Für Unternehmen geht es darum, mit ihren Kunden zu interagieren und ihnen positive Erfahrungen zu verschaffen. Eine möglichst große Datenfülle gibt Managern einen Trumpf in die Hand, um Kunden zu verstehen, ihre Verhaltensweisen vorherzusagen und sie vom Unternehmen zu überzeugen. Im Wettbewerb setzen sich die Anbieter durch, die nachvollziehen können, warum Kunden bestimmte Entscheidungen treffen und welche Erwartungen sie haben, wenn sie mit dem Unternehmen in Kontakt treten.
Customer Experience: Wie bindet man Kunden emotional?
"Customer-Experience-Management" (CEM) lautet hier das neue Zauberwort. Gemeint ist damit, wie Kunden ein Unternehmen, eine Marke oder ein Produkt wahrnehmen. Ob positiv oder negativ - das ergibt sich aus zahlreichen Interaktionen eines Verbrauchers mit dem Anbieter. Gerade in einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld, in dem Verbraucher jederzeit via Internet sämtliche Informationen zu Produkten oder Services abrufen können und die Angebote immer vergleichbarer werden, entscheidet das subjektive Empfinden der Kunden zunehmend über den Geschäftserfolg der Unternehmen.
Dass dieses Kundenerlebnis analysiert und positiv beeinflusst werden kann, liegt an der Vielzahl von Datenquellen, die den Unternehmen heute zur Verfügung stehen. Marketing-Experten können damit beispielsweise nachvollziehen, zu welcher Zeit ein Kunde welches Lieblingsgericht in einem bestimmten Restaurant essen möchte - und was er hinterher seinen Freunden darüber erzählt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, was Unternehmen aus den vorhandenen Daten lesen können. Mit passenden Analysewerkzeugen lässt sich schon vor der Kontaktaufnahme einschätzen, ob ein Kunde Angebote lieber per E-Mail oder SMS bekommen möchte oder wie bestimmte Kundentypen auf einzelne Angebote reagieren. Das reicht so weit, das beste Timing und die wirksamsten Formulierungen zu finden, und gilt nicht nur für Bestandskunden, sondern auch für potenzielle Neukunden.
Herausforderung CEM
Ein wirksames CEM aufzubauen ist nicht trivial. Besonders anspruchsvolle Aufgaben betreffen Punkte wie Mobilität und Echtzeit. Unternehmen müssen schnell reagieren und dabei auch neue Kommunikationswege und Medien einbinden. CEM gelingt nur, wenn Firmen in der Lage sind, Inbound-Kontakte (App-Nutzung, Filial- und Website-Besuch, Hotline-Anruf, Abschluss etc.) im Kontext der Gesamtsituation richtig zu interpretieren.
Mit anderen Worten: Es gilt zu verstehen, wo sich der Kunde auf seiner "Customer Journey" gerade befindet.
Beispielsweise lassen sich "gewöhnliche" Kontaktsituationen als spezifische Anlässe erkennen und für eine gezielte Ansprache, also etwa ein Kauf- oder Informationsangebot sowie eine Serviceinformation auf dem Smartphone, nutzen. Eine Kontaktsituation kann sich ergeben, wenn der Kunde bei der Service-Hotline anfragt oder eine App benutzt, während er sich in der Nähe einer Filiale befindet. An diesem Punkt der Kundenkommunikation kommen Aspekte wie Echtzeit, Mobilität und Lokalisierung zusammen. Das steigert den Wert der Interaktion - für den Anbieter, aber auch für den Kunden.
Im Sinne des CEM sollte der Kunde Ausgangs- und Zielpunkt jeder Interaktion sein. Unternehmen sollten ihn bei allen Schritten im Entscheidungs- und Kaufprozess begleiten. Nur maßgeschneiderte und für den Kunden relevante Nachrichten, die auf seinem bisherigen beziehungsweise prognostizierten Verhalten aufbauen und ihm im richtigen Moment zugestellt werden, wecken sein Interesse oder veranlassen ihn gar zu Handlungen.
Starke Datenanalyse gefragt
Dazu müssen Unternehmen mit Hilfe passender Big-Data-Lösungen große Mengen an Daten auswerten können: zum einen strukturierte Daten aus internen wie externen Quellen, zum anderen großteils unstrukturierte Daten aus Social-Media-Kanälen, Video, Bild, Audio, RFID und Sensoren. Im nächsten Schritt gilt es, die gewonnenen Ergebnisse auf den einzelnen Kunden umzulegen. Personalisierung ist der Grundstein für die positive Wahrnehmung einer Marke beim Kunden. Für die Umsetzung entsprechender Initiativen sollten folgende Punkte beachtet werden:
Geschäftsziele
Unternehmen brauchen konkrete Ziele als Ausgangspunkt für wirksame Kommunikations- und Dialogszenarien. Das kann zum Beispiel die Umsetzung von Cross-Selling-Optionen im Online-Kanal sein. So wird schnell erkennbar, ob die angestrebten Ergebnisse erreicht werden können und welche Metriken für eine Erfolgsmessung sinnvoll sind. Neben reinen Response-Werten könnten dies beispielsweise Größen wie Segmentmigration, Umsatzwachstum, Kundenbindung oder Loyalitätswerte sein.
Erkenntnisse
Beschränkt man sich darauf, zunächst spezifische Kommunikations- beziehungsweise Interaktionsszenarien zu betrachten, macht dies die Analyse einfacher, und die Erkenntnisse können im gesamten Unternehmen geteilt werden. Liegen die notwendigen Informationen vor und sind die Metriken erfüllt, steht es Firmen offen, auch komplexere Herausforderungen in Angriff zu nehmen.
Analytics
Der Erkenntnisgewinn lässt sich mit Analytics vervielfachen. Wenn ein Unternehmen beispielsweise nachvollziehen kann, wo und warum ein Warenkorb stehen bleibt oder weshalb sich Umsätze zu bestimmten Zeitpunkten sprunghaft verändern, kann es Prozesse, Navigationspfade oder Angebotsstrukturen gezielt nachjustieren und damit kontinuierlich verbessern. Mit leistungsstarker Optimierung, Vorhersage und Modellbildung lassen sich zudem spezifische Angebote für die individuelle Kundenansprache konfektionieren beziehungsweise Budgets zielgenauer auf unterschiedliche Maßnahmen verteilen.
Effektiveres Marketing
Doch warum sollten Unternehmen den Mehraufwand auf sich nehmen, der mit einer echten Personalisierung - im Gegensatz zu einer One-to-many-Ansprache - verbunden ist?
Zum einen lässt sich die Effektivität von Marketing-Maßnahmen besser nachvollziehen, indem die Kundeninteraktion an jedem Kontaktpunkt gemessen wird. Je enger die Bindung zum Kunden, desto mehr Zeit verbringt er zum Beispiel auf der Website, und desto wahrscheinlicher kauft er etwas. Echtzeit-Marketing führt oft zu weniger, dafür umso relevanteren Angeboten. Die Folge: Das Marketing kostet weniger, und zugleich werden die einzelnen Kampagnen effektiver. Darüber hinaus hilft Big Data Analytics Unternehmen, langfristig ein tieferes Verständnis ihrer Kunden zu gewinnen. Dies bildet die Grundlage für Relevanz, die wiederum das Vertrauen in die Marke stärkt und damit eine engere Bindung zum Verbraucher schafft.
Fans gewinnen
Customer-Experience-Management dient letzten Endes aber nicht dazu, dem Kunden ein gutes Gefühl als Selbstzweck zu verschaffen. Unternehmen, die die positive Begleitung des Verbrauchers auf seiner Customer Journey als festen Bestandteil in ihre Gesamtstrategie einbinden, können handfeste Geschäftsvorteile erzielen. So lassen sich Markenbekanntheit und -treue über Kundeninteraktionen stärken, die positiv in Erinnerung bleiben. Stufenweises Up- und Cross-Selling bei zufriedenen Bestandskunden sowie Neugeschäft über Mundpropaganda sorgen für mehr Umsatz. Nicht zuletzt können Kosten, die durch eine Abwanderung unzufriedener Kunden anfallen würden, gesenkt werden. Und manchmal wird die Pflege der Kundenbeziehung mit der wertvollsten Form der Werbung belohnt: der Weiterempfehlung an Familie, Freunde oder andere Verbraucher.
Damit das gelingt, muss Analytics sämtliche Phasen im Kundenlebenszyklus einbeziehen - vom ersten Interesse über aktive Evaluierung bis hin zum Kaufmoment und auch darüber hinaus. Außerdem ist es erforderlich, bei einer ganzheitlichen und personalisierten Ansprache auch den Kontext in Betracht zu ziehen. Neue Daten müssen mit historischen Informationen zu Kontakt, Response und Transaktionen in Verbindung gebracht werden. Anreichern lassen sich diese Erkenntnisse zudem mit Angaben zu Wert, Profitabilität und Verhalten des Kunden. Mit dieser Erweiterung der Basisdaten um zusätzliche Informationen aus verschiedenen Quellen wird es zudem möglich, dem Kunden relevante und fundierte Angebote, Empfehlungen und Services nahezubringen, wenn dieser gerade besonders empfänglich dafür ist.
Die vier Cs
Um ihren Kunden gerecht zu werden und sich ihre Treue langfristig zu sichern, dürfen Unternehmen ihr Customer-Experience-Management nicht isoliert betrachten, sondern sollten es in den Kontext eines größeren Branding-Ökosystems stellen - hier kommen die vier Cs ins Spiel.
Customer Intelligence: Analytics sorgt dafür, dass Unternehmen immer die richtigen Informationen an der Hand haben, um ihre Kunden gezielt anzusprechen. Dieser Teil des Ökosystems setzt direkt an den Daten und den Erkenntnissen an, die sich daraus gewinnen lassen.
Competency: Die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen ist die Voraussetzung, dass Marketing-Kampagnen nicht im Sande verlaufen. Eine ansprechende Website reicht nicht aus, um den Kunden zufriedenzustellen. Wenn im Backend - beispielsweise bei den operativen Prozessen oder der Datenanalyse - Fehler gemacht werden, hilft auch die schöne Fassade nicht weiter.
Commitment: Werden die richtigen operativen Prozesse zur richtigen Zeit angestoßen, fördert dies automatisch auch die Kundenzufriedenheit. Dazu gehört zum Beispiel, dass nötige Rückerstattungen geleistet oder dass abwanderungsgeneigte Kunden proaktiv angesprochen werden.
Customer Experience: Das Kundenerlebnis ist Resultat des Engagements eines Unternehmens und fließt gleichzeitig als Information zurück in die Customer Intelligence, die dort genutzt werden kann, um weitere Optimierungsprozesse anzustoßen.
Je mehr neue Datentypen und -quellen eingebunden werden, desto besser lassen sich analytische Modelle auf die vier Phasen anwenden. Dies bildet die Voraussetzung für ein verbessertes Kundenerlebnis.
Intelligente Interaktionen mit analytischem Dialog-Marketing
Auf vier Feldern entscheidet sich die Qualität des Customer-Experience-Managements:
Informations-Management: Die gesammelten Daten werden mit Hilfe von Analytics, Daten-Management und -integration sowie Data Mining in nützliche Informationen umgesetzt.
Kanalübergreifende Koordination: Alle wichtigen Daten müssen verknüft werden. Unternehmen müssen sämtliche Kundendaten in ein Repository einfließen lassen, damit Offline- und Online- Daten optimal zusammenspielen.
Interaktionen: Entscheidungen werden auf Basis von Big Data Analytics getroffen. Die Analyse erfolgt in Echtzeit, erfasst alle Kanäle und bezieht sämtliche historischen und aktuellen Informationen ein. Nachdem die bestmögliche Interaktion ermittelt wurde, kann mittels Analytics der Kundenkontakt optimiert werden.
Abschluss und Auswertung: Die Angebotszustellung an den Kunden und seine Akzeptanz oder Ablehnung müssen in der Response- Historie vermerkt werden. Das bildet die Grundlage für das weitere kontextabhängige Marketing.
Fazit
Eine persönliche Kundenansprache ist heute auch in Massenmärkten und gerade angesichts der Vielzahl von Kommunikationskanälen keine Option, sondern ein Muss. Einzelne Zielgruppen nach bestimmten Merkmalen zu identifizieren reicht schon längst nicht mehr aus. Segmentierung heißt heutzutage, eine One-to-one-Beziehung zwischen Kunde und Anbieter aufzubauen. Jede Inbound-Transaktion und jeder Dialog muss sich auf den einzelnen Kunden richten, denn Verbraucher erwarten, dass Unternehmen ihre individuellen Vorlieben, Bedürfnisse und Verhaltensweisen kennen.
Unternehmen halten mit den Erkenntnissen, die sich durch Big Data Analytics aus Kunden- und Transaktionsdaten ziehen lassen, bereits den richtigen Hebel in der Hand, um mit ihren Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren, einen nachhaltig positiven Eindruck zu erzeugen, Markentreue zu bilden und somit unterm Strich ihre Geschäftsergebnisse zu verbessern. Letztendlich können beide Seiten davon profitieren: Kunden bekommen die Relevanz und positiven Erfahrungen, die sie erwarten, Anbieter sind in der Lage, ihre Kunden zufriedenzustellen - und manchmal gewinnen sie sogar echte Fans.
Von Roland Brezina, Advisory Solution Architect, Center of Excellence Integrated Marketing Management, bei SAS Deutschland.