Digitalisierung erfolgreich managen

6 Wege aus der Outsourcing-Falle

26.08.2016 von André Kiehne
Vor allem große Unternehmen stecken oft über langfristige Verträge in der Outsourcing-Falle und können ihre IT-Infrastruktur nicht schnell genug fit für das Zeitalter der Digitalisierung machen. Sechs Tipps wie sie aus dieser Falle entkommen können.

Um schnell auf technologische Veränderungen in einem sich ständig verändernden Geschäftsumfeld reagieren zu können, benötigen Unternehmen eine flexible IT-Infrastruktur. Outsourcing lautet hier das Zauberwort. Dank einer Kombination aus verschiedenen skalierbaren IT-Elementen und Anbietern können Unternehmen aktiv und innovativ auf dem Markt agieren.

So entkommen Sie der Outsourcing-Falle.
Foto: alphaspirit/shutterstock.com

Die Realität sieht jedoch meist anders aus. Besonders die langfristige strategische Planung macht es Unternehmen schwer, in der schnelllebigen Geschäftswelt technologisch stets auf dem neusten Stand zu bleiben. Langfristige Verträge mit Dienstleistern hemmen Unternehmen in ihrer Innovationskraft und manövrieren sie in die Outsourcing-Falle: Sind das Rechenzentrum und das Betreiben der IT-Infrastruktur für einen langen Zeitraum an einen festen Outsourcer vergeben, können neue Dienstleister ihre flexibleren Cloud-Lösungen nur mit beschränkter Leistung und geringerem Volumen betreiben. Gibt es einen Weg aus der Outsourcing-Falle? Die eindeutige Antwort lautet ja, wenn bestimmte Grundsätze beachtet werden. Diese sechs Tipps helfen Ihnen dabei:

1. Keine Angst vor Cloud und Co.

Bereits während der Planung der eigenen IT-Architektur muss die Bereitschaft vorhanden sein, Applikationen und Workloads genauestens zu prüfen: Welche von ihnen lassen sich auf einer Cloud-Infrastruktur abbilden? Welche Applikation können gänzlich als Service bezogen werden? Insbesondere Applikationen mit partiellen Spitzen - sogenannten Peak Workloads - sind ideal dafür geeignet, als Service von externen Dienstleistern angekauft zu werden, denn die notwendigen Ressourcen sind zu Spitzenzeiten on Demand verfügbar.

10 Tipps für einen besseren Outsourcing-Vertrag
Bessere Outsourcing-Verträge
Zehn Tipps geben eine Orientierungshilfe auf dem Weg zu einem fairen Vertrag. Ihnen liegen die Erfahrungen aus zahlreichen Outsourcing-Verhandlungen zugrunde, die das Sourcing-Advisory-Unternehmen Alsbridge geführt hat.
Preiswert statt billig
Nicht immer ist der günstigste Preis auch das beste Angebot. Ein Marktpreis-Benchmark eines darauf spezialisierten unabhängigen Beratungsunternehmens gibt Aufschluss über marktübliche IT-Preise.
Vielfalt nutzen
Der IT-Dienstleister-Markt ist international und sehr heterogen. Hier findet jedes Unternehmen den für seine Unternehmenskultur genau passenden Dienstleister. Ein ehrlicher Blick auf das eigene Unternehmen und auf dessen Möglichkeiten ist enorm wichtig.
In der Kürze liegt die Würze
Bitte keine Vertragslaufzeit mit mehr als fünf Jahren. Der Innovationszyklus, der Wettbewerb und die Preisvolatilität in der IT-Branche sind enorm. Je kürzer die Laufzeit, desto geringer ist die Gefahr in einem unzeitgemäßen Vertrag „gefangen“ zu sein.
Jetzt aber raus
Die IT ist schnelllebig. Der Verhandlung und Verankerung von Kündigungsfristen sollte deshalb ein hoher Stellenwert beigemessen werden. Im optimalen Fall werden nur die dem Dienstleister entgehenden Honorare fällig.
Spieglein, Spieglein
Wie bei Kleidung gilt auch beim Vertrag: das eigene Unternehmen bestimmt den Umfang. Statt auf All-inclusive-Verträge besser auf Maßarbeit anhand der Organisationsreife des eigenen Unternehmens setzen. Single Sourcing ist einfacher zu steuern, Multi-Sourcing bietet mehr Möglichkeiten.
Zwei Pfund Outsourcing, bitte
Die Leistungsbeschreibung (Statement of Work) sollte so detailliert wie möglich ausgearbeitet sein. Auch Neuerungen zum Vorteil des eigenen Unternehmens sollten nachträglich aufgenommen werden können. Verzichtet werden sollte auf vorgefertigte Templates des Dienstleisters.
Geschnitten oder am Stück?
Service Level Agreements (SLAs) dienen gemeinsam mit der Leistungsbeschreibung dazu, den Umfang der Leistungen festzulegen, die durch den Dienstleister erbracht werden. Die SLAs sollten auf die Geschäftsziele des Unternehmens abgestimmt sein. Zudem sollten sie jährlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden können.
Der Preis ist heiß
Die Preisgestaltung ist auch beim IT-Outsourcing vielfältig. Hier sollten die Betriebskosten auf möglichst geringem Level gehalten werden. Wechselkurs-Risiken sollte der Provider tragen. Ein jährliches Überprüfen und Erneuern der Preisgestaltung sowie die Option einer Nachverhandlung ist zu empfehlen.
Ja, wo laufen sie denn?
Bei allen ITO-Projekten hat die Steuerung des Vertrages sowie der Dienstleister-Kunden-Beziehung eine hohe Bedeutung. Ein guter Vertrag definiert spezifische Teams, Verantwortlichkeiten, technische Anforderungen und Eskalationsstufen genau.
ITO-Projekte sind sowohl in
technologischer als auch in vertraglicher Hinsicht hochkomplex. Bevor eine unbefriedigende Vertragssituation für mehrere Jahre manifestiert wird, empfiehlt es sich, Sourcing-Berater als Experten zu Rate zu ziehen. Sie helfen in allen Phasen des Outsourcings.

Darüber hinaus müssen sowohl ganze Prozesse und Arbeitsweisen als auch bereits bestehende Architekturplanungen hinterfragt werden. Gegebenenfalls werden an diesen Stellen neue Outsourcing-Potenziale entdeckt, sodass die IT-Architektur des Unternehmens nachhaltig verändert und optimiert wird. Dadurch kann die gesamte IT-Organisation flexibler und schneller auf Veränderungen reagieren - beispielsweise bei der Abspaltung einzelner Teile eines Unternehmens oder bei der Einführung neuer Geschäftsbereiche.

2. Die Servicequalität im Fokus

Die Kosten sollten bei einer Auslagerung von IT-Elementen nicht allein im Fokus stehen - auch der Servicequalität muss eine große Bedeutung eingeräumt werden. Als zentrales Instrument hilft eine Kosten-Nutzen-Analyse beim Ermitteln der perfekten Outsourcing-Lösung.

Generell gilt jedoch: Der grundlegende Technologiebetrieb und dessen Monitoring können und sollten Offshore (im Ausland) oder Nearshore (im europäischen Ausland) erfolgen. Die Kundenschnittstelle und die kundenindividuellen Bedürfnisse müssen hingegen lokal und sehr nah am Kunden bedient werden. Manchmal bietet sich hier tatsächlich eine Auslagerung innerhalb des eigenen Landes an - Onshore. Es gilt hier den richtigen Mix zwischen Onshore, Nearshore und Offshore zu finden - zugunsten der Servicequalität.

3. Individuelle Anpassung und Weiterentwicklung ermöglichen

Standardisierte Technologien und Services sind ideal, um Kosten zu senken und gleichzeitig flexibler zu werden - hierzu zählen auch Cloud Services. Besonders von den Vorteilen der Kosteneffizienz können Unternehmen profitieren, wenn Prozesse, Technologien, Betriebsleistungen und Weiterentwicklung über mehrere Kunden verteilt werden können.

Die meisten Systemintegratoren beschäftigen eine Vielzahl von Experten, die die Sicherheit der Standardservices und -plattformen rund um die Uhr sicherstellen. Dennoch müssen die individuellen Anforderungen eines Kunden berücksichtigt werden. Kundennähe und die Anpassung an die individuellen Prozesse sind für ein erfolgreiches Outsourcing der nächsten Generation absolut notwendig.

PwC-Studie über den deutschen Outsourcing-Markt
Der deutsche Outsourcing-Markt
In der "IT-Outsourcing-Studie" analysiert PwC den deutschen Markt. Grundlage sind unter anderem Angaben von 55 Anbietern.
Standort-Wahl
Nearshore schreiben die Befragten das stärkste Potenzial zu.
Verhandlungen
Haftung und Gewährleistung sehen die Anbieter als größte Herausforderungen bei der Vertragsverhandlung an.
Nachverhandlungen
Wird nachverhandelt, geht es meist um die Erweiterung des Leistungsspektrums.
Probleme bei der Transition
Knappe Ressourcen und Unerfahrenheit beim Kunden sehen die Anbieter als größte Probleme in der Transitionsphase an.
Probleme bei der Cloud
Alt-Systeme stellen das größte Problem bei der Verlagerung in die Cloud dar.
Retained Organisiation
Das Bilden einer Retained Organisation hakt weniger an der Technik als mehr an Fragen von Organisation und Qualifizierung.

Ebenso sollte ein Innovationsprozess innerhalb des gefertigten Angebots möglich sein. Unabhängig davon, wie lange ein Outsourcing-Vertrag läuft, gilt: Wird am Ende immer noch die gleiche Technologie mit den gleichen Prozessen bedient, haben sowohl der Outsourcing-Partner als auch das Unternehmen einen Fehler gemacht.

4. Etablierte Technologie mit jungen Mitarbeitern

Viele Unternehmen betreiben über lange Zeit gewachsene Technologielandschaften, Nischensoftware oder ältere Technologien, die nicht einfach und vor allem nicht schnell abgelöst werden können. Hier gilt es, frühzeitig eine Migrationsstrategie zu entwickeln und den Technologiewechsel im Rahmen der Vertragslaufzeit zu vereinbaren. Dabei hat der Kunde eine wichtige Mitwirkungspflicht: Ohne seine Unterstützung ist die meist an den Schaltstellen verwendete Technologie nicht ablösbar.

Gefragt sind Bereitschaft, Wille, Mut - und manchmal auch neue Mitarbeiter. Häufig werden ältere Anwendungen von älteren Mitarbeitern betrieben. Nachwuchs? Fehlanzeige. Kunden und auch die bisherigen Outsourcing-Partner müssen bereit sein, in neue Mitarbeiter und deren Ausbildung zu investieren. So wird sichergestellt, dass die etablierte Technologie, die weiterhin gebraucht wird, auch in Zukunft kompetent betrieben werden kann.

5. Transformation braucht Zeit

Sehr oft haben Unternehmen zu ambitionierte Übergangs- und Transformationspläne. Dabei sind Fehler, die bei einer zu zügig und unachtsam durchgeführten Transformationsphase - also beim Übergang in die zukünftigen Betriebsabläufe - unterlaufen, im Nachhinein nur schwer zu korrigieren.

Sowohl der Kunde als auch der jeweilige Outsourcing-Partner leiden die gesamte Vertragslaufzeit unter diesen Fehlern. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, zunächst eine Bestandsaufnahme zu machen, den zu beschreitenden Pfad zu definieren, die Anforderungen sowie Erwartungen auf beiden Seiten zu artikulieren und dann einen gemeinsamen Zeitplan aufzustellen. Es ist ratsam, sich etwas mehr Zeit für die Planung der Transformation zu nehmen und während des gesamten Prozesses agile Entwicklungen zuzulassen.

6. Vertrauen in den Partner haben

Was sich so leicht sagt, ist in der Praxis oft gar nicht so einfach. Unternehmen übergeben meist kritische Prozesse an ihre Outsourcing-Partner. Werden diese Prozesse unterbrochen, kann es zu Produktionsstillständen oder Ausfällen von Dienstleistungen kommen. Die Auswirkungen können dramatisch sein.

Dennoch sollte das Unternehmen Vertrauen in seinen Outsourcing-Partner und dessen Kompetenzen legen, denn Vertrauen ist neben all den kommerziellen, fachlichen und vertraglichen Elementen oft das wichtigste für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Daher ist das Unternehmen gut beraten, wenn es sich einen verantwortlichen und greifbaren Partner aussucht, für den der Kunde und seine individuellen Prozesse im Mittelpunkt stehen - und nicht ausschließlich der Vertrag.

Schlussendlich muss das Unternehmen beim Schritt Richtung Transformation Mut beweisen. Es können immer Fehler auftreten oder Rückschläge zu spüren sein. Hier beweist sich dann, ob der richtige Partner ausgewählt wurde. Werden die genannten Grundsätze beachtet, steht einem erfolgreichen Outsourcing der nächsten Generation nichts mehr im Wege. (haf)