40 Jahre SAP

Wie sich SAP die Zukunft vorstellt

09.07.2012 von Martin Bayer
Die neue SAP-Doppelspitze verlässt ausgetretene ERP-Pfade und arbeitet energisch daran, das Produktportfolio auszuweiten. Es geht in Richtung Datenbanken, Analytics, mobile Lösungen und Cloud Computing.

Unser Geschäft entwickelt sich hervorragend", freuten sich SAPs Co-CEOs Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe Ende Januar, als sie die Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr 2011 präsentierten. SAP sei dabei, seine Position in Sachen Analytics und mobilen Lösungen auszubauen und die Märkte für Datenbanken sowie Cloud-Anwendungen neu zu definieren. Dieser mediale Vorstoß der Walldorfer Führungsetage zeigt, dass es für SAP längst um mehr geht als das angestammte ERP-Geschäft. Mit Business-Intelligence-Lösungen und einer selbst entwickelten Highend-Datenbank- und BI-Appliance fordert der Konzern IT-Riesen wie IBM und Oracle heraus. Gleichzeitig muss SAP aufpassen, im sich rasant entwickelnden Mobility-Sektor nicht den Anschluss zu verlieren.

Und zu guter Letzt gilt es für SAP wie für alle etablierten Softwarehersteller die Gretchenfrage zu beantworten, wie der Übergang vom klassischen Lizenz-Wartungs-geschäft, mit dem die Softwarehersteller in den vergangenen Jahrzehnten gut verdient haben, ins Cloud-Zeitzalter, in dem die Anwender flexibel nach Softwareverbrauch abrechnen wollen, möglichst reibungslos und ohne die Börse zu verschrecken über die Bühne gehen kann. Jede Menge Fragen und Herausforderungen also, denen sich die Konzernführung stellen muss.

In-Memory, BI und Datenbank

In Walldorf geht man selbstbewusst an die künftigen Aufgaben heran, zum Beispiel in Sachen HANA: Vor rund zwei Jahren betrat SAP Neuland mit der Entwicklung seiner auf In-Memory-Computing und spaltenorientierter Datenbanktechnik basierenden BI-Appliance. Seit Mitte vergangenen Jahres ist HANA offiziell am Markt verfügbar. SAPs Technikchef Vishal Sikka schwärmte von einem Meilenstein: "SAP HANA verändert grundlegend die Art und Weise, wie in Unternehmen gedacht, geplant und gearbeitet wird."

Der Softwarekonzern verspricht seinen Kunden, mit HANA große Datenmengen schnell und direkt aus den transaktionalen Systemen auswerten zu können: "Wir sehen Potenzial, mit Hana klassische Data-Warehouse- und Datenbank-basierende Architekturen abzulösen", sagte Snabe. Das vereinfache die Softwarelandschaften und verringere die Komplexität. Obwohl die SAP-Führung mit dieser Strategie auf Konfrontationskurs mit den klassischen Datenbankanbietern wie Oracle, IBM und Microsoft geht, die den Markt seit Jahren unter sich aufgeteilt haben, ist man sich in Walldorf seiner Sache sicher. SAP werde den Markt in den kommenden Jahren kräftig durcheinanderwirbeln und zu einem der führenden Anbieter in diesem Geschäft aufsteigen.

Glaubt man ersten Zahlen, scheint SAP auf einem guten Weg. Im zweiten Halbjahr 2011 will der Softwareanbieter mit HANA bereits 160 Millionen Euro eingenommen haben. Allerdings gibt es auch andere Signale. Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG), die ihre Mitglieder regelmäßig zu deren Investitionsplänen befragt, berichtete in ihrer aktuellen Umfrage, dass die Unternehmen hierzulande derzeit kaum Budgets für HANA und In-Memory-Computing einplanen. Vor allem die hohen Kosten schreckten die Kunden ab.

Apps und mobile Anwendungen

Während in Sachen In-Memory noch die Skepsis überwiegt, wächst in den Reihen der SAP-Kunden das Interesse an mobilen Lösungen. Laut DSAG-Umfrage wollen sechs von zehn befragten Anwendern 2012 in mobile Anwendungen für die SAP-Nutzung investieren. Seit der Übernahme von Sybase und dessen mobiler Plattformlösung vor knapp zwei Jahren forciert SAP die Entwicklung mobiler Lösungen.

Und geht selbst mit gutem Beispiel voran: Auf Basis der Sybase-Lösung "Afaria" arbeiteten mittlerweile rund 10.000 der insgesamt über 50.000 SAP-Mitarbeiter mit einem Tablet-Rechner, berichtete SAP-CIO Oliver Bussmann. Mobile Geräte seien die Grundlage für alles, was SAP tue, sagte Snabe zum diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona. In Zukunft würden mobile Geräte nicht mehr als eigene Kategorie begriffen, sie seien schlichtweg die nächste Generation des PC.

Doch so einfach, wie es sich vielleicht anhören mag, ist das Thema Mobile nicht. Neben vielen verschiedenen Geräten und Plattformen, die es zu adressieren gilt, müssen die Anbieter auch Antworten auf drängende Fragen wie beispielsweise nach der Sicherheit mobiler Anwendungen und Daten liefern.

Zudem macht sich die zunehmende Appifizierung von Software auch im klassischen Anwendungsgeschäft bemerkbar. Angesichts des Trends zu schlanken, schnell installierten und nutzbaren Apps beginnen die großen Softwarehersteller, verstärkt eigene Apps als Ergänzungen für ihre großen Softwarepakete zu entwickeln beziehungsweise selbst App Stores im Web einzurichten, in denen auch Partner Business-Apps anbieten können. Mit so einem Marktplatz will in Zukunft auch SAP die eigene Softwareplattform aufwerten.

SaaS und Cloud Computing

Foto: SAP

SAPs Strategie zielt derzeit vor allem darauf ab, das Softwaregeschäft auf eine breitere Basis zu stellen. Neben neuen mobilen Anwendungen sollen künftig vor allem Cloud-Lösungen das klassische Lizenzgeschäft ergänzen. Die Erwartungen sind hoch. Rund zwei Milliarden Euro soll die Mietsoftware aus der Wolke 2015 zum Jahresumsatz beitragen.

Ein Blick auf die letztjährigen Zahlen lässt jedoch berechtigte Zweifel zu, ob sich das SAP-Management an dieser Stelle nicht übernimmt. Gerade einmal 18 Millionen Euro steuerten Cloud-Angebote zum Gesamt-umsatz von über 14 Milliarden Euro bei. Zudem verlief der Weg der Walldorfer in die Cloud bislang mehr als holprig. Nachdem man in der Vorstandsetage in Walldorf das Software-as-a-Service-Modell (SaaS) zunächst lange Zeit ignoriert hatte, kündigte der Konzern 2007 schließlich doch eine eigene Cloud-Strategie an. Der Markteintritt verzögerte sich jedoch immer wieder. zudem gab es technische Probleme rund um die von SAP selbst gehostete Lösung.

Heute meldet SAP gut 1000 Kunden für sein auf mittelständische Kunden zugeschnittenes Cloud-ERP-Paket "Business ByDesign" (ByD) und sieht sich damit im Plan. Doch die Messlatte lag ursprünglich viel höher, und eine eindeutige Handschrift im Cloud-Geschäft ist bislang nicht zu erkennen. Zur CeBIT kündigte SAP eine Cloud-Variante von Business One an, dem ERP-Paket für kleine und mittelständische Firmen. Wie sich das neue Angebot von ByD abgrenzt, bleibt unklar.

Auch die Verantwortlichkeiten für SAPs Cloud-Geschäft wechselten zuletzt ständig. Der von Oracle gekommene John Wookey, der eigentlich das Cloud-Angebot für SAPs Konzernkunden vorantreiben sollte, blieb blass und verabschiedete sich bereits nach kurzer Zeit wieder. Peter Lorenz, der daraufhin das gesamte Cloud-Geschäft unter seine Fittiche nahm, hat sich mittlerweile ebenfalls verabschiedet - in eine Auszeit, hieß es.

Richten soll das Cloud-Geschäft nun Lars Dalgaard, Ex-Chef von Successfactors und möglicherweise bald schon als "Mr. Cloud" im SAP-Vorstand. Ende vergangenen Jahres hat der Konzern rund 2,5 Milliarden Euro in die Übernahme des Spezialisten für Human-Capital- und Talent-Management aus der Cloud investiert.

Neue Produkte - neues Glück

Foto: SAP

Der Deal zeigt, wohin SAP steuert. Co-CEO Snabe kündigte auf der diesjährigen CeBIT an, das Portfolio weiter zu diversifizieren. Künftig sollen alle 18 Monate zusätzliche Kategorien die eigene Angebotspalette erweitern. Das müsse nicht zwangsläufig aus eigenen Entwicklungen resultieren. Auch Akquisitionen seien an dieser Stelle ein adäquates Mittel, ließ der Däne durchblicken.

Die Ziele, die sich das dänisch-US-amerikanische Führungs-Duo gesetzt hat, sind ehrgeizig. Bis 2015 will SAP einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro verbuchen. Und damit enden die Träume längst nicht. Erst vor wenigen Tagen sagte McDermott in einem Interview mit dem "Manager Magazin", er sehe langfristig Potenzial, aus dem Softwarekonzern eine 100-Milliarden-Euro-Company zu machen. Szenarien hätten ergeben, dass diese Marke in 20 Jahren zu knacken sei.