Die Qual der Wahl bei Portal-Software

Zwischen Intranet und Enterprise-Portal

11.09.2003 von von Jan
Portale haben viele Gesichter. Das richtige Produkt mit den richtigen Funktionen auszuwählen kann zur Sisyphus-Arbeit ausarten. Denn ebenso vielfältig wie die Einsatzgebiete sind die angebotenen Produkte.

INTRANETS, Extranets, Portale - diese Begriffe werden gerne in einen Topf geworfen. Das macht die Suche nach dem richtigen Produkt und der richtigen Technologie für einen interessierten Anwender nicht gerade einfach.

Die Hersteller dieser eng miteinander verwobenen Produkte - die Spanne reicht von einfachen Intranet-Lösungen über Content-Management-Systeme (CMS) bis hin zu Enterprise Portals - sind zudem beim Erfinden von Marketing- Schlagworten ungemein kreativ, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Auf der Suche nach der passenden Lösung muss zwischen Intranet, Extranet und dem Internet unterschieden werden. Das Internet ist ein öffentlich zugänglicher, virtueller Raum. Jeder Internet-Benutzer kann auf die Daten zugreifen, die hier bereitgestellt werden. Dem gegenüber stehen Extranets: Sie sind nur ausgewählten Benutzern zugänglich. Da ein Extranet in der Regel über das Internet verfügbar ist, müssen sich Benutzer eindeutig identifizieren, um Daten eines Extranets einsehen zu können. Ein typisches Einsatzszenario sind Kunden- Extranets, bei denen die Kunden eines Unternehmens nicht öffentliche Informationen wie etwa Katalogdaten oder Lagerbestände abrufen. Je nach eingesetzter Technik lassen sich auf diesem Weg auch individualisierte Informationen - etwa über kundenspezifische Rabatte - bereitstellen.

Ein Intranet schließlich ist vom Internet abgekoppelt und kann nur innerhalb einer Organisation eingesehen werden. Das Intranet dient vor allem der internen Informationsverteilung und soll die Zusammenarbeit der Mitarbeiter verbessern. Alle drei Netze arbeiten nach denselben Prinzipien, die üblicherweise unter dem Oberbegriff „Internet-Technologien" zusammengefasst werden. Die Frage nach dem Ob und Wie eines Portals hängt vor allem von seinem Einsatzgebiet ab.

Einheitliche Oberfläche schaffen

Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Portalformen. Enterprise Portals, wie sie von den großen Softwareherstellern wie SAP oder Oracle angeboten werden, verstehen sich primär als Integrationsplattformen. Ihr Hauptzweck ist es, unterschiedliche Anwendungen unter einer gemeinsamen Benutzeroberfläche zu präsentieren. Das ist in der Regel der Web-Browser. Daraus ergeben sich mehrere Vorteile: Zum einen muss der Anwender sich nicht mit den unterschiedlichen Bedienkonzepten der einzelnen Applikationen auseinander setzen, zum anderen braucht er sich über Single-Sign-On nur gegenüber dem Portal selbst zu identifizieren. Die Anmeldung bei den anderen Anwendungen wird dann über das Portal gesteuert, die unzähligen Passwörter gehören der Vergangenheit an. Diese Produkte sind noch relativ jung, teuer und aufwändig zu implementieren. Deswegen haben sie auch noch kaum Verbreitung im Mittelstand gefunden.

Das Kennzeichen der zweiten Portalform ist die Prozessorientierung. Das bedeutet, dass über ein Portal in erster Linie Geschäftsprozesse abgewickelt werden, zum Beispiel das Bestellwesen oder die Reisekostenabrechnung. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Anwendung in das Portal integriert oder ob eine neue, Web-basierende Applikation mit dem Portal realisiert wird. Solche Portale sind fast immer Basis eines Intranets. So bringen auch die meisten Intranet- Produkte heute grundlegende Groupware-Funktionen wie Gruppenkalender mit.

Prozesse unterstützen per Intranet

Auch CRM (Customer-Relationship- Management)-Module bieten viele Hersteller heute dafür an. Um diese Portalform zu realisieren, benötigt man eine CMS-Lösung und eine angebundene Datenbank - deswegen werden viele Content-Management-Systeme auch zu den Portalen gezählt. Der Vorteil dieser Portale ist, dass viele Arbeitsprozesse „out of the box" über Module oder vorgefertigte Templates dargestellt werden können, zusätzliche Applikationen sind nicht unbedingt nötig.

Intranets sind in mittelständischen Unternehmen heute weit verbreitet. Ihrem Einsatz sind kaum Grenzen gesetzt. Im einfachsten Fall dient dieses interne Web zum Informationsaustausch: Wie im Internet stellt eine hauseigene Redaktion oder die EDV-Abteilung auf einem Web-Server HTML-Seiten zur Verfügung, über die Firmennachrichten oder Ähnliches abrufbar sind. Das ist besonders interessant, wenn ein Unternehmen über mehrere Standorte verteilt ist. Denn die Erfahrung zeigt leider, dass auch in kleinen Unternehmen die Kommunikation über Standortgrenzen hinweg häufig vernachlässigt wird.

Daneben kann ein Intranet Funktionen wahrnehmen, die weitaus komplexer sind und darauf abzielen, die Arbeitsabläufe in einem Unternehmen zu optimieren. So lässt sich durch Datenbankanbindungen zum Beispiel ein zentrales Adressbuch oder ein einfaches Dokumenten- Management-System (DMS) realisieren. Jedoch ist der Portalkenner Thorsten Gurzki vom Competence Center Electronic Business Integration des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) der Meinung, dass mit einem Intranet noch nicht die optimalen Effekte erzielt werden: „Intranets spielen für mittlere Unternehmen eine große Rolle, es muss aber der Sprung zu den Portalen gemacht werden." Erst die Vorteile eines Portals - Single-Sign-On, Integration der Anwendungen in eine einheitliche Oberfläche und Prozessorientierung - bringen aus seiner Sicht ernsthafte Einsparungen durch schlankere und schnellere Arbeitsabläufe. „Mittelständische Unternehmen haben es bei der Portaleinführung wesentlich einfacher als die Konzerne", meint Gurzki. Die Entscheidungswege seien deutlich kürzer, der Überblick über die gesamte Organisation sei besser möglich als bei Großunternehmen. Zudem müssten deutlich weniger unterschiedliche Anwendungen in das Portal eingebunden werden.

„Keep it simple"

Grundsätzlich steht für den Portalexperten der Prozess im Vordergrund, der integriert werden soll. „Für jeden einzelnen Prozess, der in einem Portal abgebildet werden soll, muss eine eigene Wirtschaftlichkeitsberechnung erfolgen." Auch müsse separat geprüft werden, ob das aus technischer Sicht sinnvoll ist. So sei beispielsweise beim Thema Groupware eine genaue Analyse des Anwenderbedarfs wichtig: „Müssen viele Außendienstmitarbeiter unterwegs auf Web-basierende Gruppenkalender oder Ähnliches zugreifen, kann es durchaus sinnvoll sein, diese Anwendungen in das Portal einzubinden", erläutert Gurzki. Damit werde der Zugriff auf diese Daten erleichtert. Hat die überwiegende Zahl der Mitarbeiter jedoch einen festen Platz im Unternehmen, von dem aus der Zugriff auf E-Mail, Kalender und Adressen erfolgt, sei ein gängiges Programm wie Microsoft Outlook oder Lotus Notes auf jeden Fall vorzuziehen. Diese Anwendungen sind funktional mächtiger. „Man darf auf keinen Fall davon ausgehen, dass alle Prozesse wirtschaftlich sinnvoll in einem Portal abgebildet werden können", macht Gurzki deutlich. Sein Rat: „Keep it simple!" Dabei dürfe aber auf keinen Fall die genaue Definition der Ziele und der Strategie im Vorfeld vergessen werden.

Auf Wachstum ausgelegt

Noch immer sind Enterprise-Portale recht aufwändig in der Implementierung. Über kurz oder lang sieht Gurzki diese Technologie jedoch als eine Standardkomponente in der IT-Infrastruktur. Deswegen sollte bei der Produktauswahl unbedingt darauf geachtet werden, dass ein Portal erweiterbar ist und langsam mit dem Unternehmen sowie seinen Anforderungen wachsen kann. Der Aufforderung, eine Lösung möglichst einfach zu halten, schließt sich Ralf Siebenbrodt, Leiter IT-Systeme der Verlagsgruppe Praktisches Wissen in Offenburg, an. Die rund 50 Mitarbeiter des auf Fachinformationen für Steuer-, Rechtsund Wirtschaftsberufe spezialisierten Unternehmens greifen derzeit noch auf ein Intranet zu, das auf „Intrexx 2001" von United Planet basiert. Die Ablösung des Systems ist jedoch weitgehend beschlossene Sache, denn Siebenbrodt ist nicht ganz glücklich damit: „Das Produkt ist nur bei einfachen Aufgaben wie dem Veröffentlichen von Telefonlisten leicht zu handhaben. Für große Änderungen, die etwa durch die Corporate Identity bedingt sind, oder für eigene, umfangreiche Anwendungen benötigt man schon gute Programmier- und Datenbankkenntnisse", erläutert der DV-Administrator. Um einen IT-Mitarbeiter für die Administration des Intranets abzustellen, sei der Verlag einfach zu klein.

Er rät für den Einstieg in ein Intranet zu einer rein HTML-basierenden Lösung: „Fast in jedem Unternehmen gibt es einen Windows- 2000-Server. Da ist der Internet- Information-Server immer mit dabei. Und fast jedes Unternehmen hat auch HTML-Knowhow im Haus. So bekommt man eine sehr flexible und auf die eigenen Bedürfnisse angepasste Lösung." Sind keine ausreichenden Kenntnisse im Unternehmen vorhanden, könne man auf freie Web- Designer zurückgreifen. Solange es nur darum gehe, Informationen innerhalb der Firma zu verteilen, sei dieser Weg auch für größere Organisationen machbar.

Siebenbrodt wird allerdings Lotus Notes als Plattform einführen. Er schätzt besonders die Dokumenten- Management-System- Möglichkeiten, die diese Groupware bietet, und kann hierfür auf umfangreiches Know-how zurückgreifen: „Wir sind seit kurzem Teil des Wolters-Kluwer-Konzerns." Die Kollegen dort bringen das Wissen mit, um ein Intranet auf Notes-Basis zu entwickeln.

Dennoch haben die zahlreichen Komplettlösungen am Markt ihre Daseinsberechtigung. Sie bieten Funktionen, die sich kaum wirtschaftlich als Eigenentwicklung realisieren lassen. Hier haben sich oft mächtige Technologien wie Java- basierende Applikationsserver und verschiedene Schnittstellen zu den Datenbanken durchgesetzt. Und die meisten Produkte werden gleich mit allen notwendigen Hilfsmitteln wie CMS oder Workflow- Designer ausgeliefert. Oft sind diese Module allerdings den spezialisierten Produkten weit unterlegen. Konnektoren zu Standardsoftware wie SAP oder Microsoft Exchange sind entweder vorgefertigt dabei oder können ohne großen Aufwand zugekauft werden.

Große Preisunterschiede

Die Unterschiede stecken im Detail und spiegeln sich in der Regel auch in den Kosten wider. Einfache Internet-Lösungen, welche die Abbildung einiger zentraler Workflows ermöglichen, sind bereits ab 5000 Euro für einige wenige User zu haben. Systeme, die im Kern umfangreiche CMS-Lösungen sind und für den Einsatz in großen Unternehmen konzipiert wurden, liegen preislich weit darüber. Dafür lassen sich mit diesen Systemen Arbeitsabläufe gestalten, Interund Intranet-Auftritte realisieren und vieles mehr. Sie skalieren natürlich auch höher, da sie für den gleichzeitigen Zugriff sehr vieler Anwender ausgelegt sind.

Mit der technischen Herkunft gehen auch Stärken und Schwächen einher. CMS-basierende Lösungen bereiten bei der Integration von Anwendungen oft mehr Schwierigkeiten als ein Enterprise-Portal. Dafür bieten sie allen Komfort, wenn es um die Inhalte der Netze geht. An einer ausführlichen Bedarfs- und Produktanalyse führt deshalb kein Weg vorbei. Zur ersten Orientierung bieten viele Hersteller auf ihren Websites Demoversionen zum Download an oder sogar Live-Demos direkt über das Internet.