Windows Vista kommt für Endkunden erst 2007

22.03.2006
Microsoft hat in einem Update für die Roadmap von Windows Vista mitgeteilt, es werde die Endkundenversion des Windows-XP-Nachfolgers erst ab Januar 2007 ausliefern. Das verdeutlicht einmal mehr die Probleme des Konzerns bei der Entwicklung seiner immer komplexeren Software.

Sicherheit und Qualität des neuen Betriebssystems sollten noch ausführlicher getestet werden, erklärte Microsoft. Damit verpasst der Redmonder Konzern das wichtige Weihnachtsgeschäft. Firmenkunden mit Volumenlizenzen sollen Vista allerdings ab November dieses Jahres erhalten können, erklärte Jim Allchin, Co-President der Platforms and Services Division.

Jim Allchin erwartet "keine Änderung des PC-Forecasts" - aber das nimmt ihm niemand ab.

Microsoft habe noch "ein paar Wochen mehr" benötigt, um Vista den letzten Feinschliff zu verpassen. Das brachte den Konzern in die Bredouille, dass einige PC-Hersteller noch dieses Jahr mit Vista-Rechnern an den Markt hätten gehen können, andere aber nicht mehr. Daher habe man sich entschieden, die Privatkundenversion generell auf Anfang kommenden Jahres zu verschieben.

Urspünglich hätte Vista bereits Ende 2004 oder Anfang 2005 erscheinen sollen. Unter anderem wegen der komplizierten Entwicklung des Sicherheits-Updates Service Pack 2 (SP2) für Windows XP war das System dann aber auf Ende 2006 vertagt worden. Außerdem wurden ursprünglich zentrale Komponenten wie das Datenbank-Dateisystem "WinFS" aus der Entwicklung herausgenommen, um zumindest diesen Zeitplan einhalten zu können.

Umbau der Windows-Sparte

Das "Wall Street Journal" berichtet außerdem unter Berufung auf Insider, Microsoft wolle in dieser Woche Steve Sinofsky (40) zum neuen Chef der Windows-Sparte machen. Der Manager ist seit 1989 beim Unternehmen, war früher technischer Assistent von Bill Gates und leitet gegenwärtig die Office-Abteilung. Inwieweit sein Wechsel mit der neuerlichen Vista-Verschiebung zusammenhängt, ist nicht bekannt.

Microsoft bemühe sich um mehr Management-Übersicht in der Windows-Sparte, schreibt das Wirtschaftsblatt, die der größte Umsatz- und Gewinnbringer des Unternehmens sei. Die erwartete Reorganisation spiegele das Bemühen von Konzernchef Steve Ballmer wieder, die Führung von Microsoft zu straffen, das sich mit geringerem Wachstum, einer zunehmend diversifizierten Produktpalette und neuem Wettbewerb konfrontiert sieht.

Ballmer hatte dazu bereits im vergangenen September die zuvor sieben Geschäftsbereiche des Konzerns zu dreien zusammengelegt und an deren Spitze jeweils Manager aus Vertrieb und Marketing gesetzt. Um die Umordnung des Bereichs, der unter anderem Windows und die Online-Dienste von MSN enthält, kümmert sich Kevin Johnson. Es sei denkbar, dass Teile der Sparte mit anderen Microsoft-Bereichen zusammengelegt würden, heißt es weiter. Manager hätte sich Ende vergangenen Jahres getroffen, um die endgültigen Details zu planen.

Vorbild Office

Der Umbau stehe aber in keinem direkten Zusammenhang mit der neuerlichenVerspätung von Vista. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass Sinofsky künftig einige Verantwortung von Allchin übernimmt. Dieser hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, er wolle sich nach dem eigentlich für dieses Jahr geplanten Vista-Launch in den verdienten Ruhestand zurückziehen.

Die Office-Gruppe ist für einen disziplinierteren Management-Stil bekannt und hat zumeist ihre neuen Produkte planmäßig abgeliefert. Die Windows-Sparte dagegen setzte schon immer den Stand der Entwicklung über die Planung des Managements. Dieses Modell geriet durch die zunehmende Komplexität des Betriebssystems zuletzt außer Kontrolle. Probleme mit Vista zwangen Microsoft im Jahr 2004, die Entwicklung der Software zu stoppen, große Teile neu zu erstellen und die Entwickler-Hierarchie stärker zu kontrollieren.

Aber auch trotz der erneuten Verspätung dürfte Vista für die Branche immer noch ein wichtiges Ereignis werden – vermutlich der größte technische Umbau seit Einführung des ersten 32-Bit-Betriebssystems von Microsoft, Windows 95, vor mehr als zehn Jahren. Mehr als 90 Prozent der PCs weltweit laufen unter Windows. Und natürlich ist das Verpassen des wichtigen Weihnachtsgeschäfts deswegen ein Schlag ins Gesicht für Microsoft und die zahllosen von ihm abhängigen Hard- und Softwarefirmen.

Der PC-Markt wird leiden

Speziell die Verschiebung der Privatkundenversion auf Januar ist aus Sicht von Roger Kay, Analyst bei Endpoint Technologies Associates, ausgesprochen bitter. Und zwar deswegen, weil die Consumer, die rund 38 Prozent der PC-Umsätze insgesamt ausmachen, tendenziell mehr Rechner im Jahresendgeschäft kaufen als Firmen.

Auch Zulieferer der PC-Industrie wie die Prozessorbauer Intel und AMD setzen natürlich auf Vista mit seinen höheren Anforderungen an die Rechnerleistung als neuen Umsatzbringer. "Das versaut den Hardwarefirmen komplett das Weihnachtsgeschäft", erklärte Kay. "Das ist nicht gut für die Branche", warnt auch Richard Doherty von der Envisioneering Group. "Nicht für die Peripheriehersteller, nicht für die Grafikchipbauer, nicht für Notebook- und auch nicht für Desktop-Produzenten. Jeder hat auf Upgrades auf Vista gezählt."

"Man bekommt Angst", ergänzt sein Kollege Stephen Baker von NPD Techworld mit Blick auf die PC-Verkäufe für das vierte Quartal. Ins gleiche Horn bläst auch Rob Enderle von der Enderle Group. "Der Consumer-Markt findet heute hauptsächlich im vierten Quartal statt, und das wird den Markt ernstlich beschädigen. Daran geht kein Weg vorbei."

Microsoft hingegen erwartet nicht, dass sich die Vista-Verschiebung hier niederschlägt. "Der PC-Forecast bleibt aus unserer Sicht unverändert", erklärte Allchin. "Sie können die Partner fragen, wie sie das sehen." Vista werde auch noch rechzeitig herauskommen, um nicht Microsofts Ergebnis für sein laufendes Geschäftsjahr zu beeinträchtigen, das im Juni 2007 endet.

Laut Allchin waren es aber auch bestimmte, namentlich nicht genannten Partner, die sich die Verschiebung der Endkundenversion von Vista wünschen, nachdem Microsoft noch mehr Zeit für den Feinschliff des neuen Windows angesetzt hatte. Analysten verwiesen in diesem Zusammenhang darauf, dass der Handel Zeit brauche, um seine Kanäle vorzubereiten, und daher wohl eine Verschiebung auf das neue Jahr vorgezogen habe.

Interessant dürfte die Entwicklung des Microsoft-Aktienkurses am heutigen Handelstag an der Nasdaq werden. Zum gestrigen Fixing hatte das Papier 15 Cent leichter bei 27,72 Dollar geschlossen, nachbörslich gab es dann bereits auf 27,02 Dollar nach. (tc)