"Wir wollen das BPO-Geschäft verdoppeln"

08.06.2004
Unter dem seit gut einem Jahr amtierenden neuen Management hat sich die Situation des US-amerikanischen IT-Dienstleisters Electronic Data Systems (EDS) stabilisiert. Robert Swan, Chief Financial Officer (CFO), erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann die bislang eingeführten Neuerungen und die Pläne des Unternehmens.

Robert Swan, CFO bei EDS: Die Nettoverschuldung sinkt, die Barreserven wachsen und der Auftragseingang steigt.

CW: Sie haben vor gut einem Jahr das Amt des Finanzvorstands bei EDS in einer für das Unternehmen turbulenten Zeit angetreten. Welche Maßnahmen wurden im Top-Management bislang getroffen, um die Situation zu beruhigen?

Swan: Wir haben bereits im Juni vergangenen Jahres die Weichen für organisatorische Veränderungen gestellt. Zuvor hatten wir intern viel über eine einfachere Unternehmensstruktur gesprochen, mit der wir den Markt ansprechen wollen. Das vorherige Verfahren hatte immer wieder dazu geführt, dass sich zwei Linienorganisationen um den gleichen Kunden bemüht haben. Das haben wir inzwischen geändert, der Kundenkontakt ist nun eindeutig geregelt. In der neuen Organisation gibt es nur noch einen Ansprechpartner für den Kunden. Ihm haben wir jeweils eine Führungskraft für die Bereitstellung der Serviceleistungen, für den Verkauf sowie für das Branchen-Know-how zur Seite gestellt. Dieses Modell ist seit Januar 2004 in weltweit allen Niederlassungen eingeführt.

CW: Welche weiteren Schritte planen Sie?Swan: In einem zweiten Schritt arbeiten wir daran, unsere Kostenstruktur zu verbessern. Eine wesentliche Komponente dabei ist die Konsolidierung der internen Abläufe. Zum Beispiel führen wir die Finanzabteilungen von unseren 17 europäischen Niederlassungen in dem kürzlich eröffneten Business Process Outsourcing (BPO) Service Center in Budapest zusammen. Weitere Konsolidierungsvorhaben, etwa die der Rechenzentren, sind geplant.

Im letzten und dritten Schritt wollen wir unser Business-Process-Outsourcing-Geschäft verdoppeln. Im vergangenen Geschäftsjahr beliefen sich unsere Einnahmen hier auf rund 2,7 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2007 wollen wir das Geschäft auf etwa 5,5 Milliarden Dollar jährlich ausbauen.

CW: Zu Ihrem Amtsantritt war es um die finanzielle Situation von EDS schlecht bestellt. Wie hoch sind die Verbindlichkeiten von EDS?

Swan: Wir werden bis Jahresende keine Nettoverschuldung mehr haben. Außerdem wollen wir unsere Barreserven in den nächsten Wochen auf vier Milliarden Dollar aufstocken. Im ersten Quartal belief sich unser Auftragseingang auf vier Milliarden Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr war das eine Steigerung um 30 Prozent.

CW: EDS haftet immer noch das Bild eines Infrastruktur-Dienstleisters an, dem es nicht gelingt, im Kundenauftrag die IT zu erneuern und Innovationen voranzutreiben. Wie wollen Sie das ändern?

Swan: Unser größtes Wachstumspotenzial der nächsten Jahre besteht in Transformationsdiensten, die wir im Rahmen von Outsourcing-Verträgen erbringen. Dabei hilft uns eine kleine Akquisition, die wir Mitte Januar abgeschlossen haben. Die übernommene Feld Group beschäftigt mehr als 50 ehemalige CIOs aus Großkonzernen, die allesamt Erfahrungen mit der Erneuerung von IT-Abteilungen gesammelt haben. EDS hat durch diese Akquisition wesentliches Transformations-Know-how gewonnen, das wir nun unseren Kunden zur Verfügung stellen.

CW: Mit dem neuen Servicecenter in Ungarn hat EDS ein weiteres Nearshore-Angebot vor allem für die Niederlassungen in Zentraleuropa geschaffen. Wie kam die Entscheidung für Budapest zustande?

Swan: EDS ist schon seit 1991 in Ungarn vertreten, damals noch mit IT-Diensten für unseren größten Kunden, General Motors. Seitdem haben wir unsere Tätigkeiten ausgeweitet und beispielsweise ein Solution-Center für die Anwendungsentwicklung und -betreuung aufgebaut. Damit betreiben wir zunächst die EDS-internen Finanz- und Rechnungsprozesse und werden die Dienste künftig auch externen Kunden anbieten. In Budapest treffen wir auf gut ausgebildete und mehrsprachige Arbeitskräfte, die willens sind, qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen. Zudem ist Ungarn ein politisch und wirtschaftlich stabiles Land.

CW: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie derzeit in Ungarn?

Swan: Aktuell sind es rund 750 Mitarbeiter, davon 250 in dem neu eröffneten Service-Center. Bis Jahresende sollen dort etwa 300 Experten arbeiten, die Kapazitätsgrenze liegt bei 450 Arbeitsplätzen. Wir sind von Anfang an mit dem Vorhaben nach Ungarn gekommen, hier zu investieren und zu wachsen, und zwar so schnell wie möglich.

CW: Wie viel haben Sie denn in das neue BPO-Service Center investiert?

Swan: Etwa 8,5 Millionen Dollar. Wir haben in Budapest rund 4500 Quadratmeter Bürofläche angemietet, das ist der zweitgrößte Mietvertrag, der in den letzten Jahren in dieser Stadt abgeschlossen wurde.

CW: EDS hat Ende letzten Jahres einen großen BPO-Vertrag mit Infineon über die Auslagerung von Verwaltungsfunktionen der Personalabteilung geschlossen. Bearbeitet EDS in dem BPO-Service-Center auch Prozesse für Infineon?Swan: Im Rahmen des Vertrags werden wir einen Teil der Dienstleistungen aus unserem Service Center im ungarischen Vasvár erbringen.

CW: Werden damit Arbeitsplätze von Deutschland nach Ungarn verlagert?

Swan: Unsere Absicht ist, den Umfang der Leistungen, die wir für unsere deutschen Kunden erbringen, zu erweitern. Wir wollen ihnen flexible Services anbieten, für die wir Vorort-Dienste aus Deutschland, Nearshore Kapazitäten in Ungarn und Offshore-Angebote aus unseren weltweiten Niederlassungen kombinieren.

CW: Welche Zielländer sprechen Sie mit den ungarischen Kapazitäten an?

Swan: EDS ist die Nummer eins in Großbritannien und Italien. In Frankreich belegen wir den dritten und in Deutschland den fünften Rang. Speziell im BPO-Bereich steuern die europäischen Niederlassungen etwa ein Drittel zu den weltweiten EDS-Einnahmen bei. Wir wollen hier weiter wachsen, und dieses neue Solution-Center ebnet uns den Weg dorthin.

Auf dem Weg der Besserung Mit einem Jahresumsatz von 21,5 Milliarden Dollar ist EDS die Nummer zwei im weltweiten IT-Servicegeschäft. Die Spitzenposition belegt unangefochten IBM Global Services mit Jahreseinnahmen von 45,5 Milliarden Dollar. Unter der Leitung von CEO Michael Jordan, der im März 2003 die Geschäfte von Richard Brown übernahm, konzentriert sich EDS wieder auf das traditionellen Kerngeschäft Outsourcing. Dazu wurden drei Geschäftsbereiche definiert, die Services für das IT-Outsourcing, das Applikations-Management und das Business Process Outsourcing (BPO) anbieten. Jordan übernahm EDS im März 2003 in einem katastrophalen Zustand, nachdem der Aufsichtsrat seinen Vorgänger Brown vor die Tür gesetzt hatte.

Den Auftakt zu einer beispiellosen Pannenserie hatte eine überraschend hohe Gewinnwarnung im September 2002 (74 Millionen statt 374 Millionen Dollar) gegeben, es folgten Probleme mit unprofitablen Großverträgen, entgangene Outsourcing-Aufträge, finanzielle Schwierigkeiten, ein fallender Aktienkurs und fehlgeschlagene Optionsgeschäfte. Immer noch ermittelt die Börsenaufsicht SEC gegen EDS wegen Wertberichtigungen und Abschreibungen in einigen Bilanzen. Zudem verharrt die Bewertung der Kreditwürdigkeit durch Rating-Agenturen knapp über dem "Junk-Bond"-Status. Etwas Erleichterung verschaffte sich EDS mit dem Verkauf der PLM-Sparte, für die der Dienstleister einen guten Preis erzielte. Außerdem beantragte EDS kürzlich bei der SEC, Schuldverschreibungen und Aktien im Wert von 2,5 Milliarden Dollar für den Abbau von Schulden und Investitionen ausgeben zu dürfen.