So mancher Vertriebsexperte, Geschäftsführer und Marketing-Fachmann vertraut immer noch auf sein "Gefühl", wenn es um Entscheidungen geht. Das gilt vor allem für Mitarbeiter in mittelständischen Unternehmen, die sich noch nicht intensiv mit Themen wie Big Data und Predictive Analytics beschäftigt haben. Der Blick in die "Glaskugel" mag in Zeiten ausgereicht haben, in denen Unternehmen noch nicht im selben Maße vernetzt waren wie heute. Heute beeinflussen jedoch viele Faktoren den Geschäftserfolg eines Mittelständlers.
Das belegt eine aktuelle Studie von KfW Research. Demnach hängt mehr als die Hälfte des Umsatzes von mittelständischen Fertigungsunternehmen in Deutschland mit bis zu 500 Mitarbeitern von Exporten in andere Länder ab. Gleichzeitig importieren etwa zwei Drittel der Mittelständler Rohstoffe, Waren und Services aus dem Ausland. Das heißt, die Wertschöpfungskette wird immer komplexer.
Wer vor diesem Hintergrund neue Marktsegmente erschließen und die Lieferkette optimieren will, benötigt mehr als "Bauchgefühl": aussagekräftige Berichte, verlässliche Informationen über Trends und valide Handlungsempfehlungen. Das Rohmaterial dafür ist vorhanden: Daten aller Art, etwa Marktanalysen, Rückmeldungen von Kunden über Social-Media-Kanäle oder Informationen aus der Fertigung, der Vertriebsabteilung und dem Kunden-Support.
Künftig kommen weitere Datenquellen hinzu, Stichwort Internet der Dinge (Internet of Things, IoT): Kraftfahrzeuge übermitteln Daten an Werkstätten und Autoversicherungen, die wiederum ihren Kunden passgenaue Serviceleistungen und Versicherungstarife anbieten können. Beleuchtungssysteme, Maschinen und Bürogeräte erfassen den Stromverbrauch und geben die Daten an ein Smart-Metering-System weiter. Der Nutzer sieht so auf einen Blick, welche "Stromfresser" in seinem Unternehmen vorhanden sind und welche Stromtarife für ihn am günstigsten sind.
Reports: Was in der Vergangenheit passiert ist
Bislang ist es gängige Praxis, wirtschaftliche Kennzahlen, Produktionsdaten und Absatzzahlen "nur" in Berichten zusammenzufassen. Das heißt nicht, dass Reports unwichtig sind. Nur sollten sich die Nutzer über deren begrenzte Aussagekraft im Klaren sein. Der Grund: Ein Bericht ist gewissermaßen ein Blick in die Vergangenheit. Er zeigt auf, was passiert ist.
Manager und Fachleute wollen heute jedoch wissen, warum bestimmte Ereignisse auftreten. Etwa weshalb Maschine A häufiger gewartet werden muss als Maschine B, oder warum eine Kundengruppe plötzlich keinen Gefallen mehr an einem bestimmten Produkt findet. Eine solche Ursachenforschung setzt eine tiefergehende Analyse von Daten voraus. Ein Ansatz sind deskriptive Analysen. Sie basieren auf der Auswertung historischer Informationen und stellen den Bezug zwischen unterschiedlichen Informationen her, geben Aufschluss über Zusammenhänge und machen wiederkehrende Muster transparent. Mithilfe dieser Erkenntnisse können Unternehmen Geschäftsprozesse optimieren und Fehlerquellen identifizieren.
Blick in die Zukunft: Predictive und Prescriptive Analytics
So weit, so gut. Doch heute müssen sich Unternehmen möglichst schnell auf neue Trends einstellen - oder im Idealfall neue Entwicklungen voraussehen. Muss also doch eine Glaskugel her? Nicht wenn Techniken wie Predictive Analytics und Predictive Business Intelligence eingesetzt werden. Diese Ansätze nutzen historische Daten, Ergebnisse deskriptiver Analysen sowie Informationen über Trends und erstellen daraus Prognosen. Nutzer erhalten somit eine Antwort auf die Frage, was künftig passieren könnte.
Laut einer Untersuchung des Beratungshauses KPMG und des Digitalverbands Bitkom nutzt derzeit ein Drittel der deutschen Unternehmen Predictive-Analysis-Werkzeuge. Die Mehrzahl setzt noch auf deskriptive Analysen. Rund 12 Prozent der Befragten verwenden bereits die nächste Stufe der Analysetechnik: Prescriptive Analytics. Sie basiert auf hoch komplexen Analysen, die Handlungsempfehlungen für Entscheider als Ergebnis haben. Die Grundlage solcher präskriptiver Untersuchungsverfahren bilden Simulationsmodelle, die auf Daten aus internen und externen Quellen beruhen. Die Resultate geben Unternehmen Hinweise, welche Handlungsalternativen ihnen zur Verfügung stehen und wie deren Erfolgsaussichten einzuschätzen sind.
Maschinen sprechen lassen
Doch wie lassen sich fortgeschrittene Analyseverfahren in der Praxis nutzen? Ein Beispiel ist der Bereich "Predictive Maintenance". Das Ziel ist, die Wartung von Maschinen zu vereinfachen, Ausfallzeiten zu minimieren und die Service-Intervalle zu optimieren. Somit ist die vorausschauende Wartung vor allem für mittelständische Unternehmen ein hoch interessantes Thema. Denn in Deutschland ist ein Großteil der Fertigungsunternehmen dieser Gruppe zuzurechnen.
Daten von Sensoren, die an den Bearbeitungszentren platziert sind, werden mit weiteren Informationen kombiniert. Das sind beispielsweise Daten über die bearbeiteten Werkstücke, den Verschleißgrad der verwendeten Werkzeuge und weitere Parameter. Auf diese Weise lässt sich proaktiv ermitteln, wann ein Servicetermin ansteht und welche Ersatzteile dabei benötigt werden.
Unternehmen können dadurch den Einsatz von Wartungs-Teams besser planen. Außerdem lässt sich der Bestand an Ersatzteilen, die im Lager vorgehalten werden, auf ein Minimum reduzieren. Hersteller von Maschinen wiederum haben die Möglichkeit, die erfassten Maschinendaten auszuwerten und ihre Produkte zu optimieren.
Mitarbeiter motivieren und halten
Big Data und Analytics können darüber hinaus auch im Personalmanagement Verwendung finden. Dies ist speziell für Mittelständler eine interessante Option, weil diese im Kampf um talentierte Fachkräfte gegenüber Großunternehmen oft das Nachsehen haben.
Um Fachkräften eine attraktive Arbeitsumgebung zu bieten, können Unternehmen daher "People Analytics" nutzen. Bei diesem Ansatz werden beispielsweise Geschäftsdaten, etwa über die wirtschaftliche Entwicklung der Bereiche, in denen Mitarbeiter tätig sind, mit weiteren Informationen in Beziehung gesetzt. Das sind Daten wie die Gehaltsstruktur, Prämienregelungen, Aufstiegschancen und die Beurteilung eines Beschäftigten, aber auch dessen Alter und Ausbildung. Solche Analysen können Aufschluss darüber geben, wann die Gefahr besteht, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und welche Faktoren das fördern. Das wiederum ermöglicht es, Vorkehrungen gegen den Verlust qualifizierter Beschäftigter zu treffen, etwa durch Förderungsmaßnahmen und Gehaltsaufbesserungen.
Online-Jobbörsen und Personalberatungsunternehmen wiederum können auf Basis solcher Daten abschätzen, in welchem Zeitrahmen Kunden voraussichtlich bestimmte Fachkräfte benötigen. Dadurch sind sie in der Lage, ihren Kunden proaktiv Servicepakete anzubieten, um die Suche nach passenden Fachleuten zu beschleunigen.
Produktionsplanung optimieren und Risiken minimieren
Eine proaktive Vorgehensweise ist auch in einem weiteren Bereich gefragt: der Planung der Produktion von Waren und Industriegütern. Mithilfe von Analysetechnologien wie Predictive Analytics ist ein mittelständisches Unternehmen in der Lage, die Nachfrage nach einzelnen Produkten besser abzuschätzen und die Herstellung entsprechend zu planen. Ein Beispiel ist ein mittelständisches Unternehmen aus der Schweiz, das in der chemischen Industrie tätig ist. Es setzt Analytics-Verfahren ein, um bei mehr als 400 Produkten frühzeitig die Entwicklung der Nachfrage abzuschätzen. Die Resultate werden herangezogen, um die Produktions- und Lagerkapazitäten sowie die Logistik anzupassen. Probleme durch eine zu große Lagerhaltung oder durch Lieferengpässe treten nicht mehr auf.
Dieses Beispiel lässt sich auf Mittelständler in anderen Branchen übertragen, auf Produktionsunternehmen ebenso wie auf Dienstleister und Handelshäuser. Zu wissen, welche Produkte wann, in welcher Menge und in welcher Filiale am besten "gehen", ist beispielsweise für Einzelhandelsunternehmen wichtig. Analyse-Lösungen berücksichtigen dabei selbst Faktoren wie das Wetter oder Urlaubszeiten. Bei hochsommerlichen Temperaturen ist beispielsweise mit einer erhöhten Nachfrage nach Getränken und Grillfleisch zu rechnen. Ein verregneter Sommer wiederum kann dazu führen, dass die Obsternte in Deutschland mäßig ausfällt. Das heißt, ein Händler muss vorsorglich Waren bei ausländischen Lieferanten ordern. Sonst läuft er Gefahr, dass Kunden zu anderen Anbietern abwandern. Big-Data- und Analytics-Techniken lassen sich somit auch dazu nutzen, um potenzielle Risiken zu erkennen und zu minimieren.
Demokratisierung durch die Cloud
Speziell kleinere und mittelständische Unternehmen haben oft weder das Geld noch das Fachpersonal, um eine Analytics-Plattform in Eigenregie zu implementieren und zu betreiben. Das heißt jedoch nicht, dass sie das Feld den "Großen" überlassen und darauf verzichten müssen. Die Lösung heißt Cloud Computing. Über die Cloud stehen mittlerweile Business-Intelligence-Plattformen mit integrierten Analyse-Funktionen zur Verfügung. Außerdem stellen führende Anbieter von Business-Software separate Analytics-Lösungen via Cloud zur Verfügung.
Solche Lösungen ermöglichen es mittelständischen Unternehmen, nicht nur Analysefunktionen zu nutzen, sondern auch ergänzende Optionen. Dazu zählen die Visualisierung von Untersuchungsresultaten und ein Storytelling. Dieses "übersetzt" Daten in aussagekräftige Informationen und Handlungsempfehlungen. Der Nutzer profitiert bei solchen Cloud-gestützten Analytics-Lösungen von den bekannten Vorteilen von Software-as-a-Service-Ansätzen (SaaS): Er kann solche Tools nach Bedarf ordern und abrechnen. Zudem hat er die Möglichkeit, jederzeit ergänzende Lösungen zu buchen, und dies alles, ohne dafür Ressourcen im eigenen Rechenzentrum aufbauen zu müssen.
Tipp: Integrierte Analyse-Funktionen nutzen
Zum Abschluss noch ein Tipp für mittelständische Unternehmen, die bereits eine Unternehmenssoftware einsetzen: Laut Untersuchungen von SAP ist vielen Nutzern oft nicht bewusst, dass solche Software-Lösungen bereits Funktionen für die Datenanalyse enthalten. Damit vergeben Nutzer die Chance, zumindest grundlegende Analysen durchzuführen. Und diesen Luxus kann sich im Zeitalter des Digitalen Wandels kein Unternehmen mehr leisten.