Interview

"Wir haben nichts Illegales oder Unmoralisches getan"

16.01.1998

CW: Wenn Sie den "Internet Explorer" aus Windows 95 herausnehmen, können Sie immer noch Marktanteile gewinnen. Windows 98 ist von dem Gerichtsverfahren ohnehin nicht betroffen. Wofür kämpfen Sie denn überhaupt?

Ballmer: Es geht bei diesem Prozeß nicht in erster Linie um den Browser-Markt. Wichtiger ist für uns die Frage, wie wir Windows weiterentwickeln und damit unseren Kunden dienen können. Wir wollen es hier zu keinem Präzedenzfall kommen lassen. Andernfalls haben wir eines Tages für jedes Produkt unterschiedliche Versionen, wo die Funktion X, Y oder Z vorhanden oder nicht vorhanden ist, nur weil sich jemand beschwert hat.

CW: Warum haben Sie sich dann seinerzeit mit dem Justizministerium geeinigt und den Consent Decree unterschrieben?

Ballmer: Um ehrlich zu sein, wir wollten in dieser Sache einfach Ruhe haben. Wenn ich den Vertrag nochmal schließen könnte, würde ich aber ein paar Dinge besser aushandeln.

Der Consent Decree gibt uns jedenfalls das Recht, ein neues Produkt auszuliefern. Die Frage ist nur, was ist die nächste neue Funktion, über die sich jemand aufregt? Ich bin der Meinung, Spracherkennung sollte irgendwann in das Betriebssystem eingebaut werden. Aber auch hier gibt es Firmen, die solche Produkte bereits vertreiben.

CW: Gibt es nach Ihrer Meinung irgendwelche Funktionen oder Produkte, die definitiv nicht in das Betriebssystem gehören?

Ballmer: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich weiß nicht, ob sich ein solcher Bereich definieren läßt. Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, aber nicht unter rechtlichen Gesichtspunkten. Wenn wir Schinken-Sandwiches einbauen wollen, dann sollten wir das dürfen.

CW: Ihre Kritiker sagen, daß Sie Ihr Monopol bei Betriebssystemen ausnutzen, indem Sie immer mehr Produkte in Windows packen und so Mitbewerbern das Geschäft kaputtmachen. Ist es nicht Aufgabe des Staates, für faire Bedingungen im Markt zu sorgen?

Ballmer: Ich glaube nicht, daß wir irgend etwas getan haben, was illegal, unmoralisch oder unethisch wäre. Anders verhielte es sich, wenn wir beispielsweise jemanden zum Kauf von Office zwingen würden, wenn er Windows erwerben will. Staatliche Eingriffe gingen auf Kosten des Kunden. Er bekommt dann weniger für sein Geld und muß für Dinge bezahlen, die wir ihm wesentlich günstiger liefern könnten.

CW: Ist aber nicht der Kunde auf längere Sicht der Verlierer, wenn er aufgrund fehlender Konkurrenz weniger Auswahl hat und auf Innovation verzichten muß?

Ballmer: Ich glaube, wir sind jetzt lange genug im Geschäft, um diese Frage beantworten zu können. Wäre es wirklich besser, wenn all die Dinge, die jetzt Bestandteil von Windows 95 sind, immer noch einzeln gekauft werden müßten? Erinnern Sie sich noch daran, daß vor zehn Jahren Speicher- und Datei-Manager, TCP/IP sowie grafische Benutzeroberflächen separate Produkte waren? Ich glaube, daß deren Integration in das Betriebssystem für die ganze Branche ein Fortschritt war und vielleicht sogar der Konkurrenz geholfen hat. Es hat aber sicherlich nicht den Anbietern von Speicher-Managern genutzt, um ehrlich zu sein.

CW: Eine etwas nüchterne Betrachtung würde Windows 98 als nette Verschmelzung von GUI und Browser sehen, die neuen Hardwarefunktionen werden die Hersteller nicht vor Ende 1998 unterstützen. Wovon erwarten Sie sich Umsatzzuwächse, da auch NT 5.0 nicht vor Ende des Jahres zu erwarten ist?

Ballmer: Kurzfristiges Streben nach Umsatz ist uns nicht so wichtig. In erster Linie müssen die Produkte stimmen. Windows NT ist außerdem für uns nicht einfach ein Umsatzgenerator wie Windows 95, es ist ein Schlüsselprodukt. Oberstes Gebot ist dort Qualität, sowohl was Fehlerfreiheit als auch Leistungsfähigkeit anlangt.

CW: Ist es nicht ein bißchen naiv, wenn Sie schon davon reden, das "digitale Nervensystem" von Unternehmen zu besitzen - angesichts dessen, was NT heute kann, und ein Jahr, bevor die Version 5.0 auf den Markt kommt?

Ballmer: Wenn wir vom digitalen Nervensystem reden, dann denken wir weniger an die Transaktionssysteme im Back-end. Das ist der Bereich, wo es um Fragen der Skalierbarkeit geht. Bei E-Mail und Intranets gibt es keine Zweifel, daß NT und dafür erhältliche Produkte ausreichend skalieren.