Cloud Computing

Ablaufplattformen im Vergleich

22.10.2008 von Markus Stäuble
Cloud Computing ist eines der großen Buzzwords in diesem Jahr. Ob mehr als nur heiße Luft dahinter steckt, zeigt ein Blick auf die diversen Plattformen der Anbieter.

Geht es um die technische Basis für Cloud Computing, sind derzeit zwei Ausprägungen zu erkennen: Einerseits fertige Applikationen im Netz, die nur einer Anmeldung des Benutzers bedürfen, andererseits mächtige Plattformen, die eine transparente Infrastruktur für den Ablauf von eigenen Anwendungen bereitstellen.

E-Mail-Dienste als Vorreiter

Als Vorreiter für heutige Cloud-Computing-Plattformen dürfen die unzähligen Web-basierenden E-Mail-Dienste wie GMX oder Web.de gelten. Auch Online-Speicher wie MyDrive oder XDrive gehen in diese Richtung. Vielen Endkunden ist der Begriff der Wolke das erste Mal durch die Werbung von Apple für MobileMe näher gekommen. Dieser Dienst wurde vor allem über das iPhone am Markt platziert. Anwender können damit ihre Daten "über die Wolke" synchronisieren, und zwar innerhalb von wenigen Augenblicken. Zum Start gab es indes noch erhebliche Probleme. Wie bei allen Systemen des Cloud Computing funktioniert die Speicherung der Daten für den Kunden völlig abstrahiert von der dahinter liegenden Infrastruktur; über Platzprobleme und Verarbeitungsleistung muss sich der Anwender keine Gedanken machen.

Microsofts Gegenstück zu MobileMe heißt Live Mesh. Hier steht ebenfalls die Synchronisierung von Daten im Vordergrund. Interessant erscheint die Abkehr von der lange Jahre propagierten Philosophie der Windows-Company: Nachdem Mitgründer Bill Gates zunächst den PC zum Zentrum für digitales Arbeiten erklärt hatte, definiert nun Chief Software Architect Ray Ozzie das Internet als Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund soll Live Mesh schrittweise zum Web-Desktop mit vielen Anwendungen ausgebaut werden und damit zur Cloud-Computing-Plattform im wahrsten Sinne des Wortes. Derzeit lässt sich der Dienst als technische Preview mit Beschränkung auf die USA verwenden.

SaaS oder Cloud Computing?

Wer sich mit Cloud Computing beschäftigt stößt schnell auch auf den Begriff SaaS (Software-as-a-Service). Der Unterschied wird an zwei konkurrierenden Angeboten deutlich, die sich schon vielen Vergleichen unterziehen mussten: Windows Live Workspace) von Microsoft und Google Docs von Google. Beide Systeme sind als Office-Alternative im Web positioniert.

Google Docs bietet eine komplette Office-Suite im Browser. Auch die Daten liegen 'in der Wolke' auf den Google-Servern.

Das Microsoft-System ergänzt die lokale Office-Installation durch Dienste, so genannten Services, im Web. Windows Live Workspace bietet dabei die Wolke als Speicherort an. Bearbeitet werden die Dokumente aber in der lokalen Office-Instanz. Bei Google Docs spielt sich alles auf den Server-Instanzen des Internet-Konzerns Google ab: Außer dem Browser wird dazu nichts weiter benötigt. Darin liegt der große Unterschied zur Lösung von Microsoft. Somit ist Windows Live Workspace eher als Verbund aus einer lokalen Software mit Services, Google Docs dagegen als reine Cloud-Computing-Lösung zu sehen.

Amazon Elastic Compute Cloud EC2

Neben fertigen Anwendungen in der Wolke existieren auch Plattformen, die es Unternehmen ermöglichen, eigene Anwendungen in einer Cloud-Computing-Infrastruktur ablaufen zu lassen. Zumindest in der IT-Branche ist Amazon mittlerweile eher für seine riesige technische Infrastruktur als für seinen florierenden Online-Buchhandel bekannt. Schon früh hat der Anbieter erkannt, dass sich nicht nur Bücher, sondern auch die Infrastruktur, auf der die Plattform läuft, verkaufen lässt. Daraus entstanden die Amazon Web Services (AWS). Kunden können die angebotenen Dienste im Bausteinsystem zusammenführen. Die infrastrukturelle Basis, das heißt die Rechenkapazität, stellt dabei die Amazon Elastic Compute Cloud (EC2) zur Verfügung.

Auf dieser Plattform lassen sich Anwendungen in Amazon Machine Images (AMI) speichern. Die Daten liegen dabei im Amazon Simple Storage Service (S3). Für den strukturierten Zugriff auf Daten steht Amazon SimpleDB zur Verfügung. Auch hier wird dem Anwender einiges abgenommen, beispielsweise die Indexierung der Daten. Für den Datenaustausch kann er auf den Amazon Simple Queue Service (SQS) zurückgreifen. Bisher steht auf Amazon EC2 nur Linux als Betriebssystem zur Verfügung. Der Anbieter hat für den Herbst 2008 aber auch eine Windows-Option in Aussicht gestellt. Wegen der Lizenzproblematik wird dies den Anwender aber teuerer kommen. Die Bezahlung organisiert Amazon nach dem Pay-as-you-go Prinzip. Kunden zahlen nur für die tatsächlich in Anspruch genommene Leistung. Der Begriff "Elastic" rührt daher, dass sich die Rechenleistung innerhalb von Minuten anpassen lässt.

Google App Engine

Auch Google hat eine Plattform als Basis für das Cloud Computing im Angebot: die Google App Engine. Dabei handelt es sich noch nicht um eine endgültige Version, es steht aber ein Testbereich zur Verfügung. Lange war dieser Bereich für die breite Masse nicht geöffnet, nun aber kann jeder ohne Wartezeit einen Account für die Google App Engine erhalten. Im Gegensatz zu Amazon EC2 sind die Einschränkungen indes größer. Für das Programmieren von Anwendungen stellt Google ein komplettes SDK namens App Engine Software Development Kit zur Verfügung. Dieses Kit und die darauf aufbauenden Anwendungen basieren auf der quelloffenen objektorientierten Scriptsprache "Python".

Das 2,5 MB große SDK liefert Google inklusive Web-Server, damit Interessierte die Anwendung auch auf dem lokalen Rechner testen können. Daten werden in einem transaktionalen Speicher abgelegt, der den Anwendungen transparent zur Verfügung gestellt wird. Abfragen auf die Daten müssen Benutzer in der Google Query Language (GQL) formulieren. Um auch mehrere Anwendungen in der App Engine ablaufen zu lassen, erhält jedes Programm eine geschützte Umgebung (Sandbox). Diese Sandbox isoliert die Anwendung von der darunter liegenden Hardware. Nach der Entwicklung muss die Anwendung nur noch hochgeladen werden und steht dann unter der Domäne appspot.com zur Verfügung. Interessant ist dieses Angebot naturgemäß vor allem für Python-Entwickler. Andere werden den Dienst aufgrund dieser Einschränkung eher noch mit Vorsicht genießen.

Open-Source-Plattform 10gen

Eine weitere interessante Plattform in diesem Zusammenhang ist die unter einer Open-Source-Lizenz stehende Plattform 10gen. Wie bei der Google App Engine steht ein SDK für die Entwicklung von Anwendungen zur Verfügung. Dieses setzt Java SE in der Version 5 oder 6 voraus. Der mitgelieferte Java-Application Server (Codename: Babbel) versteht die Sprachen JavaScript, Python und Ruby. Daten speichert 10gen in der objektorientierte Datenbank Mongo. Dazu gehört auch ein Dateisystem namens GridFS, das ebenfalls auf Mongo aufbaut. Unternehmen können 10gen sowohl dazu verwenden, eine eigene Wolke zu betreiben, als auch wie bei der Google App Engine Anwendungen in der bereitgestellten Wolke ablaufen zu lassen. Zu den Websites die bereits mit 10gen laufen, gehören The Business Sheet, Clusterstock und Silicon Alley Insider.

Betrachtet man die drei vorgestellten Plattformen, überzeugt die Lösung von Amazon vor allem wegen der Flexibilität: Eine Beschränkung auf bestimmte Programmiersprachen wie bei Google App Engine oder 10gen gibt es nicht. Auch das Bausteinsystem der AWS mag für den einen oder anderen Anwender den Ausschlag geben.

Plattformen von IBM und Microsoft

Mitte November 2007 kündigte IBM das "Blue-Cloud"-Programm an. Dieses Angebot richtet sich an Unternehmen, die selbst eine Cloud-Computing-Infrastruktur aufbauen wollen. Blue Cloud basiert auf Open-Source-Software und offenen Standards. Anfang Oktober kündigte Microsoft-Chef Steve Ballmer an, innerhalb der nächsten vier Wochen im Rahmen der Professional Developers Conference ein neues Betriebssystem mit dem Namen "Windows Cloud" zu lancieren. Dabei handelt es sich um die Antwort Microsofts aus Sicht des IT-Betriebs. Nach den Vorstellungen des CEO sollen damit Server innerhalb einer Cloud-Computing-Infrastruktur betrieben werden. Spannend wir dabei zu beobachten sein, ob Amazon EC2 womöglich noch vor Microsoft selbst eine Wolke basierend auf Windows ins Rennen schickt. (wh)