Das Jahrzehnt der Consumerization und Vernetzung

10 Jahre Top 100

30.09.2013 von Jan-Bernd Meyer
Nach den Befürchtungen um den Millennium-Bug, der zur Jahrtausendwende weitgehend unbemerkt in die Geschichte einging, und den Höhen und Tiefen der Dotcom-Ära ist die IT das folgende Jahrzehnt relativ entspannt angegangen.

Das änderte sich als der Harvard-Studienanfänger Mark Zuckerberg in seinem Studentenwohnheim im Oktober 2003 „Facemash“ programmierte. Innerhalb weniger Monate verbreitete sich „Thefacebook“ auf andere Eliteuniversitäten der Vereinigten Staaten von Amerika. Es wurde zum globalen Phänomen, das – zusammen mit anderen sozialen Netzen – buchstäblich die Gesellschaft veränderte. Connectivity war nicht mehr genug. Jetzt ging es darum, miteinander verbunden zu sein.

Entwicklung in der Hardware

In Sachen Hardware hielt der Trend zu immer leistungsfähigerer Komponenten an. AMD und Intel stellten Multi-Core-Prozessoren vor. Die Ankündigung, dass der gemeinsam von IBM, Toshiba und Sony entwickelte Multi- Kern-Prozessor „Cell“ die „Playstation- 3“-Spielekonsole antreiben würde, war ein Signal für weitere zu erwartende wegweisende Veränderungen. In dem Maße, in dem für Konsumenten gedachte Geräte leistungsfähiger wurden, bereitete sich die Bühne für einen Trend, der heute als „Consumerization of IT“ ein Gemeinplatz geworden ist.

Was folgte, ist bekannt: Die Anwender bekamen immer leistungsstärkere Geräte in die Hände, flankiert wurde diese Entwicklung von hilfreicher Software sowie Dienstleistungen aus dem Web – nicht selten kostenlos zu beziehen. wie etwa Business Intelligence (BI) und Customer-Relationship-Management (CRM) geschuldet. Die Aktivitäten in der Online-Welt steigerten sich kontinuierlich, und die Geschäftswelt begann, sich zunehmend Gedanken über die Potenziale des Internets zu machen, um die Geschäfte im Web zu unterstützen.

Gleichzeitig aber lief eine subtilere Veränderung an. IT-Frischlinge wie Google oder Salesforce.com erkannten frühzeitig die Chancen, die sich mit der digitalen Welt bieten würde. Unter anderem wurde jetzt die Idee des Cloud Computings geboren. Demgegenüber waren etablierte Anbieter wie beispielsweise Microsoft immer noch ihrem Produkt- In der Folge verloren traditionelle ITAbteilungen zunehmend die Kontrolle über die Anwender. Diese befreiten sich peu à peu aus der Umklammerung und Kontrolle, die bis dahin in der Welt der Geschäfts-IT die Regel waren. Diese Entwicklung hatte – in schöner IT-Tradition – auch ein Akronym: Bring your own Device (ByoD) war geboren.

Fusionen und Zukäufe

Fusionen und Zukäufe gehörten auch im abgelaufenen Jahrzehnt, in dem sich die Branche konsolidierte, zu den Standardthemen. Einige waren dabei erfolgreicher als andere. Umsätze stiegen mit den wachsenden IT-Investments. Die Ausgaben waren neuen Entwicklungen. modell verhaftet, das immer mehr Rechenpower am Frontend vorsah.

Anwender wurden immer vertrauter mit der Nutzung des Internets und gewöhnten sich unter anderem daran, das Web als gigantisches Kaufhaus anzusehen. Davon profitierten Firmen wie Ebay oder Amazon. Letzterer konnte erstmals im Jahr 2003 einen Unternehmensgewinn ausweisen. Im Jahr 2012 übertrafen die gesamten E-Commerce-Verkäufe erstmals die Eine-Billion-Dollar-Marke. Diese Entwicklung beschleunigt sich weiter.

Fragezeichen Cloud

Allerdings wird die Bereitschaft, Cloud-Service-Konzepte (etwa das Zurverfügungstellen von Rechenleistung und Speicherkapazitäten und sonstiger Services) anzunehmen, immer noch von Sicherheits- und Datenschutzbedenken sowie von komplexen und teils uneinheitlichen gesetzlichen Vorgaben behindert. Wenn wir auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicken, vergessen wir nur zu gern, wie rasend schnell sich die Technik in unserem privaten Leben und in der Geschäftswelt eingenistet hat. Das ist nirgends augenscheinlicher als in der Welt der mobilen Geräte. Das vergangene Jahrzehnt war dasjenige, in dem Mobiltelefone erwachsen wurden.

Cloud in Zahlen
An Marktforschung zum Thema Cloud Computing herrscht kein Mangel. Wir haben interessante Ergebnisse herausgepickt.
Welche Technologien möchten Mittelstandsfirmen in Deutschland in den nächsten 12 Monaten einsetzen?
Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich Quelle: TechConsult IT-Cloud-Index Mittelstand in Deutschland, 10/2013
Welche Bereitstellungsoptionen bevorzugen Mittelstandskunden in Deutschland im Bereich Cloud Computing in den nächsten 12 Monaten?
Angaben in Prozent, Quelle: TechConsult IT-Cloud-Index Mittelstand in Deutschland, 10/2013
Magic Quadrant: Wer sind die führenden Unternehmen,wenn es um Infrastructure as a Service (IaaS) geht?
Gartner sieht IBM, Hewlett-Packard und Fujitsu nicht als führende Anbieter von Infrastruktur-Dienstleistungen aus der Cloud.
Wie oft werden Cloud-Services an der ITvorbei genutzt?
Aktuelle und geplante Nutzung von Software aus der Public Cloud (SaaS)
Generelle Einstellung zum Thema Cloud Computing nach Branchen
Warum Public-Cloud-Lösungen attraktiv sind
Warum greifen Fachabteilungen unter Umgehung derIT auf kostenpflichtige Cloud-Services zurück?
Was sind die IT-spezifischen Herausforderungen beider Nutzung von Cloud-Services?
Prognose: So werden sich Public-Cloud-Services von 2010 bis 2016 entwickeln

Startschuss für Transformation

Obwohl es uns wie Altertumsgeschichte vorkommt, war es „erst“ der 9. Januar 2007, als Steve Jobs das iPhone vorstellte. Damit gab er den Startschuss für die Transformation einer ganzen Industrie. Der bisherige Platzhirsch Nokia verstand die entscheidende Weichenstellung überhaupt nicht, die sich auftat. Im Lauf der kommenden Jahre verlor das finnische Unternehmen zunehmend an Boden gegenüber Apple und einer Reihe asiatischer Firmen wie LG, Samsung und anderen.

Als das iPhone erstmals in die Läden kam, bildeten sich lange Schlangen von Kaufwilligen, die das neue Gerät besitzen wollten. Damit gewann die IT-Industrie wieder etwas an Glanz, nachdem sie zuletzt etwas langweilig geworden war. Apple erfand aber auch die Art und Weise neu, wie Applikationen entwickelt und vertrieben wurden. Hierzu bauten die Kalifornier auf dem Fundament ihrer iTunes-Plattform ihren App Store auf. Steve Jobs gab sich aber nicht damit zufrieden, den Markt für Mobiltelefone neu zu definieren.

Nur drei Jahre nach der iPhone-Einführung stellte er das iPad vor – in einer Welt, die bevölkert war von Laptops und kostengünstigen Netbooks. Marktexperten zeigten sich ob des neuen Produkts skeptisch – aber den Nutzern war das völlig egal. Die aus iPhone-Zeiten gewohnten Szenen vor den Apple-Geschäften wiederholten sich, und sie füllten wieder die Schlagzeilen der Medien.

Ära des Tablets und des 3D-Drucks

Die Ära der Tablets war geboren. Und obwohl IT-Abteilungen zunächst sehr zurückhaltend waren, diesen neuen Gerätetyp zu akzeptieren, sind iPads und mit Googles Betriebssystem Android arbeitende Konkurrenzprodukte heute in den Geschäftsalltag integriert. Beispielhaft für das sich ständig erweiternde Spektrum der IT sind die 3D-Drucker. Diese Gerätekategorie wird eine ähnliche Preisentwicklung nehmen wie Laserprinter vor Jahrzehnten – also immer kostengünstiger werden.

3D-Druck kann Produkte direkt aus einem Digital-Design heraus kreieren. Und das mit einer Vielzahl von Materialien. Die 3D-Druck Technik hat eindeutig ein disruptives Potenzial für Produktionsweisen und Lieferketten. Das vergangene Jahrzehnt war gekennzeichnet durch eine erhebliche Transformation der IT. Hatten IT-Abteilungen vormals die Kontrolle ausgeübt, wich dieses dominante Verhältnis nun einem anderen Szenario: In diesem machen auf Nutzerbedürfnisse zugeschnittene Gerätetypen die Handlungsvorgaben. Heute weisen Cloud- Dienstleistungs- und Applikations-Angebote den Weg.


Was ein Feinkostladen mit 3D-Druck zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.

Im Schaufenster fallen aber die 3D-Druckerzeugnisse zwischen den Marmeladengläser auf.

Thomas Berger, Inhaber des "Slow Shop" in der Münchener Heiliggeiststraße hat in seinem Feinkosttempel eine Ecke für die 3D-Druck-Enthusiasten eine Ecke freigeräumt.

Hier kann Nils Hitze von 3d Dinge seine Produkte präsentieren.

Spezielle Verbrauchsmaterialien führen zu Druckergebnissen mit unterschiedlichem Aussehen und unterschiedlichen Eigenschaften. Das Teil im Vordergrund wurde beispielsweise aus Supplies mit Holzanteil hergestellt.

Levin Brunner von 3d Dinge erklärt einem Besucher an einem Druckbeispiel die Materialeigenschaften von Verbrauchsmaterial mit Kreidebestandteilen.

3D-Druckinteressent Martin Altmann lässt sich von Nils Hitze die Details erläutern.

Zwischen Regalen mit Feinkost haben die 3D-Drucker ihre Ecke.

Zur Shop-Eröffnung sind einige 3D-Druck-Enthusiasten aber auch völlige Neulinge gekommen.

Praxis-Beispiel: Flasche mit Drehverschluss. Allerdings noch nicht ganz wasserdicht, wie die 3D-Druckeexperten einräumen.

Der Druckkopf des Ultimakers.

3D-Druck ist noch Handarbeit: Hier justiert Nils Hitze ein Gerät von Ultimaker.

Neu im 3dDinge-Porfolio: Die kompakte Makibox soll als Bausatz für nur 375 Euro zu haben sein. Voraussichtlicher Liefertermin: Mitte bis Ende September.

Auch das Verbrauchsmaterial mit Holzanteil hält der Shop bereit.

Mit dem passenden 3D-Scanner lassen sich Gegenstände erfassen und dann auf dem 3D-Drucker duplizieren.

Das Verbrauchsmaterial kann sowohl im Online-Shop als auch im Slow Shop gekauft werden.

Laybrick nennt der Hersteller das Druckmaterial, das sandseinartige Druckergebnisse ermöglicht.

Mit dem X400 gibt es auch einen etwas größeren 3D-Drucker von RepRap zu sehen.

Das Ultimaker-Gehäuse gibt es auch in einer schicken Holzversion.

Nicht ganz einfach ist das Drucken von Überhängen: Benchmark sind dabei die "Yoda-Ohren".

So wird das Druckmaterial von der Spindel zum Druckkopf transportiert.

Eine Vase als Druckbeispiel aus dem Ultimaker.

Eine wesentliche Veränderung aus dem vergangenen Jahrzehnt ist, dass die Betonung nicht mehr darauf liegt, technisch „einfach“ verbunden zu sein. Die heutige IT-Welt ist charakterisiert durch das Bedürfnis der Anwender und Konsumenten, im weitesten Sinn angedockt zu haben an die Kommunikation der Welt: angekoppelt an Informationen, an Nachrichten, an Unterhaltungen, verbunden mit der Geschäftswelt, mit Freunden und zunehmend auch mit Dingen und Orten.

Web als Internet der Dinge

„Cloud“ und „Web“ mögen – zumindest als Begrifflichkeit – das Internet ersetzt haben. Aber dieses feiert seine Wiedergeburt als das Internet der Dinge oder, wie Einige formulieren, als Internet von allem oder Internet 4.0. Es wird Milliarden und Abermilliarden von „intelligenten“ Geräten mit Orten, Menschen, Dingen verbinden und damit unausweichlich die digitale Welt mit ihrem physischen Gegenüber verbandeln.

Mobile Geräte und soziale Netze tragen bei zum anschwellenden Daten-Ozean mit seinen Zettabyte an Informationen – eine Zahl mit 21 Nullen. Ausgefeilte Analysekonzepte werden Unternehmen helfen, Echtzeitdaten zu ihren Produkten zusammenzuschmieden mit der physischen Welt draußen, um Kundenwünsche zu verstehen und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. All diese Analysen werden nicht in eigenen Rechenzentren vorgehalten, sondern in der Cloud.

Welt ohne Geheimnisse

Gleichzeitig aber werden auch Regierungen diese Möglichkeiten nutzen, etwa um kriminelle oder terroristische Aktivitäten zu entdecken. In solch einer Welt wird es keine Geheimnisse mehr geben. In ihr werden bisherige Konzepte von Privatsphäre ersetzt durch das Prinzip der erzwungenen Transparenz. Zwangsläufig ergeben sich hieraus rechtliche und ethische Herausforderungen.

Wir werden eine akzeptable Balance finden müssen zwischen widerstreitenden Anforderungen, ein Gleichgewicht zwischen der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen bei gleichzeitiger Förderung der nationalen Sicherheit und Gewährleistung des Datenschutzes. Von einer Annahme darf man heute schon ausgehen: Die kommende Dekade wird sich mehr um das Thema „Information“ drehen. Und weniger um Technik. (mhr)