Oracle Deutschland

Wir sind eine Integration-Company

11.02.2009 von Sascha Alexander
Oracle Geschäftsführer Jürgen Kunz im Gespräch mit CW-Redakteur Sascha Alexander über Kunden, Trends bei der Datenbanknutzung und Konkurrent SAP.

CW: Wie reagieren Kunden auf die aktuelle Wirtschaftslage?

Kunz: Es wird weiter investiert, doch setzt jede Branche eigene Prioritäten. So spüren wir mittlerweile in der Automobilindustrie eine stärkere Kaufzurückhaltung, während Kunden aus anderen Branchen sogar kräftiger investieren (Mehr zu den Wünschen und Sorgen der Oracle-Kunden finden Sie hier).

CW: Wofür wird Geld ausgegeben?

Kunz: Schwerpunkte bleiben die Prozesssteuerung und -optimierung, die Rechenzentrumskonsolidierung und die "Schnittstelle zum Kunden". Letztere soll durch Anwendungen für CRM, Business Intelligence (BI) und Datenbankoptionen Wettbewerbsvorteile schaffen helfen.

CW: Was erwarten Sie geschäftlich für 2009?


Kunz: Besorgt sind wir nicht. Beispielsweise interessieren sich immer mehr Großunternehmen für unsere "Unlimited License Agreements" (ULA), die wir seit rund zweieinhalb Jahren anbieten. Kunden erwerben mit ihnen für eine bestimmte Laufzeit (zwischen einem und fünf Jahren) ein Bundle ausgewählter Oracle-Produkte zum Fixpreis (Software und Support), das sie dann in ihren Projekten unbegrenzt nutzen dürfen. Je intensiver sie das Angebot nutzen, desto größer wird der Kostenvorteil gegenüber der bisherigen Lizenzierung.

CW: Zum Jahresende wurde über Entlassungen im größeren Stil bei Oracle spekuliert. Tatsächlich mussten kürzlich rund 500 Mitarbeiter im Vertrieb und in der Beratung in den USA gehen. Kommt noch mehr auf Sie zu?

Kunz: Es wird viel geschrieben. Ich sehe uns hierzulande gut aufgestellt und bin daher optimistisch, dass die Krise auch eine Chance für uns sein kann.

Partner hören auf zu raufen

CW: Welche Rolle spielt der Mittelstand für Oracle?

Kunz: Unsere Mittelstandsorganisation deckt das gesamte Produktportfolio ab (Datenbank, Middleware, Applications), doch letztlich hängt der Erfolg von unseren Partnern und ihren Lösungen ab. Oracle stellt die Technik dazu bereit. Unsere Partnerlandschaft war in den letzten Jahren relativ stabil und zählt momentan rund 1700 Firmen in Deutschland. Wurde früher mehr mit den Ellbogen gearbeitet, feilen die Partner jetzt stärker an ihrem Profil und suchen für sich einer klare Marktstrategie - nicht zuletzt, weil sie begrenzte Ressourcen haben. Dies schließt die Zusammenarbeit mit Oracle Consulting ein. Letztlich muss aber der Partner entscheiden, wo er seine Schwerpunkte setzt. Das können wir nicht bestimmen.

Geschäftsführer Jürgen Kunz sieht Oracle gut aufgestellt, um die Wirtschaftsflaute in diesem Jahr zu überstehen.

CW: Machen Sie im Mittelstand etwas anders als SAP, die sich schon mehrere Anläufe unternommen hat? (siehe auch SAPs Erwartungen mit BusinessBydesign)

Kunz: Wir haben immer versucht, die Partner-Community einzubinden und mit ihr die Anforderungen der Kunden zu klären. Dies schließt ein, dass nicht alle Produkte immer von Oracle kommen müssen. Wir sind eine Integration-Company - das ist bei anderen Herstellern nicht so.

CW: Zumindest in den USA scheint das Geschäft eher einem Verdrängungskampf mit SAP zu gleichen.

Kunz: Sicher. Aber es gibt auch Industrien, in denen die IT-Standardisierung höchstens 20 Prozent beträgt. Der Rest sind Legacy-Systeme, die sich nicht einfach von einem Tag auf den anderen gegen SAP oder Oracle austauschen lassen. Viele solcher Anwender verlangen daher vor allem eine gute Integrationsfähigkeit der Business-Software mit ihren Bestandssystemen, um das Investitionsrisiko gering zu halten.

CW: Thomas Kurian, bei Oracle für die Middleware Fusion zuständig, hat als eine Direktive für 2009 "mehr Business Intelligence" (BI) ausgegeben. Was bedeutet dies?

Kunz: Die 2007 mit Hyperion gekaufte Software für BI und Performance-Management ist mittlerweile Teil der Fusion-Middleware. Kurian unterstreicht damit nochmals die Priorität der BI-Anwendungen innerhalb der IT-Strategie.

CW: Wie haben hierzulande die Hyperion-Kunden auf die Übernahme reagiert?

Kunz: Wir haben bald nach dem Kauf eine Roadmap veröffentlich, die den Anwendern die künftige Produktentwicklung und die Zusammenführung von Oracle- und Hyperion-Produkten erläutert hat. Unsere Kunden sind mit dieser Strategie zufrieden. Auch haben wir neue Kunden gewonnen. So gibt es mittlerweile Oracle-Data-Warehouse-Anwender, die nun zusätzlich Hyperion als Auswertungswerkzeug verwenden, andererseits haben wir Hyperion-Kunden, die jetzt auf Oracle als Dateninfrastrukturlieferanten setzen. Ferner gibt es BI-Anwender, die ULAs abschließen und nicht nur einzelne Produkte kaufen.

Data Warehouse Appliances als nächster Evolutionsschritt

CW: Mit der "HP Oracle Database Machine" und dem "HP Oracle Exadata Storage Server" hat Oracle vor kurzem vorkonfigurierte Data-Warehouse-Systeme aus Speicherhardware und Datenbank vorgestellt. Was versprechen Sie sich davon?

Kunz: Es ist ein wichtiger Ansatz, um die Effizienz unserer Infrastrukturprodukte zu steigern. Er soll vor allem den im Data Warehousing immer wieder beklagten Leistungs-Bottleneck zwischen Datenbank und Storage beseitigen helfen. Momentan können wir kaum alle Kundenanfragen bewältigen. Kunden können mit Exadata eine Effizienzsteigerung und gleichzeitige Kostenreduktion in ihrer Data-Warehouse-Infrastruktur erwarten. Viele arbeiten bereits an Proof-of-Concepts, so dass wir hoffentlich bald erste Referenzkunden in Deutschland präsentieren können.

CW: Über welchen Faktor bei den Kosteneinsparungen gegenüber einer traditionellen Oracle-Data-Warehouse-Umgebung reden wir?

Kunz: Je nach Kunde kann es sich durchaus um einen Faktor von zehn bis 20 handeln.

CW: Ist Exadata auch Oracles Antwort auf die zunehmende Konkurrenz durch Data- Warehouse-Appliances, mit denen andere Datenbankhersteller werben?

Kunz: Ich sehe die Ankündigung vor allem als nächsten logischen Schritt in der Data-Warehouse-Entwicklung, Storage und Datenbank miteinander zu integrieren.

CW: Erwartet Sie, dass Appliances künftig der Standard im Data Warehousing sind?

Kunz: Da wäre ich noch vorsichtig. Es ist aber ein opportuner Weg, den man jetzt erproben muss.

Laut Kunz sind Appliances der nächste logische Schritt im Data Warehousing, aber noch keine Option für eine unternehmensweite Lösung.

CW: Was spräche denn gegen Data-Warehouse-Appliances?

Kunz: Momentan sehe ich Appliances als taktische Lösungen. Sie sind vor allem für solche Unternehmen interessant, die ihr Data Warehousing auf der grünen Wiese beginnen können. Unternehmen mit einer über viele Jahre gewachsenen IT-Landschaft müssen hingegen in diesem Zusammenhang nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Applikationslandschaft genau prüfen.

CW: Der Datenbankmarkt wird immer vielfältiger. Wird er sich weiter aufsplitten, oder glauben Sie, dass es am Ende doch wieder eine Datenbank für alle Datentypen und Anwendungen geben wird? (siehe auch den Beitrag "Was bringt das Data Warehouse aus der Box?")

Kunz: Eher Letzteres. Welche Gründe könnte es geben, mehrere Datenbanken und Infrastrukturen zu betreiben und dafür Ressourcen vorzuhalten, wenn eine Datenbank funktional das komplette Anforderungsprofil abdeckt? Der Rest ist eine rein kommerzielle Debatte (siehe auch die aktuellen Trends im Datenbankmarkt).

CW: Funktional können aber mittlerweile viele Systeme ausgereifte Features bieten. Andererseits sprechen Highend-Features immer weniger Großkunden an. Offenbar unterscheiden auch manche Firmen zwischen unternehmenskritischen und weniger kritischen Datenbanklösungen.

Kunz: Auch wir bieten unsere Datenbank in unterschiedlichen Editionen und Ausbaustufen an. Kunden können so je nach Ausprägung skalieren.

Schleppendes Geschäft mit Applications

CW: Wann kommen die Fusion Applications?

Kunz: Die ersten Module sind da (CRM), die übrigen werden sukzessive folgen (Mehr zu Oracle CRM finden Sie hier).

CW: Wie will Oracle Kunden zum Wechseln auf die neue Plattform bewegen, zumal ja die Bestandssysteme weitergepflegt werden?

Kunz: Wir wollen keinen Druck auf die Kunden ausüben. Der Treiber für den Umstieg werden Veränderungen in den Business-Prozessen sein (siehe auch den Beitrag, wie Oracle seine Fusion-Applications vermarkten will).

CW: Zumindest der Umsatz mit Oracle Applications (ERP, CRM, BI) war in den letzten beiden Quartalen weltweit stark rückläufig. Ferner ließ sich der Verkauf von Middleware im zweiten Quartal kaum noch steigern. Was sind die Ursachen?

Kunz: Das Geschäft mit Core-Technologie - zu der viele Produktgruppen bei Oracle zählen - bewegt sich seit Jahren auf einem hohen Niveau. Immer mehr Kunden interessieren sich für unsere Integrationsplattform Fusion, weil sie einen Best-of-Breed-Ansatz ermöglicht, der vorhandene und neue Prozesse und Anwendungen verbinden hilft und eine harte Migration vermeidet: Dies erleichtert auch die Einführung von Applications. Allerdings wollen Kunden in diesen Zeiten keine kompletten ERP- oder andere Business-Suiten erwerben, sondern nur einzelne Module. Auch verlängern sich in einigen Fällen die Investitionszyklen. Zudem konzentrieren wir uns in Deutschland weniger darauf, bestehende Finanzsysteme abzulösen, sondern auf Bereiche, in denen sich der Kunde differenziert, wie etwa CRM oder SCM (siehe auch den ERP-Kostenvergleich zwischen Oracle und SAP)

CW: Oracle erweckt manchmal den Eindruck, dass es bei den vielen Übernahmen vor allem um Märkte und Kunden geht und dafür größere Überschneidungen im Portfolio in Kauf genommen werden.

Kunz: Es wäre völlig falsch, unsere Übernahmen als reine Finanztransaktionen einzuordnen. Jeder Kauf wird zuvor genau auf seinen Wert und die Folgen für unser eigenes Portfolio untersucht (lesen Sie auch das Interview mit Jürgen Kunz aus dem letzten Jahr).