Cloud-Computing-Diskussion

Zwischen Euphorie und Blödsinn

06.10.2009
Mit Cloud Computing beschäftigen sich viele Veranstaltungen, Portale und Blogs. Während die Einen darin einen unumkehrbaren Trend ausmachen, der vieles, wenn nicht gar alles in der IT verändern soll, lehnen es andere strikt ab. Darunter auch Prominente wie Larry Ellison oder Richard Stallman.

Noch eine Definition für Cloud Computing gefällig? Wer als Interessierter IT-Verantwortlicher nach den vielen Begriffsbestimmungen der Hersteller und Marktanalysten noch immer nicht genug hat, findet in Blogs rege Diskussionen um die Begriffsdeutung. Wirklich schlau wird er daraus jedoch nicht.

Nichts spricht deutlicher dafür, dass Cloud Computing mehr der Kategorie Schlagwort, als einer Technologie oder gar Architektur zuzuordnen ist, als die Unstimmigkeit bei der Begriffsdefinition. Manche Hersteller nutzen diese Tatsache und vermarkten althergebrachte Angebote wie Outsourcing, Managed Services, Software as a Service, Application Service Providing und vieles mehr unter dem neuen Trendbegriff Cloud Computing. "In einigen Fällen werden einfach neue Etiketten geklebt", sagt Matthias Zacher, Senior Advisor bei der Experton Group.

"Wann hört dieser Blödsinn auf?"

Larry Ellison, CEO von Oracle, hält nichts vom neuen Trendwort: "Die Computer-Branche ist die einzige, die mehr von Modeströmungen angetrieben wird als die Branche der Damenbekleidung", wettert er in einem Gespräch mit einem Analysten auf der Oracle Openworld. "Was soll das sein?", fragt er ketzerisch und gibt selbst Antwort: "Das Interessante am Cloud Computing ist, dass alles, was wir machen, darin enthalten ist." Ellison kann in Cloud Computing nichts Neues erkennen, denn "von all unseren Ankündigungen gibt es nicht eine, die nichts mit Cloud Computing zu tun hat", sagte der Oracle-Chef. "Ich habe keine Ahnung, worüber die Leute reden. Wann hört dieser Blödsinn denn endlich auf?"

Hält Cloud Computing für einen reinen Marketing-Hype: Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation.

Auch Richard Stallman, Gründer der Free Software Foundation, geht hart ins Gericht mit Cloud Computing: "Es ist dumm, nein, es ist schlimmer als dumm, denn es ist ein Marketing-Hype", erklärte er kürzlich in einem Interview mit dem englischen Guardian. Seine Kritik begründet der IT-Vordenker jedoch mit dem Ratschlag für die Anwender, ihre Informationen nicht aus der Hand zu geben. Für ihn spricht der Sicherheitsgedanke gegen die Auslagerung an Drittanbieter, denn "damit verlieren Sie die Kontrolle über ihre Daten", so Stallman.

Revolution in der IT?

Der Marketing-Hype ist auch beim deutschen Branchenverband Bitkom angekommen, der in gewohnt konstruktiver Weise versucht, das Thema mit Leben zu füllen. In einem Leitfaden werden die Nutzungs- und Anwendungsmöglichkeiten sowie das Potenzial von Cloud Computing für Geschäftskunden beschrieben. Ausgehend von der "Überzeugung, dass sich mit Cloud Computing eine Revolution in der IT-Bereitstellung und -nutzung abzeichnet", will der Bitkom mit diesem Leitfaden nach eigenen Angaben dazu beitragen, "dass sich Unternehmen mit Cloud Computing auseinandersetzen und dessen Potenziale für ihr Business erkennen." Auch in diesem Dokument darf eine Definition nicht fehlen, jedoch geht der Leitfaden weit darüber hinaus und zeigt auch die möglichen Ebenen, Organisationsformen, Business-Ansätze sowie technische, rechtliche und sicherheitsrelevante Aspekte auf. Anwendungsbeispiele, die Beschreibung der Basistechnologien sowie eine Checkliste zur Einführung runden den Leitfaden zu einer der aktuell umfassendsten Veröffentlichungen ab.

Nicht gerade als Revolution, jedoch als "signifikant wachsenden Markt" ordnet das Marktforschungsinstitut Experton-Group das Thema ein. Wohl aus Gründen der Begriffsverwirrung sprechen die Analysten nicht von Cloud Computing sondern überschreiben ihre Studie mit IT as a Service. Dazu zählen die Marktforscher die drei Services SaaS (Software-as-a-Service), PaaS (Platform-as-a-Service) und IaaS (Infrastructure-as-a-Service). Alle drei zusammen bilden den Cloud-Stack.

Ist der Weg das Ziel?

Die Spanne in der öffentlichen Diskussion über Cloud Computing liegt somit zwischen "Blödsinn" und "Revolution" und könnte kaum weiter sein. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen und dem Anwender bleibt nichts übrig, als sich seine eigene Definition zurechtzulegen.

Die größte Herausforderung der IT aus Sicht von Hans-Jürgen Rau, EMC: Durch massive Kostensenkung und einen Quantensprung in Flexibilität und Geschwindigkeit wettbewerbsfähig bleiben.

Ein IT-Experte mit über 40 Jahren Erfahrung sieht indessen den Weg als Ziel: "Unabhängig davon, ob man Cloud Computing als zukünftige IT-Architektur und wegweisendes IT-Betriebsmodell oder aber als überstrapazierten Marketing-Hype versteht - IT Organisationen suchen zunehmend nach neuen Wegen, um ihre größte und schwierigste Herausforderung zu bewältigen", sagt Hans-Jürgen Rau von EMC in seinem Webauftritt. Diese bestehe darin, durch "massive IT-Kosten-Reduzierungen und durch einen Quantensprung in Flexibilität und Geschwindigkeit wettbewerbsfähig zu bleiben."

Die deutschen Anwender lassen sich derweil nicht besonders beeindrucken von der Hype-Diskussion und gehen das Thema gelassen an. Sowohl IDC als auch die Experton-Group stellen fest, dass derzeit nur wenige Anwender Cloud-Dienste nutzen. Beide Marktforscher sagen jedoch, dass das Interesse vorhanden sei und viele Unternehmen inzwischen auch konkrete Planungsvorhaben hätten. Doch bis dahin wird noch viel über Cloud Computing diskutiert werden.