CIO trifft CEO

"Wir brauchen mehr Unterstützung von Microsoft!"

08.08.2008 von Christoph Witte
Michael Neff, CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG, fühlt Achim Berg, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, auf den Zahn. Es geht um die Microsoft-Partner, die Offenheit des Anbieters, um dessen Enterprise-Geschäft und nicht zuletzt um die Frage: Wie sexy ist Microsoft eigentlich noch?

NEFF: Wird Microsoft durch den Rückzug von Bill Gates ein anderes, quasi ein normales Unternehmen?

BERG: So komplett ist der Rückzug nicht. Bill Gates bleibt ja Microsoft-Chairman und wird an ausgewählten Projekten weiter mitarbeiten. Man wird ihn nach wie vor in Redmond treffen - auch wenn jetzt Steve Ballmer in seinem Büro sitzt. Die Tugenden, die Microsoft bisher ausgezeichnet haben, bleiben definitiv erhalten.

Was wollte Microsoft mit Yahoo?

NEFF: Der Deal zwischen Yahoo und Microsoft scheint gescheitert, aber es bleibt Fakt, dass Microsoft im Geschäft mit Privatkunden und im Internet-Werbemarkt eine dominante Rolle anstrebt. Wie hätten Enterprise-Kunden von der Akquisition profitiert?

BERG: Prinzipiell kann man Business und Consumer-Themen nicht wirklich voneinander trennen. Denken sie nur an das Thema Instant Messaging. Worklife und Lifestyle wachsen immer enger zusammen. Die Leute erwarten zunehmend, dass sie mit den Geräten und Services, mit denen sie zu´Hause werkeln, auch in der Firma arbeiten können. Die Überlappung wird immer größer. Und schließlich hat Yahoo einiges, was Microsoft sehr gut gebrauchen könnte. Der globale Werbemarkt steht für mehr als 500 Milliarden Euro, das ist deutlich mehr als die 300 Milliarden Euro, die der weltweite Softwaremarkt ausmacht. Angesichts dieses Größenverhältnisses ist es extrem wichtig, dass wir das Thema Online weiter vorantreiben, denn viele künftige Geschäftsmodelle basieren auf Online-Werbung. Da müssen wir dabei sein - und zwar vorn.

COMPUTRWOCHE-Gipfeltreffen

In lockerer Folge bringt die COMPUTERWOCHE jeweils den CIO eines wichtigen deutschen Unternehmens mit einem hochkarätigen Manager aus der IT-Industrie ins Gespräch. Die Redaktion bereitet die Gespräche mit den Protagonisten intensiv vor. Aber während des Dialogs sind die CW-Redakteure nur Zaungäste, die sich aus der Diskussion heraushalten und sie lediglich dokumentieren.

Enterprise-Geschäft mit Partnern

Heidelbeger-Druck-CIO Michael Neff (rechts) nahm gegenüber Microsoft-Geschäftsführer Achim Berg kein Blatt vor den Mund.
Foto: Jo Wendler

NEFF: Microsoft bietet eine Vielzahl von Tools an. Gute Tools! Aber um sie zu Lösungen auszubauen, sind wir Enterprise-Anwender auf die Microsoft-Partner angewiesen, und manche von denen wissen einfach nicht genug über die Materie. Wenn Sie wirklich im Enterprise-Geschäft erfolgreich sein wollen, müssen Sie dieses Problem besser in den Griff bekommen. Die Partner handeln immer nach ihren Business-Interessen, und das bringt manchmal Konflikte mit sich - vor allem, wenn man weiß, was mit den Microsoft-Produkten eigentlich möglich wäre.

BERG: Ich gebe Ihnen Recht. Es ist schwierig, wenn die Partner auf der ganzen Produktpalette arbeiten wollen, es aber nicht können. Ich rate unseren Partnern immer, sich lieber zu spezialisieren. Es gibt nur ganz wenige, die groß genug sind, um sich breit aufzustellen. Ich nehme Ihre Kritik in diesem Punkt sehr ernst und versuche, da noch klarer im Sinne unserer Kunden zu kommunizieren.

NEFF: Helfen Sie uns, die richtigen Partner zu finden, die entsprechend aufgestellt sind und ihr Aufgabengebiet wirklich beherrschen! Unser Dilemma ist folgendes: Wir haben uns eine IT-Architektur gegeben, der wir folgen müssen. Gleichzeitig müssen wir verstehen, wie Ihre Produkte da hineinpassen. Wir können ja nicht bei jedem Release-Wechsel unsere Architektur in Frage stellen. Eine Architektur wechselt man schließlich nicht alle 15 Monate. Doch dafür bringen die Partner und Microsoft selbst zu wenig Verständnis auf. Da brauchen wir mehr Unterstützung. Die Partner müssen sehen, was in unseren Architekturrahmen passt und was nicht. Wir haben zu oft den Eindruck, dass sie nur ihre Vertriebsziele im Auge haben. Allerdings haben wir dieses Problem beileibe nicht nur mit Microsoft.

BERG: Wir investieren viel in die Qualifizierung unserer Partner, allein innerhalb der nächsten zwölf Monate werden es mehr als eine Million Euro sein. Aber bis ins Detail ausbilden können wir sie nicht. Wir müssen den Kunden aber sagen können, welcher Partner was kann. Das ist heute schon auf unserer Internet-Seite mit dem Partnerfinder möglich. Außerdem haben wir bei Microsoft Deutschland jetzt entschieden, dass wir eine große Zahl von Architekten einstellen, die den Kunden schon vor dem Verkauf in Architekturfragen zur Seite stehen.

Worüber der Vorstand staunt

NEFF: Verbessert werden muss auch die Zusammenarbeit der Hersteller untereinander. Nehmen Sie nur SAP und Microsoft. Kürzlich habe ich einem meiner Vorstände erzählt, was Microsoft und SAP da unter dem Namen Duet auf die Beine gestellt haben. Der Mann hat ungläubig gelacht. Er war der Ansicht, solche Probleme wären schon vor 20 Jahren gelöst worden. Der konnte gar nicht verstehen, warum es so schwierig sein soll, einen mit Outlook gestellten Urlaubsantrag automatisch im SAP-HR-System zu buchen. Unzählige Unternehmen in Deutschland müssen SAP- und Microsoft -Produkteso integrieren, dass ihre IT gut funktioniert und ihr Business erfolgreicher wird. Was tun Sie, damit solche Partnerschaften besser laufen?

Zur Person: Michael Neff

Michael Neff ist seit April 2000 CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG. Für seine weitsichtige IT-Strategie -unter anderem die weltweite Standardisierung von 16 000 Client-Systemen - kürte ihn die COMPUTERWOCHE zum "CIO des Jahres 2005". Bevor Neff zu "Heidelberg" wechselte, nahm er sieben Jahre lang die CIO-Aufgaben für das Pharmaunternehmen Hoechst Marion Roussel wahr. Im Hoechst-Konzern hatte er schon 1986 angeheuert. Zunächst arbeitete er dort vier Jahre als IT-Manager im Geschäftsbereich Folien und Kunstoffe, um dann ein Intermezzo als Controller der Zentralforschung zu geben. Seine berufliche Laufbahn hatte Neff 1979 als Systemanalytiker bei FAG Kugelfischer begonnen.

BERG: Mit SAP und Microsoft haben Sie ein gutes Beispiel gewählt. Da fragt man sich in der Tat, warum wir nicht schon vor 15 Jahren Duet entwickelt haben. Wir werden aber besser. Vor einigen Monaten haben wir mit der SAP verschiedene Dinge festgezurrt und die jeweiligen Entwicklungszentren beauftragt, sich darum zu kümmern. Mit der Version 3.0 von Duet sollen Kunden ihre Applikationen selbst verbinden können und nicht immer auf vorgefertigte Module warten müssen. Diese Version dürfte in 18 bis 24 Monaten auf den Markt kommen. Ich kann die Zusammenarbeit mit SAP nur als gut bezeichnen.

NEFF: Ihr Wort in Gottes Ohr! Unsere Erfahrung ist, dass beide Partner immer wieder versuchen, den Kunden auf ihren jeweiligen Campus zu ziehen. Anbieter wie Microsoft investieren gewaltiges Geld in Marketing- und Innovationsbotschaften. Der Vertrieb will verkaufen und pusht diese Produkte entsprechend stark - leider unabhängig davon, ob sie in unsere Architektur passen oder nicht.

BERG: Wenn man als Lieferant dem Kunden Produkte reindrückt, schadet man sich langfristig selbst. Sicher darf man bei SAP - und anderen unserer Partner - nicht vergessen, dass wir gleichzeitig auch Wettbewerber sind, und die Teams von Microsoft sollen sich diesem Wettbewerb auch stellen. Doch wenn Lösungen mit Angeboten unserer Partner im Wettbewerb stehen, dann müssen wir zuerst das Wohl des Kunden im Auge haben. Sonst haben wir und möglicherweise auch unser Partner den Kunden verloren - die schlechteste aller Optionen.

Der Nutzen bleibt im Marketing-Nebel

NEFF: Etwas anderes, das mich stört: Microsoft vermarktet zurzeit unter dem Begriff "People Ready" seine Collaboration-Werkzeuge. Ich finde die reibungslose Zusammenarbeit von Mitarbeitern eines Unternehmens absolut wichtig und will sie mit allen IT-Mitteln unterstützen. Aber wie argumentiere ich hier in meinem Unternehmen? Der Begriff People Ready hilft mir da überhaupt nicht. Das versteht mein Vorstand nicht. Wieso hilft Microsoft seinen Enterprise-Kunden nicht, den Nutzen für das Business klar zu kommunizieren?

BERG: Es reicht sicher nicht aus, dass ein Marketing-Spruch gut klingt. Unser Ziel muss sein, Ihre Probleme zu verstehen und zu lösen. Den Nutzen von IT-gestützter Collaboration haben wir genau untersucht. Studien unter anderem von Gartner beweisen eindeutig, dass Unternehmen, deren Mitarbeiter intensiv zusammenarbeiten, dreimal erfolgreicher sind als Firmen, in denen weniger gut kooperiert wird.

Zur Person: Achim Berg

Achim Berg wurde mit Wirkung zum 1. Februar 2007 auf zum General Manager von Microsoft Deutschland und Area Vice President Microsoft International berufen. Der gelernte Informatiker verantwortet somit das Geschäft im viertgrößten Markt der Microsoft Corp. Vor seiner Tätigkeit bei Microsoft verantwortete Berg als Mitglied des Vorstands der T-Com seit 2002 Marketing und Vertrieb für das Festnetz bei Europas größtem Telekommunikationsunternehmen. Von 1999 bis 2001 war er Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Fujitsu Siemens Computers GmbH und dort maßgeblich daran beteiligt, die Computersparten der beiden größten IT-Hersteller in Deutschland zusammenzubringen.

NEFF: Warum höre ich das erst jetzt von Ihnen und nicht schon in den Marketing-Botschaften, die Sie unter die Leute bringen? Das sind doch genau die Informationen, mit denen ich die Entscheidungsträger in meinem Unternehmen überzeugen kann.

BERG: Sorry, dass ich der Erste bin, der Ihnen das erzählt. Ich bin ein großer Freund von klaren, pragmatischen Aussagen, und wenn die von unseren Enterprise-Kunden bislang nicht gehört wurden, dann muss ich unserem Marketing und unserem Vertrieb helfen, solche Botschaften konsequenter in die Unternehmen zu tragen.

Softwareeinkauf - ein Steinzeitrelikt

NEFF: Ein weiteres Thema, das mich in der Zusammenarbeit mit IT-Anbietern umtreibt, ist der Einkauf. Heidelberg hat beispielsweise ein Portal, über das der Zentraleinkauf mit den Lieferanten zusammenarbeitet. Das funktioniert überall gut, nur nicht für die IT. Der Softwareeinkauf läuft kompliziert und ineffizient. Warum lässt sich nicht für den IT-Einkauf auch ein Portal aufbauen, in dem die Einkaufsregeln, die Architekturbeschreibung des Kunden sowie sämtliche bestellten und installierten Produkte hinterlegt sind? Das würde uns Lichtjahre voranbringen - vor allem dann, wenn wir unsere acht bis neun strategischen Lieferanten auf ein solches Portal brächten. Das könnte meinetwegen für jeden Lieferanten unterschiedlich sein. (Siehe auch: "E-Business noch Zukunftsmusik".)

BERG: Sie meinen eine Online-gestützte Plattform, auf der Kunde und Lieferant alle notwendigen Informationen über Produkte, Projekte, Ansprechpartner und ähnliches über verschiedene Landesorganisationen hinweg verbindlich ablegen, so dass beide jederzeit auf dem gleichen Stand sind?

NEFF: Genau.

BERG: Da spricht überhaupt nichts dagegen. Das ist eine sensationell gute Idee.

NEFF: Das sagen Ihre Kollegen auch. Aber bisher hat es niemand gemacht.

Frustrierendes Verhältnis

BERG: Ich habe schon einige Ideen, wie wir das realisieren können, zumindest bilateral. Lassen Sie uns noch einmal in einem Jahr darüber reden. Ich bin sicher, bis dahin kann ich etwas vorweisen, das Ihrer Idee zumindest nahekommt. Ich habe aber auch eine Frage: Wie viel Prozent Ihres Budgets geben Sie eigentlich für den Betrieb aus und wie viel für Innovation?

NEFF: Wir geben etwa 80 Prozent dafür aus, dass die Lichter weiter brennen, und 20 Prozent für Projekte. Bei diesen Projekten handelt es sich nicht unbedingt um neue Technologien, in unseren neuen Vorhaben setzen wir durchaus auch reife Technologie ein.

BERG: Aber ist dieses Verhältnis nicht frustrierend?

Foto: Jo Wendler

NEFF: Natürlich ist es das. Deshalb komme ich noch einmal zurück auf die notwendige Argumentationshilfe von Seiten des Anbieters. Wie können uns die Hersteller helfen, die weichen Komponenten eines Business-Plans transparenter zu machen - zum Beispiel beim Thema Collaboration oder in Sachen Software as a Service? Können Sie uns nicht unterstützen, damit wir schnell kleine überzeugende Show Cases bekommen? Es gibt doch keine bessere Argumentationshilfe als ein gut funktionierendes Beispiel. Dazu brauchen wir weltweit standardisierte Plattformen, auf denen man solche Sachen schnell ausrollen und weltweit nutzen kann. Ich bestreite nicht, dass hierzu Ansätze in der IT-Industrie vorhanden sind, aber wenn Sie sich ansehen, welche Prozesse heute nötig sind, um so etwas zu realisieren, dann können Sie nur mit dem Kopf schütteln.

BERG: Ich glaube, da habe ich eine Lösung. Gerade durch Software as a Service oder, wie wir es nennen, Software plus Service, haben wir doch die Möglichkeit, schnell Dinge auszuprobieren, ohne dass wir gleich den ganz großen Apparat bemühen müssten. Man kann erst einmal eine Hybridlösung aufsetzen und sehen, ob sie funktioniert. Das können Sie entweder in Ihrem Haus implementieren, oder wir beziehungsweise einer unserer Partner stellt es als Service zur Verfügung.

Kollegen spotten über Vista-Einführung

NEFF: Microsoft hat derzeit offenbar ein Problem im Markt. Wir haben Vista weltweit erfolgreich eingeführt, aber ich muss mich von meinen CIO-Kollegen fragen lassen, warum wir so etwas tun? Das ist doch paradox. Wir erzielen in unserem Unternehmen Vorteile durch eine Innovation aus dem Hause Microsoft, aber im Markt nimmt man das ganz anders wahr. Dort fragt man sich derzeit: Was ist eigentlich noch sexy an Microsoft? Also frage ich mich: Was läuft in Ihrem Hause falsch, dass sich bei meinen Kollegen ein solcher Eindruck verfestigen kann? Auch von meinen Chefs muss ich mich fragen lassen, warum ich von einem Unternehmen kaufe, über dessen Rechtsstreitigkeiten dauernd in der Presse berichtet wird, dessen Einstellung zu Open Source sehr negativ ist und so weiter. Das ist alles nicht sehr hilfreich.

BERG: Zunächst zu Windows Vista. Inzwischen sehen wir in den Medien mehr und mehr Berichte, die Windows Vista eine gute Qualität bescheinigen. Die Treiberprobleme der ersten Monate sind komplett überstanden. Wir haben im Business-Umfeld nach zwei Jahren mehr Windows-Vista-Installationen, als wir zum gleichen Zeitpunkt Windows-XP-Installationen hatten. Nun zum Thema Open Source und Offenheit: Microsoft hat lange sehr konsequent und rigide seinen eigenen Weg verfolgt - mit allen Vor- und Nachteilen. Aber seit drei, vier Jahren sind wir in dieser Hinsicht eine vollkommen andere Firma. Die Rechtsthemen, die Sie ansprechen und die leider immer noch in der Presse aufscheinen, sind alle mindestens drei, wenn nicht vier Jahre alt, der berühmte EU-Case sogar zehn. Microsoft hat sich komplett geöffnet. Es gibt heute keine offenere Plattform als unsere - auch wenn böse Zungen jetzt behaupten, da hätten einige Leute nachgeholfen. Nehmen Sie nur Office: Wir unterstützen ODF und Open XML. Mit Novell arbeiten wir inzwischen eng zusammen. (Novell hat Suse gekauft und ist damit einer der wichtigsten Linux-Distributoren, Anm.d. Red.). Sie sehen, wir haben da viel getan; jetzt müssen wir das vielleicht noch stärker kommunizieren.

Lizenzen für virtuelle Umgebungen

NEFF: Wir sind dabei, unsere Infrastruktur zu virtualisieren. Unter anderem haben wir Softgrid eingeführt. Gibt es auf Ihrer Seite Überlegungen, wie man in Zusammenhang mit Virtualisierung das Thema Lizenzen adressieren könnte, um noch größere finanzielle Vorteile zu erzielen? Das betrifft nicht nur Microsoft, da könnte ich jeden in der Industrie fragen. Aber wir beide sitzen nun einmal hier zusammen.

BERG: Das ist keineswegs trivial. Im Bereich Server-Virtualisierung ist das Problem verhältnismäßig einfach zu lösen. Aber Sie sprechen ja über Applikationsvirtualisierung mit Softgrid, wo in sich gekapselte Programme auf einem PC laufen. Und hier wird das Thema wirklich komplex. Deshalb haben wir unsere Lizenzierungsmöglichkeiten entsprechend flexibilisiert.

NEFF: Das verstehe ich. Aber die Industrie erleichtert uns das Leben nicht gerade, wenn sie auf die Lizenzierungsfrage in einer virtuellen Welt keine klaren Antworten gibt. Solange das Lizenzthema nicht gelöst ist, können wir die finanziellen Vorteile nicht wirklich realisieren.

BERG: Zumindest nur einen Teil davon.

Zu Hause wie im Job

NEFF: Apropos Lizenzen. Wollen Sie eigentlich, dass Mitarbeiter im Unternehmen mit Consumer-IT von Microsoft arbeiten? Wenn ja, dann frage ich mich, ob weitere Lizenzgebühren anfallen, wenn ein Mitarbeiter von zu Hause auf Ihre Enterprise-Produkte zugreift. Auf der anderen Seite könnten sich die Unternehmen auch mit preiswerten PCs aus den großen Retail-Ketten eindecken und auf dieses Weise vielleicht billiger an die nötigen Lizenzen kommen.

Achim Berg: "Es kann nicht sein, dass Untenehmen mehr bezahle als Endverbraucher."
Foto: Jo Wendler

BERG: Zu Ihrer letzten Frage: Es kann nicht sein, dass Unternehmen mehr bezahlen als Endverbraucher. Das andere Thema hängt meiner Ansicht nach von zweierlei ab: Erlauben Sie dem Mitarbeiter, mit seinem geschäftlichen Equipment Privates zu erledigen? Und darf er auf seinem privaten Rechner unternehmensrelevante Dinge bearbeiten? Davon abgesehen: Gleichgültig, wie Sie das regeln, wollen Ihre Mitarbeiter garantiert im Enterprise-Umfeld die gleichen Möglichkeiten haben wie im Consumer-Bereich. Nehmen Sie zum Beispiel One Note; damit kann ich auf einem Rechner etwas notieren, auf einer virtuellen Festplatte speichern und die Information von überall aus abrufen. Wir bieten solche Produkte an, teilweise sogar kostenfrei. Und Ihre Endanwender werden Sie danach und nach anderen Mash-Produkten fragen. Ganz sicher.

NEFF: Solange die Produkte nichts kosten, habe ich damit kein Problem.

BERG: Es wird sicher unterschiedliche Ausprägungen der Produkte geben. Oder vielmehr, es gibt sie schon: Mit dem kostenlosen Produkt Live Messenger chatten die Konsumenten unverschlüsselt. Mit dem Communicator, im Prinzip dasselbe Produkt, aber für den Enterprise-Sektor, lässt sich die Kommunikation verschlüsseln.

Wie proprietär sind Microsoft-Tools?

NEFF: Wir setzen Microsoft-Tools auch im Rechenzentrum mit gemischten Umgebungen ein. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass Ihre Produkte - zum Beispiel der Microsoft Operation Manager - proprietär sind und nicht mit den Tools anderer Hersteller kooperieren können. Gilt in diesem Bereich dieselbe Aussage, wie Sie sie vorhin bezüglich Open Source gemacht haben?

BERG: Wir haben beschlossen, alle unsere Produkte zu öffnen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, aber wir bewegen uns definitiv in diese Richtung. Und wenn Sie da mit dem MOM noch ein Problem haben, würde ich mir das gerne genauer ansehen, damit wir klären können, ob es sich dabei um ein Produktproblem oder um ein anderes Thema handelt.

Ist Microsoft eigentlich strategisch?

NEFF: Zu guter Letzt mal zwei generelle Fragen: Warum ist die IT aus Ihrer Sicht für ein Unternehmen eigentlich strategisch? Und wieso ist Microsoft für die IT strategisch?

BERG: IT ist überhaupt nicht strategisch, wenn sie nicht den eigentlichen Geschäftszweck unterstützt. IT ist ein unterstützender Faktor, denken Sie an das Thema Collaboration, das wir eben diskutiert haben. Wenn die IT den Mitarbeitern eines Unternehmens keine Möglichkeit für eine reibungslose Zusammenarbeit schaffen kann, ist sie nicht strategisch. Dann hat auch der CIO ein Problem. Sie müssen deutlich machen, dass Sie mehr sind als ein Kostenfaktor. Und zur Bedeutung von Microsoft: Wir wissen, dass wir nicht der einzige strategische Partner sind. Aber wir sehen uns immerhin als einen strategischen Anbieter - und zwar weit über die Themen Office und Windows Vista hinaus, also für den kompletten Enterprise-Bereich. Microsoft ist einfach der Anbieter mit der breitesten Produktpalette.

Die COMPUTERWOCHE (in Gestalt von Herausgeber Christoph Witte, rechts) hielt sich aus der Diskussion heraus.
Foto: Jo Wendler

NEFF: Aus meiner Sicht wird Microsoft nach wie vor sehr stark mit Office und Windows verbunden, neuerdings auch mit dem Thema Collaboration. Aber im Enterprise-Umfeld stehen Sie erst an der Schwelle zum strategischen Lieferanten. Beispielsweise installieren wir gerade Microsoft CRM. Da fängt die Collaboration an, sich mit den Enterprise-Funktionen zu verbinden. Aus diesem Link heraus entstehen Vorteile, die man vorher gar nicht erkannt hat. Die weichen Faktoren nehmen an Bedeutung zu, aber nicht im Widerspruch zu den eindeutigen Funktionen wie Rechnungslegung oder Kundenabwicklung, sondern als Ergänzung dazu. Wir stehen in den Unternehmen vor einer entscheidenden Frage: Benötigen wir überhaupt noch unternehmensspezifische Lösungen? Gibt es einen Unterschied zwischen Google Mail, das wir als Service beziehen könnten, und einem selbstbetriebenen Microsoft-Exchange-Umfeld? Oder anders ausgedrückt: In welche Architekturen investieren wir, und wo bedienen wir uns dessen, was der Markt billig anbietet? Solche Entscheidungen mit theoretischen Business Cases zu belegen ist nahezu unmöglich. Ob man richtig entschieden hat, kann man erst erkennen, wenn man die Reise schon begonnen hat. Deshalb brauchen wir Tools, die es uns erlauben, sehr schnell kleine Lösungen zu entwickeln, anhand derer wir uns selbst und dem Business die Auswirkungen zeigen können - quasi einen einsatzfähigen Prototypen, aus dem sich bei Bedarf eine weltweit einsetzbare Applikation machen lässt. Voraussetzung ist aber, dass die globale Infrastruktur stimmt. Sonst kann man das vergessen. Lernen durch nutzen, das brauchen die Unternehmen. Die großen, auf fünf Jahre angelegten Pläne gehören der Vergangenheit an. Deshalb brauchen wir flexible Lizenzmodelle und Software as a Service, deshalb brauchen wir Architekturpartner, die uns sagen können, was in unseren Rahmen passt und was nicht. Da hilft uns die IT-Industrie heute noch zu wenig.

BERG: Aber diese Tools bieten wir doch an.

NEFF: Das bestreite ich gar nicht. Aber wie kriegen wir aus diesen Tools Lösungen? Das ist doch die Frage. Das Zusammenspiel ist entscheidend. Microsoft, SAP oder andere Applikationshersteller denken zu stark in der eigenen Welt. Ich nutze aber gemischte Umgebungen, und deshalb ist das Know-how eines einzelnen Anbieters nur teilweise nützlich für mich. Der Bedarf an Architekten steigt auch deshalb, weil durch SOA Applikationsmodule unterschiedlicher Hersteller zu Komplettlösungen integriert werden können. Ich brauche nicht mehr die komplette Suite von SAP. Beispielsweise kann ich das HR-Modul von Oracle/Peoplesoft mit dem FI-Produkt von SAP und mit weiteren Komponenten anderer Anbieter kombinieren. Die IT-Industrie muss uns helfen, hier zu lernen. Dann fällt es uns auch leichter, nachzuweisen, dass wir für unsere Unternehmen Werte schaffen. Und am Ende geht es ja genau darum.