Akquise-Gemunkel

Wo SAP und Oracle ansetzen könnten

13.10.2009 von Thomas Wailgum
Wie wird es mit den Übernahmen rund um Oracle und SAP weitergehen? Die Analystin China Martens hat sich die bisherige Strategie der Konzern vorgenommen und wagt einige Ausblicke auf mögliche Kaufobjekte.
Die Oracle-Strategie: Mitarbeiter aggressiv umwerben, aufkaufen, mit eigenem Produktangebot verweben. Im Bild: Oracle-Chef Larry Ellison.

Oracle und SAP waren in den letzten Jahren nicht zurückhaltend, wenn es um die strategische und kostspielige Übernahmen ging. Manche der zurückliegenden Deals kosteten Millionen, andere Milliarden - aber in allen ging es um ein spezifisches Produkt, das einen vertikalen Zweck erfüllt. Mit jedem Kauf wurden die Angebote der Firmen allumfassender, jeder Zuwachs vergrößerte das horizontale Angebot der beiden Firmen. Als Bonus erhielten Oracle und SAP Zugang zu einer enormem, neuen Kundenbasis.

Oracles feindliche Übernahme von PeopleSoft vor sechs Jahren signalisierte bereits, dass der Konzern sich nicht nur Früchte der eigenen Arbeite ernten wollte, sondern durchaus auch jene der Konkurrenz. Über die Jahre bestätige sich diese Theorie. Der 23-Milliarden-US-Dollar (15,5 Milliarden Euro) schwere Hersteller von Datenbanken und Software hat mittlerweile viele ehemalige Mitbewerber aggressiv umworben, aufgekauft und mit dem eigenen Produktangebot verwoben.

SAP: 7 Milliarden Euro für BusinessObjects locker gemacht

Doch auch SAP ist nicht untätig. Der Konzern, 2008 mit einem Ertrag von 17 Milliarden Dollar (11,5 Milliarden Euro), zieht zwar die Sichtweise vor, dass alle Produkte in Eigenregie entstehen. Die Übernahme von BusinessObjects für 7 Milliarden Dollar 2007 zeigt aber, dass für wichtige Objekte durchaus Geld zur Übernahme bereit steht.

Eins ist dennoch verwunderlich: Wie ein Bericht der Analysten von The 451 Group zeigt, geraten die beiden Konkurrenten nur selten öffentlich aneinander. Eine Ausnahme war die Übernahmeschlacht um Retek, die Oracle 2005 gewann. Allerdings gibt es durchaus Ähnlichkeiten in den Übernahmestrategien, so schreibt Analystin China Martens in ihrem Bericht "Where might old foes Oracle and SAP each look next to stave off apps hunger pangs?".

SAP und Oracle schaukeln sich hoch

"Oftmals würden Oracle und SAP eine Zukauf in einem spezifischen Technologiegebiet durchführen, die Technologie in die eigenen Produkte integrieren, sie in Eigenregie weiterentwickeln, nur um anschließend weitere Player in diesem Bereich aufzukaufen, entweder einen direkten Rivalen oder einen Hersteller ähnlicher Produkte", so Martens. "Einen weiteren Trend, den wir erkennen konnten: Sobald Oracle oder SAP eine bestimmte Akquisition durchführen, zieht der jeweilige Konkurrent mit einem ähnlichen Manöver nach."

Wer steht auf der Einkaufsliste?

Welcher Hersteller ist also gerade im Fadenkreuz von Oracle und SAP? In dem Report behauptet Martens, dass es "eine Vielzahl von Möglichkeiten" für die Hersteller im Apps Markt gäbe, "wenn sie die eigene Präsenz im Enterprise-Umfeld oder auch dem SMB stärken möchten."

Im Falle von SAP seien wohl Industrie-Partner mögliche Übernahmeziele. Martens schreibt weiter "im Besonderen wären die Hersteller Nakisa und ArisGlobal zu nennen." Es könnte auch sein, dass SAP einen überraschenden Einkauf im Bereich Enterprise Content Management durchführt. Ein Ziel wäre der SAP-Partner OpenText, laut Martens der letzte unabhängige Hersteller in diesem Bereich. "Die Top-Themen beider Firmen sind Compliance und Business Prozesse, das könnte für eine interessante Firmenhochzeit sorgen", so Martens. "Oracle wurde in diesem Bereich mit der Übernahme von Stellent und kürzlich Skywire bereits aktiv."

Compliance und Business-Prozesse gefragt

Für Oracle könnten dagegen ein Aufkauf einer SaaS-Firma im Bereich Human Capital Management (HCM) anstehen, mutmaßt Martens. "Würde Oracle einen Zug machen, der zum einen ein wenig Konkurrenzdruck aus dem Markt nimmt und zum anderen den eigenen, aufkeimenden HCM-SaaS-Plänen von Oracle mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellt?", spekuliert Martens. "Denkbare Übernahmeziele währen etwa SuccessFactors oder Taleo."

Andererseits könnten die Pläne auch die Übernahme eines Partners vorsehen. Oracle könnte es auf einen der SaaS-Partner abgesehen haben, um die eigene CRM on Demand Lösung gegen die wachsende Konkurrenz von SalesForce.com abzusichern. "In diesem Szenario", so Martens, "wäre etwa die Übernahme des Marketing-Automation-Anbieters Eloqua, ein anderes mögliches Übernahmeziel wäre BigMachines. Beide Firmen könnten die Grenzen des Oracle-SaaS-Angebots erweitern."

Bleiben die Übernahmen, mit denen der jeweilige Konzern ein Statement abgeben will. Für Oracle wäre hier etwa der Kauf des SaaS ERP Herstellers NetSuite denkbar. Ein relativ einfaches Vorhaben, wenn man berücksichtigt, dass Oralce-Boss Ellison nahezu alle ausgegeben Aktien bereits besitzt. Andererseits könnte sich SAP gleich Salesforce.com schnappen. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber Martens merkt an, dass "dieses verwegene Unterfangen SAP mit einem Schlag einen ansehnlichen Glaubwürdigkeitszuwachs im SaaS-Umfeld verschaffen" würde. "Hier hat SAP noch deutlich aufzuholen, vor allem wenn man die lange Produktionszeit für die SAP-eigene Business ByDesign SaaS-Anwendungsuite mit in Betracht zieht", so Martens.

Was ist eigentlich mit dem Sun-Deal?

Natürlich schwingt immer noch der mittlerweile fast schon berüchtigte Oracle-Sun-Deal mit, der sich immer noch in der Schwebe befindet. Kürzlich sprach Oracle-Chef Ellision davon, dass Sun pro Monat rund 100 Millionen Dollar verlieren würde. Trotz allem sieht Martens in dieser Übernahme einen Game-Changer für die Zukunft der M&A-Strategien von Oracle und SAP. "Oracle spricht einmal mehr von seinem Konzept, alle Komponenten aus einer Hand zu liefern. Dazu gehört eine voll integrierte Software sowie der Hardware-Stack; sämtliche Datenbanken, die Middleware und alle Anwendungen laufen dann direkt auf Sun-Hardware. Dadurch könnte der Fokus von Oracle und SAP bei den nächsten Einkaufstouren stärker im Bereich Infrastruktur und Optimierung liegen."

Und natürlich hat sich mit dem Kauf von Sun auch einen Teil von Oracles Aufmerksamkeit weg von SAP hin zu IBM verlagert. Diese Änderung könnte einen bedeutenden Anteil in den langfristigen Plänen von Oracle und SAP haben."Ich hätte es ja gerne, wenn wir die IBM-Nachfolge antreten", so Larry Ellison kürzlich.

"IBM muss immer noch zuerst den Weg zurück in den Apps-Markt finden, hat allerdings mit seinen mehreren Milliarden schweren Übernahmen von SPSS, Cognos und FileNet bereits große Fortschritte im Bereich ERP und CRM gemacht", schreibt Martens. "Wenn Big Blue weitere Schritte in dieser Richtung unternimmt, etwa mit einer Übernahme eines Midrange-ERP-Partners wie Lawson oder Infor, könnte das zu einer weitere Konsolidierung führen."

Übersetzung aus dem US-amerikanischen von Moritz Jäger.