IT-Berufsbilder

Wie sich der Job des CIO verändert

19.12.2011 von Dietmar Müller
Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst die Rolle des CIO, heißt es allerorten. Er will neben und nicht unter dem Finanzchef arbeiten. Bekannte Vertreter der Szene haben wir gefragt.
Finanz- und IT-Chefs stehen in direktem Wettbewerb zueinander. Im Moment hat der Finanzchef die Nase vorn.
Foto: gemenacom/Fotolia.com

"Die Rolle des CIO hat sich deutlich verändert über die letzten Jahre", berichtet Günter Weinrauch, früherer Premiere-CIO und seit März Leiter der Systementwicklung sowie designierter Nachfolger des noch amtierenden CIO beim ADAC. "Cloud Computing sehe ich eher als kleineren Anstoß für eine weitere Veränderung." Andere Themen seien viel dringender.

Welche Themen dies sind, macht Andreas Reuter, CIO bei der Senator GmbH & Co KG, Groß-Bieberau, klar: "Der CIO ist in meinem Verständnis der "Hüter der Prozesse", die die Fachabteilungen nutzen. Er hat sie mit seinem Team entworfen, strukturiert und erschaffen und ist folglich auch der Verantwortliche. Das erfordert ein Maximum an Flexibilität, denn es gilt, der Fachabteilung den Prozess so schmackhaft zu machen, als wäre es der eigene."

Unabhängig vom täglichen Brot des CIO, den besagten Unternehmensprozessen, machen sich neue Anforderungen bemerkbar. Übereinstimmend berichten CIOs, dass weder die neuen Endgeräte noch Facebook und schon gar nicht die Cloud an ihnen spurlos vorübergehen. "Die Integration privater Geräte wie iPhone oder iPad ist Realität, ebenso Social Media", stellt etwa Markus Grimm, CIO beim Tankkarten- und Mautspezialisten DKV Euro Service, fest.

Veränderungen unaufgeregt managen

"Social Media wie Facebook stellen für Unternehmen eine neue kostengünstige Werbe- und Imageplattform mit ungeheurem Streufaktor dar", berichtet auch Benedikt Gasch, Consultant System-Management bei der TAP Desktop Solutions GmbH, aus seiner täglichen Praxis. Er gehört einer neuen, jungen Generation von IT-Führungspersonen an, die mit dem Internet aufgewachsen ist.

Der Bezug von Anwendungen über das Netz stellt für ihn fast eine Selbstverständlichkeit dar. Allerdings gibt er zu bedenken: "Cloud Computing nötigt Unternehmen, und hier natürlich besonders die IT-Verantwortlichen, zum Umdenken. Risiken, Flexibilität und Datensicherheit treffen aufeinander. Ebenso müssen SLAs und Schnittstellen genauestens geprüft werden, um spätere Probleme im Vorfeld abzufangen." Auch zum Thema Consumerization hat Gasch seine Meinung. Man sollte nicht von "Bring your own Device", sondern von "Bring your own Apple" sprechen, so seine Erfahrung.

Andreas Strausfeld, Bitmark: "Der CIO musste schon immer flexibel sein, nur die Themen haben sich geändert."

Mit den genannten Veränderungen gehen altgediente IT-Manager jedoch unaufgeregt um. Andreas Strausfeld, technischer Geschäftsführer bei Bitmarck und früherer CIO der DAK, urteilt: "Ich glaube, der CIO musste sich schon immer flexibel zeigen, nur sind heute die Themen andere: Cloud hieß früher "On Demand", Leiharbeitnehmer ist ein anderer Begriff für externe Berater." Selbst Modetrends wie Facebook will er nicht als große Neuerung gelten lassen: "Social Media ist sicher ein Thema, aber dafür gab es früher andere Elemente, mit denen es umzugehen galt, etwa als damals das Web aufkam."

Dem pflichtet Werner Scherer, CIO bei der Döhler AG, bei: "Technische Innovationen muss der CIO immer prüfen - leider trifft man oft auf viel heiße Luft beziehungsweise auf alten Wein in neuen Schläuchen." Social Media oder Cloud könne man nicht wegschieben, nur um ihrer selbst willen dürfe man die neuen Techniken aber nicht in die Unternehmen lassen. Nutzen und Schaden lägen nahe beieinander.

Neue Aufgaben, neue Irritationen - was, außer noch mehr Arbeit, hat der CIO davon? Wird ihm sein unermüdlicher Einsatz gelohnt? Wie verändern die neuen Methoden und Verfahren das Selbst- und Fremdbild des CIO? Um die Herausforderungen der mobilen und sozial vernetzten Welt zu meistern, werden CIOs und Vorstände in Zukunft besondere Führungsqualitäten brauchen, prognostizieren die Analysten von PA Consulting und Harvey Nash. Wird der CIO damit aufgewertet?

Siegerfotos CIO des Jahres 2011
CIO des Jahres 2011
Die Sieger in der Kategorie Großunternehmen (v.l.n.r.): Horst Ellermann (Chefredakteur CIO), Patrick Naef (Emirates), Martin Schallbruch (Innenministerium), Heinz Laber (Unicredit), Heinrich Vaske (Chefredakteur Computerwoche), Peter Leukert (Commerzbank), Stefanie Kemp (Vorwerk), Matthias Moritz (Bayer Healthcare), Edgar Aschenbrenner (Eon), Gerald Höhne (SMA Solar Technology), Michael Beilfuß (Verlagsleiter IDG Business Madia), Markus Bentele (Rheinmetall)
CIO des Jahres 2011
Die Sieger in der Kategorie Mittelstand (v.l.n.r.): Heinrich Vaske (Chefredakteur Computerwoche), Andreas Jahn (Grunwald Kommunikation und Marketingdienstleistungen), Michael Rödel (Bionorica), Björn Brandes (H&D International Group, Niels Diekmann (Bartscher), Carsten Bernhard (Autoscout24), Lars Ludwig (Donner & Reuschel), Horst Ellermann (Chefredakteur CIO), Michael Beilfuß (Verlagsleiter IDG Business Madia), Walter Friedl (Adcuram Group), Andreas Igler (Warner Music Group Central Europe)
CIO des Jahres 2011
Die Sieger des Global Exchange Award für internationale Projekte (v.l.n.r.): Gerald Höhne (SMA Solar Technology), Stefanie Kemp (Vorwerk), Patrick Naef (Emirates), Michael Doersam (Emirates)
CIO des Jahres 2011
Stefanie Kemp (Mitte): Platz 8 in der Kategorie Großunternehmen und 3. Platz beim Global Exchange Award für internationale Projekte.
CIO des Jahres 2011
Gerald Höhne von SMA Solar Technology (Mitte): Platz 5 in der Kategorie Großunternehmen und 2. Platz beim Global Exchange Award für internationale Projekte.
CIO des Jahres 2011
Patrick Naef und Michael Doersam von Emirates (Mitte): Platz 4 in der Kategorie Großunternehmen und 1. Platz beim Global Exchange Award für internationale Projekte.
CIO des Jahres 2011
Michael Rödel von Bionorica (Mitte): Platz 3 in der Kategorie Mittelstand.
CIO des Jahres 2011
Lars Ludwig von Donner & Reuschel (Mitte): Platz 2 in der Kategorie Mittelstand.
CIO des Jahres 2011
Carsten Bernhard von Autoscout24 mit dem Vorjahressieger und Laudator Manuel Fischer von Cetrel (Mitte): Platz 1 in der Kategorie Mittelstand.
CIO des Jahres 2011
Heinz Laber von Unicredit (Mitte): Platz 3 in der Kategorie Großunternehmen.
CIO des Jahres 2011
Matthias Moritz von Bayer Healthcare (Mitte): Platz 2 in der Kategorie Großunternehmen.
CIO des Jahres 2011
Peter Leukert von der Commerzbank zusammen mit dem Vorjahressieger und Laudator Johannes Helbig von Post Brief (Mitte): CIO des Jahres 2011 und Platz 1 in der Kategorie Großunternehmen.

Kampf gegen die Halbstrategen

Heute berichtet der CIO in der Regel an den CFO. Die IT hat bisher eher eine Unterstützungsfunktion wahrgenommen. Oder anders gesagt: Ihr ist diese Rolle vom Business zugeteilt worden. "Die neue Rolle der IT ist eine andere. Dass alle Fachbereiche von immer mehr IT durchdrungen werden, führt zu einer zwingenden Neupositionierung der IT. Die ehemalige Unterstützungsfunktion hat sich zu einer Wertschöpfungsfunktion gewandelt", analysiert der langjährige IT-Chef und heutige Berater Bernd Hilgenberg.

Der erfahrene IT-Manager fährt fort: "Dieser Wandel bedingt auch eine Neupositionierung der IT im Unternehmen. Der CIO wird in den nächsten Jahren von seiner Verbindung zum CFO abrücken und eigenständig für die Belange der IT eintreten." Viele Unternehmen hätten deshalb den CIO schon zum Mitglied der Geschäftsführung gemacht. Dieser Trend werde anhalten.

Dem widerspricht keiner der von uns befragten CIOs, wenngleich ein "Uplift" der eigenen Stellung für manchen noch in die Kategorie Wunschdenken fällt: "Eine Aufwertung erfährt der meist dem CFO untergeordnete CIO erst, wenn er in die gleiche Ebene gehoben wird", konstatiert Reuter nüchtern. Diese "Anhebung" wird allerdings ihre Zeit brauchen, vermutet Weinrauch: "Der CIO wird meistens weiterhin auf der Ebene direkt unter der Geschäftsführung beziehungsweise dem Vorstand, eventuell als Geschäftsführer eines Captive-Service-Providers, agieren."

Markus Grimm, DVK Euro Service: "Die Integration privater Geräte von Social Media ist Unternehmensrealität."
Foto: Grimm,Dr. Markus

Ganz ähnlich nimmt Grimm die Situation wahr: "Ich sehe den CIO zunehmend auf Vorstandsebene, allerdings im Vergleich zu heute in einer nur langsam wachsenden Bedeutung." Auch Werner Scherer erblickt den künftigen CIO "klar auf Level eins, auf keinen Fall unter dem CFO" angesiedelt. Auf den Punkt bringt es Andreas Reuter: "Der CIO ist neben dem CFO und dem CEO der einzige C, der strategisch denken und planen muss. Alle anderen Cs sind operative Denker und Macher. Insofern erwarte ich, dass der CIO zukünftig als dritte Kraft im Board sitzt." Ihm ist aber klar, dass bei diesen Gedankenspielen viel von besagtem Wunschdenken im Spiel ist, "denn gerade COOs und andere "Halbstrategen` werden den Aufstieg zu verhindern wissen".

Die neuen technischen Trends müssen demnach die Rolle des CIO nicht beschädigen. Vielmehr erwarten beziehungsweise erhoffen sich die von uns befragten deutschsprachigen IT-Manager als Lohn für ihre Flexibilität eine Aufwertung ihrer Stellung im Unternehmen. Am besten wäre eine Emanzipation vom CFO, an dessen Gängelband sich mancher IT-Leiter unwohl fühlt. Dazu ist jedoch eine komplett neue Rollenverteilung nötig.

Wird sich die Rolle des CIO aufsplitten?

Die ICT-Management-Beratung Detecon verkündete unlängst, dass sich das Aufgabenspektrum heutiger Chief Information Officers (CIO) bald in die Rollen von Chief Process Officers (CPO) und Chief Technical Officers (CTO) aufspalten wird. IT-Organisationen werden darüber hinaus noch stärker als bisher die Geschäftsstrategien von Unternehmen unterstützen, wobei die Steuerung von Services gegenüber deren Erbringung deutlich an Bedeutung gewinnt.

Auch in diesem Fall wollten wir von hiesigen CIOs wissen, inwieweit sie diese Prognose mitzutragen bereit sind. Das Ergebnis fiel überraschend einmütig aus: Tatsächlich sehen sie den CIO in einer "schizophrenen" Position - zerrissen zwischen den Anforderungen von Prozessmodellierung und Technikbeschaffung. Ob diese Situation aber wirklich in einen Rollensplit mündet oder der CIO die Gespaltenheit vielmehr aushalten lernen muss, ist strittig. "Die Aufgabe der IT-Führung ist mittlerweile mehrschichtig ausgeprägt", so Gasch. "Ein IT-Leiter nimmt eigentlich verschiedenste Rollen ein, sowohl im Strategie-Management als auch im operativen Business. In komplexen und prozess-orientierten Unternehmensstrukturen sehe ich diese Aufgaben verteilt auf verschiedene Personen, die über den Tellerrand der IT schauen und sich interdisziplinär mit Entwickler-, Lohn/Faktur-, Marketing- und anderen Themen auseinandersetzen müssen."

Für Reuter ist ein Split in CPO und CTO "absolut plausibel" und daher unausweichlich. Ähnlich nehmen es Markus Grimm und Werner Scherer wahr. Letzterer sagt: "Einem Split in CPO und CTO stimme ich zu 100 Prozent zu. Ich frage mich aber, ob es sinnvoll ist, die Verantwortungen auch in der Person zu trennen. Tut man das, könnte man Nutzen aus der ständigen "Reibung` zwischen den beiden unterschiedlichen Zielen ziehen."

Genau diese Reibung will allerdings Andreas Strausfeld vermieden wissen: "Ich halte nichts davon, künstliche Trennungen herbeizuführen. Das wäre jedoch eine solche, denn Prozesse und Technik gehören zusammen, wenn man weiterhin Bindeglied zwischen Business und IT sein will."

Günter Weinrauch, ADAC: "Der CIO muss in Zukunft sowohl die Rolle des Chief Process Officer als auch die des Chief Technology Officer ausüben."
Foto: Premiere

Auch ADAC-Mann Weinrauch hat kein großes Interesse an einer zusätzlichen Position in der Führung der IT-Abteilung: "Ich sehe, dass CIOs in Zukunft alle diese Rollen (CPO sowie CTO/d. Red) abdecken müssen, wenn sie nicht marginalisiert werden wollen. Einen Split in diese Einzelfunktionen sehe ich aber nicht, eher eine Ausweitung des Spektrums für den strategisch agierenden CIO."

Zusammenfassend erklärt Hilgenberg: "Ich bin der Auffassung, dass eine Trennung von Prozessen und Technik in den nächsten Jahren nicht erfolgen wird. Diese beiden Themen bedingen sich zu stark." Als unabhängig nebeneinander agierende Funktionen könnten sie einem Unternehmen keine wirklichen Vorteile liefern. Unterhalb des CIO allerdings werde diese Trennung sinnvoll und wertschöpfend für ein Unternehmen sein. Weiter oben könne er sich beide Rollen nicht gut nebeneinander vorstellen.

CPO hat bessere Karten als CTO

Sollte es dennoch zu einem Split der CIO-Rolle kommen - und in einigen Unternehmen wird dies der Fall sein -, dann sollten sich angehende IT-Manager früh positionieren. Denn die Gewichtung ist offenkundig ungleich verteilt.

Werner Scherer: "Bei IT-Innovationen trifft man zu oft auf heiße Luft oder alten Wein in neuen Schläuchen."

Für Scherer etwa stellt sich die Frage nach der größeren Bedeutung von CPO oder CTO erst gar nicht: "Klar hat der CPO eine größere Bedeutung! Und mindestens er gehört ins Board!" Dem pflichtet Grimm bei: "Mehr Gewicht wird definitiv der CPO haben. Der CTO ist der "Techie" und wird dem Business den Mehrwert der IT weniger vermitteln können als der CPO." Man sieht in vielen Unternehmen, dass die Vertreter der IT, hier allen vor-an die Demand-Manager, tiefere Prozesskenntnisse haben als die jeweiligen Fachbereiche. Auch Reuter glaubt den CPO klar im Vorteil, denn "Technik lässt sich extern einkaufen. Prozesse leben dagegen von innen heraus. Jeder, der einmal eine der großen Unternehmensberatungen im Haus hatte, weiß, was ich meine."

Detecon berichtet, dass 84 Prozent der Unternehmen mit einer Demand-Supply-Trennung ihre Kundenorientierung verbessern und 82 Prozent ihre IT-Kosten senken und dabei auch noch die Qualität erhöhen. In Vergleichsgruppen ohne Trennung seien es lediglich 40 beziehungsweise 33 Prozent.

Ein Split der Aufgabenverteilung könnte sich also durchaus als gewinnbringend erweisen. Was zu weiteren Gedankenspielen verführt: Zusätzlich könnten Rollen wie der "Demand-Manager", der "Business-Process- Manager", "Governance-Manager" oder "Supply-Manager" entstehen. Mehr Manager, mehr Umsatz? Dazu Strausfeld trocken: "Wir haben heute schon ganz viel C-Level. Aber mehr ist nicht immer mehr ."