Mit 100-prozentiger Sicherheit angesagt ist ein Thema dann, wenn es auf der re:publica in Berlin verhandelt wird. Auf "Europas aufregendster Konferenz über das Internet und die Gesellschaft" treffen sich alljährlich Blogger, Start-up-Gründer, Trendfinder - und alle, die irgendetwas davon werden wollen.
In diesem Jahr ging es dabei auch um People Analytics. Das vorgestellte Anwendungsbeispiel: die Software "Insight Applications" des Personalmanagement-Unternehmens Workday aus Kalifornien. Sie kann vorhersagen, wann ein Mitarbeiter wahrscheinlich den Job wechseln wird - indem sie analysiert, nach wie vielen Jahren Angestellte mit ähnlichem Background, Werdegang und vergleichbaren Skills in der Vergangenheit den Laden verlassen haben. Der Arbeitgeber bekommt so die Möglichkeit, den Betreffenden rechtzeitig durch Anreize zum Bleiben zu bewegen.
Hört sich sinnvoll an und praktikabel? Nur, bis man diesem Beispiel das eines US-Versicherungsunternehmens an die Seite stellt. Dessen Berater, die sich ebenfalls People Analytics bedienten, fanden zum selben Thema heraus, dass Mitarbeiter, die keine Kinder hatten oder keinen Partner unterhalten müssen, eher kündigen und sich etwas Neues suchen als andere.
Singles besser bezahlen?
Wie sollte das Unternehmen darauf reagieren? Singles grundsätzliche höhere Gehälter bezahlen, damit sie länger bleiben? Oder sie im Gegenteil gar nicht erst einstellen, weil sie potentiell schnell wieder weg sind? Beides würde in Zeiten der Anti-Diskriminierungsgesetze der Firma massive Probleme bescheren.
- Gehaltsstudie 2015 – Information Technology
Der Personalberater Michael Page legt jetzt seine „Gehaltsstudie 2015 – Information Technology“ vor. Diese basiert auf Angaben von 827 Fach- und Führungskräften, wobei erstere bei Michael Page Spezialisten heißen und mit 57 Prozent die Mehrheit der Teilnehmer stellen. - Führungskräfte
Ein CIO, Chief Technology Officer (CTO) oder IT-Leiter verdient maximal 180.000 Euro Fixgehalt, ein Systemadministrator mit Führungsverantwortung mindestens 35.000 Euro. - Spezialisten
Ein Systemadministrator ohne Führungsverantwortung arbeitet für mindestens 30.000 Euro. Die Spanne reicht weit - er kann auch 55.000 Euro verdienen. - Branchen
Wer als IT-Führungskraft auf Geld Wert legt, sollte in Logistik oder Online-Handel arbeiten. - Fix und Zusatz
Michael Page zeigt auf, wie hoch die Zusatzleistungen sind. - Alter
Zumindest nach der Michael Page-Studie sind IT-Chefs üblicherweise Mitte 40, nur im E-Commerce arbeiten jüngere Chefs.
Das Anwendungsbeispiel zeigt wie in einem Brennglas die Stärken und die Schwächen von People Analytics. Gemeint sind mit dem Begriff eine Reihe von Verfahren, die Menschen wie jedes andere Asset betrachten, also als etwas, das beobachtet, analysiert und rekonfiguriert werden kann.
Glaubt man den Beratern von PwC, die sich ausführlich mit dem Thema beschäftigen, dann haben in den USA bereits sehr viele Unternehmen die Möglichkeiten erkannt, die in solchen Verfahren stecken. Die Chefs von 86 Prozent aller US-Unternehmen, so das Ergebnis einer PwC-Befragung, halten den Einsatz von oder zumindest die Beschäftigung mit People Analytics innerhalb der kommenden drei Jahre für ein wichtiges strategisches Ziel. Und 46 Prozent hätten bereits entsprechende Lösungen im Einsatz.
Bekannte Anwender sind zum Beispiel Qualcomm, Boeing, Symantec, Walmart oder General Motors. Welche Systeme sie genau einsetzen und was sie damit machen, darüber sprechen die Verantwortlichen nicht so gerne.
People Analytics? Nie gehört!
Für Deutschland gilt das erst recht. Wobei hier die Vermutung nahe liegt, dass die Unternehmen bisher wenig tun, was sie verbergen könnten. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung und dem Informationsstand über People Analytics hinkt unser Land weit hinter den USA her. Wie weit, das bewies ein Anruf des Autors beim Chef eines renommierten deutschen Personaldienstleisters mit mehreren hundert Mitarbeitern: "People Analytics? Nie gehört!" lautete die ebenso ehrliche wie überraschende Aussage. Auch die dahinter stehenden Methoden waren ihm aus seinem Beratungsalltag gänzlich unbekannt.
- Lünendonk-Marktstichprobe
Die Anbieter von Business-Intelligence (BI)- und Analytics-Software können auf gute Geschäfte hoffen. Im Zuge der digitalen Transformation geht es für die Unternehmen vor allem darum, mehr aus ihren Daten herauszuholen. - Führende Software-Spezialisten für BusinessIntelligence und Business Analytics in Deutschland
Reihenfolge nach Umsatz in Deutschland 2014. - Führende, internationale Software-Spezialisten fürBusiness Intelligence und Business Analytics
- Kunden investieren zukünftig vor allem in Analytics für Unternehmenssteuerung und Vertrieb
- Anbieter
Self-Service-BI sowie Business & Predictive Analytics sind wichtigste Markttrends - Nicht alle Kundenunternehmen haben zufriedenstellendeDatenqualität und Szenario-Fähigkeit
- Reporting-Prozesse oftmals noch ineffizient!
Kunden planen deutlich stärkere Automatisierung - CIOs
Big Data und Digitalisierung gehören untrennbar zusammen - CIOs
Big Data gewinnt stark an Bedeutung Modernisierung der IT-Prozesse ist derzeit Top-Thema - CIOs bereiten sich auf digitale Transformation vorund investieren vor allem in Prozesse und Daten
An mangelnden technischen Möglichkeiten liegt es nicht, dass sich die Deutschen bisher so wenig damit beschäftigen, die sind enorm. People Analytics kann nicht nur dabei helfen, die eigenen Leute vom vorzeitigen Ausstieg abzuhalten, sondern auch dazu beitragen, die Richtigen zu finden.
Beispielsweise ließe sich mit Hilfe von Daten feststellen, welche Eigenschaften und Fähigkeiten die Erfolgreichsten einer Abteilung verbindet - um anschließend bei weiterem Bedarf nach Kandidaten mit genau diesem Profil zu suchen.
Netzwerk = Erfolg
Mit Hilfe solcher Analysen lassen sich auch (bisher) populäre Irrtümer aufklären. Die Software von Velometrix, einem US-Anbieter von People Analytics-Lösungen, hatte zum Beispiel in einem Fall herausgefunden, dass nicht etwa diejenigen Verkäufer eines Unternehmen am erfolgreichsten waren, die die meisten externen Kontakte hatten, sondern die mit dem größten firmeninternen Netzwerk.
Um solche Dinge zu ermitteln "analysiert unsere Software jede E-Mail und jeden Kalendereintrag und kann so genau sagen, wer was mit wem tut", so Ryan Fuller, einer der Gründer von VoloMetrix.
Anschließend tut das Programm, was auch ein Abteilungsleiter tun würde, wenn er so schlau wäre wie die Maschine: Es sendet regelmäßig E-Mails an bestimmte Mitarbeiter und fordert sie auf, ihr Netzwerk intensiver zu pflegen.
Das alles sei möglich, ohne die Persönlichkeitsrechte des einzelnen zu verletzen, sagt VoloMetrix - die Daten würden anonymisiert verarbeitet.
Deutscher Datenschutz bremst aus
Unabhängig davon, ob man das nun glauben möchte oder nicht: Datenschutzbedenken und sämtliche damit verbundenen Ängste und Diskussionen sind der Hauptgrund für die deutsche Zurückhaltung und das Informationsdefizit bei diesem Thema.
Hierzulande ist jede Auswertung persönlicher Daten, die eine Zuordnung zu einer bestimmten Person ermöglicht, nur mit Zustimmung des Betroffenen und/oder des Betriebsrats möglich. Dem drohenden Konflikt gehen viele Unternehmen aus dem Weg, indem sie die Finger einfach ganz von People Analytics lassen.
Und sogar von vielen anderen, gängigen Methoden der datengestützten Personalarbeit. Diese Erfahrung macht Dennis Kampschulte, Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum Management Consultants und dort für "Human Capital Services" zuständig, immer wieder.
- Was Unternehmen zur EU-Datenschutzreform beachten müssen
Es ist wohl nur noch eine Frage von Wochen und Monaten, bis die neue EU-Datenschutzverordnung in Kraft tritt. Was bedeutet das für die Unternehmen? Was müssen sie wissen? Marco Schmid, Country Manager DACH beim Webhoster Rackspace, gibt Tipps. - Einwilligung
Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie über eine unmissverständliche Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten verfügen, sowohl von Kunden als auch von Mitarbeitern. Von dieser Neuerung sind vor allem Firmen im Consumer-Bereich betroffen, die alle Daten aus ihren Kunden-Datenbanken löschen müssen, für die kein Einverständnis vorliegt. So ist es beispielsweise nicht zulässig, die Daten von Frau Mustermann, die vor zehn Jahren Socken für ihren Mann gekauft hat, weiterhin zu speichern. Marketingabteilungen müssen zukünftig in der Lage sein, Anfragen von Kunden zu berücksichtigen, die um die Löschung ihrer persönlichen Daten bitten oder wollen, dass ihre Daten nicht weiter genutzt werden. - "Recht auf Vergessen"
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich erfolgreich darauf, Daten zu sammeln – aber die wenigsten darauf, sie auch wieder aus ihren Systemen zu löschen. Dies wird eine Herausforderung für viele Firmen, sobald Googles „Recht auf Vergessen“ zum Tragen kommt. Eventuell ist die Anonymisierung von Daten eine Alternative für Unternehmen, die es sich leisten können. - Technische und organisatorische Maßnahmen
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sicherheit der IT-Systeme vor ungewollten Zugriffen. Setzen Unternehmen geeignete Kontrollen ein, um Kunden- und Personaldaten zu schützen – und das solange es erforderlich ist und ohne dass die Gefahr eines unbeabsichtigten Verlusts entsteht? Ist überhaupt bekannt, warum solche Daten gespeichert werden – geschieht es einfach nur wegen der legitimen Absicht, sie weiter zu verarbeiten? Indem Unternehmen diese Fragen beantworten, bereiten sie sich technisch und organisatorisch auf die Einführung der neuen Datenschutz-Verordnung vor. - Anzeige bei Verstößen
Unternehmen, die Daten verarbeiten, sind dazu verpflichtet, Verstöße gegen die Datensicherheit den zuständigen Datenschutz-Behörden und den Betroffenen innerhalb von 72 Stunden zu melden, wenn der Verstoß zu hohen Risiken führt. Daher müssen Unternehmen zuverlässige Reaktionsprozesse zum Incident Management etablieren, mit denen sie dieser Verpflichtung nachkommen können. - Umsetzung und Strafen
Wenn ein Unternehmen aus irgendeinem Grund gegen die Datenschutz-Verordnung verstößt, kann die zuständige Behörde eine Strafe von bis zu einer Million Euro oder zwei Prozent des jährlichen Umsatzes fordern.
Teil seines Jobs ist die Führungskräfteentwicklung mit Hilfe psychometrischer Verfahren, also durch eine Kombination von strukturierten Befragungen und Rollenspielen. Kampschulte: "Es gibt eine ganze Reihe von Kunden, die uns sagen: Ja, wir kennen derartige psychometrische Testverfahren und wir wissen auch, dass sie gute Ergebnisse liefern, aber wir möchten sie trotzdem nicht einsetzen. Der Grund ist, dass die Verantwortlichen negative Reaktionen und Widerstände ihrer Mitarbeiter befürchten und daher häufig auf konventionelle Verfahren setzen, obwohl gerade in der Kombination derartiger Verfahren ein entscheidender Informationsmehrwert liegt."
Aufgrund dieser Erfahrungen glaubt Kampschulte auch nicht, dass sich die beschriebene automatisiert datengestützte Personalanalyse zügig in Deutschland durchsetzen wird. "Psychometrische Verfahren existieren in analoger Form ungefähr seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Trotzdem gibt es noch immer Vorbehalte dagegen. Auch deshalb gehe ich davon aus, dass People Analytics bei uns frühestens in zehn Jahren flächendeckend eingesetzt werden wird."