Startups fördern

Wir brauchen eine Arena für Gründer

30.07.2014 von Lena Schiller Clausen
Mit weniger bürokratische Hürden, mehr Flexibilität im Arbeitsrecht und einem besseren Zugang zu Investoren könnten es die Gründer noch leichter schaffen, richtig durchzustarten.

Kaum eine Aussage findet in unseren Zeiten der wirtschaftspolitischen Ratlosigkeit so viel zustimmendes Kopfnicken, wie die Forderung nach der Förderung einer Gründerkultur. Und es gibt gute Nachrichten: Wir haben sie bereits - eine besonders lebendige sogar. Die obligatorisch darauf folgende schlechte Nachricht: leider nicht wegen, sondern trotz der Bemühungen der öffentlichen Institutionen. Fast wäre damit schon alles gesagt. Wären da nicht die Unannehmlichkeiten eines unentspannten Umgangs miteinander - in Zeiten in denen aber ein enges Zusammenspiel entscheidender wäre für die Zukunft unserer Wirtschaft. In diesem Fall hilft auch kein Brückenbauen mehr. Wir brauchen etwas Größeres. Wir brauchen eine Arena.

Komm, wir bauen eine Arena für die Spiele mit der Zukunft

Die Spieler in dieser Arena sind die jungen dynamischen Akteure unseres Marktes, deren Gegenwart die Zukunft ist: Startups. Sie begreifen sich selbst als 'Unternehmen im Entstehen', die zum Ziel haben, ein neues Produkt oder einen neuen Service zur Marktreife zu bringen. Volkswirtschaftlich betrachtet sind sie die Forschungs- und Entwicklungsabteilung unserer Wirtschaft. In der Ungebundenheit des Neuanfangs können sie schnell originelle, neue, ungewöhnliche und zugleich anwendbare Lösungen für Probleme entwickeln, die aus technologischen oder gesellschaftlichen Veränderungen entstehen. Die kleinen Lücken, Unzulänglichkeiten und blinden Flecken des Marktes sind ihre Brutstätte. Und eben dieser Brutstätte soll unsere Arena ein richtiges zu Hause bieten.

Resilient und robust: die Grundkonstruktion der Arena

Das Fundament besteht aus der Erkenntnis über die Zwecklosigkeit der Zwangsbeglückung von Unternehmenslustigen, deren Leidenschaft es schließlich ist, selbst Lösungen zu finden. Aufgrund ihrer Situation sind sie besonders pro-aktive Akteure am Markt, zu dem sie oft eine engere Bindung haben als die etablierten Unternehmen. Ihre chronisch knappen internen Ressourcen, ihre Zurückhaltung bei der Formalisierung von Strukturen und ihre Kultur, die von Vernetzung und Offenheit geprägt ist, machen sie zu wendigen und einfallsreichen Spielern. Viele der Mechanismen, die auf Grund der schwierigen Start- und Marktbedingungen entstanden sind, sind inzwischen zur besonderen Stärke von Startups geworden. So haben die einzelnen Akteure - wie auch die Szene als Ganzes - eine besondere Resilienz entwickelt, und kommen nach Krisen schnell wieder in eine stabile, handlungsfähige Form zurück. Scheitert eine Startup, verschwinden weder Wissen, Ideen oder die Gründer von der Bildfläche, sondern wenden sich neuen Ideen zu, fangen noch mal von vorne an oder steigen in andere Startups mit ein und sorgen an anderer Stelle für Erfolge am Markt.

Startup-Standorte im Vergleich -
Die zwanzig besten Startup-Standorte
Das Silicon Valley bietet die besten Voraussetzungen für Firmengründer. Vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten sind hier so reichhaltig wie in keiner anderen Region. Doch weltweit gibt es viele Metropolen, die Startups sehr gute Voraussetzungen dafür bieten, ihr Geschäft zu gründen und Lösungen bis zur Marktreife zu bringen.
Platz 5: New York City
- NYC beherbergt das weltweit zweitgrößte Ökosystem für Startups. <br>- Die Region zieht besonders viele Gründerinnen an, rund ein Fünftel aller Entrepreneurs sind weiblich. <br>- Die jungen Firmen streben besonders früh die Monetarisierung ihrer Innovationen an. <br>- Vergleichen mit dem Silicon Valley gibt es weniger Töpfe mit Startkapital. <br>- Die Firmenlenker in New York City scheuen häufiger als ihre Pendants in Kalifornien davor zurück, sich voll und ganz auf ihr Unternehmen zu konzentrieren, bevor es marktreife Lösungen vorweisen kann. <br> Startup-Beispiele: Foursquare, Tumblr, Etsy, Meetup, Bit.ly, Fab, Kayak

Unsere Arena braucht also keine Inneneinrichtung, denn die bringen die Akteure selbst mit. Wichtiger ist, dass sie zu allen Seiten Offenheit bietet, umrahmt von einer sehr stabilen Grundkonstruktion.

Folgende vier Säulen sind dabei tragend:

1. Ideen fördern heißt die Menschen fördern, die sie haben

Deutschland versteht sich als "Land der Ideen". Und Ideen entstehen in und zwischen Menschen. Damit sie frei denken und schnell handeln können, brauchen sie einen Handlungsrahmen, der ihnen Spielraum und zugleich ausreichend Sicherheit gewährt, um befreit kreativ arbeiten zu können. Das verlangt zugleich die Abwesenheit von bürokratischen Strukturen, die von Politik und Prozessen bestimmt zu Zeit- und Energiedieben jeder Unternehmung werden. Wirklich förderlich wäre hier ein nur an rudimentär festgelegte Bedingungen geknüpftes Gründerdarlehen, das vor allem die Lebensunterhaltskosten der Gründer in der Anfangsphase ihrer Unternehmung decken kann.

2. Rechtliche Rahmen müssen als Sicherheitsgeländer dienen, nicht als Hürde

Wer um seine Idee herum formal ein Unternehmen gründen will, um am Markt handlungsfähig zu sein, wird das Gefühl nicht los, sich mit Alice auf eine Reise durch ihr Wunderland zu begeben, das von Paradoxa und Absurditäten gepflastert ist. Nur eins von vielen Beispielen ist die Eröffnung eines Unternehmenskontos bei der Gründung - ein Kreislauf ohne Anfang. Das Absurde ist dabei nämlich, dass dafür ein Handelsregistereintrag vorgelegt werden muss, der allerdings erst angemeldet werden kann, wenn das Stammkapital des Unternehmens auf eben diesem Konto eingezahlt wurde. Und auch an vielen anderen Ecken lauert eine tückische Herzkönigin in Form von Zwangsmitgliedschaft in der Handelskammer oder drohenden Insolvenzen, bevor überhaupt die Geschäftstätigkeit aufgenommen wurde. Obwohl die neu eingeführte Gesellschaftsform der UG ein erster guter Anfang ist, müssen die bürokratischen Hürden im organisatorischen Umfeld wie auch die immer noch zu hohen Gründungskosten weiter gesenkt werden.

3. Beschäftigungsverhältnisse müssen der Agilität von jungen Unternehmen gerecht werden

Die Gründerszene vereint viele wissensintensive Branchen. Sie zeichnet sich durch einen hohen Grad an Mobilität, Flexibilität und zunehmender Virtualität aus. Zusammenarbeit geschieht oft an gemeinsam gestalteten realen Arbeitsorten wie Coworking Spaces, Gemeinschaftsbüros und Startup-Inkubatoren in großen informell organisierten Wertschöpfungsnetzwerken aus Freiberuflern und anderen Startups. So wird der in der Gründungsphase wechselnde Bedarf an Ressourcen und Wissen optimal abgedeckt. Um die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen zu begünstigen, wäre eine ähnlich flexible Variante eines klassischen Anstellungsverhältnisses sehr förderlich.

Coworking: Arbeiten und Networken -
Alle Coworking-Spaces ...
... haben sich zum Ziel gesetzt, ihren Mietern nicht nur eine Büroheimat, sondern auch einen Raum für neue Kontakte zu schaffen. Hier im Bild das Betahaus in Berlin.
Einen Schreibtisch auf Zeit ...
... mieten sich Freiberufler, mobile Projektarbeiter oder Gründer wie hier im Betahaus und nutzen die Büroinfrastruktur.
Aus informellen Kontakten ...
... von Schreibtisch zu Schreibtisch kann sich geschäftlicher Nutzen entwickeln. Im Betahaus sind so schon viele virtuelle Unternehmen entstanden.
Coworking bietet die Offline-Ergänzung zu den Social Networks
Jeder kennt jeden über ein paar Ecken. Man ist über einen gemeinsamen Geist verbunden, die Hürde zur Zusammenarbeit ist niedrig", beschreibt Betahaus-Mitgründerin Madeleine von Mohl.
Als Arbeitsform ...
... ist Coworking ( hier die Mobilsuite in Berlin) konkurrenzlos günstig. Der Schreibtisch zum Mieten ist schon ab 13 Euro pro Tag zu haben.
In der Mobilesuite ...
... können die Coworker einmal im Monat ihre Geschäftsideen vorstellen oder sich auch ganz informell beim gemeinsamen Frühstück austauschen.
In New York ...
... finden sich 71 Coworking Spaces.
Platz 5 nimmt San Francisco ein ...
... wo 2006 der erste Coworking Space gegründet wurde. Heute finden sich in der Stadt 46 Coworking Spaces.

4. Ein Ökosystem fördern heißt Abschied von One-size-fits-all

Die Startup-Szene muss als ein Ökosystem begriffen werden, das aus sich selbst heraus immer neue Eigenschaften entwickelt. Seine Vielfalt an Produkten, Services und Infrastrukturen bringt dank der engen Vernetzung eine immer größere Vielfalt hervor. Wer dieser Diversität dienen möchte, muss in Zusammenhängen denken, nicht in einzelnen Sofortmaßnahmen. Mangelnder Bezug aufeinander ein zu hoher Grad an Bürokratie bei den Förderangeboten minimieren den Fördereffekt, da Aufwand und zu erhaltende Leistung nicht in einem positiven Verhältnis zueinander stehen.

Wer wirklich helfen will, lernt am besten von der Startup-Szene selbst. Inspiration für die Gestaltung von Angeboten und Antragsprozessen findet man zum Beispiel in den Mechanismen des Crowdfunding, der selbstorganisierten Pitch-Veranstaltungen und der eigenen Infrastrukturen wie Coworking Spaces.

Sit back, relax, enjoy the show

Stehen die Grundpfeiler erst einmal, werden die unternehmungslustigen Gründer alles weitere Notwendige aus sich selbst heraus weiterentwickeln. Mit den passenden Rahmenbedingungen stabilisiert sich das Ökosystem, das schließlich weit über die Gründerszene hinaus zugänglich sein kann und auch private und zivilgesellschaftliche Investoren sowie etablierte Unternehmen ermuntert, in der Arena für die Spiele und Dialoge mit der Zukunft mitzuwirken. Dafür bekommen sie außerdem Zugang zu einer Wirtschaftskultur, die sich die Gründerszene schon länger erlaubt: geprägt von kreativem Unternehmertum und Intuition, Experimentierfreude und der Fähigkeit, frühes Scheitern als Chance für die Zukunft zu begreifen.

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