Prognosen. Mittelständische Unternehmen können von Tools profitieren, die auf Basis von Datenanalysen Handlungsempfehlungen geben.

So mancher Vertriebsexperte, Geschäftsführer und Marketing-Fachmann vertraut immer noch auf sein "Gefühl", wenn es um Entscheidungen geht. Das gilt vor allem für Mitarbeiter in mittelständischen Unternehmen, die sich noch nicht intensiv mit Themen wie Big Data und Predictive Analytics beschäftigt haben. Der Blick in die "Glaskugel" mag in Zeiten ausgereicht haben, in denen Unternehmen noch nicht im selben Maße vernetzt waren wie heute. Heute beeinflussen jedoch viele Faktoren den Geschäftserfolg eines Mittelständlers.

Das belegt eine aktuelle Studie von KfW Research. Demnach hängt mehr als die Hälfte des Umsatzes von mittelständischen Fertigungsunternehmen in Deutschland mit bis zu 500 Mitarbeitern von Exporten in andere Länder ab. Gleichzeitig importieren etwa zwei Drittel der Mittelständler Rohstoffe, Waren und Services aus dem Ausland. Das heißt, die Wertschöpfungskette wird immer komplexer.

Analytics Readiness
Jürgen Wirtgen, Microsoft
Jürgen Wirtgen, Data Platform Lead, Geschäftsbereich Cloud & Enterprise bei Microsoft: "Analytics ist nicht mehr nur Zahlenlieferant, sondern wird zur wichtigen Komponente der Unternehmensstrategie."
Thomas Schüle, Oracle
Thomas Schüle, Vice President, IT Strategy & Insight: "Die Idee, Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft herauszunehmen und sie out-of-the-box innovativ arbeiten zu lassen, hat sich bewährt."
Matthias Müller, SAP
Matthias Müller, SAP: „Wir müssen die Unternehmen nicht mehr davon überzeugen, dass sie sich transformieren müssen, sondern vermitteln, warum und wie.“
Michael Gerstlauer, Teradata
Michael Gerstlauer, Principal Consultant Teradata: " Wir waren es lange gewohnt mit dem CIO zu sprechen. Jetzt müssen wir immer öfter rein ins Business."
Matthias Maier, Splunk
Matthias Maier, EMEA Security Evangelist CISSP Splunk: "Ganz oft kommen die Ideen erst, wenn man die Daten sichtbar macht."
Daniel Fallmann, Mindbreeze
Daniel Fallmann, CEO Mindbreeze: "Die Amerikaner sind mental einen Schritt weiter, aber technologisch sind wir in Europa top."
Birte Hildebrandt, SAP
Birte Hildebrandt, Presales Senior Specialist BI & PA Analytics CVS: "Das C-Level ist oft durch Medien beeinflusst. Die Entscheider gehen dann mit der Frage an die IT-Abteilung, 'ob man eigentlich Big Data mache'."
Laura Schmid, Celonis
Laura Schmid, Solution Engineer Celonis: "Wir müssen die Lösungen so einfach wie möglich machen diesen Anspruch müssen wir an uns stellen."

Wer vor diesem Hintergrund neue Marktsegmente erschließen und die Lieferkette optimieren will, benötigt mehr als "Bauchgefühl": aussagekräftige Berichte, verlässliche Informationen über Trends und valide Handlungsempfehlungen. Das Rohmaterial dafür ist vorhanden: Daten aller Art, etwa Marktanalysen, Rückmeldungen von Kunden über Social-Media-Kanäle oder Informationen aus der Fertigung, der Vertriebsabteilung und dem Kunden-Support.

Künftig kommen weitere Datenquellen hinzu, Stichwort Internet der Dinge (Internet of Things, IoT): Kraftfahrzeuge übermitteln Daten an Werkstätten und Autoversicherungen, die wiederum ihren Kunden passgenaue Serviceleistungen und Versicherungstarife anbieten können. Beleuchtungssysteme, Maschinen und Bürogeräte erfassen den Stromverbrauch und geben die Daten an ein Smart-Metering-System weiter. Der Nutzer sieht so auf einen Blick, welche "Stromfresser" in seinem Unternehmen vorhanden sind und welche Stromtarife für ihn am günstigsten sind.

Reports: Was in der Vergangenheit passiert ist

Bislang ist es gängige Praxis, wirtschaftliche Kennzahlen, Produktionsdaten und Absatzzahlen "nur" in Berichten zusammenzufassen. Das heißt nicht, dass Reports unwichtig sind. Nur sollten sich die Nutzer über deren begrenzte Aussagekraft im Klaren sein. Der Grund: Ein Bericht ist gewissermaßen ein Blick in die Vergangenheit. Er zeigt auf, was passiert ist.

Manager und Fachleute wollen heute jedoch wissen, warum bestimmte Ereignisse auftreten. Etwa weshalb Maschine A häufiger gewartet werden muss als Maschine B, oder warum eine Kundengruppe plötzlich keinen Gefallen mehr an einem bestimmten Produkt findet. Eine solche Ursachenforschung setzt eine tiefergehende Analyse von Daten voraus. Ein Ansatz sind deskriptive Analysen. Sie basieren auf der Auswertung historischer Informationen und stellen den Bezug zwischen unterschiedlichen Informationen her, geben Aufschluss über Zusammenhänge und machen wiederkehrende Muster transparent. Mithilfe dieser Erkenntnisse können Unternehmen Geschäftsprozesse optimieren und Fehlerquellen identifizieren.

Blick in die Zukunft: Predictive und Prescriptive Analytics

So weit, so gut. Doch heute müssen sich Unternehmen möglichst schnell auf neue Trends einstellen - oder im Idealfall neue Entwicklungen voraussehen. Muss also doch eine Glaskugel her? Nicht wenn Techniken wie Predictive Analytics und Predictive Business Intelligence eingesetzt werden. Diese Ansätze nutzen historische Daten, Ergebnisse deskriptiver Analysen sowie Informationen über Trends und erstellen daraus Prognosen. Nutzer erhalten somit eine Antwort auf die Frage, was künftig passieren könnte.

BearingPoint: Big Data in der Automobilbranche
Big Data Status in der Automobilbranche
Für 94 Prozent der Befragten ist Big Data & Analytics im Unternehmen bereits relevant.
Anwendungsfelder
Die Unternehmen haben Big Data & Analytics wahrgenommen und sehen es größtenteils als ein „must have“ in der Automobilindustrie.
Datenaustausch
Im Moment fehlt es an einem bereichsübergreifenden und geregelten Datenaustausch entlang der automobilen Wertschöpfungskette.
Technische Voraussetzungen
Laut der Mehrheit der Befragten sind die technischen Voraussetzungen für Big Data & Analytics ansatzweise gegeben.
Stellenwert Datenaustausch
Für den effizienten Nutzen von Big Data & Analytics muss ein geregelter Datenaustausch über alle Bereiche hinweg stattfinden.
Budget für Big Data
Die Investitionen für Big Data & Analytics werden in den kommenden Jahren deutlich steigen.
Big Data Potenziale
Ohne die entsprechende Verknüpfung der Bereiche kann das Potenzial von Big Data & Analytics nicht ausreichend ausgeschöpft werden.
Kundendaten aus dem Web
Big Data & Analytics spielt eine immer stärker werdende Rolle bei der Generierung und Auswertung von Kundendaten aus dem Web.
Big Data in der Produktion
Im Bereich der digitalen Produktion sind noch viele Big-Data- und Analytics-Potenziale ungenutzt.
Die größten Herausforderungen

Laut einer Untersuchung des Beratungshauses KPMG und des Digitalverbands Bitkom nutzt derzeit ein Drittel der deutschen Unternehmen Predictive-Analysis-Werkzeuge. Die Mehrzahl setzt noch auf deskriptive Analysen. Rund 12 Prozent der Befragten verwenden bereits die nächste Stufe der Analysetechnik: Prescriptive Analytics. Sie basiert auf hoch komplexen Analysen, die Handlungsempfehlungen für Entscheider als Ergebnis haben. Die Grundlage solcher präskriptiver Untersuchungsverfahren bilden Simulationsmodelle, die auf Daten aus internen und externen Quellen beruhen. Die Resultate geben Unternehmen Hinweise, welche Handlungsalternativen ihnen zur Verfügung stehen und wie deren Erfolgsaussichten einzuschätzen sind.

Maschinen sprechen lassen

Doch wie lassen sich fortgeschrittene Analyseverfahren in der Praxis nutzen? Ein Beispiel ist der Bereich "Predictive Maintenance". Das Ziel ist, die Wartung von Maschinen zu vereinfachen, Ausfallzeiten zu minimieren und die Service-Intervalle zu optimieren. Somit ist die vorausschauende Wartung vor allem für mittelständische Unternehmen ein hoch interessantes Thema. Denn in Deutschland ist ein Großteil der Fertigungsunternehmen dieser Gruppe zuzurechnen.

Daten von Sensoren, die an den Bearbeitungszentren platziert sind, werden mit weiteren Informationen kombiniert. Das sind beispielsweise Daten über die bearbeiteten Werkstücke, den Verschleißgrad der verwendeten Werkzeuge und weitere Parameter. Auf diese Weise lässt sich proaktiv ermitteln, wann ein Servicetermin ansteht und welche Ersatzteile dabei benötigt werden.

Unternehmen können dadurch den Einsatz von Wartungs-Teams besser planen. Außerdem lässt sich der Bestand an Ersatzteilen, die im Lager vorgehalten werden, auf ein Minimum reduzieren. Hersteller von Maschinen wiederum haben die Möglichkeit, die erfassten Maschinendaten auszuwerten und ihre Produkte zu optimieren.

Mitarbeiter motivieren und halten

Big Data und Analytics können darüber hinaus auch im Personalmanagement Verwendung finden. Dies ist speziell für Mittelständler eine interessante Option, weil diese im Kampf um talentierte Fachkräfte gegenüber Großunternehmen oft das Nachsehen haben.

Um Fachkräften eine attraktive Arbeitsumgebung zu bieten, können Unternehmen daher "People Analytics" nutzen. Bei diesem Ansatz werden beispielsweise Geschäftsdaten, etwa über die wirtschaftliche Entwicklung der Bereiche, in denen Mitarbeiter tätig sind, mit weiteren Informationen in Beziehung gesetzt. Das sind Daten wie die Gehaltsstruktur, Prämienregelungen, Aufstiegschancen und die Beurteilung eines Beschäftigten, aber auch dessen Alter und Ausbildung. Solche Analysen können Aufschluss darüber geben, wann die Gefahr besteht, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und welche Faktoren das fördern. Das wiederum ermöglicht es, Vorkehrungen gegen den Verlust qualifizierter Beschäftigter zu treffen, etwa durch Förderungsmaßnahmen und Gehaltsaufbesserungen.

Online-Jobbörsen und Personalberatungsunternehmen wiederum können auf Basis solcher Daten abschätzen, in welchem Zeitrahmen Kunden voraussichtlich bestimmte Fachkräfte benötigen. Dadurch sind sie in der Lage, ihren Kunden proaktiv Servicepakete anzubieten, um die Suche nach passenden Fachleuten zu beschleunigen.

Produktionsplanung optimieren und Risiken minimieren

Eine proaktive Vorgehensweise ist auch in einem weiteren Bereich gefragt: der Planung der Produktion von Waren und Industriegütern. Mithilfe von Analysetechnologien wie Predictive Analytics ist ein mittelständisches Unternehmen in der Lage, die Nachfrage nach einzelnen Produkten besser abzuschätzen und die Herstellung entsprechend zu planen. Ein Beispiel ist ein mittelständisches Unternehmen aus der Schweiz, das in der chemischen Industrie tätig ist. Es setzt Analytics-Verfahren ein, um bei mehr als 400 Produkten frühzeitig die Entwicklung der Nachfrage abzuschätzen. Die Resultate werden herangezogen, um die Produktions- und Lagerkapazitäten sowie die Logistik anzupassen. Probleme durch eine zu große Lagerhaltung oder durch Lieferengpässe treten nicht mehr auf.

Dieses Beispiel lässt sich auf Mittelständler in anderen Branchen übertragen, auf Produktionsunternehmen ebenso wie auf Dienstleister und Handelshäuser. Zu wissen, welche Produkte wann, in welcher Menge und in welcher Filiale am besten "gehen", ist beispielsweise für Einzelhandelsunternehmen wichtig. Analyse-Lösungen berücksichtigen dabei selbst Faktoren wie das Wetter oder Urlaubszeiten. Bei hochsommerlichen Temperaturen ist beispielsweise mit einer erhöhten Nachfrage nach Getränken und Grillfleisch zu rechnen. Ein verregneter Sommer wiederum kann dazu führen, dass die Obsternte in Deutschland mäßig ausfällt. Das heißt, ein Händler muss vorsorglich Waren bei ausländischen Lieferanten ordern. Sonst läuft er Gefahr, dass Kunden zu anderen Anbietern abwandern. Big-Data- und Analytics-Techniken lassen sich somit auch dazu nutzen, um potenzielle Risiken zu erkennen und zu minimieren.

Demokratisierung durch die Cloud

Speziell kleinere und mittelständische Unternehmen haben oft weder das Geld noch das Fachpersonal, um eine Analytics-Plattform in Eigenregie zu implementieren und zu betreiben. Das heißt jedoch nicht, dass sie das Feld den "Großen" überlassen und darauf verzichten müssen. Die Lösung heißt Cloud Computing. Über die Cloud stehen mittlerweile Business-Intelligence-Plattformen mit integrierten Analyse-Funktionen zur Verfügung. Außerdem stellen führende Anbieter von Business-Software separate Analytics-Lösungen via Cloud zur Verfügung.

Systeme für Hybrid Cloud Management
Accenture Cloud Platform
Die "Accenture Cloud Platform" bietet eine zentrale Sicht auf Nutzungsdaten und Abrechnungsinformationen.
Atos Canopy
IT-Dienstleister Atos vermarktet seine Cloud-Management-Lösung unter der Marke Canopy auch als Teil von Cloud-Transformationsprojekten.
Capgemini
Capgeminis "Cloud-Choice"-Portfolio umfasst auch einen Self-Service-Marktplatz für Benutzer.
CGI Unify360
Das Management-Framework “Unify360 Hybrid Cloud Management” kombiniert kommerzielle Softwareprodukte mit Open-Source-Lösungen.
Cognizant Cloud360
Cognizants Cloud-Management-Plattform "Cloud360" bietet Orchestrierungs- und Governance-Funktionen.
CSC Agility Platform
Die „Agility Platform“ von CSC basiert auf einem Produkt der 2013 zugekauften Softwareschmiede ServiceMesh.
EPAM Cloud Orchestrator
Der EPAM Orchestrator beinhaltet unter anderem einen Cloud Integration Layer.
Fujitsu Cloud Services Management
Fujitsus “Cloud Services Management” verwaltet Public- und Private-Cloud-Ressourcen.
HCL MyCloud
HCL „MyCloud“ lässt sich mit ITSM-, Automation- und Monitoring-Tools verbinden.
HPE Cloud Service Automation
HPE Cloud Service Automation unterstützt sowohl HPEs eigene Private-Cloud-Systeme als auch Public-Cloud-Infrastrukturen von Drittanbietern.
IBM cloudMatrix
Im Rahmen seiner „Brokerage Services“ vertreibt IBM die mit Gravitant übernommene Brokerage-Lösung „cloudMatrix“.
Infosys IMS
Seine Hybrid-Cloud-Lösung Infrastructure Management Services (IMS) offeriert Infosys ausschließlich als Managed Service.
Tata ICMP
Tata Consultancy Services entwickelte seine Integrated Cloud Management Platform (ICMP) in Eigenregie. Sie enthält unter anderem ein Dashboard für die Kostenkontrolle.
Tech Mahindra mPAC
Die „Managed Platform for Adaptive Computing“ (mPAC) von Mahindra verwaltet Public- und Private-Cloud-Services und bietet diverse Abrechnungsfunktionen.
T-Systems CIC
Das Cloud Integration Center (CIC) von T-Systems basiert zu großen Teilen auf Software von Hewlett-Packard Enterprise (HPE).
Unisys CMP
In seiner „Cloud Management Platform“ (CMP) verwendet Unisys unter anderem Komponenten von ServiceNow und Cloudify.
UST Global FogPanel Cloud Hub
Das „FogPanel Cloud Hub“ von UST Global bietet Orchestrierungs-, Brokerage- und Abrechnungsfunktionen.
Wipro BoundaryLess Data Center
„BoundaryLess Data Center“ nennt Wipro sein Framework für die Integration und Verwaltung komplexer IT-Infrastrukturen.

Solche Lösungen ermöglichen es mittelständischen Unternehmen, nicht nur Analysefunktionen zu nutzen, sondern auch ergänzende Optionen. Dazu zählen die Visualisierung von Untersuchungsresultaten und ein Storytelling. Dieses "übersetzt" Daten in aussagekräftige Informationen und Handlungsempfehlungen. Der Nutzer profitiert bei solchen Cloud-gestützten Analytics-Lösungen von den bekannten Vorteilen von Software-as-a-Service-Ansätzen (SaaS): Er kann solche Tools nach Bedarf ordern und abrechnen. Zudem hat er die Möglichkeit, jederzeit ergänzende Lösungen zu buchen, und dies alles, ohne dafür Ressourcen im eigenen Rechenzentrum aufbauen zu müssen.

Tipp: Integrierte Analyse-Funktionen nutzen

Zum Abschluss noch ein Tipp für mittelständische Unternehmen, die bereits eine Unternehmenssoftware einsetzen: Laut Untersuchungen von SAP ist vielen Nutzern oft nicht bewusst, dass solche Software-Lösungen bereits Funktionen für die Datenanalyse enthalten. Damit vergeben Nutzer die Chance, zumindest grundlegende Analysen durchzuführen. Und diesen Luxus kann sich im Zeitalter des Digitalen Wandels kein Unternehmen mehr leisten.