Interview mit Soti-CEO Carl Rodrigues

“Wir sind anders als alle EMM-Anbieter”

10.12.2015 von Manfred Bremmer
Soti-CEO und -Gründer Carl Rodrigues erklärt im Interview mit der COMPUTERWOCHE, warum der kanadische EMM-Anbieter (Enterprise Mobility Management) auf klassische Unternehmenstugenden setzt, um innovativ zu bleiben.

CW: Wie unterscheidet sich Soti vom Wettbewerb?

Carl Rodrigues, CEO und Gründer von Soti
Foto: SOTI

Rodrigues: Der Fokus vieler unserer Wettbewerber scheint darauf zu liegen, die Devices im Büroumfeld zu verwalten, mit denen auf Unternehmens-Mails oder das Firmen-WLAN zugegriffen wird etc… Das ist interessant, aber aus unserer Sicht eben nicht der interessanteste Teil von Enterprise Mobility. Denn was ist schon dran, wenn Apple oder Samsung, Google oder Microsoft alle paar Monate sagen: Hey, hier sind ein paar neue APIs, könnt Ihr die supporten? Diese Ankündigungen gehen an alle EMM-Anbieter und sie fügen alle exakt die gleiche Sache hinzu und bemühen sich bei einem neuen Release um Plattform-Support ab Day One. Klar machen wir das auch aber es ist nicht so schrecklich interessant für uns, denn aus der Kunden-, also der Unternehmenssicht bekommt man nur die Basic-Funktionen, praktisch das A und O, um Mobilität zu verwalten.

CW: Inwiefern schlägt Ihr Unternehmen dann eine andere Strategie ein? Was machen Sie anders?

Rodrigues: Wir betrachten die langfristigen Möglichkeiten von Mobility und wie es sich in den nächsten fünf bis sieben Jahren entwickelt. Wir gehen fest davon aus, dass jedes Unternehmen weltweit in der Zukunft Mobilität einsetzen wird, um von den damit verbundenen Vorteilen zu profitieren. Die Fragestellung ist ja: Wie bleibt mein Business in den nächsten Jahren wettbewerbsfähig, wie wird es aussehen und was kann ich ändern, um das Meiste aus dieser Technologie zu holen? Dazu bedarf es aber einer anderen Art von EMM-Produkt und darauf fokussieren wir uns, nämlich die nächste Welle an Innovationen zu verstehen.

Und wenn Sie unser Produkt betrachten, ist dies der Unterschied: Zwar verwalten auch wir die mobilen Endgeräte von Angestellten, aber das macht jeder und sie kämpfen miteinander um ein paar Cents. Aber mit den anderen Bereichen befasst sich kaum irgendjemand, weil es sich um eine langfristige Vision handelt und ebenso weil man - wenn man börsennotiert ist - den Aktionären Rede und Antwort stehen muss. Und die Anleger sind mehr interessiert an aktuellen Profiten und weniger an denen in der Zukunft. Wir sind anders, denn es gibt keinen Investoren und wir sind nicht an der Börse - und wir investieren daher viel Geld in die langfristige Planung.

CW: Können Sie das etwas verdeutlichen?

Rodrigues: Wir haben drei Forschungseinrichtungen weltweit, eine an unserem Hauptquartier in Mississauga, da gibt es verschiedene Abteilungen, die sich nur um Research kümmern, dann haben wir noch eine in Waterloo, dieses ist verbunden mit den wichtigsten Universitäten in Kanada und konzentriert sich auf Computer Science und Engineering und diese Forschungseinrichtung arbeitet mit den Unis und Professoren an den neuesten Mobility-Trends und dann haben wir noch eine dritte, die ist offshore. Zusammen arbeiten die Teams an Technologien, die schon ab dem nächsten Jahr auf den Markt kommen - bis hin zu solchen im Zeithorizont von bis zu sieben Jahren von jetzt.

"Wir begannen schon 2003 damit, alles zu verbinden"

CW: Okay, aber wo ist der Unterschied? Andere Anbieter wie Airwatch und Blackberry reden auch von Wearables, Internet of Things oder Connected Cars etc…?

Rodrigues: Okay, jeder redet derzeit von IoT, weil dies der heißeste Begriff aktuell ist, aber ich denke, in den nächsten Monaten gibt es dann ein neues Schlagwort, das ist noch heißer… Beim reinen Fokus auf Buzzwords handelt es aber nicht um Forschung, sondern um Marketing. Wir machen Dinge, wir verbinden Wearables wie Google Glass und diese ganzen Geräte und das schon für eine lange Zeit.

Wir haben bereits mit dem Internet of Things gearbeitet, bevor IoT überhaupt erfunden wurde. Carl Rodrigues, Soti-CEO
Foto: Soti

Bei uns kursiert ein Witz, der lautet: Wir haben bereits mit dem Internet of Things gearbeitet, bevor IoT überhaupt erfunden wurde. 2006 beispielsweise verbanden wir bereits Drucker, Scanner und alles, was man via Bluetooth verbinden kann - das haben wir schon 2006 gemacht. Und sogar schon vorher, 2003, 2004 begannen wir, alles zu verbinden.

CW: Und wie ist der aktuelle Stand rund um das Internet of Things?

Rodrigues: Wo stehen wir heute beim Verbinden von Dingen mit MobiControl? Wir haben ein IoT-Framework, das in den nächsten zwei Quartalen freigegeben wird und das verbindet alles mit dem System, also ein iBeacon-Device oder ein intelligentes Device mit Prozessorleistung wie ein Rasberry Pie. Wir arbeiten mit Companies in der Flugzeugindustrie zusammen, die interessante Dinge mit Gepäck-Tracking und Ähnlichem mit Bezug zu den Passagieren machen, also solche IoT-Themen.

Aber lassen Sie mich über etwas interessantere und tiefgründigere Forschung reden: Wenn man Wearables mit MobiControl verknüpft, kann man sehr interessante Dinge machen. Klar redet jeder über die Apple Watch und solche Dinge und natürlich das machen wir auch. Für uns ist aber interessanter, wenn wir andere Dinge verbinden.

In unserer Forschungseinrichtung in Waterloo verbinden wir ganze Fahrzeuge mit MobiControl, also hauptsächlich Autos und Lastwägen - und in der Zukunft sogar Züge, Schiffe und Flugzeuge - und erhalten Daten von diesen Fahrzeugen. Über die OBD2-Schnittstelle etwa erhalten wir interessante Informationen über den Motor und das Fahrverhalten, etwa Muster über das Brems- und Lenkverhalten oder den Kraftstoffverbrauch. Wenn man das ausweitet, erhält man sogar Daten vom Lenkrad wie den Blutdruck oder Puls des Fahrers.

CW: Das klingt ziemlich futuristisch - ist das denn heute schon so im Einsatz?

Rodrigues: Nicht alles, aber was wir heute schon machen: Wir kombinieren die Daten über Brems- und Lenkverhalten und erhalten so ein weitgehendes Profil des Fahrers mit einer bestimmten Charakteristik. Und wie erkennen wir den Fahrer? Er trägt ein mobiles Endgerät bei sich und über das erhalten wir seine Geo-Daten. Anhand der Fahrdaten können wir dann beispielsweise erkennen, wie es um seinen Gesundheitszustand bestellt ist, also ob er eventuell einen Herzinfarkt bekommt.

Es ist aber auch möglich, festzustellen, dass der Fahrer jeden Arbeitstag um 17 Uhr an einem Ort hält, den wir als eine Bar identifizieren können. Und wenn er nach einigen Stunden aus der Bar herauskommt, ist das Fahrmuster komplett anders. Wir können daraus schließen, dass der Fahrer betrunken ist.

Das ist die Forschung, die wir aktuell schon machen, weil sie Leben retten kann. Wir können auch anhand einer anderen Fahrer-Signatur folgern, dass ein Fahrzeug, in dem sich möglicherweise Ausrüstung im Wert von Millionen Dollar befindet, gestohlen wurde.

CW: Das ist ein interessanter Ansatz, wenn man betrachtet, dass fast jeder große Player im EMM-Markt mehr und mehr in Richtung Mobile Security geht…

Rodrigues: Ja, aber Sie sagen es ja selbst: Jeder Player. Wir machen das auch, aber ich nenne das Brot-und-Butter-Geschäft, denn wir blicken weiter. Eines der Dinge, über die wir kürzlich auf unserer Hausmesse in Toronto gesprochen haben, ist eine andere Technik, nämlich ein Rapid App Development Framework. Vor zwei Jahren erkannten wir im Gespräch mit Kunden das Problem, dass Mobility zwar von Apps angetrieben wird, Zeit, Geld und Komplexität jedoch deren Einsatz im Business bremsen. Die Technologie hat großes Potenzial, aber viele Unternehmen sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt…

Doch wie ändern wir diese Situation? Ich habe mein Team herausgefordert: Ich möchte, dass Ihr, noch während der Kunde die App beschreibt, einen Prototyp schafft. Am Ende der Unterhaltung - also eine bis anderthalb Stunden -soll dann ein funktionierender Prototyp stehen, den der Kunde sehen kann. Von da ab darf es dann nur noch vier Wochen dauern, bis eine fertige Cross Plattform-App erstellt ist. Die Entwickler sagten zu mir, Carl, Du bist verrückt. Dennoch zeigten wir auf der Konferenz eine Demo von einer App, die wir live in fünf Minuten bauten und sie läuft auf jeder Plattform.

CW: Für viele EMM-Anbieter scheint bereits das Brot- und Butter-Geschäft eine Herausforderung zu sein, wenn man betrachtet, wie wenig Companies neue Releases ab Tag Eins unterstützen. Wie bekommen Sie das auf die Reihe?

Rodrigues: Wir waren die einzige Company, die Same-Day-Support für Android for Work hatte. Im März stellt Google das System vor und machte dabei viel Pressearbeit für uns, denn die üblichen Verdächtigen, also Blackberry & Co., schafften Googles Zertifizierungsprozess nicht. Wir hatten auch Same-Day-Support für iOS 9. Wir machen das natürlich, weil es zum Tagesgeschäft von EMM gehört. Unsere Vision reicht aber weiter, weil wir auf das gesamte Ökosystem rund um Mobility blicken.

Wir schauen auf die Themen Business Analytics und Intelligence, um das Geschäft am Laufen zu halten, wir überlegen uns, wie man Apps schneller bauen kann und all diese Aspekte. Sie wollen Content auf Ihren Devices? Wir haben dafür ein Produkt namens Soti Hub, das mehr kann als Lösungen anderer Hersteller. Hier geht es darum, wie man auf Web-Inhalte zugreift, wie man Content auf ein Gerät bekommt, auch wenn man sich gerade in Tokio befindet. Denn wenn man gerade im Bullet Train in Tokio sitzt, wird das Mobile Device zum Office. Es geht um mehr als E-Mail und das ist die Vision, die wir haben.

"Wir sind die einzige Firma im EMM-Markt, die durchgängig profitabel war"

CW: Okay, lassen Sie uns etwas über den Markt sprechen. Da gibt es ja durchaus Unternehmen, die vor ihnen liegen. Woran liegt das? Was könnte Soti besser machen?

Rodrigues: Ja das stimmt, aber wir sind anders, weil wir profitabel wachsen. Das liegt daran, dass wir keine Investoren an Bord lassen. Sobald das passiert, hat man einen Haken im Fleisch und sie ziehen einen in Richtung Kurzfrist-Planung. Sehen Sie, wir sind die einzige Firma im EMM-Markt, die durchgängig profitabel war, wir hatten nie ein negatives Quartal in der Geschichte von Soti seit Tag Eins. Im Gegensatz dazu gibt es sehr viele Wettbewerber, die kein einziges profitables Quartal vorweisen können. Unser Fokus liegt auf Innovation, langfristige Planung.

Gartner stuft Soti im Magic Quadrant EMM 2015 als Visionär ein.
Foto: Gartner

Wir sprechen nicht viel über Geld, aber im letzten Geschäftsjahr stiegen die Umsätze um 54 Prozent. Wir sind die am schnellsten wachsende Firma der Branche, wir haben Teams in 22 Ländern rund um die Welt und 15.000 Kunden - soweit ich das weiß, ist das der größte Kundenstamm in der Branche. In Ihrer Region sind das etwa BMW, Volkswagen, Deutsche Post und DHL. Das sind alles große Unternehmen und sie haben sich für uns entschieden, weil sie ihre Hausaufgaben gemacht haben. Es klingt seltsam, aber die altmodische Art, Geschäfte zu betreiben, funktioniert noch immer. Man muss keine Dotcom-Company sein.

CW: Nun ja, zumindest ein paar der von Ihnen genannten Konzerne haben auch Lösungen Ihrer Wettbewerber im Einsatz…

Rodrigues: Ja vermutlich, denn das sind große Unternehmen...

CW: und es gibt unterschiedliche Use-Cases…

Rodrigues: Ja, wahrscheinlich. Obwohl Sie Soti für alles im Mobility-Bereich einsetzen können: Für die Geräte von Angestellten aus dem Büro, der Verwaltung, der Produktion, für das Flotten-Management - die ganze Palette. Viele andere Produkte sind gut im Büroumfeld und das war's dann. Ein Grund, warum uns viele Unternehmen einsetzen ist, dass es sich um ein Produkt für alle Szenarien handelt. American Airlines etwa nutzen unsere Technologie und vor ein paar Jahren entschieden sie, voll auf die Mobility-Karte zu setzen. Und sie sagten zu uns: Was können wir aus der Technologie herausbekommen und wie können wir unsere Prozesse mobilisieren, um dadurch Geld zu sparen und gleichzeitig mehr Wert für ihre Kunden zu liefern.

Und sie haben ihre Organisation tatsächlich von Kopf bis Fuß mobilisiert: Die Piloten nutzen iPads für ihre Flughandbücher und die müssen immer aktualisiert sein, sonst gibt es massive Strafen von der IATA. Daher verwalten sie diese Devices mit uns. Wenn Sie mit AA in der Business-Class fliegen, bekommen Sie ein Tablet mit Unterhaltungsprogramm, Filmen, Spiele etc. - auch das wir mit Soti verwaltet. Wenn Sie etwas aus dem Duty Free während des Flugs kaufen wollen, hat das Bordpersonal ein anderes Tablet - von Samsung glaube ich - mit Kreditkartenleser und auch das wird mit unserer Lösung gemanaget.

Und das Gleiche gilt auch für das Gerät, das im Flughafen den Boarding-Pass scannt oder die Devices bei der Flugzeugwartung, auf denen sich der Schaltplan befindet. AA hat natürlich auch Büromitarbeiter - auch deren Geräte verwalten wir. Und warum? Wir sind die einzige Company, die End-to-End-Mobility können. Und das ist der Grund, warum wir Fahrt aufnehmen. Unser Business wächst sehr schnell und komplett profitabel, weil wir unser Produkt auch nicht umsonst weggeben - im Gegensatz zu den Wettbewerbern aus dem Büroumfeld, die bei den Preisen ihre Hosen runterlassen. Wir erklären das auch unseren Kunden: You get what you pay for!