In vielen Branchen, allen voran in der Bauwirtschaft, sind Struktur und Begrifflichkeiten der einzelnen Leistungen hochgradig normiert. Im Gegensatz dazu zeigt sich im Bereich des IT-Infrastruktur-Betriebs eine nahezu babylonische Sprachvielfalt - obwohl diese Leistungen seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag in der Wertschöpfungskette aller Wirtschaftsbereiche darstellen und längst nicht mehr nur IT-Experten beschäftigen. Die fehlende begriffliche und strukturelle Standardisierung bringt für Anwender und Auftraggeber erhebliche Nachteile mit sich, denn sie erschwert den Vergleich von Service-Inhalten, Service-Leveln und Service-Kosten. Im Folgenden unternehmen wir den Versuch, zumindest auf der obersten Ebene zu mehr Einheitlichkeit beizutragen.
Zunächst einmal ist es nötig, den Begriff "IT-Infrastruktur" selbst zu definieren. Wir fassen darunter den gesamten Bereich der IT-Operations zusammen, die bekanntermaßen den größten Kostenblock innerhalb der IT darstellen. Diese fortlaufenden "Run"-Aktivitäten beinhalten den Betrieb von Endgeräten, Servern, Datenbanken und Applikationen und anderen IT-Komponenten.
In dem genannten IT-Infrastruktur-Umfeld begegnen uns in unserem Beratungsalltag ständig neue Begriffe, und zwar sowohl auf der Seite der Anwender als auch auf der Seite der Service-Provider. Noch dazu wird diese Begriffsvielfalt regelmäßig mit Trendwörtern wie Cloud-Services, Big Data oder Mobility angereichert. Selbst innerhalb der Webseiten einzelner Providers sind mitunter inkonsistente Begrifflichkeiten anzutreffen - mit Inhalten, die nicht klar voneinander abgegrenzt sind und sich mit den Inhalten anderer Oberbegriffe überschneiden. In der folgenden Abbildung sind einige dieser Begriffe widergegeben.
Vertikal und horizontal
Wie kommt es nun zu diesem Durcheinander bei der Bezeichnung von IT-Services? Ein wesentlicher Grund für die vorgefundene Begriffsvielfalt dürfte darin liegen, dass IT-Themen zumeist in einer "vertikalen" Sichtweise dargestellt werden. Spricht man beispielsweise über Big Data Management oder über Collaboration Solutions, so geht es zumeist um alle Aspekte im Lebenszyklus dieser Lösungen, angefangen vom Demand Management über die Auswahl und das Customizing von Technologien und Tools bis hin zum Betrieb der Infrastrukturen. Es werden also alle Phasen innerhalb des Plan-Build-Run-Zyklus betrachtet. Im Bereich des Infrastrukturbetriebs konzentrieren wir uns hingegen auf die Run-Phase und strukturieren die reinen Betriebsthemen anschließend in "Service Lines".
Zwar bestehen auch innerhalb der IT-Operations-Aufgabengebiete sehr wohl thematische Unterschiede: Zum Beispiel unterscheidet sich das Management von SAP-Applikationen von dem Management von Collaboration-Anwendungen, und es werden hierzu jeweils unterschiedliche Skills benötigt. Die vertikale Betrachtungsweise hat demnach auch im Infrastrukturumfeld sehr wohl ihre Berechtigung. Diese Sichtweise wird jedoch erst in zweiten Schritt, nämlich in der Feinplanung der Serviceerbringung, angewendet. Um die Services zu strukturieren, ist zunächst die horizontale Sichtweise anzuwenden - das heißt, es werden IT-Betriebsaufgaben statt IT-Themengebiete betrachtet.
Lösungsansatz
Der im Folgenden vorgestellte Lösungsansatz für die Strukturierung von IT-Infrastruktur-Themen hilft, Projekte im Operations-Umfeld effizient und effektiv zu realisieren und trägt dazu bei, dass Service-Inhalte, Service-Level und Service-Kosten mit denen anderer Serviceumfänge oder Provider-Angebote verglichen werden können. Dabei kann das Vorgehensmodell in einheitlicher Weise in einer Vielzahl von unterschiedlichen Projekten angewendet werden, wie etwa bei
Sourcing- und Outsourcing-Vorhaben,
Providersteuerung, SLA-Management,
IT-Controlling, Kostenmanagement, Benchmarking,
IT-Konsolidierung, Einrichtung von Shared Services Centern und
Transitionen bei Providerwechseln (Second Generation Outsourcing).
Schritt 1: Isolation der Betriebsumfänge
Abtrennung der Run-Anteile von Plan/Build-Anteilen; insbesondere bei Sourcing-Vorhaben ist dies eine wesentliche Grundlage;
Abtrennung der laufenden Services von Investitionen wie Modernisierungs-Projekten oder IT-Umstellungsvorhaben; hierdurch werden sporadisch anfallende Aufwände eliminiert und es wird eine Benchmark-Fähigkeit erreicht.
Schritt 2: Trennung der Dienstleistungen von Hardware und Software
In den letzten Jahren hat die Bedeutung der IT-Hardware gegenüber den Dienstleistungen stetig abgenommen, und zwar sowohl in finanzieller als auch in technologischer Hinsicht. Wurde vor einigen Jahren noch ein "Full Service"-Modell propagiert, bei dem Anwender "alles aus einer Hand" beziehen sollten, werden heute überwiegend separate Verträge für den Bezug von Hardware, Software und Dienstleistungen abgeschlossen.
Nur in den wenigen Ausnahmen, wo die Hardware nach wie vor eine besonders wichtige Rolle spielt, ist es ratsam, Kosten für Hardware und Dienstleistungen zusammenzufassen. Dies trifft zum Beispiel für den Betrieb von Storage-Systemen zu. In den meisten Fällen kann die Hardware jedoch in viel stärkerem Maße als früher als Commodity betrachtet werden. Abschreibungsaufwände und Leasing-Raten sind längst nicht mehr so bedeutsam wie früher.
Ist diese Trennung vertragsmäßig und im IT-Controlling umgesetzt, sind kostenmäßige Vergleiche zwischen verschiedenen Betriebsmodellen leichter möglich, die Transparenz wird erhöht, und kaufmännische Verwaltungsaufwände sinken.
Schritt 3: Strukturierung der Services
Die Strukturierung der Services erfolgt gemäß der "horizontale Sichtweise" Tätigkeits- und nicht Themen-bezogen. Als Disziplinen innerhalb der IT-Operations haben sich in unserer Beratungspraxis die folgenden "Service Lines" bewährt:
Der Service Desk ist - ITIL-konform - der "Single Point of Contact" für Incidents und Change Requests. Wurde der ehemalige User Helpdesk noch häufig den Desktop Services zugerechnet, nimmt der Service Desk heute verschiedenste Anfragen an, etwa zu Applikationen oder zum Netzwerk, und stellt somit eine Querschnittsfunktion für alle übrigen Disziplinen dar.
Unter Desktop Services fassen wir alle Endgeräte-bezogenen Services zusammen, einschließlich der Betreuung von Mobility-Devices. Im Wesentlichen setzen sich die Desktop Services aus dem Onsite Client Management und dem Remote Client Management zusammen. Der Betrieb von Verzeichnisdiensten und anderen Client-bezogenen Diensten wird hingegen dem Bereich Data Center Services zugerechnet.
Data Center Services beinhalten alle Rechenzentrums-bezogenen Dienstleistungen, angefangen von der Bereitstellung von RZ-Infrastrukturen über den Betrieb von Servern, Datenbanken und Middleware bis hin zum Betrieb von Applikationen und Schnittstellen.
Storage Services beinhalten die Bereitstellung von SAN- und NAS-Kapazitäten, einschließlich der damit verbundenen Betriebsleistungen.
Network Services beinhalten alle Netzwerk-bezogenen Aufgaben, insbesondere den Betrieb von LAN, WAN und Voice-Infrastrukturen.
Special Services beinhalten branchenspezifische non-Standard-Services, wie den Betrieb von Betriebsfunk-Infrastrukturen.
Querschnittsfunktionen beinhalten beispielsweise IT-Security, Continuity Management sowie IT Operations- und Service Management
Schritt 4: Services separat
Die gemäß Schritt 1 bis 3 bereinigten und strukturierten Service-Informationen werden nun weiter analysiert und aufbereitet, indem die Aspekte Serviceinhalte, Servicequalität und Servicekosten voneinander separiert werden.
Fazit
Die vorgestellte Vorgehensweise zur Strukturierung von Services hat sich in einer Vielzahl unterschiedlicher IT-Infrastrukturprojekte bewährt und erhöht die Transparenz und Vergleichbarkeit von Infrastruktur-Services.
Unser Beitrag soll eine Diskussion initiieren, die für den Bereich "IT-Operations" auf einheitliche Sprachregelungen und auf eine einheitliche Service-Strukturierung abzielt. (sh)