Begriffe und Standards

Wie Sie Ihre IT-Infrastruktur ordnen

16.09.2015 von Dr. Kai Beckmann
Im zunehmenden Begriffswirrwarr rund um Cloud-Dienste, Service-Level und IT-Betriebskosten verlieren Anwender schnell den Überblick. Wir zeigen, wie Sie wieder Ordnung in Ihre IT-Landschaft bekommen – strukturell wie sprachlich.
  • Die vertikale Sicht auf IT-Services ist zu komplex.
  • Hardware, Software und Dienstleistungen sollten voneinander getrennt betrachtet werden.
  • So lassen sich die Transparenz der eigenen IT-Landschaft und die Vergleichbarkeit von Infrastruktur-Diensten realisieren.

In vielen Branchen, allen voran in der Bauwirtschaft, sind Struktur und Begrifflichkeiten der einzelnen Leistungen hochgradig normiert. Im Gegensatz dazu zeigt sich im Bereich des IT-Infrastruktur-Betriebs eine nahezu babylonische Sprachvielfalt - obwohl diese Leistungen seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag in der Wertschöpfungskette aller Wirtschaftsbereiche darstellen und längst nicht mehr nur IT-Experten beschäftigen. Die fehlende begriffliche und strukturelle Standardisierung bringt für Anwender und Auftraggeber erhebliche Nachteile mit sich, denn sie erschwert den Vergleich von Service-Inhalten, Service-Leveln und Service-Kosten. Im Folgenden unternehmen wir den Versuch, zumindest auf der obersten Ebene zu mehr Einheitlichkeit beizutragen.

Wo geht's lang im IT-Dschungel? Anwender sollten sich erst einmal sprachlich auf Standards einigen, bevor sie IT-Infrastruktur und -Betrieb sortiert bekommen können.
Foto: Brian Jackson - Fotolia.com

Zunächst einmal ist es nötig, den Begriff "IT-Infrastruktur" selbst zu definieren. Wir fassen darunter den gesamten Bereich der IT-Operations zusammen, die bekanntermaßen den größten Kostenblock innerhalb der IT darstellen. Diese fortlaufenden "Run"-Aktivitäten beinhalten den Betrieb von Endgeräten, Servern, Datenbanken und Applikationen und anderen IT-Komponenten.

In dem genannten IT-Infrastruktur-Umfeld begegnen uns in unserem Beratungsalltag ständig neue Begriffe, und zwar sowohl auf der Seite der Anwender als auch auf der Seite der Service-Provider. Noch dazu wird diese Begriffsvielfalt regelmäßig mit Trendwörtern wie Cloud-Services, Big Data oder Mobility angereichert. Selbst innerhalb der Webseiten einzelner Providers sind mitunter inkonsistente Begrifflichkeiten anzutreffen - mit Inhalten, die nicht klar voneinander abgegrenzt sind und sich mit den Inhalten anderer Oberbegriffe überschneiden. In der folgenden Abbildung sind einige dieser Begriffe widergegeben.

Im Bereich der IT-Infrastruktur ist eine begriffliche und strukturelle Standardisierung, wie sie in anderen Branchen seit jeher üblich ist, nicht gegeben. Die einzelnen Inhalte überschneiden sich, verschiedene Aspekte sind miteinander vermengt.
Foto: UDF Consulting AG

Vertikal und horizontal

Wie kommt es nun zu diesem Durcheinander bei der Bezeichnung von IT-Services? Ein wesentlicher Grund für die vorgefundene Begriffsvielfalt dürfte darin liegen, dass IT-Themen zumeist in einer "vertikalen" Sichtweise dargestellt werden. Spricht man beispielsweise über Big Data Management oder über Collaboration Solutions, so geht es zumeist um alle Aspekte im Lebenszyklus dieser Lösungen, angefangen vom Demand Management über die Auswahl und das Customizing von Technologien und Tools bis hin zum Betrieb der Infrastrukturen. Es werden also alle Phasen innerhalb des Plan-Build-Run-Zyklus betrachtet. Im Bereich des Infrastrukturbetriebs konzentrieren wir uns hingegen auf die Run-Phase und strukturieren die reinen Betriebsthemen anschließend in "Service Lines".

Was ist beim Aufbau eines IT-Servicekatalogs zu beachten?
Was ist beim Aufbau eines IT-Servicekatalogs zu beachten?
Viele IT-Organisationen haben Servicekataloge erstellt oder entwickeln sie weiter. Dabei machen sie oft vermeidbare Fehler, so Arne Fischer, Analyst bei der ITSM Consulting AG.
1. Servicekatalog und IT-Portfolio synchronisieren
Oft werden die Leistungen beschrieben, ohne ihren Umfang ausreichend darzustellen. Das erschwert den Anwendern die Beurteilung der Services und den IT-Organisation die inhaltliche Pflege des Katalogs.
2. Den Service-Request-Katalog über ein Bestellportal anbieten
Oft wird der Servicekatalog parallel zum Bestellportal bereitgestellt. Das birgt die Gefahr von Redundanzen.
3. Den Kundennutzen formulieren
Anwender können technische und funktionale Darstellungen kaum ausreichend beurteilen. Es empfiehlt sich aber, neben dem Business-Servicekatalog einen technischen Katalog zu führen.
4. Services klar dokumentieren
Das operative Leistungsportfolio muss konsistent und kundengerecht dargestellt werden. Sonst fehlt es an Transparenz .
5. Qualität der Services messbar machen
Eine Nutzenbeschreibung hat Grenzen, wenn es um Spezifikation und Reporting der Services geht. Besser werden diese mittels Kennzahlen dargestellt.
6. Qualitätsklassen verwenden
Historisch gewachsene Service-Levels machen das Controlling unübersichtlich. Hilfreich ist es, die Services standardisierten Qualitätsklassen zuzuordnen.
7. Servicedefinitionen mit SLAs abstimmen
Wenn beide unabhängig voneinander erstellt werden, fehlt es oft an Durchgängigkeit.
8. Die Pflege des Servicekatalogs regeln
Prozesse zur Erstellung und Pflege von Servicebeschreibungen, SLAs und Katalogen müssen auch mit Verantwortlichkeiten versehen werden.

Zwar bestehen auch innerhalb der IT-Operations-Aufgabengebiete sehr wohl thematische Unterschiede: Zum Beispiel unterscheidet sich das Management von SAP-Applikationen von dem Management von Collaboration-Anwendungen, und es werden hierzu jeweils unterschiedliche Skills benötigt. Die vertikale Betrachtungsweise hat demnach auch im Infrastrukturumfeld sehr wohl ihre Berechtigung. Diese Sichtweise wird jedoch erst in zweiten Schritt, nämlich in der Feinplanung der Serviceerbringung, angewendet. Um die Services zu strukturieren, ist zunächst die horizontale Sichtweise anzuwenden - das heißt, es werden IT-Betriebsaufgaben statt IT-Themengebiete betrachtet.

Die vertikale Sicht auf IT-Services ist themenbezogen und beinhaltet alle Phasen des Plan/Build/Run-Zyklus. Für die übergeordnete Strukturierung von IT-Betriebsaufgaben ist diese Darstellungsart nicht geeignet (Darstellung anhand von Einzelbeispielen).
Foto: UDF Consulting AG

Lösungsansatz

Der im Folgenden vorgestellte Lösungsansatz für die Strukturierung von IT-Infrastruktur-Themen hilft, Projekte im Operations-Umfeld effizient und effektiv zu realisieren und trägt dazu bei, dass Service-Inhalte, Service-Level und Service-Kosten mit denen anderer Serviceumfänge oder Provider-Angebote verglichen werden können. Dabei kann das Vorgehensmodell in einheitlicher Weise in einer Vielzahl von unterschiedlichen Projekten angewendet werden, wie etwa bei

In vier Schritten zu mehr Ordnung im IT-Chaos...
Foto: UDF Consulting AG

Schritt 1: Isolation der Betriebsumfänge

Schritt 2: Trennung der Dienstleistungen von Hardware und Software

In den letzten Jahren hat die Bedeutung der IT-Hardware gegenüber den Dienstleistungen stetig abgenommen, und zwar sowohl in finanzieller als auch in technologischer Hinsicht. Wurde vor einigen Jahren noch ein "Full Service"-Modell propagiert, bei dem Anwender "alles aus einer Hand" beziehen sollten, werden heute überwiegend separate Verträge für den Bezug von Hardware, Software und Dienstleistungen abgeschlossen.

PwC-Studie über den deutschen Outsourcing-Markt
Der deutsche Outsourcing-Markt
In der "IT-Outsourcing-Studie" analysiert PwC den deutschen Markt. Grundlage sind unter anderem Angaben von 55 Anbietern.
Standort-Wahl
Nearshore schreiben die Befragten das stärkste Potenzial zu.
Verhandlungen
Haftung und Gewährleistung sehen die Anbieter als größte Herausforderungen bei der Vertragsverhandlung an.
Nachverhandlungen
Wird nachverhandelt, geht es meist um die Erweiterung des Leistungsspektrums.
Probleme bei der Transition
Knappe Ressourcen und Unerfahrenheit beim Kunden sehen die Anbieter als größte Probleme in der Transitionsphase an.
Probleme bei der Cloud
Alt-Systeme stellen das größte Problem bei der Verlagerung in die Cloud dar.
Retained Organisiation
Das Bilden einer Retained Organisation hakt weniger an der Technik als mehr an Fragen von Organisation und Qualifizierung.

Nur in den wenigen Ausnahmen, wo die Hardware nach wie vor eine besonders wichtige Rolle spielt, ist es ratsam, Kosten für Hardware und Dienstleistungen zusammenzufassen. Dies trifft zum Beispiel für den Betrieb von Storage-Systemen zu. In den meisten Fällen kann die Hardware jedoch in viel stärkerem Maße als früher als Commodity betrachtet werden. Abschreibungsaufwände und Leasing-Raten sind längst nicht mehr so bedeutsam wie früher.

Ist diese Trennung vertragsmäßig und im IT-Controlling umgesetzt, sind kostenmäßige Vergleiche zwischen verschiedenen Betriebsmodellen leichter möglich, die Transparenz wird erhöht, und kaufmännische Verwaltungsaufwände sinken.

Schritt 3: Strukturierung der Services

Die Strukturierung der Services erfolgt gemäß der "horizontale Sichtweise" Tätigkeits- und nicht Themen-bezogen. Als Disziplinen innerhalb der IT-Operations haben sich in unserer Beratungspraxis die folgenden "Service Lines" bewährt:

Foto: UDF Consulting AG

Schritt 4: Services separat

Die gemäß Schritt 1 bis 3 bereinigten und strukturierten Service-Informationen werden nun weiter analysiert und aufbereitet, indem die Aspekte Serviceinhalte, Servicequalität und Servicekosten voneinander separiert werden.

Fazit

Die vorgestellte Vorgehensweise zur Strukturierung von Services hat sich in einer Vielzahl unterschiedlicher IT-Infrastrukturprojekte bewährt und erhöht die Transparenz und Vergleichbarkeit von Infrastruktur-Services.

Unser Beitrag soll eine Diskussion initiieren, die für den Bereich "IT-Operations" auf einheitliche Sprachregelungen und auf eine einheitliche Service-Strukturierung abzielt. (sh)

Lünendonk "Der Markt für ICT-Sourcing-Beratung"
Lünendonk über den Markt der IT-Sourcing-Berater
Erstmals hat Lünendonk das Segment der IT-Sourcing-Beratung untersucht. 26 Anbieter nahmen an der Studie "Der Markt für ICT-Sourcing-Beratung in Deutschland" teil.
Optimistische Aussichten
Die Anbieter gehen von einer guten Marktentwicklung aus. Sie erwarten Zuwächse.
Arbeitsfelder
Die konkreten Arbeitsfelder der IT-Sourcing-Berater beziehen sich meist auf die Beratung bei der Sourcing-Strategie und das Ausschreibungs-Management. Außerdem unterstützen sie bei Transformation und Umsetzung von Sourcing-Strategien und bei der Wahl des Providers.
Kundenstruktur
IT-Sourcing-Berater sind zum überwiegenden Teil für Konzerne mit mehr als 10.000 Mitarbeitern tätig.
Gefragte Expertise
Die Kunden fragen vor allem Expertise im Bereich IT-Service-Management nach.
Mitsprache bei der Auswahl
Bei der Auswahl eines IT-Sourcing-Beraters sitzt der CIO oder IT-Leiter fast immer mit am Tisch.
Ausschreibungsverfahren
Üblicherweise schreiben die Firmen unter ausgewählten Providern aus, oder der Berater sucht aktiv nach geeigneten Providern.
Blick auf die Branchen
Die Industrie sowie Finanzdienstleister holen sich am häufigsten Unterstützung durch IT-Sourcing-Berater.
Werdegang der Berater
Meist haben IT-Sourcing-Berater einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Es finden sich aber auch viele Informatiker und Wirtschaftsinformatiker unter ihnen.
4 Arten von Anbietern
Lünendonk unterteilt den Markt in vier Felder: Erstens reine, auf IT-Sourcing-Beratung spezialisierte Unternehmen, zweitens Managementberatungen mit IT-Sourcing-Beratung im Portfolio sowie drittens Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften mit IT-Sourcing-Beratung und viertens IT-Beratungen mit IT-Sourcing-Beratung.