Zweifel an Microsofts Roadmap - wann kommt Vista?

03.05.2006
Frühestens im zweiten Quartal 2007, so prophezeien die Analysten von Gartner, wird Windows Vista fertig sein. Microsoft dementierte Gerüchte um neuerliche Verspätungen.

Erst neun bis zwölf Monate, nachdem Microsoft seine zweite Betaversion herausgebracht hat, wird Vista in großen Mengen auf den Markt gebracht werden können, prognostizieren die Marktforscher. Sie rechnen mit der zweiten Beta frühestens Ende Mai oder Anfang Juni dieses Jahres, vielleicht sogar noch später. Sollte diese Vorversion stabil laufen und alle angekündigten Features enthalten, sei erst im zweiten Quartal 2007 mit der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Vista zu rechnen (siehe: Windows Vista kommt erst 2007). Gartner bemüht für seine Prognosen einen Wahrscheinlichkeitsindex, wobei die Skala von 0,0 (nahezu ausgeschlossen) bis 1,0 (größtmögliche Wahrscheinlichkeit) reicht. Für die Prognose der weiteren Vista-Verspätung wird eine 0,8 vergeben.

Ganz anders sieht Microsoft seine Roadmap: "Wir sind im Plan und werden die Beta 2 im zweiten Quartal 2006 ausliefern", sagte Unternehmenssprecherin Sarah Williams der US-Schwesterpublikation "Computerworld". Das Endprodukt werde dann ab November 2006 an Besitzer von Volume-Lizenzen und ab Januar 2007 an Business- und Privatkunden ausgeliefert.

Gartner weiß, was Microsoft glaubt

Dass Microsofts Entwickler davon überzeugt sind, weiß man auch bei Gartner. Allerdings habe das Team auch geglaubt, Vista vor Weihnachten im großen Stil ausliefern zu können - und habe sich getäuscht. Die Analysten fürchten, dass Microsoft nicht genügend Zeit eingeplant hat, um Anwenderreaktionen auf die Beta 2 angemessen zu berücksichtigen. Dem Softwareriesen sei es in der Vergangenheit lediglich gelungen, kleinere Releases wie Windows 98 SE, Windows ME oder Windows XP einigermaßen planmäßig herauszubringen. Bei größeren Releases, insbesondere Windows 2000 und nun auch Vista, sei dies nicht gelungen (siehe: Windows 2000 kommt am 17. Februar 2000).

Die Analysten rechnen vor, dass Microsoft 16 Monate gebraucht habe, ehe das im August 1998 als Beta 2 verfügbare Windows 2000 in den Status "Release to Manufacturing" (RTM) überging. Dieses Betriebssystem sei aufgrund des großen Aufwands ebenfalls ein Meilenstein für die Software-Company gewesen. Wie Vista habe es Microsoft Probleme bereitet, da noch in einem späten Entwicklungsstadium Anforderungen verändert wurden.

In nur fünf Monaten von der Beta 2 zur Auslieferung?

Für das neue Betriebssystem hatte der Hersteller in seinem ursprünglichen Plan mit einem Zeitraum von vier Monaten zwischen der Beta-2 und dem RTM kalkuliert, im revidierten Konzept wird nun mit fünf Monaten gerechnet. Gartner vermutet, die Software-Company plant angesichts des kurzen Zeitraums nur mit einem einzigen Release Candidat - Windows 2000 hatte drei und Windows XP immer noch zwei gebraucht. Jeder davon hatte mindestens zu einer weiteren Verzögerung von einem Monat geführt.

Der Windows-Alptraum

Gartner nennt weitere Gründe dafür, warum Vista später herauskommen werde als von Microsoft ankündigt. Einer ist die enorme Komplexität. Die Gates-Company musste im August 2004 die damals unter dem Codenamen "Longhorn" laufende Entwicklung neu aufsetzen und wichtige Features streichen, weil Entwicklung und Testing kaum noch steuerbar waren (siehe: Wie Windows für Microsoft zum Alptraum wurde). Die Struktur wurde modularer, und um die Komplexität zu reduzieren, trennten die Projektverantwortlichen die verschiedenen System-Layer stärker voneinander. Laut Gartner geriet Microsoft zusehends in eine "reaktive" Rolle: Anstatt Probleme vorherzusehen und präventiv zu beseitigen, wurden sie erst gefixt, nachdem sie in der Anwendung gefunden worden waren.

Zunehmend schwierig wird den Analysten zufolge auch das Sicherstellen der Kompatibilität mit älteren Applikationen. Bei Windows Vista spitze sich dieses Problem zu, da die Software mit dem Sicherheits-Feature User Account Control (UAC) ausgeliefert werden soll. Dessen Hauptziel ist es, die Angriffsfläche des Betriebssystems zu reduzieren. Benutzer erhalten weniger Möglichkeiten, Änderungen vorzunehmen, die sich auf die Stabilität des Computers auswirken können oder den Computer versehentlich für Maleware oder Viren anfällig machen. Gartner fürchtet, dass diese Funktion negative Auswirkungen auf die Kompatibilität zu älteren Anwendungen haben könnte.

Tipps für Unternehmen

Unternehmensanwendern rät Gartner, sich nicht auf Microsofts Fahrplan zu verlassen. Wer auf Windows 2000 standardisiert hat, sollte sich mit seinen wichtigsten Softwarelieferanten unterhalten, um deren Fahrplan zu verstehen. So bekommen die Nutzer ein Gefühl dafür, ab wann sie sich mit Windows Vista beschäftigen sollten. Diese Anwender sollten sich auch mit der Beta 2 beschäftigen - allerdings erfordere das fertige Produkt nochmalige intensive Anwendungstests.

Wer neue PCs mit Windows XP im Einsatz hat, kann sich etwas mehr Zeit lassen. Es reiche aus, zwölf bis 15 Monate, nachdem Windows Vista verfügbar sein, mit Tests und Anwendungstransfer zu beginnen. Und wer einen Software-Assurance-Vertrag mit Microsoft unterhält und diesen binnen der nächsten sechs Monate um ein Jahr verlängern möchte, um Windows Vista zu erhalten, sollte nach Empfehlung der Analysten eine Klausel aushandeln, die die Lieferung verbindlich festschreibt. (hv)