Bericht von der 20. DOAG-Jahreskonferenz

Oracle bringt sich für Fusion Applications in Stellung

22.11.2007
Ab 2008 will Oracle erste Bausteine seiner neuen "Fusion"-Applikationslinie auf den Markt bringen und damit dem schärftsten Konkurrenten SAP Paroli bieten.

Im ersten Halbjahr 2008 beginne für Oracle ein neues Anwendungszeitalter, bestätigte Jürgen Kunz, Senior Vice President und Managing Director von Oracle in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen hatte Oracle-Chef Lawrence "Larry" Ellison durchblicken lassen, dass in den ersten sechs Monaten des kommenden Jahres ein erstes Modul der Fusion-Applikationslinie auf den Markt kommen soll. Damit würde der Softwarehersteller seinen vor rund zwei Jahren aufgestellten Zeitplan zumindest teilweise einhalten. Denn die für 2008 in Aussicht gestellte komplette Softwaresuite liegt noch in weiter Ferne. Zunächst startet der Konzern mit einzelnen Modulen in die Fusion-Ära. Den Anfang macht ein Werkzeug für Sales Force Automation. Weitere Bausteine sollen sukzessive folgen. Wann alle Funktionen der kompletten Suite auf Basis einer Service-orientierten Architektur (SOA) vorliegen werden, vermochte Kunz nicht zu sagen.

Fried Saacke hofft, dass Oracle seine Anwender frühzeitig in die Beta-Programme künftiger Entwicklungen einbindet.
Fried Saacke hofft, dass Oracle seine Anwender frühzeitig in die Beta-Programme künftiger Entwicklungen einbindet.

Die Anwender warteten bereits gespannt auf die neue Anwendungsgeneration von Oracle, ließ Fried Saacke, Vorstandvorsitzender der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG), am Rande der 20. Jahreskonferenz der Usergroup in Nürnberg durchblicken. Bislang habe der Hersteller wenig Einblicke in die Entwicklung der Fusion-Anwendungsfamilie gewährt (siehe auch: Interview mit Fried Saacke). Erst wenn die ersten Bausteine verfügbar seien, werden man jedoch feststellen können, ob Oracle seine Versprechen von einer offenen, auf Standards basierenden und Service-orientierten Applikationsfamilie einhalten wird. Saacke äußerte die Hoffnung, dass die Anwender frühzeitig in die Beta-Programme künftiger Entwicklungen eingebunden würden.

Oracle will sich seinen Kunden mehr und mehr als Komplettanbieter präsentieren, der den ganzen Software-Stack von der Datenbank über die Middleware bis hin zu den Applikationen anbieten kann (siehe auch: Oracle verteidigt seine Fusion-Strategie). "Es wäre schön, wenn die Anwenderunternehmen ganz auf Oracle setzen", wünscht sich Kunz. Allerdings müsse man als Softwarehersteller realistisch genug sein und auch Third-Party-Produkte mit einbinden. Kunz zufolge stehe das Thema Integration ganz oben auf der Prioritätenliste der Anwender. Deshalb gelte es für Oracle, zum einen das eigene Portfolio eng miteinander zu verzahnen und zum zweiten Schnittstellen zu Softwareprodukten anderer Anbieter zur Verfügung zu stellen. Basis dafür bildet die "Application Integration Architecture" (AIA). Die Kunden forderten von Oracle eine integrierte Infrastruktur, die ihre Geschäftsabläufe durchgängig und ohne Brüche abbilde.

Der angekündigte Fusion-Applications-Baustein für Sales Force Automation soll auf Anwendungsebene ein erster Schritt in diese Richtung sein. Dabei handele es sich nicht einfach um ein abgekoppeltes Modul aus der bestehenden Produktlinie, versichert Kunz. Die neu entwickelte Software werde tief in das Oracle-Portfolio integriert sein und auch Schnittstellen zu anderen Softwarewelten bieten. Zudem seien Business-Intelligence-Funktionen (BI) ein integraler Bestandteil künftiger Softwareprodukte. Nach Einschätzung des Oracle-Managers hat sich BI als eigenständiges Softwarethema erledigt. Die entsprechenden Funktionen würden künftig von Haus aus in den anderen Softwarebereichen wie Enterprise Resource Planning (ERP) und Customer Relationship Management (CRM) aufgehen.

Oracle werde die Anwender nicht zwingen, auf die neue Anwendungsgeneration umzusteigen, verspricht Kunz. Jeder Kunde könne dann wechseln, wenn er es für richtig halte. Um die Anwendungskunden bis dahin bei der Stange zu halten, hat Oracle zugesichert die bestehenden Produkte unter dem Progamm "Applications Unlimited" unbefristet weiter zu entwickeln und mit Support zu unterstützen. Dieses Versprechen hat der Hersteller bis dato gehalten. Nachdem in diesem Jahr bereits eine ganze Reihe neuer Releases auf den Markt gekommen war, sind die nächsten Versionen bereits in Aussicht gestellt, beispielsweise die "E-Business-Suite 12.1", "Peoplesoft 9.1", "J.D-Edwards Enteprise One 9.0", "J.D. Edwards World A9.1.2" und "Siebel 8.1".

Oracles Deutschlandchef Kunz hat keine Sorgen, sich mit der Entwicklung zu verzetteln (siehe auch: Oracle baut Entwicklungsabteilung um). Der Konzern habe die Ressourcen, den dafür notwendigen Aufwand neben der Entwicklung der neuen Applikationslinie zu stemmen. Die Verantwortlichen verweisen auf die rund 16.000 Entwickler in Diensten Oracles und einen Jahresetat von etwa 2,4 Milliarden Dollar. Damit steckt Oracle über 13 Prozent seines Jahresumsatzes in den Bereich Research and Development (R&D). Dies soll in erster Linie dazu dienen, den Anwendern Sicherheit zu geben. Kunz verdeutlichte dies anhand einer Datenbank, die Oracle vor rund 16 Jahren von Digital übernommen hatte. Heute arbeiteten in Deutschland noch etwa zehn Anwender damit. Diese würden aber nach wie vor regelmäßig von Oracle mit Software versorgt.

Die Topline der Box

Oracle macht seine Support-Hausaufgaben

Die grundsätzliche Zufriedenheit der Oracle-Anwender mit der Support-Qualität ist leicht angestiegen, meldet die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG) zum Auftakt der 20. Jahreskonferenz in Nürnberg.

Laut der jüngsten Umfrage, an der sich in den vergangenen Wochen 502 DOAG-Mitgliedsunternehmen beteiligt hatten, äußerten sich 48 Prozent der Befragten zufrieden (40 Prozent) beziehungsweise sehr zufrieden (acht Prozent) mit der Servicegüte. 15 Prozent sind unzufrieden, fünf Prozent sehr unzufrieden. Vor einem Jahr lag der Anteil der unzufriedenen Oracle-Kunden bei 22 Prozent. Auf zufrieden oder sehr zufrieden votierten 2006 rund 37 Prozent der befragten Oracle-Anwender.

Trotz dieses positiven Trends gibt es für die DOAG-Verantwortlichen keinen Grund zur Entwarnung. Nach wie vor gebe es in Einzelfällen Probleme, beispielsweise bei der Behandlung von komplexen Problemen. Demnach fehlten Oracles Servicemitarbeitern oft fachliches und sprachliches Know-how. Außerdem gingen Informationen verloren, wenn die Supportfälle rund um den Globus gereicht werden. "Die Prozesse und Abläufe bei den komplexen Support-Anfragen müssen weiter verbessert werden", fordert DOAG-Chef Fried Saacke. "Hier erwarten die Anwender vom Support insbesondere deutschsprachige Ansprechpartner sowie Kenntnisse der lokalen Besonderheiten bei geschäftlichen Abläufen."

Angesichts der Produktvielfalt könne Oracle den Anwendern Support in der Muttersprache nicht rund um die Uhr und in allen Zeitzonen zur Verfügung stellen, dämpft Dieter Weißhaar, verantwortlich für den Customer Service von Oracle in Nord- und Zentraleuropa, die Hoffnungen der Anwender. Das hätte höhere Supportgebühren zur Folge. Hierzulande biete man den Kunden deutschsprachigen Support zu den üblichen Geschäftszeiten. Weißhaar verwies auf das grundsätzlich hohe Niveau des Oracle-Supports. Damit rangiere der Konzern in Sachen Kundenzufriedenheit deutlich vor der Konkurrenz, konstatierte der Manager unter Berufung auf Analystenuntersuchungen.

Darüber hinaus kündigte Weißhaar jedoch Verbesserungen beim Support an. Mit den Zukäufen der vergangenen Jahre habe der Konzern auch eine ganze Reihe von Support-Tools übernommen. Oracles Kunden-Support soll beispielsweise künftig mit "Siebel Call Center 8.0" arbeiten. Außerdem wird es mit "Metalink 3.0" eine neue Online-Support-Plattform mit zusätzlichen Funktionen geben. Weißhaar betont vor allem den Software Configuration Manager. Mit diesem Tool könnten Anwender Informationen über ihre Oracle-Systemumgebung hinterlegen. Damit ließen sich im Supportfall die Antwort- und Bearbeitungszeiten verkürzen, stellt der Oracle-Manager in Aussicht.

Trotz aller Bemühungen gibt es aber nach wie vor Verunsicherung unter den Oracle-Kunden - offenbar besonders unter den Anwendern der zuletzt übernommenen Softwareanbieter. Beispielsweise berichtet Stephan Klopfer, verantwortlich für die Hyperion-Produkte beim Weltbild-Verlag, von einer nach wie vor herrschenden Beunruhigung unter der Hyperion-Community. Oracle hatte den BI-Anbieter Anfang März dieses Jahres übernommen (siehe auch: Oracle erschüttert den BI-Markt). Klopfer glaubt nicht, dass alle Hyperion-Produkte weiterentwickelt werden. Das würde aus wirtschaftlicher Sicht wenig sinnvoll sein, da es zum Teil deutliche Überschneidungen mit dem Oracle-Portfolio gebe. Man müsse nun abwarten, wie die Integration beziehungsweise Bereinigung des BI-Portfolios vonstatten gehe. Klopfer fürchtet eventuell drohende Migrationen, deren finanzielle Folgen kaum abzuschätzen seien.

Kunz kündigte indes an, dass Oracle an seiner Akquisitionsstrategie festhalten werde. Seit 2005 hat der US-Konzern 38 Softwarefirmen geschluckt und dafür zwischen 25 und 30 Milliarden Dollar ausgegeben. Unter den Anwendern stößt diese Politik nicht immer auf Zustimmung. Angesichts des Tempos verliere man leicht den Durchblick, klang auf der DOAG-Konferenz durch. Kunz bedauerte dies, erklärte jedoch im gleichen Atemzug, Oracle werde jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um weitere Firmen zu übernehmen, deren Angebot das eigene Portfolio verstärkt und auf der passenden Architektur beruht. "Das hört nicht auf." (ba)