Kompatibilität, Bedienbarkeit, Ressourcenverbrauch

Windows 7 wetzt Vista-Scharten aus

14.11.2008 von Katharina Friedmann
Microsoft hat eine Betaversion seines künftigen Betriebssystems Windows 7 veröffentlicht. Die COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation Computerworld hat den Nachfolger von Vista genauer angesehen.

Eines vorweg: Wer mit Windows 7 massive Veränderungen oder gar eine Art Paradigmenwechsel erwartet, wird enttäuscht sein. Wer jedoch von einem besser funktionierenden Vista mit ausgebügelten Knitterfalten und praktischen neuen Funktionen ausgeht, dürfte positiv überrascht sein.

Insgesamt ist Windows 7 ein funktional zweckmäßigeres und im Design effizienteres Betriebssystem als Windows Vista - mit eindeutig stärkerem Fokus auf die Nutzererfahrung. Das gesamte Betriebssystem hat - von der in ihre Schranken gewiesenen User Account Control (UAC), zu Deutsch: Benutzerkontensteuerung, über bessere Home-Networking-Fähigkeiten und optimierte Suche bis hin zu hübschen Neuerungen in der Benutzerführung - einen Rundum-Feinschliff erhalten. Sogar Windows Backup (eine der schlechtesten Applikationen, die jemals mit einem Betriebssystem ausgeliefert wurden) wurde in etwas Brauchbares verwandelt.

UAC - der Widerspenstigen Zähmung

Von der Idee her soll die UAC, das umstrittenste Vista-Feature, sicherstellen, dass nur Nutzer mit Admin-Rechten Veränderungen an einem PC vornehmen können. Bislang verwehrt das Tool aber häufig auch berechtigten Anwendern im Netz den Zugriff auf Programme oder Features. Mit Windows 7 hat Microsoft seine Benutzerkontensteuerung so weit zurückgepfiffen, dass sie nun tatsächlich als brauchbares Sicherheitswerkzeug zu bezeichnen ist. Zunächst einmal gibt es standardmäßig weniger Warnmeldungen als bisher. Wer also ab Windows 7 etwas wirklich Verwegenes tun will - etwa die Uhrzeit oder das Datum am PC ändern - kann dies getrost tun: Anders als bei Vista lässt die UAC in Windows 7 dies ohne Murren zu. Überhaupt kommt das Tool dem Anwender kaum noch in die Quere - Warnungen sondert die UAC nur noch ab, wenn ein Programm versucht, Änderungen am PC vorzunehmen. Tut dies hingegen der Anwender selbst, lässt ihn das Werkzeug gewähren.

Des Weiteren lässt sich die Benutzerkontensteuerung neuerdings individuell anpassen. Gilt mit Vista noch: alles oder nichts, kann der Anwender mit Windows 7 bestimmen, wie restriktiv die UAC verfahren soll. Hierzu gibt es vier Einstellungen:

Einen Aspekt der UAC sollte Microsoft allerdings noch überarbeiten: Wie in Vista ist jede Option oder Einstellung, die das Security-Tool zu einer Warnung veranlasst, mit einem mehrfarbigen "Shield"-Icon versehen. In Windows 7 ändert sich das Icon nicht - egal, für welches UAC-Setting sich der Nutzer entschieden hat. Wer das Tool demnach im Standard-Setting belässt, findet nach wie vor das "Shield"-Icon neben den Einstellungsmöglichkeiten für Zeit und Datum. Werden diese modifiziert, taucht allerdings keine Warnung auf. Wünschenswert wäre demnach ein visueller Anhaltspunkt zum jeweiligen UAC-Status - etwa indem das Icon dort grau erscheint, wo das Tool gemäß Einstellung keine Warnmeldungen absetzt.

Rundum erneuerte Taskleiste

Auch wenn Windows 7 derzeit noch fast so aussieht wie Vista, hat Microsoft der Benutzeroberfläche einige interessante Neuerungen spendiert - und weitere in Aussicht gestellt.

Als diesbezüglich größte Neuerung ist eine rundum überarbeitete und funktional erweiterte Taskleiste angekündigt. Da sie in der vorliegenden Vorab-Beta noch nicht implementiert ist, konnten die Kollegen der Computerworld diese nicht begutachten. Microsoft und den mitgelieferten Screenshots zufolge wird die neue Taskleiste jedoch der im Apple-Betriebssystem Mac OS X ähneln: Über große Icons in der Taskleiste lassen sich die Programme starten - dabei kann der Nutzer bestimmen, welche Anwendungen dort auftauchen sollen. Die bisherige gesonderte Windows-Schnellstartleiste wird es in Windows 7 nicht mehr geben, da die Taskleiste im Prinzip deren Funktion mit übernimmt. Darüber hinaus soll die neue Taskleiste aber auch über eine Vielzahl raffinierter Funktionen verfügen - beispielsweise die Anzeige aller aktiven Programme in einer Thumbnail-Liste.

Einige Neuerungen der Benutzeroberfläche lassen sich in der Betaversion jedoch bereits begutachten - etwa die Art und Weise, wie sich die Fenstergröße minimieren beziehungsweise maximieren lässt. So führt ein Ziehen an den oberen Bildschirmrand zur Screen-füllenden Vergrößerung des Fensters. Auch das Anordnen der Windows-Fenster ist leichter: Wird ein Fenster an den linken oder rechten Bildschirmrand gezogen, passt es sich automatisch in die entsprechende Bildschirmhälfte ein und vereinfacht somit beispielsweise die parallele Anordnung zweier Fenster.

Nützlich ist zudem ein Button im Windows Explorer, der das Öffnen und Schließen des Vorschau-Fensters - anders als in Vista - mit einem Klick ermöglicht, sowie eine neue Dialogbox, über die sich die "Notification Area" (ganz rechts neben der Taskleiste) leichter bereinigen und frei von Icons halten lässt. Ferner wird die Sidebar nach einem kurzen Gastspiel unter Vista in Windows 7 wieder verschwinden, so dass die bislang darin beherbergten Gadgets nun den Desktop bevölkern dürfen. Last, but not least soll die Windows-7-Taskbar bei Hardware- oder Sicherheitsproblemen aussagekräftigere Warnungen absetzen als das Vista-Pendant.

Networking und die "Homegroup"

Mit Windows 7 hat Microsoft das Vista-Networking verbessert, das "Network and Sharing Center" überarbeitet und eine neue Funktion namens "Homegroup" eingeführt. Letztere erleichtert die gemeinsame Nutzung von Dateien, Ordnern und Geräten im heimischen Netz.

Das neue "Network and Sharing Center" bietet ein moderneres Interface - und weniger verwirrende Konfigurationsoptionen für das Sharing. Auch zeigt es die wichtigsten Netzinformationen - etwa Art und Namen des Netzes sowie dessen Verbindungsstatus - auf einen Blick an.

Die wichtigste Neuerung in diesem Bereich ist aber die so genannte Homegroup. Sie erleichtert es Benutzern im Heimnetz, Dateien, Ordner und Geräte wie Drucker gemeinsam zu nutzen. Homegroups funktionieren allerdings nur, wenn der Anwender sein Netz als "Home" bezeichnet. Handelt es sich hingegen um ein "Work"- oder "Public"-Netz, taucht die Funktion erst gar nicht auf.

Beim Anlegen einer Homegroup gilt es zu bestimmen, welche Dateien, Ordner oder Geräte zur gemeinsamen Nutzung freigegeben werden sollen, sowie ein Passwort festzulegen, um sicherzustellen, dass lediglich Personen, die dieses kennen, zu der Gruppe stoßen können. Dabei lassen sich die für das Sharing bestimmten Dateien und Ordner leicht kennzeichnen. Wer im Büro und zu Hause mit demselben Laptop arbeitet, kann so auch im heimischen Umfeld seine geschäftsspezifischen Dateien privat halten. Auch ist es nicht erforderlich, zu Hause einen anderen Drucker als Standard-Printer zu definieren - sobald sich der Anwender als Mitglied der Homegroup anmeldet, kommt automatisch das heimische Ausgabegerät zum Einsatz.

Auch im Hinblick auf das Dokumenten-Sharing hat sich einiges getan: Windows Vista und XP zwingen den Nutzer, sich durch Menüs und Optionen zu hangeln, um das File-Sharing auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden - die Konfiguration von Berechtigungen ist dabei mitunter kein Kinderspiel. Einfacher ist das mit Windows 7: Ein Klick mit der rechten Maustaste auf den betreffenden Ordner oder die Datei - und im daraufhin erscheinenden Menü den Punkt "Share with" auswählen. Zur Auswahl stehen Optionen wie das Sharing innerhalb einer Homegroup beziehungsweise mit bestimmten Personen oder die gemeinsame Nutzung nicht zuzulassen.

Das Wireless-Networking hat Microsoft ebenfalls optimiert. So erfordert die Verbindung mit einem Netz mit Windows 7 deutlich weniger Klicks: Neben dem Wireless-Networking-Icon taucht ein kleiner Stern auf, wenn Drahtlosnetze verfügbar sind. Ein Klick darauf enthüllt eine Liste der verfügbaren Netze. Beim Anklicken eines Netzes erscheint dann ein "Connect"-Button.

Datei-Organisation und -Suche

Eine der subtilsten Veränderungen in Windows 7 betrifft die Organisation von Dateien und Dokumenten. Bislang sind Windows-Anwender dazu gezwungen, sämtliche Dateien und Dokumente im Ordner "Dokumente" im eigenen Nutzer-Account zu organisieren. Das gesamte Windows, inklusive der Orte für das Speichern und die Suche sind darauf ausgelegt. Wer hier anders verfährt, macht sich das Leben schwer.

Mit Windows 7 wird dies anders. Statt die eigenen Dateien und Ordner in einen "Dokumente"-Ordner einzuordnen, gibt es übergreifende "Library"-Ordner, in denen sich unterschiedliche Bereiche - etwa "Downloads", "Musik", "Bilder" und "Videos" - finden. Ordner von anderen Orten im Netz lassen sich in diese Bibliotheken einfügen. Wer also beispielsweise drei PCs hat und alle geschäftsbezogenen Dateien auf diesen Systemen an einem Ort haben will, kann sie per Drag & Drop in die Library ziehen. Die Dateien verbleiben dabei nach wie vor an ihrem ursprünglichen Ort, werden aber auch in der Library angezeigt.

Auch die Suche wurde erheblich verbessert. Von einem Windows-7-System aus lassen sich sämtliche ins Heimnetz eingebundenen PCs durchsuchen. Dazu gilt es lediglich, die Ordner eines anderen Rechners in eine Library zu ziehen und dort die Suche zu starten.

Mehr Hardwareunterstützung

Ein großes Problem von Vista war die anfänglich mangelnde Hardwareunterstützung - zum Zeitpunkt der Markteinführung verweigerten sich viele Peripheriegeräte dem damaligen Betriebssystem-Neuling. Windows 7 wird laut Microsoft dieselbe Hardware unterstützen wie Vista heute. Schon die vorliegende Betaversion macht diesbezüglich einen guten Job: Das Betriebssystem erkannte sämtliche Hardwarekomponenten, die an dem von der Computerworld zu Testzwecken eingesetzten Laptop angeschlossen waren, problemlos. Dazu gehörten eine Wireless-Karte - eine Komponente, bei der Vista seinerzeit speziell Zicken machte, ein Netz-Laser-Drucker (Lexmark E120), sowie ein DVD-Brenner (I/O Magic LightScribe). Probleme gab es lediglich bei der Erkennung der Wide-Screen-Auflösung des Laptops, die sich allerdings nach einem Neustart in Luft auflösten.

Ein weiteres neues Feature in Windows 7, das "Device-Stage"-Fenster, soll zudem den Umgang mit Hardware erleichtern. Es taucht allerdings nur auf, wenn der Hersteller des Geräts eigens eines dafür kreiert hat. Statt des vertrauten Auto-Play erscheint beim Anschließen eines Geräts das Device-Stage-Fenster und bietet Optionen wie etwa ein Icon zum Scannen oder Drucken. Im Computerworld-Test produzierte allerdings kein angeschlossenes Gerät das Fenster, was darauf schließen lässt, dass diese erst kurz vor der Markteinführung von Windows 7 verfügbar sein werden.

Da Windows 7 ein grundsätzlich leichtgewichtigeres Betriebssystem als Vista ist, wird es mit weniger leistungsfähigerer Hardware auskommen. Wie Steve Sinofsky, Windows und Windows Live Senior Vice President bei Microsoft, kürzlich auf der Professional Developers Conference mitteilte, benötigt das Betriebssystem auf seinem Notebook Lenovo S10 weniger als die Hälfte von dessen 1 GB Gigabyte RAM. Asus-CEO Jerry Shen plant für Mitte 2009 Windows-7-basierende Modelle des Eee PC - unter anderem auch Varianten mit Touch-Screen. Vista ist für den Einsatz auf Notebooks in Sachen Prozessorleistung und RAM zu ressourcenhungrig - Microsoft dürfte daher alles tun, um Windows 7 Laptop-tauglich zu machen.

Wie stets im Vorfeld der Markteinführung eines neuen Betriebssystems behauptet Microsoft, auch die OS-Leistung zu steigern. Wie auch immer - die Vorab-Beta von Windows 7 erwies auf dem Computerworld-Laptop als erstaunlich flott - und viel schneller als Vista sogar in späteren Betas.

Verbesserte Multimedia-Unterstützung

Ebenfalls optimiert wurde die Multimedia-Unterstützung in Windows 7. Wer auf seinem PC Musik hört oder Videos abspielt, darf sich freuen, dass nun beides ohne den Windows Media Player möglich ist, der beträchtliche RAM-Ressourcen beansprucht. Stattdessen wird der Windows Explorer gestartet und das Vorschaufenster geöffnet, woraufhin dort ein kleiner Media-Player erscheint. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen Player - wer andere Funktionen braucht, muss auf den Windows Media Player zurückgreifen. Für einfache Unterhaltung ist es jedoch eine praktische Erweiterung.

Der Windows Media Player selbst unterstützt nun mehr Formate - darunter das bei Video-Downloadern verbreitete, hochauflösende DivX sowie das Audio-Format AAC, das von Apples iTunes genutzt wird.

Weitere interessante Neuerungen

Das in Vista nahezu unbrauchbare Programm Windows Backup wird mit Windows 7 zum nützlichen Tool: So lassen sich Backups nutzerspezifisch anpassen, indem bestimmte Laufwerke oder Ordner explizit ein- oder ausgeschlossen werden können. Praktisch: Wer ein externes Backup-Device - etwa ein USB-Laufwerk - anschließt, kann sich von einem Wizard durch den (insgesamt mit weniger Klicks zu bewerkstelligenden) Backup-Prozess leiten lassen.

Interessant ist nicht zuletzt aber auch das, was ab Windows 7 wegfällt: Windows Mail, Photo Gallery und Movie Maker gehören nicht mehr dazu, werden künftig aber als kostenlose Downloads über Windows Live verfügbar sein.

Ebenso verschwunden sind wenig genutzte Applikationen, die damit auch kaum jemand vermissen wird. Dazu gehören "Windows Meeting Space" - eine nutzlose Anwendung für das adhoc-Setup von Netzen - sowie das vergleichbare "People Near Me".

Fazit

Microsoft mag die jüngste Version seines Betriebssystems "Windows 7" nennen, man könnte es aber auch als "Windows 6.5" bezeichnen: Im Grunde imitiert es Vista, bietet jedoch Neuerungen, durch die es weit mehr ist als ein aufgemöbeltes Service Pack. Zwar lässt sich derzeit noch keine definitive Beurteilung abgeben - doch ist das kommende Windows bereits erstaunlich solide, gut ausgearbeitet und flott.

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