Achim Berg, Microsoft

"Wir treiben den Markt für Cloud-Services"

24.02.2009 von Frank Niemann
Mit Achim Berg, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, sprach die COMPUTERWOCHE über den Hoffnungsträger Windows 7 und die neue Online-Plattform "Azure".

CW: Windows Vista war nicht der große Wurf. Warum soll mit Windows 7 nun alles besser werden?

Berg: Windows Vista war in Sachen Bedienkomfort ein Meilenstein. Windows 7 ist die konsequente Weiterentwicklung. Die Benutzersteuerung ist vereinfacht worden. Ein Beispiel dafür ist die Multi-Touch-Oberfläche, die auch eine Bedienung über Touchscreens erlaubt. Windows 7 ist deutlich schneller und noch leichter zu handhaben. Das habe ich selbst ausprobiert und arbeite bereits mit dem neuen System.

CW: Aber Windows Vista hat nicht den Erfolg gehabt, den Microsoft erwartet hat.

Berg: Da muss ich widersprechen. Wir haben in den letzten zwei Jahren 180 Millionen Vista-Lizenzen verkauft. Das ist weit mehr, als seinerzeit an Windows-XP-Lizenzen verkauft worden ist.

CW: Wir registrieren aber von vielen Unternehmen Zurückhaltung gegenüber Vista. Das Betriebssystem verbreitet sich vor allem durch den Kauf neuer Rechner.

Berg: Im Consumer-Bereich ist das der Fall, doch auch zahlreiche Firmen haben Vista bereits eingeführt. Dort sind die Zyklen aber länger. Nun haben Unternehmen die Möglichkeit, Vista auszuprobieren, um dann Windows 7 einzuführen.

CW: Warten die Unternehmen nicht eher ab, bis Windows 7 kommt, und lassen Windows Vista aus?

Wir haben in den letzten zwei Jahren mehr Vista-Lizenzen verkauft als seinerzeit Windows-XP-Lizenzen.
Foto: Achim Berg

Berg: Vor allem in großen Firmen dauern die Entscheidungen länger. Es wird aber viele geben, die mit Vista beginnen und dann auf Windows 7 umsteigen. Vor allem solche, die über Volumenverträge verfügen, die ihnen das Recht einräumen, das künftige Betriebssystem zu installieren. Unsere Unternehmenskunden müssen wissen: Der sicherste Migrationspfad zu Windows 7 verläuft über Windows Vista.

CW: Können Sie denn versprechen, dass Hardware, die heute für Vista ausreicht, auch für Windows 7 taugt?

Berg: Jede Hardware, die Vista unterstützt, arbeitet auch mit Windows 7 zusammen.

CW: Bei gleicher Leistung?

Berg: Die Rechner laufen sogar schneller unter Windows 7, wie zahlreiche Tests belegen. Und mindestens 95 Prozent der unter Vista verfügbaren Applikationen sind auch unter dem neuen Windows-System lauffähig.

CW: Windows 7 ist für PCs gedacht. Werden Firmen künftig in der Lage sein, Software für Windows zu schreiben, die unverändert sowohl auf Desktops als auch auf Mobilgeräten läuft?

Berg: Entwickler verwenden heute schon sehr ähnliche Tools. In Zukunft werden die Windows-Betriebssysteme der verschiedenen Geräte immer ähnlicher werden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Displays und welche Rechenleistung das jeweilige Zielsystem bereitstellt.

Azure oder "Windows in der Cloud"

CW: Neben dem klassischen Windows beschäftigen Sie sich mit der Online-Plattform "Windows Azure". Wie passt das in Ihre Strategie?

Berg: Windows Azure ist Herzstück unserer Azure Services-Plattform, welches wir als ´Betriebssystem in der Cloud´ bezeichnen. Dafür bauen wir gerade weltweit Rechenzentren auf, so dass Kunden ihre Applikationen in diesen betreiben können. Je nach Anforderung können Sie dabei die Kapazität aufstocken oder reduzieren. Dann beispielsweise, wenn sie in einem Monat mehr oder weniger Leistung benötigen.

CW: IBM hat vor einiger Zeit etwas Ähnliches erdacht und als "On Demand" bezeichnet.

Berg: On Demand bezog sich aber nur auf den Betrieb im Rechenzentrum. Azure ist da viel modularer und bietet ein komplettes Betriebssystem, welches auf die speziellen Anforderungen des Cloud Computing ausgelegt ist. Die Rechenleistung wird von beliebigen Microsoft-Datenzentren auf der Welt bereitgestellt. Daneben können Sie aber auch dedizierte Server mieten. Ferner ist es möglich, über verschiedene Endgeräte, beispielsweise mobile Geräte auf Azure-gestützte Dienste zuzugreifen.

CW: Wie wollen Sie mit Azure Geld verdienen?

Berg: Wir bieten Rechnerkapazitäten an für unsere eigenen Produkte, die unserer Partner sowie die unserer Kunden. Wir vermieten sozusagen die ´IT in der Cloud´. Darüber hinaus wird es hier aber auch klassische Lizenzierung an Unternehmen geben, die selbst Azure-Services entwickeln und anbieten wollen.

CW: Was bedeutet das für Ihr Kerngeschäft?

Berg: Das ist eine Ergänzung. Wir sind da gut aufgestellt, weil wir als einziger Anbieter hybride Betriebsmodelle bieten. Kunden können beispielsweise Sharepoint in der Cloud oder auf eigenen Servern nutzen. Zudem lassen sich Sharepoint-Umgebungen zum Teil lokal und zum Teil in Azure betreiben. Künftig werden Unternehmen nur die kritischen Applikationen auf eigenen Servern bereitstellen, während sie für Infrastrukturdienste wie File & Print, Unified Communications und E-Mail Online-Kapazitäten in Anspruch nehmen.

CW: Welche Rolle spielen Ihre Partner? Sind die bei Azure nicht außen vor?

Berg: Partnern bietet Azure eine Menge Möglichkeiten. Sie können auf Basis von Azure beispielsweise eigene Anwendungen entwickeln oder entsprechende Dienstleistungen anbieten. Zudem gibt es vor Ort bei den Kunden nach wie vor viel zu tun.

CW: Aber ist Azure nicht in erster Linie eine Reaktion auf Google und Co., die Applikationen sowie Speicherkapazität bieten und ihr Geschäft mit Softwarelizenzen bedrohen?

Berg: Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn keiner der von Ihnen genannten Firmen kann wie wir Software sowohl On-Premise als auch in der Cloud anbieten und zwar über die gesamte Produktlinie. Wir treiben den Markt.

Online-Funktionen für Microsoft Office

CW: Es gibt bereits Online-Applikationen, die zum Beispiel Basisfunktionen einer Textverarbeitung bereitstellen. Glauben Sie nicht, dass viele, die heute allenfalls fünf Prozent der Funktionen von Microsoft Word nutzen, sich künftig Internet-Diensten zuwenden?

Berg: Das ist ihr gutes Recht und sie werden diesen Service auch von Microsoft in Anspruch nehmen können. Office 14 wird auch online zu nutzen sein. Ich kann zwar noch keine Details nennen, aber es wird darum gehen, Dokumente über das Web zu teilen und Office-Funktionen via Internet bedienen können.

CW: Ist das dann ein abgespecktes Office im Netz?

Anwender können Azure aus bestehende Anwendungen heraus über Standard-schnittstellen nutzen.
Foto: Jo Wendler

Berg: Ja. Im Consumer-Bereich wird der Service durch Werbung finanziert, während es für Geschäftskunden werbefreie Mietangebote geben wird.

CW: Aber dann sehen Sie doch einen Bedarf für Online-Applikationen, wie sie Ihre Konkurrenten heute bieten?

Berg: Wenn Sie so wollen, ja.

CW: Mit welcher Akzeptanz rechnen Sie für Azure hier in Deutschland?

Berg: Der Markt ist da, das bestätigen auch die Marktforscher. Der Zug läuft jetzt an und ich glaube, dass bereits dieses Jahr die ersten Firmen sich mit Azure befassen werden. So richtig losgehen wird es aber wohl erst in zwei bis drei Jahren. Das hat weniger etwas mit der Technik zu tun sondern mit den Modernisierungszyklen der Unternehmen.

CW: Müssen Firmen ihre Software anpassen oder austauschen, wenn sie Azure nutzen möchten?

Berg: Nein, müssen sie nicht. Sie können Azure aus bestehenden Anwendungen heraus über Standardschnittstellen nutzen. Darüber hinaus können sie auch neue Anwendungen speziell für den Betrieb auf Azure schreiben. Es liegt an den Entwicklern, diese neuen Anwendungen entsprechend mit der bestehenden IT-Landschaft zu integrieren.

Microsoft hat den Browser wiederentdeckt

CW: Wenden wir uns dem Consumer-Bereich zu. Wie wollen Sie Ihr Portalgeschäft und Online-Werbegeschäft ausbauen, nachdem die Yahoo-Übernahme gescheitert ist?

Mit dem Internet Explorer 8 bringt Microsoft einen stark überarbeiteten Web-Browser auf den Markt - wurde auch Zeit.
Foto:

Berg: Wir bleiben nicht stehen. Beispielsweise entwickeln wir innovative Online-Services wie Live Mesh, mit dem Sie über das Netz Daten auf verschiedenen Geräten automatisch abgleichen können. Sehr erfolgreich läuft auch die Online-Community unserer Spielekonsole Xbox. Doch zu Ihrer Frage: Wir werden das Geschäft mit Internetsuche und Online-Werbung ausbauen. Wir wollten mit Yahoo lediglich schneller wachsen. Wir haben Know-how im Suchmaschinensegment aufgebaut und können da mit Wettbewerbern mithalten.

CW: Microsoft hat den Browser-Markt lange vernachlässigt. Warum bringen Sie erst dieses Jahr wieder eine neue Version des Internet Explorer heraus?

Berg: Für uns ist der Browser von strategischer Bedeutung, da mittlerweile viele Applikationen im Netz verfügbar sind. Die neuen Möglichkeiten von Internet Explorer 8 in Sachen Bedienung sind enorm. So können Anwender mit Hilfe von Web Slices und Schnellinfo beispielsweise Ergebnisse unmittelbar finden ohne die aktuelle Webseite zu verlassen. Außerdem wird es für Unternehmen möglich sein, mit Hilfe des Internet Explorer Administration Kits, den Browser nach ihren Anforderungen anzupassen. Darüber hinaus wird es auch eine Browser-Version für Kinder und Jugendliche geben.

Problemkind Media-Player "Zune"

CW: Microsoft will alle Kundensegmente vom Konsumenten bis zum Großunternehmen abdecken. Kann das funktionieren?

Berg: Ich glaube, dass ist die Voraussetzung für Erfolg. Wir wollen das komplette IT-Portfolio abdecken - für Unternehmenskunden und Privatnutzer. Darum müssen wir Server und Desktops aber auch mobile Devices und das Internet bedienen. Zudem wachsen Techniken ja zusammen, Lifestyle und Workstyle sind nicht mehr voneinander zu trennen. Viele Produkte, die privat genutzt werden, beispielsweise Instant Messaging, kommen vermehrt auch am Arbeitsplatz zum Einsatz.

CW: Aber Sie können doch nicht alle Segmente mit der gleichen Geschwindigkeit vorantreiben?

Berg: Wir haben uns da ja spezialisiert. Mitarbeiter, die bei uns Online-Werbung verkaufen sind andere, als die, die Unified Communications für große Firmen offerieren. Wir haben unterschiedliche Teams, mit denen wir alle Segmente abdecken können.

CW: Microsoft plant, eigene Läden zu errichten - auch in Deutschland?

Berg: Es geht da um zehn Läden mit Flagship-Store-Charakter weltweit. In Deutschland wird es zunächst maximal einen geben. Die Geschäfte werden eine Mischung aus Showroom, Service-Desk und Verkaufspunkt sein.

CW: Warum tut sich Microsoft mit der Markteinführung des Media-Players Zune so schwer?

Berg: Vor etwa zweieinhalb Jahren ist das Gerät in den USA auf den Markt gekommen und hat sich dort ganz gut verkauft. Um das Produkt auch in Deutschland anbieten zu können, müssen wir aber entsprechende Verträge für den Online-Musikvertrieb abschließen. Erschwerend kommt hinzu, dass der deutsche Markt preissensibel ist. Am besten verkaufen sich hierzulande MP3-Player für unter 100 Euro. Premium-Player wie Zune liegen aber darüber. Der nächste Schritt wird daher eine Zune-Software sein, die auf anderen Hardware-Plattformen wie etwa Smartphones laufen kann.