Progress-CEO Alsop

"Wir sind die Schweiz im SOA Markt"

29.09.2008 von Wolfgang Herrmann
Nach mehreren Zukäufen gehört Progress Software zu den mittelgroßen Playern in der SOA-Szene. CEO Joseph Alsop erklärt im CW-Interview, wie er gegen die Branchenschwergewichte IBM, Oracle und SAP bestehen will.

CW: Mit Iona und Mindreef hat Progress in jüngster Zeit zwei weitere SOA-Spezialisten übernommen. Welche Strategie steckt dahinter?

Alsop: Wir wollen unsere SOA-Produktpalette weiter ausbauen. Mindreef beispielsweise ergänzt unsere bestehende Actional-Familie für SOA-Governance. Bei Iona ging es nicht nur um Technologien, sondern auch um erfahrene Mitarbeiter und Kunden.

Es muss einen neutralen Anbieter im SOA-Markt geben, sagt Progress-Chef Joseph Alsop.
Foto: Joseph Alsop

CW: Bisher ist Progress vor allem im amerikanischen Markt bekannt. Wollen Sie ihre Aktivitäten auch in Europa und im deutschsprachigen Markt verstärken?

Alsop: Iona mit Hauptsitz in Irland stärkt auf jeden Fall unsere Präsenz in Europa.

CW: Werden Sie im Zuge der Übernahmen auch Stellen abbauen?

Alsop: Das müssen wir. Ein Grund für die Konsolidierung in der Branche besteht ja darin, dass viele Anbieter effizienter arbeiten müssen.

CW: Wie kann Progress als mittelgroßer Player gegen die großen SOA-Stack-Anbieter vom Schlage IBM oder Oracle bestehen?

Alsop: Es muss einen neutralen Anbieter im Markt geben, der sozusagen die Rolle der Schweiz übernimmt. Wer als Kunde von IBM oder Oracle kauft kann nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich deren Produkte gut mit Systemen konkurrierender Hersteller integrieren lassen. Diese Anbieter werden immer bestrebt sein, nicht nur ihre SOA-Tools sondern möglichst auch viele ihrer anderen Produkte zu verkaufen (siehe auch: SOA-Tools von IBM und SAP im Vergleich). Wir sehen deshalb eine Chance für einen unabhängigen Anbieter, der eine kritische Masse erreicht und eine komplette Produktpalette aufgebaut hat.

CW: Die Darmstädter Software AG argumentiert ganz ähnlich und behauptet, der einzige neutrale SOA-Anbieter zu sein. Was sagen Sie dazu?

Alsop: Dann gibt es jetzt wohl zwei solcher Anbieter. Und Tibco würde bestimmt das Gleiche sagen. Die entscheidende Frage ist doch: Wer hat die besten Produkte und den besten Service?

CW: Konkurrenz erwächst Progress auch aus der Open-Source-Szene. Mit Red Hat / JBoss oder auch der aus der Deutschen Post hervorgegangenen Firma Sopera tummeln sich durchaus potente Anbieter im Markt (siehe auch: Wer liefert das beste SOA-Paket?) Wie reagieren Sie darauf?

Alsop: Auch Iona ist in Sachen Open Source sehr aktiv. Diese Bemühungen werden wir weiter vorantreiben. Wir glauben, dass wir für Unternehmen, die an Open-Source-Software interessiert sind, das beste Angebot bezüglich SOA und Integration haben.

CW: Auch Red Hat pocht mit den JBoss-Produkten auf seine Expertise in punkto Middleware, Integration und SOA.

Alsop: Die Positionierung mag ähnlich sein. Aber wir haben uns auf SOA und Integration spezialisiert und können diesbezüglich im Open-Source-Bereich mehr anbieten als alle anderen. Dafür steht unsere Produktfamilie Fuse.

CW: Rechnen Sie mit einer weiteren Konsolidierung in der SOA-Branche?

Alsop: Wir haben jetzt drei oder vier große Anbieter im Markt, je nachdem ob man neben IBM und Oracle noch SAP und Microsoft dazuzählt. Hinzu kommen die drei mittelgroßen Player Progress, Tibco und die Software AG. Ich glaube nicht, dass es noch mehr große Übernahmen geben wird.

CW: Es gibt immer mehr kritische Berichte über SOA-Projekte, die ihre Ziele nicht erreicht haben oder sogar gescheitert sind (siehe auch: Warum SOA-Vorhaben schiefgehen). Wie schätzen sie die Situation in Anwenderunternehmen ein?

Alsop: Ich kann nur über unsere eigenen Erfahrungen mit Kunden sprechen. Dabei ist mir noch kein gescheitertes Projekt untergekommen. Es gibt sicher SOA-Vorhaben, die länger gedauert haben als angenommen. Schuld daran sind meistens Planungsfehler oder zu hohe Erwartungen. Dass IT-Projekte manchmal etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen und mehr kosten als angenommen, ist aber nicht ungewöhnlich.

CW: Trotzdem scheint es in der Praxis doch einige ernste Probleme zu geben. Wo sehen Sie die größten Hürden?

Alsop: In SOA-Projekten geht es in der Regel um eine Mischung aus einer großen Dachstrategie und relativ kleinen Vorhaben zu Beginn. Das Problem dabei ist ähnlich gelagert wie bei vielen anderen Techniken: Erst wenn der Einsatz auf breiter Front geschafft ist, stellt sich der Nutzen ein. Beim ersten Teilprojekt sind die Effekte meistens gering. Es geht immer um die Frage: Wie können wir beweisen, dass wir auf dem richtigen Weg sind? Hinzu kommt: Die Technologie soll zwar alles vereinfachen, ist aber selbst reichlich komplex. Diese Komplexität müssen IT-Verantwortliche meistern und dabei zugleich die geschäftlichen Anforderungen ihres Unternehmens verstehen.

Mehr zum Thema SOA und Business-Process-Management im CW-Experten-Blog SOA meets BPM.