Wiki beteiligt weltweite Spezialisten an der Vergabe von Softwarepatenten

17.08.2006
Mit einem Wiki-basierenden System wollen US-Unternehmen und -Behörden mehr Transparenz bei der Vergabe von Patenten schaffen und die Flut an minderwertigen Patenten eindämmen.

Ein von IBM, Microsoft und Hewlett-Packard (HP) unterstütztes Pilotprojekt soll den kaum noch beherrschbaren Patentprüfungsprozess mit Hilfe eines Wiki stark vereinfachen. Die Betreiber wollen die Technik dem amerikanischen Patent and Trademark Office zur Verfügung stellen und hoffen nach abgeschlossener Testphase auf dessen Unterstützung. Hintergrund ist die Tatsache, dass sich die Menge der Softwarepatente in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht hat.

Wer damit befasst ist, die Anträge zu prüfen, hat im Durchschnitt nur noch 20 Stunden Zeit, um teilweise komplexeste Anwendungen zu analysieren, ältere Erfindungen auf Ähnlichkeiten hin zu durchforsten und zu entscheiden, ob ein Patent erteilt werden soll. Kritiker behaupten schon seit langem, dass die Qualität der Patente schwer gelitten hat und zunehmend auch solche Techniken als geistiges Eigentum geschützt werden, die nicht wirklich neu sind.

Das Wiki-Konzept sieht vor, versierte und mit der Materie vertraute Außenseiter in den Patentprüfungsprozess einzubeziehen - nach dem Vorbild der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Damit könnten Patentprüfer auf deutlich mehr für den Entscheidungsprozess relevante Informationen zugreifen, so die Theorie.

Die Idee war einem Bericht des US-Wirtschaftsmagazins "Fortune" zufolge schon im Juli 2005 von der Professorin Beth Noveck von der New York Law School in ihrem Blog publiziert worden. Die Zeitschrift "Wired" hatte darüber berichtet und damit das Interesse der IBM geweckt. Dave Kappos, bei IBM Vice President für Rechtsfragen zum Thema geistiges Eigentum, zeigte sich im Gespräch mit Fortune begeistert: "Das Konzept ist stark, es könnte die enormen Fähigkeiten aller technischen Talente weltweit nutzen", so seine Hoffnung.

Gemeinsam mit IBM und dem US-Patentamt hat Professorin Noveck nun ein erstes System entwickelt. Erfinder, die damit arbeiten, können beispielsweise nachweisen, dass eine von jemand anderem als neu verkaufte Idee schon längst patentiert wurde oder gar als marktgängiges Produkt verfügbar ist. Ebenso können sie die eingereichten Patentvorschläge anderer beurteilen und bewerten. Die Patentprüfer sollen für ihre Wertung nur die jeweils zehn am besten beurteilten Einlassungen Dritter heranziehen. Dadurch hoffen die Beteiligten, Sabotageversuche von Wettbewerbern, die schlechtes oder falsches Material einschleusen, zu vermeiden.

In einem Testlauf wollen zunächst IBM, Microsoft und HP 250 bis 400 Softwarepatente für das Pilotprojekt zur Verfügung stellen. Erst wenn die Detailmängel beseitigt sind, soll das Konzept dem Patent und Trademark Office zur Verfügung gestellt und von diesem abgesegnet werden. Verläuft die für Anfang 2007 vorgesehene Testphase erfolgreich, könnte das Wiki-Modell dem Patentamt zur Verfügung gestellt werden. (hv)