Security-Theater mit Antivirus, Firewall & Co.

Wirkungslose IT-Sicherheitsmaßnahmen

15.06.2016 von Florian Maier
Virenschutz-Software, Firewalls, regelmäßige Passwort-Wechsel - und schon sind die IT-Systeme sicher. Oder? Wir haben uns mit zahlreichen Experten unterhalten und Erstaunliches in Erfahrung gebracht.

Kennen Sie den Begriff "Security Theatre"? Die ausufernden Sicherheitsmaßnahmen an US-Flughäfen haben diesen Begriff geprägt. Sie wissen schon, wenn man mal wieder das Boarding knapp verpasst, weil in der Schlange vor dem Ganzkörperscanner alte Menschen und Kinder einfach nicht wissen, welche Kleidungsstücke abzulegen sind um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

IT-Security ohne Wirkung?

Der "Erfinder" des Begriffs ist allerdings kein Geringerer als IT-Security-Koryphäe Bruce Schneier. Kein Wunder, denn wie die Kollegen unseres Schwesterportals csoonline.com im Gespräch mit zahlreichen Experten für IT-Sicherheit herausgefunden haben, passt der Begriff "Security Theatre" nicht nur auf den Sicherheits-Enthusiasmus an US-Flughäfen, sondern auch auf einige Maßnahmen der IT-Security - darunter so traditionelle Abwehr-Methoden wie die Antivirus-Software oder die Firewall.

11 Placebos für die IT-Sicherheit
Splash Screens
Viele scheinbar normale Online-Transaktionen werden heutzutage von reißerischen Splash-Screens begleitet. Meldungen wie 'Securely getting your account details' oder 'setting up a secure connection' sollen ein Gefühl von gesteigerter Sicherheit vermitteln. Tun sie vielleicht sogar in manchen Fällen. Sicherer wird die Transaktion dadurch eher nicht.
Antivirus Software
Antivirus-Software alleine reicht heutzutage nicht mehr aus, um Unternehmensnetzwerke zu schützen, da sie gegen aktuelle Bedrohungen wie Ransomware oft nur wenig ausrichten kann. Negative Auswirkungen haben die Virenschutz-Programme hingegen oft auf die Performance.
Perimeter Security
Firewalls und sonstige Perimeter-Security-Maßnahmen können ebenfalls theatralische Qualitäten aufweisen, denn sie alleine sind der wachsenden Bedrohungslage - insbesondere im Unternehmensumfeld - ebenfalls nicht gewachsen.
Alarm-Ermüdung
Permanente Security-Alerts führen häufig dazu, dass die IT-Abteilung aufgrund hoher Fehlalarmquoten in den Ignoranz-Modus schaltet. Ohnehin können nur circa fünf Prozent der Alerts wirklich tiefgehend untersucht werden.
Ignoranz
Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen sind eine gute Sache. Allerdings sollten Unternehmen die Daten, die ihr Security-Equipment sammelt, auch auswerten und analysieren. Ein Haken auf der To-Do-Liste reicht nicht aus.
Passwort-wechsel-dich
Ein Passwort alleine genügt nicht. Insbesondere dann, wenn es sich dabei um bewährte Security-Fails wie "123456" handelt. Und welchen Sinn macht es eigentlich, dass man sein Kennwort alle 30 Tage ändern muss?
Security Training
Die Mitarbeiter simulierten Phishing-Attacken auszusetzen, ohne ihnen vorher entsprechende Schulungsmaßnahmen zuteil werden zu lassen hat in der Regel wenig Effekt.
Harte Worte
Viele Security-Anbieter preisen ihre Lösungen mit militanten PR-Botschaften an. Ob die dadurch noch sicherer werden? Schreien hat jedenfalls noch nie viel geholfen.
Mauer-Fetisch
Wenn die IT-Abteilung lieber mauert statt Lösungen zu suchen, trägt das nicht zur Sicherheit bei.
Sharing
Der Austausch von Daten über aufgedeckte Sicherheitslücken und erfolgte Angriffe ist grundsätzlich eine gute Sache. Dennoch hilft sie Unternehmen nicht dabei, die Angriffsvektoren in ihrem Netzwerk aufzudecken.
Schadens-PR
"Uns liegt die Sicherheit unserer Nutzer am Herzen" heißt es allzu oft, nachdem Unternehmen Opfer einer Hacker-Attacke geworden sind. Gegenfrage: Wie konnte es dann überhaupt erst dazu kommen?

Nur ein Fenster zur Sicherheit

Orlando Scott-Cowley, Security-Stratege bei Mimecast, zeigt sich irritiert davon, wie viele scheinbar normale Online-Transaktionen heutzutage von reißerischen Splash-Screens begleitet werden: "Es gibt einige Websites, die versuchen, ihren Nutzern nach dem Login mit schicken Fenster mit Meldungen wie 'Securely getting your account details' oder 'setting up a secure connection' ein Gefühl von gesteigerter Sicherheit zu vermitteln. Das ist ein Grund, sich zu schämen, denn was die Sicherheit angeht, sind solche Meldungen nichts weiter als Theater."

Wenn der Virenschutz verpufft

Für die meisten Menschen ist eine Virenschutz-Software eine grundlegende Voraussetzung für ein sicheres System. Ajit Sancheti, Mitbegründer und CEO von Preempt, ist allerdings davon überzeugt, dass Antivirus-Software größtenteils wirkungslos ist: "Eine solche Software richtet nur wenig gegen Malware und Ransomware aus, sorgt dafür aber bei den Usern für Unannehmlichkeiten - insbesondere was die Performance angeht", so Sancheti.

Barry Shteiman von Exabeam stimmt direkt mit ein: "Jedes Unternehmen gibt Unmengen für Antivirus- und Antimalware-Software aus. Mittlerweile ist es Standard, dass ein schickes Taskbar-Icon jedem Nutzer mitteilt 'Du bist geschützt'. Leider ist das aber einfach nicht wahr. Nahezu jede moderne Malware hat Anti-Antivirus-Tools an Bord, die diese Schutzmaßnahmen einfach umgehen - so als wären sie gar nicht da."

Die Geschichte des Computer-Virus
1986: Brain
Mehr als ein Jahrzehnt, bevor Napster für irgendjemanden ein Begriff war, wurde der erste Computervirus entwickelt - um Softwarepiraterie zu bekämpfen. Der Autor, der das Wort "Cyber" in die Welt setzte, war William Gibson - genannt "Brain". Basit und Amjad Alvi entwickelten und vermarkteten medizinische Software im pakistanischen Lahore. Sie interessierten sich für zwei Dinge. Zuerst wollten sie die Multitasking-Funktionalität der neuen DOS-Betriebssysteme (sogenannte "TSR"-Systeme) testen. Zweitens wollten sie sehen, ob es im Vergleich zu anderen Betriebssystemen wie Unix Sicherheitslücken in DOS gibt.<br /><br />Als sie bemerkten, dass DOS recht anfällig war, hatten sie die Idee, ein Stück Software zu schreiben, das überwacht, wie die Software und die Disketten sich bewegen. Brain verbreitete sich viral über 3,25-Zoll-Disketten und innerhalb weniger Wochen mussten die Alvis ihre Telefonnummern ändern. Das hat Ihnen allerdings wenig genützt, denn 25 Jahre nach der Entwicklung des ersten PC-Virus machte sich Mikko Hypponen von F-Secure im Frühjahr 2011 auf die Reise nach Lahore. Sein Ziel: die Adresse, die im Code zu finden war. Tatsächlich fand er die Alvi-Brüder dort vor und bekam die Gelegenheit, mit ihnen das erste Video-Interview über Brain zu führen.
1987: Stoned
Erstellt durch einen Gymnasiasten in Neuseeland, wurde Stoned zunächst als harmlos angesehen. Zunächst machte er sich auch lediglich mit der Meldung "Your PC is now Stoned" bemerkbar. Doch als erster Virus, der den Bootsektor eines PCs infizierte, zeigte Stoned, dass Viren die Funktion eines Computers steuern können - und zwar von dem Moment an, in dem er eingeschaltet wird. Bob Dylan wäre stolz gewesen.
1990: Form
Form wurde zu einem der meistverbreiteten Viren überhaupt. Am 18. eines jeden Monats entlockte er den PC-Lautsprechern ein klickendes Geräusch - jedes Mal, wenn eine Taste gedrückt wurde. Das war zwar durchaus ärgerlich, aber harmlos.
1992: Michelangelo
Michelangelo wurde dazu genutzt, alle Daten auf einer Festplatte zu bestimmten Terminen zu überschreiben. Als eine Variante von Stoned - nur deutlich bösartiger - war Michelangelo wohl der erste Computervirus, der es auf internationaler Ebene in die Nachrichten geschafft hat.
1992: VCL
Das Virus Creation Laboratory (VCL) machte es kinderleicht, ein bösartiges kleines Programm zu basteln – durch die Automatisierung der Virenerstellung über eine einfache grafische Schnittstelle.
1993: Monkey
Monkey - ebenfalls ein entfernter Verwandter von Stoned - integrierte sich heimlich in Dateien und verbreitete sich anschließend nahtlos. Damit war Monkey ein früher Vorfahre des Rootkits: Ein selbstverbergendes Programm, das den Bootvorgang per Diskette verhindern konnte. Wenn es nicht korrekt entfernt wurde, verhinderte Monkey gar jegliche Art des Bootens.
1995: Concept
Als erster Virus, der Microsoft Word-Dateien infizierte, wurde Concept zu einem der häufigsten Computer-Schädlinge. Schließlich war er in der Lage, jedes Betriebssystem, das Word ausführen konnte, zu infizieren. Achja und: Wurde die Datei geteilt, wurde auch der Virus geteilt.
1999: Happy99
Happy99 war der erste E-Mail-Virus. Er begrüßte User mit den Worten "Happy New Year 1999" und verbreitete die frohe Botschaft per E-Mail auch gleich an alle Kontakte im Adressbuch. Wie die frühen PC-Viren richtete Happy99 keinen wirklichen Schaden an, schaffte es aber dennoch, sich auf Millionen von PCs auf der ganzen Welt auszubreiten.
1999: Melissa
Angeblich benannt nach einer exotischen Tänzerin, stellte Melissa eine Kombination aus klassischem Virus und E-Mail-Virus dar. Er (beziehungsweise sie) infizierte eine Word-Datei, verschickte sich dann selbst per E-Mail an alle Kontakte im Adressbuch und wurde so zum ersten Virus, der innerhalb weniger Stunden zu weltweiter Verbreitung brachte.<br />Melissa kombinierte das "Spaß-Motiv" der frühen Virenautoren mit der Zerstörungskraft der neuen Ära: Der Virus integrierte unter anderem Kommentare von "The Simpsons" in Dokumente der Benutzer, konnte aber auch vertrauliche Informationen verschicken, ohne dass Betroffene dies bemerkten. Nicht lange nach Melissa wurden Makroviren praktisch eliminiert, indem Microsoft die Arbeitsweise der Visual-Basic-Makro-Sprache in Office-Anwendungen änderte.
2000: Loveletter
Dieser Loveletter hat Millionen von Herzen gebrochen und gilt noch heute als einer der größten Ausbrüche aller Zeiten. Loveletter verbreitete sich via E-Mail-Anhang und überschrieb viele wichtige Dateien auf infizierten PCs. Gleichzeitig ist es einer der erfolgreichsten Social-Engineering-Attacken überhaupt. Millionen von Internet-Nutzern fielen dem Versprechen von der großen Liebe zum Opfer und öffneten den infizierten E-Mail-Anhang. Der geschätzte, weltweite Gesamtschaden betrug Schätzungen zufolge 5,5 Milliarden Dollar.
2001: Code Red
Der erste Wurm, der sich ohne jegliche Benutzerinteraktion innerhalb von Minuten verbreitete, trug den Namen Code Red. Er führte verschiedene Aktionen in einem Monatszyklus aus: An den Tagen eins bis 19 verbreitete er sich - von Tag 20 bis 27 startete er Denial-of-Service-Attacken auf diverse Webseiten - beispielsweise die des Weißen Hauses. Von Tag 28 bis zum Ende des Monats war übrigens auch bei Code Red Siesta angesagt.
2003: Slammer
Netzwerk-Würmer benötigen nur ein paar Zeilen Code und eine Schwachstelle - schon können sie für ernste Probleme sorgen. Slammer brachte auf diese Weise das Geldautomaten-Netz der Bank of America und die Notrufdienste in Seattle zum Absturz. Sogar das Flugverkehrskontrollsystem war nicht gegen den agilen Bösewicht immun.
2003: Fizzer
Fizzer war der erste Virus, der gezielt entwickelt wurde, um Geld zu verdienen. In Gestalt eines infizierten E-Mail-Anhangs kam er auf die Rechner seiner Opfer. Wurde die Datei geöffnet, übernahm Fizzer den Rechner und benutzte diesen, um Spam zu versenden.
2003: Cabir
Cabir war der erste Handy-Virus der IT-Geschichte und hatte es gezielt auf Nokia-Telefone mit Symbian OS abgesehen. Cabir wurde über Bluetooth verbreitet und bewies, dass der technologische Fortschritt alleine kein wirksames Mittel gegen Hacker und Cyberkriminelle ist.
2003: SDBot
SDBot war ein Trojanisches Pferd, das die üblichen Sicherheitsmaßnahmen eines PCs umging, um heimlich die Kontrolle zu übernehmen. Er erstellte eine Backdoor, die es dem Autor unter anderem ermöglichte, Passwörter und Registrierungscodes von Spielen wie "Half-Life" und "Need for Speed 2" auszuspionieren.
2003: Sobig
Sobig war eine Optimierung von Fizzer. Die Besonderheit: Einige Versionen warteten zunächst ein paar Tage nach der Infektion eines Rechners, bevor die betroffenen Rechner als E-Mail-Proxy-Server benutzt wurden. Das Ergebnis? Eine massive Spam-Attacke. Alleine AOL musste mehr als 20 Millionen infizierte Nachrichten pro Tag abfangen.
2004: Sasser
Sasser verschaffte sich über gefährdete Netzwerk-Ports Zugang zum System, verlangsamte dieses dramatisch oder brachte gleich ganze Netzwerke zum Absturz – von Australien über Hongkong bis nach Großbritannien.
2005: Haxdoor
Haxdoor war ein weiterer Trojaner, der nach Passwörtern und anderen privaten Daten schnüffelte. Spätere Varianten hatten zudem Rootkit-Fähigkeiten. Im Vergleich zu früheren Viren setzte Haxdoor weitaus komplexere Methoden ein, um seine Existenz auf dem System zu verschleiern. Ein modernes Rootkit kann einen Computer in einen Zombie-Computer verwandeln, der ohne das Wissen des Benutzers fremdgesteuert werden kann - unter Umständen jahrelang.
2005: Sony DRM Rootkit
Im Jahr 2005 hatte eine der größten Plattenfirmen der Welt die gleiche Idee, die schon die Alvi-Brüder im Jahr 1986 hatten: Ein Virus sollte Piraterie verhindern. Auf den betroffenen Audio-CDs war nicht nur eine Musik-Player-Software, sondern auch ein Rootkit enthalten. Dieses kontrollierte, wie der Besitzer auf die Audio-Tracks der Disc zugreift. Das Ergebnis: ein medialer Shitstorm und eine Sammelklage. Letzterer konnte sich Sony nur durch großzügige Vergleichszahlungen und kostenlose Downloads außergerichtlich erwehren.
2007: Storm Worm
Laut Machiavelli ist es besser, gefürchtet als geliebt zu werden. Sieben Jahre nach Loveletter, machte sich der Schädling Storm Worm unsere kollektive Angst vor Wetterkapriolen zu Nutze. Dazu benutzte er eine E-Mail mit der Betreffzeile "230 Tote durch Sturm in Europa". Sobald der Dateianhang geöffnet wurde, zwangen eine Trojaner- Backdoor und ein Rootkit den betroffenen Rechner, sich einem Botnetz anzuschließen. Botnetze sind Armeen von Zombie-Computern, die verwendet werden können, um unter anderem Tonnen von Spam zu verbreiten. Storm Worm kaperte zehn Millionen Rechner.
2008: Mebroot
Mebroot war ein Rootkit, dass gezielt konstruiert wurde, um die gerade aufkommenden Rootkit-Detektoren auszutricksen. Dabei war der Schädling so fortschrittlich, dass er einen Diagnosebericht an den Virenschreiber sendete, sobald er einen PC zum Absturz gebracht hatte.
2008: Conficker
Conficker verbreitete sich rasend schnell auf Millionen von Computern weltweit. Er nutzte sowohl Schwachstellen in Windows, als auch schwache Passwörter. Kombiniert mit einigen fortschrittlichen Techniken, konnte Conficker weitere Malware installieren. Eine - besonders fiese - Folge: die Benutzer wurden durch den Virus vom Besuch der Website der meisten Anbieter von Security-Software gehindert. Mehr als zwei Jahre nachdem Conficker erstmals gesichtet wurde, waren immer noch täglich mehr Rechner infiziert.
2010: 3D Anti Terrorist
Dieses "trojanisierte" Game zielte auf Windows-Telefone ab und wurde über Freeware-Websites verteilt. Einmal installiert, startete der Trojaner Anrufe zu besonders teuren Sondernummern und bescherte den Nutzern überaus saftige Rechnungen. Diese Strategie bei Apps ist immer noch neu - wird sich aber vermutlich zu einer der gängigsten Methoden entwickeln, mit denen Hacker und Cyberkriminelle künftig mobile Endgeräte angreifen.
2010: Stuxnet
Wie schon gesehen, haben Computer-Viren schon seit Jahrzehnten Auswirkungen auf die reale Welt - doch im Jahr 2010 hat ein Virus auch den Lauf der Geschichte verändert: Stuxnet. Als ungewöhnlich großer Windows-Wurm (Stuxnet ist mehr als 1000 Prozent größer als der typische Computerwurm) verbreitete sich Stuxnet wahrscheinlich über USB-Geräte. Der Wurm infizierte ein System, versteckte sich mit einem Rootkit und erkannte dann, ob der infizierte Computer sich mit dem Automatisierungssystem Siemens Simatic verbindet. Wenn Stuxnet eine Verbindung feststellte, veränderte er die Befehle, die der Windows-Rechner an die PLC/SPS-programmierbaren Logik-Controller sendet - also die Boxen zur Steuerung der Maschinen.<br /><br /> Läuft er auf PLC/SPS, sucht er nach einer bestimmten Fabrikumgebung. Wenn diese nicht gefunden wird, bleibt Stuxnet inaktiv. Nach Schätzungen der F-Secure Labs, kostete die Umsetzung von Stuxnet mehr als zehn Mannjahre Arbeit. Immerhin zeigt das, dass ein Virus, der offensichtlich eine Zentrifuge zur Urananreicherung manipulieren kann, nicht im Handumdrehen von Jedermann erschaffen werden kann. Die Komplexität von Stuxnet und die Tatsache, dass der Einsatz dieses Virus nicht auf finanziellen Interessen beruhte, legt den Verdacht nahe, dass Stuxnet im Auftrag einer Regierung entwickelt wurde.

Löchrige Firewalls in Zeiten der Dauer-Attacke

Dass Firewalls und sonstige Maßnahmen zur Absicherung des Netzwerkrands ebenfalls theatralische Qualitäten aufweisen, entspricht der Überzeugung von Garry McCracken, Vice President Technology bei WinMagic: "Jeder hat so etwas in Betrieb, aber um die IT-Systeme von Unternehmen zu schützen reicht das längst nicht mehr aus. Die meisten großen Unternehmen werden nahezu durchgängig angegriffen - es braucht also neue Strategien und Technologien. Unternehmen sollten davon ausgehen, dass in ihr Netzwerk eingedrungen wird, oder bereits wurde, die Bedrohung identifizieren, die Auswirkungen reduzieren und so schnell wieder in den Normalzustand zurückkehren."

Anstatt immer mehr Geld und Ressourcen in Perimeter-Security-Maßnahmen zu investieren, gibt McCracken Unternehmen daher den Tipp, dieAuswirkungen eines Angriffes so klein wie möglich zu halten und/oder alle 10 Minuten ein Backup zu erstellen, um stets auf einen aktuellen Wiederherstellungspunkt zugreifen zu können. Das sei wesentlich effizienter.

Spektakuläre DDoS-Attacken 2012-2016
2016: HSBC
Die britische Bank HSBC fällt einem DDoS-Angriff zum Opfer - Kunden können ihren Online-Account geschlagene 48 Stunden nicht erreichen. Und das zwei Tage vor Abgabefrist der Steuererklärung.
2015: Microsoft Xbox Live
Das kostenpflichtige Gaming-Network Xbox Live von Microsoft soll in der Weihnachtswoche mittels DDoS angegriffen werden - diese Drohung wird im Dezember 2015 bekannt. Die Angreifer wollen damit angeblich auf weiterhin bestehende Sicherheitslücken in Microsoft-Diensten hinweisen. Auch Sonys Konkurrenzangebot, das Playstation Network, solle attackiert werden.
2015: Carphone Warehouse
Der britische Telekommunikationsanbieter Carphone Warehouse fällt einer DDoS-Attacke zum Opfer. Und als wäre das nicht schon genug, werden zusätzlich auch noch Millionen Kundendaten von den Angreifern kopiert.
2014: 300 Gbps
300 Gigabit pro Sekunde: In diesem Ausmaß hat es noch nie einen DDoS-Angriff gegeben. Mithilfe von 100.000 ungepatchten Servern greift ein Botnet ein nicht näher bekanntes Rechenzentrum an.
2014: 400 Gbps
Nur ein halbes Jahr später geht es noch heftiger: Mit einem NTP-basierten (Network Time Protocol) DDoS-Angriff wird eine Internetanbieter attackiert.
2013: chinesisches Internet
Teile des Chinesischen Internets sind von einer der größten DDoS-Attacken bisher lahmgelegt. Und das, obwohl die Regierung des Reichs der Mitte eines der weltbesten Security-Systeme samt entsprechend ausgebildetem Personal aufweisen kann.
2013: Spamhaus
Sie kämpft gegen unerwünschte E-Mails, doch jetzt ist die Organisation Spamhaus selbst Ziel eines Angriffs mit massenhaften Abfragen geworden. Die Attacke beeinträchtigte sogar den regulären Datenverkehr im Netz.
2013: Dispatch International
Die Website der Wochenzeitung "Dispatch International" wird massiv angegriffen. Aufgrund des Angriffs erscheint die Zeitung verspätet.
2012: 50Hertz
Die Internet-Infrastruktur des Stromnetzbetreibers 50Hertz wird von Unbekannten angegriffen. Aus einem Botnetz heraus werden Websites und Mail-Infrastruktur des Hochspannungsstromnetz-Betreibers per DDoS-Attacke unter Beschuss genommen. Alle extern erreichbaren Services fallen vorübergehend aus.
2012: Pizza.de / Lieferando
UDP-Flooding und DDoS-Attacken sorgen für den Zusammenbruch der Websites von pizza.de und lieferando.de. Nach der Uplink-Ausfilterung beginnt eine zweite Angriffswelle. Es folgt eine Razzia beim Konkurrenten lieferheld.de - ohne Ergenis. Die Betroffenen loben 100.000 für die Ergreifung der Verantwortlichen aus.
2012: UPC
Die Internet-Präsenz des österreichischen TK-Unternehmens UPC ist vermutlich aufgrund von DDoS-Attacken und SQL-Injection vorübergehend nicht erreichbar. Als Angreifer wurden Anonymous-Hacker aus Österreich vermutet, die auf diese Weise ihre Kritik an der geplanten Vorratsdatenspeicherung äußern wollen.

Die Nadel im Security-Alert-Haufen

Nathan Burke, Vice President of Marketing beim Incident-Response-Spezialisten Hexadite, weiß, dass zu viele Informationen über potenzielle Bedrohungen schnell zu Überforderung führen kann: "MehrereSecurity-Lösungenzu installieren, die gemeinsam eine Unzahl von Alerts generieren, dann aber nichts gegen die Bedrohungen tun, ist Security-Theater par excellence", so der Spezialist. "Es sind in der Regel einfach viel zu viele Alerts, die einfach nicht manuell bearbeitet werden können. Das führt dazu, dass einigeSecurity-Teams zwar konstant Alarmglocken hören, aber nur allerhöchstens fünf Prozent der Vorfälle, die die Alerts ausgelöst haben, auch genau unter die Lupe nehmen können."

Das sieht auch Philip Lieberman, President von Lieberman Software so: "Die meisten Unternehmen ignorieren die Alarmmeldungen wegen der hohen Fehlalarm-Quote schlicht. Und niemand ergreift sofortige Gegenmaßnahmen, weil er negative Reaktionen der User fürchtet."

Daten- und Analyse-Ignoranz

Laut Cedric Caldwell vom IT-Beratungsunternehmen Adapture ist aus vielen Unternehmen zu vernehmen, dass sie ihre IT-Infrastruktur und -Systeme ausreichend schützen - zum Beispiel mit einem IPS oder einer Firewall. Aber was tut man mit den Daten, die hier erhoben werden und werden diese überhaupt ausgewertet?

Es kann laut dem Experten durchaus dazu kommen, dass eine Firewall implementiert wird, die Angriffe darauf aber gar nicht erst beachtet werden: "Große Unternehmen sind in der Regel geübt darin, große Datenmengen auszuwerten. Aber bei kleineren Unternehmen, die einfach nicht die nötige Manpower haben, um dies zu tun, lässt sich dieses Phänomen oft beobachten. Die machen einen Haken auf ihrer To-Do-List und kaufen das Equipment, aber sehen sich nicht an, welche Daten das Ding eigentlich erfasst."

Die größten Cyberangriffe auf Unternehmen
Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre.
Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen.
Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar.
Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt.
Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft.
Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty".
Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert.
Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert.
Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst.
Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen.
Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten.
Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert.
J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren.
The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert.
Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China.
Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.

Passwort-Spielchen, Schulungs-Fails & harte Worte

Für Dimitri Sirota, CEO bei BigID, stellt das Thema Passwörter das Security-Theaterstück schlechthin dar: "Passwörter sind in etwa vergleichbar mit einem Schloss für die Haustür. Wer dieses Schloss knacken kann, kann sich im Inneren völlig frei und ohne weitere Hindernisse bewegen. Die meisten User ziehen aus Bequemlichkeitsgründen einfach gestrickte Passwörter vor." Sirotas Fazit: Ein Passwort sollte immer nur die erste Schicht einer tiefgehenden Schutzmaßnahmen-Strategie darstellen.

Nigel Stanley, Practice Director Cybersecurity bei OpenSky, dem IT-Beratungsarm des TÜV Rheinland, steht insbesondere mit der Praxis auf Kriegsfuß, Passwörter einmal pro Monat ändern zu müssen: "Warum denn alle 30 Tage?", fragt er empört. "Was genau sollte denn am 31. Tag passieren, damit plötzlich ein Security-Risiko entsteht?"

Dass Security bereits auf der Schulungs- und Trainingsebene zum Theater ausarten kann, weiß auch Stu Sjouwerman, CEO von KnowBe4, der von einem Unternehmen erzählt, das "Phishing-Attacken simuliert. Aber nur alle 90 Tage und ohne zuvor eine interaktive, web-basierte Schulung für die Mitarbeiter abzuhalten. Das Ergebnis? Die Mitarbeiter fühlen sich schikaniert und es gibt keinerlei messbaren Erfolg zu vermelden, was die Phishing-Attacken angeht."

Nigel Stanley von OpenSky findet beim Thema Offensiv-PR von Security-Anbietern deutliche Worte: "Ich füge einfach Begriffe wie ‚military-grade encryption‘, ‚flash to bang‘, ‚kill chain‘ oder ‚detonate‘ ein. WTF? Das ist weder deskriptiv, noch in irgendeiner Weise hilfreich oder der Sache dienlich."

Das Einmaleins der IT-Security
Adminrechte
Keine Vergabe von Administratorenrechten an Mitarbeiter
Dokumentation
Vollständige und regelmäßige Dokumentation der IT
Sichere Passwörter
IT-Sicherheit beginnt mit Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter sowie mit einer klaren Kommunikation der internen Verhaltensregeln zur Informationssicherheit:<br /><br /> Komplexe Passwörter aus Groß- und Kleinbuchstaben, Ziffern und Sonderzeichen, mindestens achtstellig.
Passwortdiebstahl
Niemals vertrauliche Daten weitergeben oder/und notieren.
E-Mail-Sicherheit
E-Mails signieren, sensible Daten verschlüsseln, Vorsicht beim Öffnen von E-Mail-Anlagen und Links.
Soziale Manipulation
Bewusst mit vertraulichen Informationen umgehen, nur an berechtigte Personen weitergeben, sich nicht manipulieren oder aushorchen lassen.
Vorsicht beim Surfen im Internet
Nicht jeder Link führt zum gewünschten Ergebnis.
Nur aktuelle Software einsetzen
Eine nicht aktualisierte Software lässt mehr Sicherheitslücken offen.
Verwendung eigener Software
Unternehmensvorgaben beachten und niemals Software fragwürdiger Herkunft installieren.
Unternehmensvorgaben
Nur erlaubte Daten, Software (Apps) und Anwendungen einsetzen.
Backups
Betriebliche Daten regelmäßig auf einem Netzlaufwerk speichern und Daten auf externen Datenträgern sichern.
Diebstahlschutz
Mobile Geräte und Datenträger vor Verlust schützen.
Gerätezugriff
Keine Weitergabe von Geräten an Dritte, mobile Geräte nicht unbeaufsichtigt lassen und Arbeitsplatz-PCs beim Verlassen sperren.
Sicherheitsrichtlinien
Die organisatorischen Strukturen im Hintergrund bilden den erforderlichen Rahmen der IT-Sicherheit. Hier gilt es, klare Regelungen zu formulieren und einzuhalten:<br /><br />Definition und Kommunikation von Sicherheitsrichtlinien
Zugriffsrechte
Regelung der Zugriffsrechte auf sensible Daten
Softwareupdates
Automatische und regelmäßige Verteilung von Softwareupdates
Logfiles
Kontrolle der Logfiles
Datensicherung
Auslagerung der Datensicherung
Sicherheitsanalyse
Regelmäßige Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen durch interne und externe Sicherheitsanalysen
Notfallplan
Erstellung eines Notfallplans für die Reaktion auf Systemausfälle und Angriffe
WLAN-Nutzung
Auf technischer Ebene muss ein Mindeststandard gewährleistet sein. Dieser lässt sich größtenteils ohne großen Kostenaufwand realisieren:<br /><br />Dokumentation der WLAN-Nutzung, auch durch Gäste
Firewalls
Absicherung der Internetverbindung durch Firewalls
Biometrische Faktoren
Einsatz von Zugangsschutz/Kennwörter/Biometrie
Zugangskontrolle
Physische Sicherung/Zugangskontrolle und -dokumentation
Schutz vor Malware
Schutz vor Schadsoftware sowohl am Endgerät als auch am Internetgateway, idealerweise durch zwei verschiedene Antivirenprogramme
Webzugriffe
Definition einer strukturierten Regelung der Webzugriffe
Verschlüsselung
Verschlüsselung zum Schutz von Dateien und Nachrichten mit sensiblen Inhalten
Löschen
Sicheres Löschen der Daten bei Außerbetriebnahme
Update der Sicherheitssysteme
Sicherstellung regelmäßiger Updates der Sicherheitssysteme
Monitoring
Permanente Überwachung des Netzwerkverkehrs auf Auffälligkeiten

Mauerbau, Trug & Lug

Wenn die IT-Abteilung ganz konsequent sämtliche User-Anfragen aus "Gründen der Sicherheit" zurückweist, ist das schon eine Aufführung - findet J. Colin Peterson, CEO bei J Digital Identity und untermauert seine Aussage mit einem Beispiel: "Wenn ein User Zugriff auf eine bestimmte Ressource anfragt und der IT-Spezialist - statt einen sicheren Weg dafür zu suchen - einfach mauert und so etwas sagt wie ‚Tut mir leid, das kann ich aus Sicherheitsgründen nicht erlauben‘.

Der CEO von illusive networks, Shlomo Touboul, ist der Ansicht, dass das Teilen von Daten über erfolgte Angriffe und aufgedeckte Sicherheitslücken ebenfalls in ein trügerisches Sicherheitsgefühl münden kann: "Wenn ein massiver Angriff auf eine bestimmte Branche festgestellt wird, werden andere Unternehmen aus derselben Branche sofort gewarnt. Aber das macht sie nicht sicherer. Denn jedes Unternehmensnetzwerk hat andere Angriffsvektoren und jeder einzelne davon ist solange nicht sichtbar, bis ein Angreifer ihn ausnutzt. Der Austausch von Informationen über spezifische Angriffe mag dabei helfen, manche Systeme zu patchen, hilft aber nicht dabei, versteckte Angriffsvektoren aufzudecken. Das führt dazu, dass Unternehmen sich sicher fühlen, obwohl sie es nicht sind.

Wenn ein Angriff stattgefunden hat, rücken aber nicht nur die IT-Security-Spezialisten in den Fokus, wie Orlando Scott-Cowley anmerkt: "Es gibt kaum ein größeres Unding, als die immer gleichen Statements, mit denen CEOs und PR-Abteilungen die Sache schön zu reden versuchen. ‚Wir nehmen die Sicherheit unserer User sehr ernst‘ ist so ein Satz, der in Pressemitteilungen steht, nachdem offensichtlich unzulänglich gesicherte Systeme angegriffen wurden. Oft ist auch von einer ‚hochprofessionellen und koordinierten Attacke‘ die Rede - in meinen Augen kompletter Stuss. Diese Formulierungen dienen ausschließlich dazu, den Umstand zu verschleiern, dass unzulänglich geschützte Systeme gehackt wurden und die Cyberkriminellen dabei nahezu widerstandslos auf Ressourcen und Daten zugreifen konnten."

IT-Sicherheit: Menschliche Datenschutz-Fails
Großbritannien: Cabinet Office
In Großbritannien gingen 2008 sicherheitspolitisch brisante Daten bezüglich Al-Qaida und den Irak aufgrund eines menschlichen Fehlers verloren. Ein Angestellter des Cabinet Office, welches direkt dem Premierminister und den Ministers of Cabinet untersteht, muss mit seinen Gedanken schon ganz im Feierabend gewesen sein, als er seine Arbeitsunterlagen in einem Pendelzug liegen ließ. Ein Fahrgast fand den Ordner mit den streng geheimen Dokumenten und übergab diesen der BBC, die ihn wiederum an die Polizei weiterleitete. Obwohl die Tagträumerei gerade noch einmal gut ging, wurde der Beamte daraufhin wegen Fahrlässigkeit suspendiert.
Frankreich: TV5 Monde
Am 8. April 2015 wurde das Programm von TV5 Monde über mehrere Stunden hinweg blockiert, nachdem sich eine dem IS nahestehende Hacker-Gruppe namens „Cyber-Kalifat“ Zugang zu den IT-Systemen verschafft hatte. Nur einen Tag nach der Cyberattacke erlebte der französische TV-Sender ein Datenschutz-Debakel – dieses Mal aufgrund menschlichen Versagens: Reporter David Delos enthüllte während eines Interviews unabsichtlich die Passwörter für Social-Media-Konten des Senders - darunter YouTube, Instagram und Twitter. Diesen waren auf dem Whiteboard hinter dem Pechvogel zu sehen. Auch wichtige Telefonnummern waren zu sehen. Darüber hinaus offenbarte die Wand auch, wie es zum vorangegangenen Hack durch die Islamisten-Hacker kommen konnte: Und zwar in Form des Passwortes für den YouTube-Account von TV5 Monde: "lemotdepassedeyoutube" ( „daspasswortfüryoutube“).
USA: Department of Veterans Affairs
Im Mai 2006 stahl ein Einbrecher den Laptop eines Mitarbeiters des US-Kriegsveteranen-Ministeriums. Dabei wurden ganze 26,5 Millionen Datensätze, die Informationen zu Kriegsveteranen und deren Angehörigen enthielten, entwendet. Der Bestohlene hatte die Daten unerlaubter Weise auf dem Notebook gespeichert, um "von Zuhause aus arbeiten zu können". Dieses menschliche Fehlverhalten wurde darin noch verstärkt, dass die Daten gänzlich unverschlüsselt auf der Festplatte lagen. Einen Monat später tauchte das Device mitsamt den Daten wieder auf - angeblich, ohne Anzeichen einer Kompromittierung. Der entstandene Schaden wurde dennoch auf einen Betrag von 100 bis 500 Millionen Dollar geschätzt. Alleine 20 Millionen Dollar musste das Department of Veteran Affairs in der Folge als Ausgleich an die Geschädigten entrichten.
Norwegen: Steuerbehörde
Im Herbst 2008 hat die norwegische Steuerbehörde Daten zur Einkommenssteuer aller vier Millionen Norweger an Zeitungen und Rundfunkanstalten verschickt. Die Behörde veröffentlicht diese Zahlen jährlich, mit dem Ziel die Bürger zu ehrlichen Steuerzahlern zu "erziehen". Außergewöhnlich ist daran nur, dass in diesem Fall auch die sogenanten Personennummer mitveröffentlicht wurde. Diese besteht aus einer Zahlengruppe und dem Geburtsdatum des Bürgers und wird für gewöhnlich von den Daten abgetrennt, um Anonymität zu gewährleisten. Offiziell ist hierbei nicht von einem menschlichen Fehler die Rede, sondern von einem "Formatierungsproblem".
Belgien: Gesellschaft der Belgischen Eisenbahnen
Die nationale Gesellschaft der Belgischen Eisenbahnen (NBMS) machte Anfang 2013 einen Ordner mit 1,5 Millionen persönlichen Daten ihrer Kunden via Web öffentlich zugänglich. Aus Versehen. Schuld war ein Mitarbeiter, der einen falschen Knopf gedrückt hat. Die Datensätze enthielten Namen sowie Wohn- und E-Mail-Adressen von NMBS-Kunden - darunter auch die von Mitarbeitern und Abgeordneten der EU-Institutionen in Brüssel.

Security-Show must go on

Nach all diesen wenig erbaulichen Statements müssen wir natürlich irgendwie zu einem positiven Resümee kommen. Deswegen gehört das Schlusswort Dimitri Sorota von BigID: "Security-Theater ist per se nichts Schlechtes, weil es abschreckend wirkt. Die Polizei verhaftet ja auch nicht rund um die Uhr Leute - ihre bloße Präsenz wirkt oft schon abschreckend genug. Denselben Effekt kann man im militärischen Bereich beobachten: Manchmal reicht ein Säbelrasseln aus, um zu zeigen, dass man könnte, wenn man wollte." Mit anderen Worten: Ein schwaches Passwort und eine instabile Firewall sind immer noch besser als gar keine Schutzmaßnahmen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer Schwesterpublikation csoonline.com.

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