Cloud-Anbieter in der Analyse

Wird Google zum Vordenker in der Cloud?

19.10.2018 von Maximilian Hille
Schon seit längerem intensiviert Google seine Enterprise-Strategie. Mit Hilfe der Partner wird sich dies auch regional schon sehr bald zeigen. Crisp Research analysiert die Strategien und Potenziale der führenden Cloud-Anbieter.

Die Cloud-Strategien der Unternehmen in Deutschland nehmen langsam, aber sicher Fahrt auf. Die lange Test- und Evaluationsphase, in der noch immer viele Entwickler den Cloud-Einsatz hierzulande getrieben haben, ist möglicherweise jetzt vorbei. Zahlreiche Unternehmen stehen vor der Wahl ihrer Public Cloud-Provider, die sie in Zukunft als strategischer Partner begleiten werden. Auch wenn alle Welt von Hybrid und Multi Cloud spricht, wird die Realität sein, dass sich auch große Unternehmen auf eine klare Auswahl der Anbieter beschränken werden und "Best-of-Breed" mit klaren Grenzen stattfinden wird.

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Der Wettbewerb im Cloud-Geschäft wird härter. Vor allem Google steigt mit Macht ins Enterprise-Geschäft ein.
Foto: Raywoo - shutterstock.com

So ist die Wahl der Cloud-Provider trotz aller Diskussion um Flexibilität, Offenheit und Variabilität eine langfristige und strategische. Denn selbst wenn theoretisch die Wechselhürden möglichst klein sind, was nicht immer stimmen muss, bedeutet das Setup einer Cloud-Umgebung inklusive der externen Infrastrukturen eine Menge Arbeit für die Unternehmen. Mit dem wachsenden Cloud-Einsatz steigen auch die Ausgaben für Public IaaS weiter stark an. In diesem Jahr werden nach Prognosen von Crisp Research knapp 50 Milliarden US-Dollar von den Unternehmen ausgegeben. Gleichzeitig buhlen mindestens eine Hand voll Public Cloud Provider, die über ein hinreichend breites und globales Portfolio verfügen, um die Gunst der Anwender.

Aus diesem Grund nimmt Crisp Research die verschiedenen Ausgangslagen und Potentiale der führenden Cloud-Angebote genauer unter die Lupe.

Das Volumen des Public-Iaas-Markts hat weltweit über die Jahre deutlich zugenommen.
Foto: Crisp Research AG 2018

Google Cloud im Überblick

Google läuft noch immer bei vielen Unternehmen unter dem Radar. Manche haben grundsätzliche Vorbehalte, die Google schon aufgrund des Namens für die eigene Strategie ausschließen, andere haben den massiven Cloud- und Enterprise-Change des Anbieters vielleicht noch gar nicht recht mitbekommen. Fest steht, dass Google derzeit stark im Aufwind ist. Die Zahl und Qualität der Releases, die der Anbieter bringt, zeigen klar, dass Google auf verschiedenen Handlungsfelder aktiv ist und ein holistisches Angebot für die Public Cloud anstrebt, das die Platzhirsche im Markt wie AWS und Microsoft regelrecht zittern lässt. Hier ist Google in einigen Fällen schon der Beste seines Fachs und setzt die Maßstäbe. Auf der anderen Seite heißt dies jedoch, dass Google noch einige Lücken schließen muss, die zu den anderen Anbietern bestehen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Ein Gefahrenpotential für die Zukunft wird auch Googles Regierungstreue zu den USA sein. Wie kaum ein anderer Provider ist die Nähe zu den US-amerikanischen Gepflogenheiten unverkennbar. Und das ist unter der derzeitigen Administration und den damit einhergehenden geopolitischen- und Handelsrisiken sicher kein Vorteil.

Portfolio

Das Angebot von Google für die eigene Cloud-Plattform besticht derzeit immer mehr. Schon immer ist Google dafür bekannt gewesen, dank der eigenen Infrastrukturen und Netzwerke eine besonders leistungsstarke IaaS-Plattform zu bieten. Dass mittlerweile auch in Europa zahlreiche Cloud-Data-Center errichtet sind, zeigt, dass Google dies auch regional gewährleisten möchte. Mit der Inbetriebnahme des Frankfurt Rechenzentrums, hat Google einen wichtigen Schritt getan. Das Zürcher Pendant soll bald folgen.

Google baut die Standorte seiner Google Cloud Plattform (GCP) weiter aus.
Foto: Screenshot Masimilian Hille/Google

Im Vergleich zu vielen anderen Providern steht dabei die User Experience auch für IT-, Dev- und Admin-Teams klar im Vordergrund der Entwicklung. Das passt auch ein wenig zum Open-Source-Fokus des Anbieters, der sich vermutlich schon sehr bald auszahlen wird. Bekanntermaßen ist Google in der Open-Source-Community besonders engagiert. Beispiele wie die Entwicklung des Container-Orchestrierungssystems Kubernetes sind ein klarer Beweis und unter dem Strich nur ein kleiner Teil in über 2.000 Projekten. Diese zahlreichen Initiativen zeigen, wo Google in den kommenden Monaten und Jahren seine Entwicklung konzentrieren wird. Ein gelungener Coup war dabei die jüngste Ankündigung des Kubernetes-Marktplatzes auf der Google Cloud.

Unternehmen fürchten oft einen Vendor Lock-In, wenn sie sich für eine Public Cloud entscheiden. Das stimmt erst dann, wenn sie auch eine große Zahl proprietärer Plattform-Services nutzen, die teilweise eine gute Unterstützung der Operations auf der jeweiligen Cloud sind. In einem Hybrid- oder Migrationsszenario werden sie schnell zum Problem. Denn bei der Migration auf eine andere Cloud müssen die Features der Plattform-Services auf den kleinsten gemeinsamen Nenner heruntergebrochen werden, um noch lauffähig zu sein. Aus diesem Grund nutzen viele Unternehmen die Plattform-Services gar nicht, sondern bauen sich eigene Äquivalente.

Damit könnte aber dank Google bald Schluss sein. Denn der Kubernetes Marktplatz überwindet die Gefahr des Lock-Ins. Unternehmen können schon bald Plattform-Services aus dem Kubernetes-Marktplatz nutzen und betreiben. Beim Wechsel der Infrastrukturen setzen sie einfach einen neuen Container-Cluster auf und migrieren den bestehenden Service, ohne theoretisch einen Feature- oder Leistungseinbruch fürchten zu müssen.

Die Unternehmen, die also einen guten Kubernetes- und Container-Service auf ihrer Plattform bieten, haben hier die besten Karten. Dort ist Google den Konkurrenten tatsächlich weit voraus. Das zeigt sich in der User Experience und daran, dass es fast nur bei Google wirklich tadellos läuft.

Auf der anderen Seite arbeitet Google auch intensiv daran, sich für den Betrieb von Enterprise Workloads zu wappnen. Immer mehr Unternehmen wollen auch im Lift & Shift-Modus bestehende Anwendungen in die Public Cloud migrieren und dort betreiben. Dazu braucht es vor allem Migrations- und Managementwerkzeuge, die mit den bestehenden Architekturen kompatibel sind. Jüngste Ankündigungen zu Partnerschaften beziehungsweise der Unterstützung von VMware- und NetApp-Tools unterstreichen das ernsthafte Bemühen von Google in diesem Feld. Jedoch reicht dies vermutlich nicht aus, um reibungslos bestehende Workloads in die Google Cloud bringen und betreiben zu können.

Googles Enterprise Strategy

Die Enterprise-Strategie von Google Cloud ist schon seit einigen Monaten die größte Baustelle für das Management. Hier wachsen Produktentwicklung und strategische Führung gerade wieder noch näher zusammen. Das zeigt sich auch daran, dass der Schweizer Urs Hölzle, SVP for Technical Infrastructure und der Verantwortliche hinter dem Design und der Performance der Cloud-Rechenzentren, direkt an die Googles Cloud-Chefin Diane Greene berichtet.

Tatsächlich ist Google immer noch dabei, seine Reputation bei den Unternehmen aufzupolieren. Dazu gehört einerseits, störende Imagefaktoren zu widerlegen oder zu überwinden und sich andererseits als klarer Partner für die Unternehmen zu positionieren. Im Zuge dessen wird Google sich auch zunehmend in einzelnen Branchen informieren und teilweise spezifische Angebote für bestimmte Zielgruppen entwickeln.

Schon heute steht die Enterprise-Strategie auch unter dem Stern “One Google”. Auch Google zeigt also, dass Thought Leadership im Open Source-Umfeld und eine klare Wachstumsstrategie nicht im Widerspruch stehen müssen. Unter One Google versteht der Anbieter einerseits, dass große Teile des Portfolios um und neben dem Cloud-Plattform-Angebot künftig für Unternehmen zur Verfügung stehen sollen. Der One Google-Stack ist gerade hierzulande noch ein seltenes Phänomen, hat sich in Übersee aber durchaus schon als praktikabel erwiesen. Zum anderen bedeutet One Google aber auch, dass die Organisation der Unternehmen den Google-Weg annehmen soll. Mit Hilfe der eigenen Erfahrungen möchte Google den Unternehmen dabei helfen, agiler und reaktionsschneller zu werden und so in der Cloud-, Digital- und Open-Source-Welt erfolgreich zu sein.

Langfristig hält Google an der Strategie fest, dass sämtliche Kunden und Projekte gemeinsam mit einem Partner angegangen werden ("100 Prozent Partner-attached"). Dies macht gerade vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen langfristig einen zentralen Ansprechpartner wünschen, absolut Sinn.

So sind es derzeit vor allem die Managed Public Cloud Provider, die selbst erkennen, welches Potential in der Google Cloud steckt. Die Veränderung der Provider in Zahl und Güte gerade in Deutschland zeigt das deutlich. Immer mehr führende Managed Public Cloud Provider, darunter allen voran Reply, Nordcloud oder Claranet, durchlaufen Zertifizierungsprogramme und werden enge Partner und Google Ambassador für Deutschland.

So muss Google die Verantwortung für den Kreuzzug in den Unternehmen gar nicht alleine übernehmen. Mit Hilfe der Partner multiplizieren sich die Zugänge in die Unternehmen um ein Vielfaches.

Roadmap für die Google Cloud

Klar ist, dass Google noch viel Arbeit leisten muss, um sich an die Spitze des Cloud-Marktes setzen zu können. Ebenso klar ist aber auch, dass Google derzeit die wohl besten Karten hat, die Macht in diesem so wichtigen Markt zu übernehmen. Geht es um das Portfolio, die User Experience und die Performance, steht Google derzeit zumindest gemessen am Momentum ganz vorne im Markt. Die Vorherrschaft in Sachen Open Source wird sich schon bald auszahlen, wenn auch die Unternehmen vermehrt ihre Open Source-Strategien in die Tat umsetzen.

Regional und im Hinblick auf die Strategie kann Google endlich beginnen, richtig Fahrt aufzunehmen. Die DACH-Organisation wächst weiter. Und vor allem wächst sie über eine reine Sales-Organisation hinaus. Mit einem differenzierten Ökosystem und einem Team aus Cloud-Experten vor Ort kann Google auch hierzulande eine starke Marktstellung erreichen. Wenn sich die führenden Persönlichkeiten im DACH und EMEA-Raum nicht ausschließlich auf das Recruiting konzentrieren müssen, sondern die Plattform, Strategie und Partnerlandschaft aus eigenem Antrieb heraus entwickeln, wird sich dies für Google in jedem Falle auszahlen.

Fazit: Google Cloud kommt bei Unternehmen auf die Short List

Unternehmen, die Google noch nicht auf dem Zettel haben, sollten ihre Position überdenken. Gerade in der Welt der orchestrierten Hybrid- und Multi-Cloud-Umgebungen ist die Google Cloud eine der besten Optionen für den Betrieb performanter cloud-native und Enterprise-kritischer Anwendungen. Die Vorbehalte gegenüber Google erweisen sich nur in Teilen als begründet, sodass es eine große Zahl von Workloads gibt, die problemlos betrieben werden können. Insbesondere die IT- und Dev-Teams werden es den Unternehmen danken, sich frühzeitig in die Open Source-Bewegung einschalten zu können und einen wichtigen Trend vorantreiben können.