Windows CE .NET für alle Lebenslagen

23.01.2002 von Wolfgang Miedl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Als erstes Betriebssystem mit dem .NET-Label hat Microsoft jetzt Windows CE .NET auf den Weg gebracht. Nach PDAs und Industriesteuerungen soll das Embedded-System nun auch in Unterhaltungsgeräten seinen Platz finden.

Windows CE hatte lange Zeit ein stiefmütterliches Dasein gefristet. Konzipert wurde es für Kleingeräte mit geringer Hardwareausstattung, also grob gesagt für jene Bereiche, wo nur minimalistische Hardware ohne Festplatte vorhanden ist. Das System residiert dabei im nicht flüchtigen Speicher (ROM, Read only Memory) - daher der Name "Embedded System". Mit den Desktop-Systemen von Microsoft hat CE außer starken Parallelen bei der Benutzeroberfläche relativ wenig gemein. Obwohl es für die unterschiedlichsten Gerätetypen konzipiert ist, wurde es lange Zeit vor allem als Software für Handhelds und PDAs wahrgenommen. Doch selbst die Pocket PCs - allen voran Compaqs Ipaq - verleugnen mittlerweile ihren technischen Unterbau, das Windows-CE-Logo ist dort verschwunden. Offenbar wollte sich Microsoft vom bis dahin zweifelhaften Image der als schwerfällig und

etwas instabilen verrufenen Handhelds der CE-Generation 1 und 2.x verabschieden.

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Immerhin macht die relativ neue Einordnung der Stift-PDAs als Pocket PCs aber die Konzeption von Windows CE als Baukastensystem deutlich. Um einen schlanken Betriebssytemkern, der derzeit fünf verschiedene CPUs unterstützt, können Entwickler mit Hilfe des ebenfalls neuen "Platform Builders 4.0" nach dem Lego-Prinzip ein Betriebssystem für jedes erdenkliche Gerät zusammenstellen - ob für einen Kleinrechner, für Anlagensteuerungen oder etwa KFZ-Bordcomputer. Oben drauf kommt dann bei Geräten mit Display, wie den Pocket PCs, noch eine speziell angepasste Windows-Oberfläche. Microsoft erleichtert die Entwicklung neuer Gerätetypen, indem es im Platform Builder mittels eines Wizard 13 vorgefertigte Komponentengruppen anbietet, darunter für PDAs, Media Appliances oder POS-Terminals.

Verbesserungen im Detail

CE .NET hat eine Reihe von Detail-Verbesserungen gegenüber der Vorgänger-Version 3.0 erfahren. Der Kernel wurde laut Microsoft noch einmal optimiert und belegt bei einer Minimalkonfiguration nur etwa 210 KB. Großer Wert wurde auf die Unterstützung drahtloser Datenübertragungsprotokolle gelegt. Obligatorisch ist das Wireless-LAN-Protokoll 802.1x, das in der CE-Implementierung zusammen mit dem Extensible Authentication Protocol (EAP) konfigurationsfrei zu benutzen sein soll.

Neben Bluetooth kommen auch noch das Object Exchange Protocol (Obex) und Mediasense zum Einsatz. Obex ist ein kompaktes binäres Protokoll, das einen einfachen, spontanen Datenaustausch über Bluetooth und die Infrarotschnittstelle ermöglicht. Mediasense dient dem automatischen Roaming. Anwendungen werden darüber beispielsweise informiert, ob sich ein Embedded-Device im Empfangsbereich des Netzwerks befindet. Auch Multimedia spielt bei CE zunehmend eine Rolle, etwa bei Geräten der Unterhaltungselektronik. Daher werden nun auch hier die vom Desktop her bekannten Schnittstellen wie Directx 8 oder Direct 3D sowie die Windows Media Codecs integriert.

Mira: Der bewegliche PC

Interessant dürfte neben den technischen Details auch die strategische Positionierung von CE .NET sein. Schon der Zeitpunkt und der Rahmen der Premiere auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas machen die neue Marschrichtung deutlich. Offenkundig peilt Microsoft zunehmend den Heimelektronik-Bereich an. Der Hersteller selbst hat auf der CES mit "Mira" für Aufsehen gesorgt. Die Grundidee dieses Hybrid-PCs ist Mobilität im häuslichen Bereich bei gleichzeitiger voller Funktionsfülle eines herkömmlichen PCs.

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Im Bereich Windows-basierender Terminals, wo man Wyse als großen Partner für CE .NET an Land gezogen hat, könnte dem Embedded-System zukünftig verstärkt die Rolle als Lückenfüller für zurückgehende Desktop-Lizenzen zukommen. Diese Geräte, die in Umgebungen mit Windows-Terminal-Servern als preisgünstige Alternative zu Desktop-PCs zum Einsatz kommen, besitzen keine Eigenintelligenz. Sie benötigen lediglich ein schlankes CE-Basissystem mit Internet Explorer und RDP-5.1-Unterstützung. Die Hardwarekosten für die Hersteller sind dabei niedrig, da die Programmlogik sich weitgehend auf die Bildschirmdarstellung und die Eingabe beschränkt.

Ihr Augenmerk haben die Redmonder auch auf die Unterstützung von Entwickern gelegt. Die gerade erschienene Entwicklungsumgebung "Visual Studio .NET" ist mit den Smart Device Extensions nun auch für die Programmierung von CE .NET einsetzbar. Bedeutsam für Microsofts ist auch all das, was sich eigentlich hinter dem Kürzel .NET verbirgt: Die XML-basierende Web-Service-Architektur wurde mit Hilfe des .NET Compact Framworks in CE integriert. Es handelt sich dabei um ein Subset des großen .NET Frameworks, das alle .NET-Sprachen wie C# oder Visual Basic .NET unterstützt.

Unentbehrlich für Entwickler ist auch die kostenlos erhältliche Emulation Edition. Sie ermöglicht auf einer Windows-2000/XP-Maschine den Aufbau von virtueller Hardware und von Programmen dafür, ohne dass ein physisches Gerät vorhanden sein muss. Großen Wert legt Microsoft mittlerweile auch auf die - teilweise - Offenlegung des Quellcodes. Insgesamt 1,5 Millionen Zeilen Code von wichtigen Systembestandteilen sollen nun für Entwickler frei zugänglich sein.

Das auf der Consumer Electronics Show vorgestellte Mira-Konzept von Microsoft kombiniert bisher gescheiterte Web-Pad-Konzepte mit einem stationären PC. Das LC-Display kann aus seiner Halterung entfernt werden und funktioniert dann wie ein Tablet PC, wobei es per Wireless LAN mit der PC-Haupteinheit kommuniziert. Im ausgeklinkten Funkmodus wird dem Anwender die Windows-Benutzeroberfläche im Terminal-Modus präsentiert. Auto-Logon und Reconnect geschehen automatisch im Hintergrund, ohne dass der Anwender etwas merkt.

Für den drahtlosen Betrieb enthält das "Mira Smart Display Device" eine eigene Recheneinheit auf der Basis von CE .NET, die Dienste wie 802.11-Funkverbindung, einen RDP 5.1-Terminal-Client, ein Grafiksystem sowie die Unterstützung verschiedener CPU-Typen bereitstellt. Im Gegensatz zum Tablet PC laufen die Windows-Anwendungen aber nicht im Mira-Terminal, sondern am Host-PC, der als Terminal-Server fungiert. Im Tablet-Betrieb erfolgt die Eingabe wie bei PDAs mit einem Stift. Dieser dient einerseits als Mausersatz für die Navigation. Gleichzeitig kann die Eingabe über die von den Pocket PCs her bekannte Handschrifterkennung Transcriber erfolgen.

An der Entwicklung sind die Terminal-Spezialisten von Wyse, National Semiconductor sowie der Displayhersteller Viewsonic beteiligt. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Mira-Geräte erscheinen. Das interessante Konzept verspricht auch für Microsoft - wie nicht anders zu erwarten - lukrativ zu sein. Schließlich verkauft man auf solchen Kombigeräten gleich zwei Betriebssytem-Lizenzen: Eine für das Host-System (Windows XP) und eine für die Display-Einheit (CE .NET).